Mit seinem Urteil vom 15.08.2018 - VI ZR 233/17 - hatte der BGH entschieden, dass die permanente und anlasslose Aufzeichnung des Verkehrsgeschehens mit datenschutzrechtlichen Regelungen nicht vereinbar sei. Die Nutzung von Dashcam-Aufzeichnungen, die ein Unfallbeteiligter vom Unfallgesehen gefertigt habe, sei in einem Unfallhaftpflichtprozess gleichwohl verwertbar. Daran anknüpfend entschied das AG Lörrach einen Fall, bei dem mittels einer aufgestellten Wildkamera festgestellt werden sollte, wer ein Fahrzeug durch Beibringung von Kratzern schädigt.
Der Beklagte ist Eigentümer, der Kläger und der Drittwiderbeklagte sind Mieter einer Immobilie, in der neben den benannten auch die Eltern des Klägers und des Beklagten wohnen. Am Fahrzeug des auf dem Grundstück abgestellten Fahrzeugs des Klägers (dessen Eigentum vom Beklagten bestritten wurde) kam es im Zeitraum Oktober und November 2020 zu immer neuen Kratzern an dem Fahrzeug, weshalb der Drittwiderbeklagte am 26.11.2020 (im Einvernehmen mit dem Kläger), nachdem zuletzt neue Kratzer am 20.11.2020 festgestellt wurden, eine Wildkamera aufstellte, die das Fahrzeug und den Hauseingang filmte. Diese nahm nur auf, wenn der Bewegungssensor derselben Bewegungen feststellte. Am 30.11.2020 ist der Beklagte sichtbar, wie er sich - mit einem Schlüssel – am Heck des Fahrzeugs befindet. Den Schaden durch Kratzer verlangte der Kläger vom Beklagten; die Kratzer habe der Beklagte mit einem spitzen Gegenstand, wie einem Schlüssel, hineingeritzt. Der Beklagte bestritt dies; er habe sich das Fahrzeug nur auf Wunsch seiner Mutter angesehen; zudem sei das Video der Wildkamera unverwertbar. Drittwiderklagend beantragte er festzustellen, dass der Drittwiderbeklagte keine Schadensersatzansprüche gegen ihn im Zusammenhang mit der Schädigung habe. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht (AG) wurde das sich in der beigezogenen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte befindliche Video angesehen.
Das AG stellte zunächst fest, dass der Kläger Eigentümer des Fahrzeugs sei (was bestritten war). Mangels Eigentums hätte ansonsten seine Klage abgewiesen werden müssen. Das AG kam aufgrund der Videoaufzeichnung zu dem Ergebnis, dass der Schaden vom Beklagten verursacht wurde. Damit stellte sich die Frage der Verwertbarkeit der Aufzeichnung.
Dahingestellt ließ das AG, ob die Aufnahmen rechtmäßig waren. Es spräche allerdings vieles dafür, dass sie nach Art. 6 Datenschutzverordnung (DSGVO) unrechtmäßig erfolgten, wobei insbesondere zu berücksichtigen sei, dass die Aufnahmen auf dem Grundstück des Beklagten erfolgten und dieser mithin ohne Kenntnis in seinem privaten Bereich gefilmt wurde. Allerdings würden auch rechtswidrig erlangte Aufnahme nicht zwingend zu einem Beweisverwertungsverbot führen. Das Interesse des Klägers an der Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche, verankert im Grundgesetz mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 GG iVm. dem Interesse an einer funktionierenden Zivilrechtspflege und einer materiell richtigen Entscheidung auf der einen Seite, sei mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Beklagten aus Art. 2 Abs. 1 GG iVm. Art, 1 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Recht auf informelle Selbstbestimmung und ggf. als Recht am eigenen Bild, soweit er auf einer Aufnahme erkennbar sei, abzuwägen (BGH, Urteil vom 15.05.2018 – VI ZR 233/17 -). Nach Maßgabe einer abgestuften Schutzwürdigkeit, in denen sich die Persönlichkeit verwirkliche, würden die sogen. sensitiven Daten (zugeordnet der Intim- und Geheimsphäre) besonderen Schutz genießen. Geschützt sei aber auch das Recht auf Selbstbestimmung bei der Offenbarung persönlicher Lebenssachverhalte, die lediglich zur Sozial- und Privatsphäre gehören würden.
