Sonntag, 10. April 2016

Einkommensteuer: Notrufsystem als haushaltsnahe Dienstleistung

Die Klägerin war in einer Wohnung einer Seniorenresidenz im Rahmen des „Betreuten Wohnens“. U.a. zahlte sie eine monatliche Betreuungspauschale, die auch ein 24-stündiges Notrufsystem beinhaltete. Das beklagte Finanzamt lehnte die Anerkennung der Kosten von € 1357,00 für das Notrufsystem als haushaltsnahe Dienstleistung nach § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG ab. Die Klage dagegen hatte Erfolg; die Revision des Finanzamtes wurde vom BFH zurückgewiesen.

Der BFH verweist darauf, dass haushaltsnahe Leistungen solche sind, die eine hinreichende Nähe zur Haushaltsführung haben bzw. mit ihr im Zusammenhang stehen. Dazu gehören Tätigkeiten, die gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts oder entsprechend Beschäftigte verrichtet werden und in regelmäßigen Abständen anfallen. In diesem Sinne wäre das mit der betreuungspauschale abgegoltene Notrufsystem  eine haushaltsnahe Dienstleistung.


Im Streitfall stelle das Notrufsystem für den Fall, dass sich der Bewohner in seiner Wohnung aufhält, sicher, dass eine Rufbereitschaft vorhanden ist. Damit würde die Leistung „in“ einem Haushalt erbracht.

BFH, Urteil vom 03.09.2015 – VI R 18/14 -

Handelsregister: Zur Zulässigkeit einer c/o-Angabe bei der Gesellschaftsanschrift

Die Gesellschaft hatte zu Zeitpunkt der Anmeldung (noch) keine eigenen Geschäftsräume und gab als Gesellschaftsanschrift diejenige ihres Geschäftsführers mit einem entsprechenden c/o-Zusatz an. Das Handelsregister lehnte die Eintragung ab und führte u.a. aus, es könne am Briefkasten ein entsprechender zusätzlicher Vermerk zur Gesellschaft angebracht werden. Die dagegen erhobene Beschwerde hatte Erfolg.

Das OLG vertrat die Auffassung, ein c/--Zusatz sei dann statthaft, wenn er nicht zur Verschleierung der Zustellmöglichkeit diene. Damit sei die Eintragung hier zulässig, da in der Person des Geschäftsführers, dessen Anschrift gewählt wurde, ersichtlich ein zustellungsbevollmächtigter Vertreter der Gesellschaft benannt wurde. Auch könne nicht auf eine zusätzliche Angabe am Briefkasten verwiesen werden, da die Eintragung einer (neuen) inländischen Anschrift in jedem Fall erforderlich wäre.


OLG Hamm, Beschluss vom 13.01.2016 – 27 W 2/16 -

Samstag, 9. April 2016

Anspruch auf Tariflohnerhöhung durch frühere Zahlungen auch gegen den nicht mehr tarifgebundenen Arbeitgeber ?

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Ist der Arbeitgeber Tarifvertragspartei und gehört der Arbeitnehmer auch einer Tarifvertragspartei an, ergibt sich der Anspruch des Arbeitnehmers automatisch aus dem Tarifvertrag, § 3 TVG. Was aber, wenn der Arbeitgeber keiner Tarifvertragspartei angehört. Für ihn gilt der Tarifvertrag nicht. Allerdings werden die Tariferhöhungen des Tarifvertrages häufig von dem nicht (mehr) tarifgebundenen Arbeitgeber auch an alle Arbeitnehmer weitergegeben. Das BAG musste sich nun mit der Frage auseinandersetzen, ob der Arbeitnehmer in einem solchen Fall, dass der Arbeitgeber in der Vergangenheit den Tarifvertrag bei der Entlohnung auch bei Erhöhungen des Tarifvertrages auf die Arbeitnehmer angewandt hat, einen Rechtsanspruch auf Erhöhung des Tariflohnes bei dessen Erhöhung hat.

Das BAG führt aus, dass grundsätzlich die regelmäßige Erhöhung des Entgelts entsprechend der Tarifentwicklung dem Arbeitnehmer lediglich einen Anspruch auf Weiterzahlung des erhöhten Tariflohnes gewährt, nicht aber eine Verpflichtung des Arbeitgebers begründe, auch künftige Anpassungen des Tariflohnes weiterzugeben.  Der tarifgebundene Arbeitgeber, der die Tariferhöhungen an alle Arbeitnehmer (unabhängig von seiner Mitgliedschaft bei einer Tarifvertragspartei) weitergibt, wolle sich erkennbar im Regelfall nicht über die Zeit seiner Tarifgebundenheit hinaus ohne die Möglichkeit der Kündigung des Tarifvertrages oder seines Verbandsaustritts binden.

