Der Antragsteller (AS) versuchte mit seinem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO vergeblich, die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner anhängigen Klage hinsichtlich u.a. der Betriebsuntersagung seines Fahrzeugs zu erwirken. Hintergrund war, dass der AS auf dem Nummernschild seines Kraftfahrzeuges das blaue EU-Emblem mit einer schwarzen Folie überzogen hatte, worauf eine Betriebsuntersagung erfolgte. Das Verwaltungsgericht (VG) sah die Anordnung der sofortigen Vollziehung als formell ordnungsgemäß an und beurteilte das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung höher als das private Interesse an der Aussetzung.
Die Antragsgegnerin (AG) habe die formalen Voraussetzungen, so das schriftliche Begründungserfordernis nach § 80 Abs.3 S. 1 iVm. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO beachtet. Damit seien die formellen Voraussetzungen erfüllt gewesen. Die inhaltliche Rechtfertigung sei keine Frage der formalen Ordnungsgemäßheit des Verwaltungsaktes.
Aber auch inhaltlich sah das VG bei der für § 80 Abs. 5 VwGO erforderlichen summarischen Prüfung keinen Fehler.
Rechtsgrundlage sei § 5 Abs. 1 FZV (Fahrzeug-Zulassungsverordnung). Danach könne die zuständige Behörde dem Eigentümer oder Halter eines Fahrzeuges eine angemessene Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeuges auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen, wenn sich das Fahrzeug als nicht vorschriftsmäßig nach der Verordnung, der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung oder der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung erweise. Die Nichterfüllung der Anforderung des § 10 Abs. 12 FZV führe zur fehlenden Ordnungsgemäßheit. Danach dürften Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen nur in Betrieb gesetzt werden, wenn das zugeteilte Kennzeichenschild nach § 10 Abs. 2 S. 1, 2 und 3 Halbs. 1, Abs. 5 S. 1 und 2 sowie Abs. 6 - 8 und Abs. 9 S. 1 FZV ausgestaltet, angebracht und beleuchtet sei. Andernfalls dürfe der Halter die Inbetriebnahme des Fahrzeuges nicht anordnen oder zulassen, § 19 Abs. 12 S. 2 FeV. Das Kennzeichenschild müsse der Norm DIN 74069 Abschnitt 1 - 8 entsprechen, § 10 Abs. 12 S. 1 FZV iVm. § 10 Abs. 2 S. 3 Halbs. 1 FZV. Danach müsse das EU-Emblem die Farbe Blau aufweisen (VO (EG) Nr. 2411/98, unmittelbar anwendbar in den Mitgliedsländern der EU gem. Art. 288 UAbs. 2 AUEV). Form, Größe und Ausgestaltung des Kennzeichenschildes seien in Abschnitt6 Z. 4 Bucht. a) der Anlage 4 zur FZV geregelt, auf die§ 10 Abs. 2 S. 2 FZV verweise.
Der Kläger habe das EU-Emblem mit schwarzer Folie versehen. Damit entspräche es nicht der vorgeschriebenen Norm. Nach § 10 Abs. 2 S. 1 FZV dürften Kennzeichenschilder nicht spiegeln, verdreckt oder verschmutzt sein (außer es bestünde, wie hier nicht, eine Genehmigung nach § 10 Abs. 2 S. 1 FZV). Die Norm gelte für alle Gestaltungselemente des Schildes, weshalb es nicht darauf ankäme, dass sich die schwarze Folie nur auf dem EU-Emblem befände.
Der Umstand, dass § 10 Abs. 2 S. 1 FZV der Erkennbarkeit des Kennzeichens im Sinne von § 8 8 Abs. 2 S. 1 FZV zur Identifizierung des Fahrzeughalters diene, insbesondere bei der Verkehrsüberwachung, ändere daran nichts. Die Vorschrift knüpfe ausweislich ihres Wortlautes an die von Abdeckungen ausgehende abstrakte Gefahr der eingeschränkten Erkennbarkeit an, ohne dass es im konkreten Einzelfall darauf ankäme, inwieweit die Erkennbarkeit beeinträchtigt sei. Zudem könne bei summarischer Prüfung u.a. auch nicht ausgeschlossen werden, dass durch die schwarze Folie das Kennzeichenschild spiegele oder nicht mehr ausreichend reflektiert (entgegen § 10 Abs. 2 S. 1 Halbs. 1 FZV, § 10 Abs. 2 S. 3 Halbs. 1 FZV).