Da die Kamera auf dem eigenen Grundstück des Beklagten aufgestellt gewesen sei und auch der Eingangsbereich des Hauses (und damit das Rein- und Rausgehen des Beklagten) zu sehen sei, sei ein sensibler Bereich betroffen. Man könne davon ausgehen, dass das eigene Grundstück ein geschützter Bereich sei, auf dem auch keine ungenehmigten Videoaufzeichnungen gefertigt werden dürfen. Zu berücksichtigen sei aber dass nur ein kleiner Bereich gefilmt worden sei und im Vordergrund das Fahrzeug zu sehen sei. Auch würde nur ein Teil gefilmt, bei dem man idR. nur kurz durchlaufen würde und keine besondere die Persönlichkeit entfaltende Tätigkeit vornehme. Damit sei die Privatsphäre des Beklagten hier nur in einem untergeordneten Maße betroffen gewesen.
Auf der anderen Seite sei der Kläger in schwerer Beweisnot gewesen. Er hatte in einem kurzen Zeitraum mehrere Beschädigungen an seinem Fahrzeug entdeckt und habe mit weiteren zu rechnen gehabt. Für ihn sei auch nicht auszuschließen gewesen, dass der Beklagte der Täter war (was hier vom AG nicht weiter ausgeführt wurde). Es sei bei dem Kläger das Rechtsgut Eigentum durch Sachbeschädigung betroffen, was als gewichtig anzusehen sei. Er und der Drittwiderbeklagte seien eingriffsschonend vorgegangen; so sei nur eine Wildkamera mit Bewegungssensor aufgestellt worden. Diese sie am 26.11. aufgestellt worden und am 30.11.2022 hätten sich der Kläger und der Drittwiderbeklagte mit dieser Aufnahme begnügt. Es sei ihnen also nur um die Beweissicherung der erfolgten Beschädigung gegangen.
Einer Verwertung der Aufzeichnung stünde nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beklagten entgegen. Die Privatsphäre des Beklagten sei nicht stark betroffen. Demgegenüber sei die Beweisnot des Klägers als hoch anzusehen. Der Umstand, dass auch Dritte von den Aufnahmen betroffen sein könnten, ändere an der Abwägung nichts. Ihrem Schutz sei durch die Regelungen des Datenschutzes selbst auch Rechnung getragen (BGH aaO.). Für den Kläger spreche dessen Interesse an der materiellen Wahrheit im Zivilprozess. Das Recht am eigenen Bild des Beklagten ändere auch nichts an der Abwägung, da ein Verbreiten nach § 22 KunstUrhG nicht beabsichtigt gewesen sei und auch nicht stattgefunden habe.
Der Beklagte könne sich auch nicht auf das einen ähnlichen Sachverhalt betreffende Urteil des OLG Karlsruhe vom 08.11.2001 – 12 U 180/21 – berufen, da diese vor dem Urteil des BGH zur Dashcam (aaO.). berufen- Das OLG habe auf das Interesse unbeteiligter Dritter abgestellt, was aber nach der BGH-Entscheidung nicht mehr stark zu gewichten sei. Bei dem beklagtenseits benannten Urteil des OLG Köln vom 05.07.2005 – 24 U 12/05 – sei es um Aufzeichnungen in einer Waschküche, und damit einem sensiblen Bereich gegangen, wie er hier nicht vorgelegen habe. Ebenso wenig greife das Urteil des LG Mühlhausen vom 12.05.2020 – 6 O 486/18 – zugunsten des Beklagten, da es sich dort um anlasslose Aufnahmen gehandelt habe, demgegenüber hier die kurzzeitigen Aufnahmen unter schwerer Beweisnot des Klägers bei zu befürchtenden weiteren Schädigungen erfolgt seien.
Der Klage wurde stattgegeben, der Drittwiderklage wurde stattgegeben (darauf wurde oben nicht näher eingegangen).
AG Lörrach, Urteil vom 27.02.2023
- 3 C 111/22 -
Aus den Gründen:
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den
Kläger 1.386,02 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit 05.08.2021 zu zahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an den
Kläger 201,71 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit 05.08.2021 zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass der
Drittwiderbeklagten gegen den Beklagten/Widerkläger keine Ansprüche auf
Schadensersatz und Ersatz von Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mit der einer
Beschädigung des PKW Toyota, amtliches Kennzeichen (…) am 30.11.2020 zustehen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits hinsichtlich der Gerichtskosten trägt der Beklagte 22 Prozent und die Drittwiderbeklagte 78 Prozent. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Drittwiderbeklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 78 Prozent. Im Übrigen findet keine Kostenerstattung statt.
5. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Das Urteil ist für den Beklagten vorläufig vollstreckbar. Die Drittwiderbeklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 6.265,78 € festgesetzt.
Der Wert der
Klage beträgt 1.386,02 €. Der Wert der Widerklage beträgt grundsätzlich die
volle Forderung des berühmten Anspruchs (Thomas/Putzo, 34 Aufl., ZPO § 3
Rn. 65), aber von den 6.265,78 € ist der Klagebetrag abzuziehen, da diese
Gegenstände identisch sind. Mithin ist der Wert der Widerklage 4.879,76 €.
Klage und Widerklage werden beim Streitwert zusammengezählt (§ 45 GKG),
was 6.265,78 € ergibt.
Tatbestand
Die Parteien
streiten um Schadensersatz aufgrund der Beschädigung eines Autos.
Die Parteien
wohnen in derselben Immobilie, in welcher noch die Eltern des Klägers und
Beklagten wohnen. Der Beklagte ist Eigentümer, der Kläger und die
Drittwiderbeklagte sind Mieter. Auf dem Grundstück steht in der Regel ein Auto
(Toyota mit dem amtlichen Kennzeichen …), welches im Zeitraum Oktober bis
November 2020 vermehrt Kratzer aufwies. Die Drittwiderbeklagte stellte jeweils
neue Kratzer fest am 17.10.2020; 23.10.2020; 31.10.2020; 04.11.2020;
06.11.2020; 09.11.2020; 20.11.2020; 30.11.2020. Am 26.11.2020 stellte die
Drittwiderbeklagte eine Wildkamera auf, die das Auto von hinten filmte und auch
den Eingangsbereich des Hauses. Diese nahm nur auf, wenn es mit dem
Bewegungssensor Bewegungen feststellte. Auf einem Video am 30.11.2020 ist der
Beklagte sichtbar, wie er sich am Heck des Autos befindet. Der Schaden betrug
am Heck 1.386,02 €. Mit Schreiben vom 20.07.2021 wurden die Kosten für die
Reparatur Heckklappe von dem Beklagten gefordert.
Der Kläger
trägt vor, dass er Eigentümer des Autos sei. Die Kratzer habe der Beklagte mit
einem spitzen Gegenstand, wie einem Schlüssel, hineingeritzt.
Der Kläger beantragt,
1. Der Beklagte wird verurteilt an den Kläger 1.386,02 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit 05.08.2021 zu bezahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 201,71 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten seit dem 05.08.2021 zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte
trägt vor, dass er das Auto nicht beschädigt habe, sondern am 30.11.2020 nur
besichtigt habe. Am 29.11.2020 habe ihn seine Mutter zur Besichtigung
aufgefordert. Er ist der Meinung, dass das Video der Wildkamera unverwertbar
sei.
Vor dem
gerichtlichen Verfahren machten der Kläger und die Drittwiderbeklagte die
Schadensersatzforderung gegenüber dem Beklagten außergerichtlich geltend. Dabei
wurde ein Betrag in Höhe von 6.265,78 € geltend gemacht. Dies geschah noch im
Jahr 2020.
Der Beklagte beantragt widerklagend:
Es wird festgestellt, dass der Drittwiderbeklagten gegen den Beklagten/Widerkläger keine Ansprüche auf Schadensersatz und Ersatz von Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mit der einer Beschädigung des PKW Toyota, amtl. Kennzeichen: …, am 30.11.2020 zustehen.
Die Drittwiderbeklagte beantragt,
die Drittwiderklage abzuweisen.
Am 27.02.2023
fand mündliche Hauptverhandlung statt. Auf das Protokoll wird verwiesen. Dabei
wurde das Video der Wildkamera aus der Beiakte der Staatsanwaltschaft Freiburg
- Zweigstelle Lörrach (Az.: …) in Augenschein genommen. Außerdem wurden die
Lichtbilder der Aktenseiten 75 und 77 dieser Beiakte in Augenschein genommen.
Entscheidungsgründe
Sowohl die
Klage als auch die Drittwiderklage sind zulässig und begründet.