Etwas anderes könnte sich nur dann angenommen werden, wenn es dafür konkrete Anhaltspunkte gäbe. Vorliegend war im Arbeitsvertrag zwischen dem bei Vertragsschluss noch tarifgebundenen Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer statisch auf den am 31.03.1999 geltenden BAT. Die Bezugnahmeklausel führe nicht zur weiteren Anwendung des BAT nach dem Verbandsaustritt. Ein Vertrauensschutz könne nur gegeben sein, wenn die Bezugnahmeklausel nach dem Verbandsaustritt (und nach der Schulrechtsreform zum 01.01.2002 erneuert worden wäre, was im vorliegenden Rechtsstreit nicht der Fall war. Das BAG weist ausdrücklich darauf hin, dass die geübte Praxis der Erhöhungen entsprechend dem Tarifvertrag in den Jahren nach dem Verbandsautritt des Arbeitgebers selbst keinen Willen des Arbeitgebers darstellen würde, eine unbedingte dynamische Bezugnahme vertraglich zu vereinbaren.


BAG, Urteil vom 24.02.2016 – 4 AZR 990/13

Mittwoch, 6. April 2016

Mietrecht: Was ist in Bezug auf Betriebskosten im Mietvertrag mitzuteilen ?

Der vom BGH entschiedene Ausgangsfall ist einfach gelagert. In dem Formularmietvertrag über Wohnraum, abgeschlossen am 27.04.2007, war geregelt worden, dass der Mieter „Vorauszahlungen auf die übrigen Betriebskosten gemäß Anlage 3 zu § 27 Abs. 2 der Zweiten Berechnungsverordnung in der jeweils geltenden Fassung“ zu zahlen habe. Das Landgericht hielt die Regelung nicht für hinreichend bestimmt. Das sah der BGH anders.

Der BGH verdeutlicht, dass es für die Umlagefähigkeit von Betriebskosten nicht darauf ankommt, dass diese in einem (Formular-) Vertrag enumerativ aufgezählt werden. Ausreichend sei die (auch formularmäßige) Vereinbarung, dass der Mieter die Betriebskosten zu tragen habe. Der Vertrag sei nach seinem objektiven Inhalt so auszulegen, wie es ein verständiger und redlicher Vertragspartner versteht.  Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Betriebskosten seit Jahrzenten durch Rechtsverordnung (und später auch Gesetz) definiert würden. Dies ergäbe sich aus der am 01.11.1957 in Kraft getretenen Zweiten Berechnungsverordnung und seit dem 01.01.2007 aus § 556 Abs. 1 Satz 2 BGB selbst, der auf die Aufstellung der Betriebskostenverordnung  vom 25.11.2003 verweist (die die Anlage 3 zu § 37 Zweite Berechnungsverordnung ablöste). Damit sei ohne weiteres bei der Vereinbarung von Betriebskosten zu verstehen, dass es sich hier um die Kosten handelt, die jetzt in § 556 Abs. 1 Satz 2 BGB und in dem auf Grund der darin enthaltenen Ermächtigungen erlassenen Betriebskostenkatalog der Betriebskostenverordnung enthalten sind.

Dies verstößt nach Auffassung des BGH auch nicht gegen das Transparenzgebot. Anderes könnte sich im (hier nicht vorliegenden) Einzelfall nur dann ergeben, wenn aus dem weiteren Inhalt des Mietvertrages unklar würde, ob nur einzelne der umlegbaren Betriebskosten gemeint sind oder alle. Jedenfalls wäre der Vermieter nicht verpflichtet, den Mieter im Einzelnen aufzuklären, was unter die umlegbaren Betriebskosten fällt.

Der Umstand, dass hier im Mietvertrag auf die Zweite Berechnungsverordnung verwiesen wurde, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages nicht mehr galt, sei unschädlich. Es ergäbe sich daraus nicht, dass etwas anders gemeint sein könnte als die Abwälzung sämtlicher umlegbarer Betriebskosten, zumal vorliegend auf die „jeweils geltende Fassung“ verwiesen wurde. Es handele sich hier bei der Angabe der Zweiten Berechnungsverordnung anstelle der Betriebskostenverordnung resp. § 556 Abs. 1 Satz 2 BGB um eine unschädliche Falschbezeichnung.