A) Die
zulässige Klage ist begründet.
Das Auto des
Klägers (I) wurde beschädigt. Die Beschädigung führte der Beklagte aus (II),
weshalb dieser nach § 823 Abs. 1 BGB für den Schaden in Höhe von
1.386,02 € und der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten (201,71 €) haftet
(III). Außerdem ist der Anspruch auf Verzinsung begründet (IV).
I) Das
Auto ist im Eigentum des Klägers. Die Zulassungsbescheinigung ist auf ihn
ausgestellt und die Bestellung des Autos erfolgt durch ihn. Damit wurde das
Auto an ihn übereignet und es wurde nicht vorgetragen, dass seit dem eine
weitere Übereignung an eine andere Person stattgefunden hat.
II) Der
Beklagte zerkratzte das Heck des Autos am 30.11.2020.
1) Dies
ergibt sich aus dem in Augenschein genommenen Video. Dieses zeigt unstreitig
den Beklagten. Außerdem hantierte er genau in dem Bereich an dem Auto mit einem
Gegenstand, was wie ein Schlüsselanhänger aussieht, in dem später eine
deutliche Kratzspur zu sehen war. Die Behauptung des Beklagten, dass er nur das
Auto angeschaut habe, ist damit widerlegt.
Zu der Frage,
ob der Beklagte am 29.11.2020 von seiner Mutter zur Besichtigung des Autos
aufgefordert wurde, war nicht Beweis zu erheben. Diese Tatsache ist nicht
relevant, weil entscheidend ist, was der Beklagte am 30.11.2020 am Auto gemacht
hat.
2) Die
Inaugenscheinnahme des Videos ist verwertbar. Es kann dahinstehen bleiben, ob
die Aufnahmen rechtmäßig erfolgt sind. Es spricht einiges dafür, dass die
Aufnahmen unrechtmäßig nach Art. 6 EU-DSGVO erfolgt sind. Bezüglich
Art. 6 Abs. 1 Uabs. 1 lit. f) EU-DSGVO ist schwerwiegend zu
berücksichtigen, dass die Aufnahmen auf dem Grundstück des Beklagten erfolgt
sind und dieser somit ohne Kenntnis in seinem privaten Bereich gefilmt worden
ist. Rechtswidrig erlangte Aufnahmen unterliegen aber nicht zwingend einem
Beweisverwertungsverbot. Die Verwertbarkeit richtet sich nach einer umfassenden
Interessenabwägung. Auf der einen Seite stehen das Interesse des Beweisführers
an der Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche, sein im Grundgesetz
verankerter Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG
in Verbindung mit dem Interesse an einer funktionierenden Zivilrechtspflege und
an einer materiell richtigen Entscheidung nach freier Beweiswürdigung. Auf der
anderen Seite steht das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beweisgegners aus
Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung
als Recht auf informationelle Selbstbestimmung und ggf. als Recht am eigenen
Bild, sofern er auf der Aufnahme für Dritte erkennbar ist. (BGHZ 218, 348) Das
allgemeine Persönlichkeitsrecht ist dabei als Rahmenrecht zu verstehen, dessen
Reichweite nicht absolut feststeht. Nach Maßgabe einer abgestuften
Schutzwürdigkeit wurden bestimmte Sphären herausgearbeitet, in denen sich die
Persönlichkeit verwirklicht. Danach genießen besonders hohen Schutz die
sogenannten sensitiven Daten, die der Intim- und Geheimsphäre zuzuordnen sind.
Geschützt ist aber auch das Recht auf Selbstbestimmung bei der Offenbarung von
persönlichen Lebenssachverhalten, die lediglich zur Sozial- und Privatsphäre
gehören.