BGH, Urteil vom 10.02.2016 – VIII ZR 137/15 -

Dienstag, 5. April 2016

Automatisch Generierte E-Mail mit Werbung ist unzulässig

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Es ist zwar schön zu wissen, dass seine Mail beim Empfänger angekommen ist, worauf häufig durch automatisch geneierte E-Mails des Empfängers hingewiesen wird. Doch der Empfänger nutzt diese Gelegenheit auch gerne um für sich zu werben oder ein Produkt zu werben. Diese Werbeplattform darf allerdings nach dem Urteil des BGH grundsätzlich nicht genutzt werden.

Die beklagte Versicherung hatte mit ihrer automatisch generierten Antwortmail u.a. bestimmte Apps beworben. Der Kläger verlangte die Verurteilung der Beklagten auf Unterlassung, mit ihm zum Zwecke der Werbung ohne sein Einverständnis E-Mail-Kontakt wie mit der automatisch generierten Mail mit Werbeanhang geschehen, aufzunehmen. Das Amtsgericht hatte der Klage stattgegeben; auf die Berufung hin änderte das Landgericht das Urteil ab und wies die Klage ab. Mit der zugelassenen Revision verfolgte der Kläger sein Ziel weiter; die Berufung führte zur Wiederherstellung der Entscheidung des Amtsgerichts.

Der BGH erkennt einen Unterlassungsanspruch nach §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB an. Es sieht in den mit Werbung versehenen Mails der beklagten Versicherung einen rechtswidrigen Eingriff in das  allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers. Dieses gäbe dem Betroffenen das Recht, im privaten Bereich in Ruhe gelassen zu werden (BGHZ 131, 332, 337). Damit könne er seine Privatsphäre von unerwünschten Einflussnahmen anderer freihalten und darüber entscheiden mit wem er in welchem Umfang Kontakt aufnehmen will. Eine bloße, nicht ehrverletzende Kontaktaufnahme durch einen Dritten würde aber nur dann das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigen, wenn dies gegen den eindeutigen Willen des Betroffenen erfolge, da ansonsten die kommunikative Freiheit beeinträchtigt wäre (BGH VersR 2011,544).

Eine solche Entscheidung des Betroffenen ergäbe sich bei Werbeeinwürfen in den Hausbriefkasten durch einen dies untersagenden Aufkleber. Nach Art. 13 Abs. 1 der Datenschutzrichtlinie gehöre das elektronische Postfach mit zur Privatsphäre. Danach ist die die Nutzung des Postfachs nur bei vorheriger Einwilligung des Inhabers für eine Direktwerbung zulässig.

Werbung in diesem Sinne wären alle produktfördernden Maßnahmen. Mit den Hinweisen auf kostenlose Apps bewerbe die Beklagte ihre Produkte. Zwar sei die Eingangsbestätigung selbst keine Werbemaßnahme, was aber nicht zur Folge habe, dass die dort enthaltene Werbung keine (Direkt-) Werbung darstellen könne. Durch die zulässige Nutzung des elektronischen Postfachs des Klägers für die Bestätigungsmail würde die Nutzung nicht insgesamt zulässig.

Der Verstoß der Beklagten sei auch rechtswidrig. Eine Interessensabwägung ergäbe, dass das Interesse des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit aus Art. 1 Abs. 2, 2 Abs. 1 GG, 8 Abs. 1 EMRK höher wiege als das Interesse der Beklagten ihren Mails werbende Zusätze hinzuzufügen.


BGH, Urteil vom 15.12.2015 – VI ZR 134/15 -

Freitag, 1. April 2016

Anwaltsrecht: Übernahme der Verantwortung für Schriftsätze – Welche Unterzeichnung ist erforderlich ?

Gerne wird aus formalen Gründen ein Schriftsatz (hier eine Revisionsbegründung in einer Strafsache) als unzulässig angesehen.  Entscheidend ist, dass der Unterzeichner des Schriftsatzes sich den Inhalt zu eigen macht und für diesen nach eigener Prüfung die Verantwortung übernimmt.

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In dem dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Entscheidung vorgelegten Fall hatte ein Anwalt, der mit dem Sachbearbeiter in einer Bürogemeinschaft zusammenarbeitete, dessen Revisionsbegründung mit den Zusätzen „i.V.“ (in Vertretung) und „ „für den nach Diktat verreisten Rechtsanwalt …“ unterzeichnet. Die Revision wurde verworfen. Mit den Zusätzen habe der Unterzeichner deutlich gemacht, dass er die Revisionsschrift nicht geprüft und nicht die Verantwortung übernommen habe.

Das sah das BVerfG anders. Alleine der Umstand, der der Unterzeichner vorher nicht tätig wurde, rechtfertige nicht die Annahme, dass er sich nicht mit der Angelegenheit auseinandergesetzt habe. Die Verantwortungsübernahme hänge nicht damit zusammen, wer den Schriftsatz entworfen hat. Mit der Unterzeichnung sei vielmehr davon auszugehen, dass sich der Unterzeichner den Inhalt zu eigen gemacht habe und damit auch die Verantwortung für dessen Inhalt übernehme. Anderes könne nur gelten, wenn in dem Schriftsatz selbst Distanzierungen  enthalten wären.

Der Zusatz „i.V.“ stünde dem nicht im Wege, wie dies eventuell der Zusatz „im Auftrag“ nahelegen könne. Ebenso sei der Zusatz, dass der Sachbearbeiter „nach Diktat verreist“ ist, nicht der Eigenübernahme entgegen.  Dies würde letztlich nur dafür sprechen, dass der Verfasser bei Unterzeichnung nicht anwesend war, nicht aber, dass der Unterzeichner nicht selbst geprüft und den Inhalt als eigenen übernommen hat.


BVerfG, Beschluss vom 07.12.2015 – 2 BvR 767/15 -

Keine Amtshaftung bei Verzögerung der Kostenfestsetzung durch das Gericht ?

Die Klägerin (Beklagte des Ursprungsverfahrens) machte vor dem LG Frankenthal Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB iVm. Art. 34 GG geltend. Streitgegenständlich waren von ihr zu zahlende Zinsen im Zusammenhang mit Kostenfestsetzungsbeschlüssen aus dem Ursprungsverfahren, da sich das für dieses Verfahren zuständige AG Speyer mit der Festsetzung zwei Jahre Zeit ließ. Die Klage wurde abgewiesen, die Berufung nicht zugelassen.
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In dem Ursprungsverfahren vor dem AG Speyer hatte die dort obsiegende Partei mit Eingang am 24.04.2013 bei dem Amtsgericht einen Kostenfestsetzungsantrag gestellt. Hierüber wurde die Klägerin des Amtshaftungsprozesses als unterlegene Partei des Ursprungsverfahrens erst zusammen mit der Überlassung des erst am 30.04.2015 erlassenen Kostenfestsetzungsbeschlusses informiert. Entsprechendes gilt für den weiteren Kostenfestsetzungsantrag der obsiegenden Partei, der am 26.11.2013 bei dem Amtsgericht einging und erst zusammen mit dem am 02.09.2015 verkündeten Kostenfestsetzungsbeschluss durch das Amtsgericht entschieden wurde.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da nach seiner Auffassung eine Amtspflichtverletzung gegenüber der Klägerin als unterlegener Partei des Ursprungsverfahrens nicht vorläge. Der zuständige Beamte habe zwar die Amtspflicht zu einer zügigen Bearbeitung; dies ergäbe sich aus dem Justizgewährungsanspruch des  Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG. Allerdings bestehe dies Amtspflicht lediglich gegenüber dem Antragssteller und nicht dem Antragsgegner (hier die Klägerin des Amtshaftungsprozesses) als Kostenschuldner. Außerdem, so das Landgericht, habe auch die Klägerin in dem Ursprungsverfahren keine Anstrengungen unternommen um sich nach einem etwaigen Bearbeitungsstand eines zu erwartenden Kostenfestsetzungsverfahrens zu erkundigen.

Anmerkung:   Die dogmatische Begründung des Landgerichts lässt eher auf einen Versuch einer krampfhaften Verhinderung von Amtspflichtansprüchen im Zusammenhang mit zeitlich begründeten Umständen schließen, als auf einer rechtlich verantwortlichen Aufbereitung.