a) Der
Beklagte wurde auf seinem eigenen Grundstück gefilmt und auf dem Ausschnitt war
auch der Eingangsbereich seines Hauses zu sehen. Es konnte also beispielsweise
gesehen werden, wann der Beklagte ein und ausgeht. Dies betrifft ihn in einem
durchaus sensiblen Bereich. Man darf durchaus davon ausgehen, dass das eigene
Grundstück ein geschützter Bereich ist, von dem sich Dritte fernhalten und wo
auch keine ungenehmigten Videoaufnahmen gefertigt werden. Der Beklagte hat das
Recht selbst zu entscheiden welche Lebenssachverhalte er offenbart und damit
welche persönlichen Daten er preisgibt. Dieses Recht endet auch nicht mit dem
Verlassen des Hauses. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass nur ein kleiner
Teil des Grundstücks gefilmt wurde und im Vordergrund das große Auto zu sehen
ist. Außerdem wird nur ein Teil gefilmt, bei dem man in der Regel nur kurz
durchläuft und keine besondere die Persönlichkeit entfaltende Tätigkeit
vornimmt. Soweit die Privatsphäre betroffen ist, ist diese in einem untergeordneten
Maße betroffen.
b) Der
Kläger war in schwerer Beweisnot. Er hat über einen kurzen Zeitraum mehrere
Beschädigungen seines Autos entdeckt und musste mit weiteren Beschädigungen
rechnen. Für ihn war auch nicht auszuschließen, dass der Beklagte die
Beschädigungen verursacht hat. Beim Kläger war das Rechtsgut des Eigentums
wegen Sachbeschädigung betroffen, was als nicht sehr gewichtig anzusehen ist.
Der Kläger und die Drittwiderbeklagte sind bewusst eingriffsschonend
vorgegangen. So wurde nur eine Wildkamera aufgestellt, die einen
Bewegungsmelder hatte. Außerdem wurde diese am 26.11.2020 aufgestellt und am
30.11.2020 begnügten sie sich mit der gewonnenen Aufnahme. Es ging ihnen als
nur um die Beweissicherung der erfolgten Beschädigung.
c) Die
Verwertung der Videoaufnahme verletzt den Beklagten nicht in seinem allgemeinen
Persönlichkeitsrecht. Soweit der Beklagte in seiner Privatsphäre betroffen ist,
ist diese nicht besonders stark betroffen. Die Beweisnot des Klägers war
dagegen hoch. Dass auch Dritte von den Aufnahmen betroffen sein konnten, ändert
an der Abwägung nichts. Ihrem Schutz ist vor allem durch die Regelungen des
Datenschutzrechts selbst Rechnung zu tragen (BGHZ 218, 348). Allgemein wiegt
für den Kläger auch das Interesse an der Findung der materiellen Wahrheit im
Zivilprozess. Auch das Recht am eigenen Bild des Beklagten ändert nichts an
dieser Abwägung, weil ein Verbreiten nach § 22 KUG nicht beabsichtigt war
und nicht stattfand.
d) Auch
die bisherige ergangene Rechtsprechung führt zu keinem anderen Ergebnis. Das
Urteil des OLG Karlsruhe ist vom Sachverhalt durchaus vergleichbar (OLG
Karlsruhe, Urteil vom 8. November 2001 – 12 U 180/01 –, juris). Diese
Entscheidung fiel aber weit vor der Entscheidung des BGH zu den Dash-Cams (BGHZ
218, 348). So stellt das OLG Karlsruhe noch maßgeblich auf die Interessen
unbeteiligter Dritter ab, was so nach der BGH-Rechtsprechung nicht mehr stark
zu gewichten ist. Das Urteil des OLG Köln ist dagegen nicht vergleichbar, da
die Waschküche ein viel sensibler Bereich ist (OLG Köln, Urteil vom 5. Juli
2005 – 24 U 12/05 –, juris). Auch die Erwägungen des aus dem Urteil LG
Mühlhausen, Urteil vom 12. Mai 2020 – 6 O 486/18 –, juris sind nicht auf diesen
Fall übertragbar. Es handelte sich nicht um anlasslose Aufnahmen, sondern um
kurzzeitige Aufnahmen unter schwerer Beweisnot, bei zu befürchtenden weiteren
Sachbeschädigungen.
III) Der
Beklagte handelte vorsätzlich und rechtswidrig und verursachte deshalb einen
Schaden von 1.386,02 €. Zu ersetzen sind auch die vorgerichtlichen
Anwaltskosten in Höhe von 201,71 € als Kosten notwendiger Rechtsverfolgung.
IV) Der
Kläger hat einen Anspruch auf Verzinsung aus §§ 286, 288 BGB ab Verzug.
Der Beklagte wurde erstmals im Jahr 2020 zur Zahlung von Schadensersatz in
bestimmter Höhe aufgefordert. Mit Schreiben vom 20.07.2021 wurde er schließlich
gemahnt. Zinsen konnten deshalb wie beantragt tenoriert werden, weil Zinsen
erst für den Zeitraum danach beantragt waren.
B) Die
Widerklage ist zulässig und begründet.
I) Die
Widerklage ist als isolierte Drittwiderklage zulässig.
Diese ist nur
ausnahmsweise zulässig, wenn die Gegenstände von Klage und Widerklage
tatsächlich und rechtlich so eng miteinander verknüpft sind, dass dem Beklagten
der Gegenangriff auch dann ermöglicht werden muss, wenn die widerbeklagte
Partei nicht der Kläger selbst ist, und schutzwürdige Interessen des
Drittwiderbeklagten nicht beeinträchtigt sind (BeckOK ZPO/Toussaint, 47. Ed.
1.12.2022, ZPO § 33 Rn. 17). Es handelt sich um denselben Anspruch, nur
die Eigentümerstellung wäre eine andere. Damit handelt es sich um ein
einheitliches Schadensereignis, was als Ausnahme einer isolierten
Drittwiderklage anerkannt ist (BGH NJW 2007, 1753). Zwar macht der Beklagte
keinen eigenen Anspruch geltend, aber mit der negativen Feststellungsklage
wehrt er einen Anspruch ab, der dem Anspruch des Klägers entspricht. Dies ist
vergleichbar mit den Fällen eines einheitlichen Schadensereignisses. Außerdem
werden durch die isolierte Drittwiderklage keine schutzwürdigen Interessen der
Drittwiderbeklagten beeinträchtigt. Sie hat sich des Anspruchs ursprünglich
berühmt und sich somit einer gerichtlichen Klärung ausgesetzt.
Die
Drittwiderbeklagte hat auch eingewilligt. Dies wird analog § 267 ZPO
vermutet. Streitgenossenschaft nach § 60 ZPO ist auch gegeben, weil es
sich um einen gleichartigen Anspruch handelt.
Der
Feststellungsantrag ist zulässig nach § 256 ZPO. Es wird die Feststellung
eines Rechtsverhältnisses begehrt. Ein Rechtsverhältnis ist eine aus dem
vorgetragenen Sachverhalt abgeleitete rechtliche Beziehung von Personen
untereinander oder zu einem Gegenstand (Thomas/Putzo, 34. Aufl., ZPO § 256
Rn. 5). Vorliegend steht im Streit, ob der Drittwiderbeklagten ein Anspruch
gegen den Beklagten zusteht, was eine rechtliche Beziehung zweier Personen
aufgrund eines Sachverhalts, somit ein Rechtsverhältnis ist. Der Beklagte hat
auch ein rechtliches Interesse, weil sich die Drittwiderbeklagte des Anspruchs
berühmt hat (BGH GRUR 2012, 1273).
Die Widerklage
allein hat einen Streitwert in Höhe von 4.879,76 € und dieser Wert wird in
Bezug auf die Zuständigkeit nicht addiert (§ 5 ZPO), weshalb es bei der
Zuständigkeit des Amtsgerichts nach den §§ 23, 71 GVG bei einem Streitwert
bis zu 5.000 € bleibt.
II) Die
Drittwiderklage ist begründet. Die Drittwiderbeklagte ist nicht Eigentümerin
des Autos und kann deshalb keine Schadensersatzansprüche aus
Eigentumsverletzung daran geltend machen.
C)
Hinsichtlich der Kosten war nach den §§ 92 Abs. 1; 100 ZPO eine Quote
zu bilden. Der Kläger obsiegte voll und muss deshalb keine Kosten tragen. Seine
Rechtsanwaltskosten hat der Beklagte zu tragen. Der Beklagte unterlagt mit
1.386,02 €, weshalb er 22 Prozent der Gerichtskosten tragen muss. 22 Prozent
seiner Rechtsanwaltskosten muss er selbst tragen und 78 Prozent die Drittwiderbeklagte,
da diese ihm gegenüber unterlegen ist. Die Drittwiderbeklagte unterlag mit
einem Wert von 4.879,76 € und muss 78 Prozent der Gerichtskosten zahlen. Ihre
Rechtsanwaltskosten behält sie auf sich.
D) Der
Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht für den Kläger auf
§ 709 S. 1 ZPO und für den Beklagten auf §§ 708 Nr. 11; 711
ZPO.
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