Dies fängt bereits an mit der Frage, wem gegenüber die Amtspflicht zur gebotenen Beschleunigung (die auch vom Landgericht erkannt wurde) obliegt. Hier negiert das Landgericht eine Amtspflicht gegenüber dem Kostenschuldner. Begründet wird vom Landgericht lediglich damit, dass Sinn der Verfahrensgestaltung des Kostenfestsetzungsverfahrens die zügige Schaffung eines vollstreckungsfähigen Titels für den Kostengläubiger, die die Verkürzung einer Zinszahlungspflicht für den Kostenschuldner wäre. Diese Auffassung des Landgerichts erschließt sich allerdings nicht aus den rechtlichen Grundlagen, auch nicht jenen, auf die sich das Landgericht selbst bezieht.  Im Gegenteil. Das Landgericht hat im Hinblick auf die allgemeine Amtspflicht zur Verfahrensbeschleunigung Bezug genommen auf einen Aufsatz von Remus (in NJW 2012, 1403ff). In diesem Aufsatz hat sich Remus mit der Amtshaftung des Richters bei verzögerter Amtstätigkeit vor und nach Einführung der §§ 198ff GVG auseinandergesetzt, ohne allerdings die entsprechende Differenzierung zwischen Kläger/Antragsteller und Beklagter/Antragsgegner vorzunehmen. Grundlage ist, worauf auch Remus (aaO.) verweist, Art 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK:

„Jede Person hat ein Recht darauf, daß über Streitigkeiten in bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.

„Jede Person“ bedeutet, eine Differenzierung zwischen dem Interesse eines Klägers(Antragstellers und dem Beklagten/Antragsgegner hat zu unterbleiben. Damit ist auch die Amtspflicht nach § 839 BGB iS. der Konvention auszulegen. Dies hat das Landgericht verkannt. Vergleicht man zudem auch die §§ 198ff GVG, die 2011 eingeführt wurden, verdeutlicht sich, dass auch nach der gesetzgeberischen Intention bei der Verzögerung für einen Schadensersatzanspruch in Übereinstimmung mit Art. 6 EMRK nicht auf die Parteistellung abgestellt wird.

Offenbar hatte das Landgericht bei seiner Entscheidung in Bezug auf den Begünstigten einer Amtspflicht selbst Bedenken und hat dann  - mit einem kurzen Nachsatz -  ein Eigenverschulden der Klägerin darin gesehen, dass diese es unterließ, auf den Stand eines „zu erwartenden“ Kostenfestsetzungsantrag zu erkundigen. Damit gibt das Landgericht den Parteien eines Rechtstreites weiterhin eine Überprüfung von Aktenständen qua Anfragen bei Gericht auf.

Schon nicht ersichtlich ist allerdings, weshalb eine Partei sich im Falle ihres Unterliegens nach einem möglichen Eingang eines Kostenfestsetzungsantrag erkundigen sollte, kann sie doch an sich davon ausgehen, dass die /Gerichts-) Verwaltung korrekt und gesetzesmäßig arbeitet, also über mögliche Anträge informiert. Und: In welchen Abständen soll dies widerholt  werden ? Die Kostenentscheidung in einem Urteil verjährt erst nach 30 Jahren; innerhalb dieser Frist kann mithin der Kostenfestsetzungsantrag gestellt werden. Sieht eine Partei  - aus welchen Gründen auch immer -  von einer Antragstellung ab, müsste nach dieser Entscheidung des Landgerichts die unterlegene Partei gleichwohl regelmäßig (monatlich ?) nachfragen. Dass dies zu einem erheblichen Mehraufwand, sowohl bei der betroffenen Partei (und deren Prozessbevollmächtigten) als auch bei Gericht führt (wobei die Anfragen in Ansehung von zu erwartenden Nichtbeantwortungen letztlich wohl gar noch durch Dienstaufsichtsbeschwerden unterlegt werden müssten) dürfte ohne weiteres auf der Hand liegen. Allerdings ist auch nicht einsichtig, dass bei Unkenntnis eine Anfrage zur Absicherung erfolgen müsste; etwas anders wäre nur der Fall, wenn ein Antrag bekannt ist und eine Verbescheidung ausbleibt; in diesem Fall wird man eine Anfrage (oder Rüge iSv. § 198 GVG) wohl erwarten dürfen.

Das Landgericht hatte (leider) ein Rechtsmittel gegen seine Entscheidung nicht zugelassen, weshalb hier eine obergerichtliche Überprüfung nicht ermöglicht wurde. Die Konsequenz wird wohl sein, dass tatsächlich zeitnah (und wiederholend) Anfragen zu möglichen Kostenfestsetzungsanträgen gestellt werden müssen (zur Freude des Anwalts und der Rechtspfleger). 

LG Frankenthal, Urteil vom 24.02.2016 - 3 O 395/15 -