Vorliegend sei ein Ermessensfehler iSv. § 114 S. 1 VwGO nicht festzustellen. Steht eine Entscheidung, wie hier, im Ermessen der Behörde, prüfe das Gericht, ob die Grenzen des Ermessens eingehalten wurden und ob vom Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde. Danach seien Ermessensfehler nicht festzustellen. Insbesondere verstoße die Betriebsuntersagung nach summarischer Prüfung nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsrundsatz. Vor der Anordnung sei der AS von der AG zur Entfernung aufgefordert worden; diesem milderen Mittel sei der AS nicht nachgekommen. Dass er nunmehr das Fahrzeug nicht mehr im öffentlichen Straßenverkehr nicht mehr nutzen dürfe, sei Sinn der Betriebsuntersagung und infolge der fehlenden Mitwirkung des AS dazu geeignet, den rechtmäßigen Zustand widerherzustellen.
Im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO sei im Wege einer eigenen Abwägung durch das Gericht das Interesse an der Aussetzung der Vollziehung mit dem Interesse der Allgemeinheit an der Vollziehung abzuwägen. Hauptgesichtspunkt sei dabei die zu erwartende Erfolgsaussicht im Hauptsacheverfahren. Danach falle die Abwägung zuungunsten des AS aus. Denn nach der summarischen Prüfung nach Aktenlage sei die Anordnung rechtmäßig.
VG Düsseldorf, Beschluss vom 30.09.2022 - 9 L 1698/22
-
Aus den Gründen:
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 1.250,00 Euro festgesetzt.
Gründe
Der
Einzelrichter ist zuständig, nachdem ihm die Kammer den Rechtsstreit zur
Entscheidung übertragen hat, § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung
(VwGO).
Das Gericht
lehnt den auf § 80 Abs. 5 VwGO gestützten Antrag des Antragstellers
die
aufschiebende Wirkung seiner Klage (6 K 5600/22) hinsichtlich der
Betriebsuntersagung des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX0000 und der
Aufforderung zur Vorlage der Kennzeichenschilder und der
Zulassungsbescheinigung Teil I in der Ordnungsverfügung vom 00. August 2022
wiederherzustellen sowie hinsichtlich der Androhung unmittelbarem Zwangs in der
Ordnungsverfügung vom 00 August 2022 anzuordnen, ab. Der Antrag ist zulässig,
aber unbegründet.
1. Der
Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung
seiner fristgemäß erhobenen Klage gegen die Betriebsuntersagung seines
Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX0000 sowie die Aufforderung zur
Vorlage der Kennzeichenschilder und der Zulassungsbescheinigung Teil I ist
unbegründet.
Die
Begründetheit eines auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung
gerichteten Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO
beurteilt sich danach, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell
ordnungsgemäß erfolgt ist (a) und ob das öffentliche Interesse an der
sofortigen Vollziehung der angegriffenen Ordnungsverfügung das private
Interesse des Antragstellers an einer Aussetzung überwiegt (b).
a) Die
Anordnung der sofortigen Vollziehung ist in formeller Hinsicht nicht zu
beanstanden. Die Antragsgegnerin hat insbesondere das Begründungserfordernis
des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO beachtet. Nach dieser Vorschrift ist
das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts in
den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO schriftlich zu
begründen. Das Begründungserfordernis dient dem Zweck, der Behörde den
Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen zu führen, den
Betroffenen über die Gründe, die für die Anordnung der sofortigen Vollziehung
maßgeblich gewesen sind, in Kenntnis zu setzen und schließlich das Gericht im
Falle eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO über die behördlichen
Erwägungen zu unterrichten. Die Begründung muss dementsprechend erkennen
lassen, dass und warum die Behörde in dem konkreten Einzelfall dem sofortigen
Vollziehbarkeitsinteresse Vorrang vor dem Aussetzungsinteresse des Betroffenen
einräumt. Ob die aufgeführten Gründe den Sofortvollzug inhaltlich
rechtfertigen, ist hingegen keine Frage der formellen Anforderungen des
§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern der Interessenabwägung.
Vgl. OVG NRW,
Beschlüsse vom 11. Oktober 2010 - 6 B 1057/10, juris, Rn. 18, vom
8. November 2011 - 16 B 24/11 -, juris, Rn. 3, und vom 18. November 2014 -
16 B 1282/14, juris, Rn. 3 m.w.N.
Diesen
Anforderungen werden die Ausführungen der Antragsgegnerin in der
Ordnungsverfügung vom 00. August 2022 gerecht. Die Antragsgegnerin hat darin in
einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO
entsprechenden Weise deutlich gemacht, warum sie dem öffentlichen
Vollzugsinteresse gegenüber dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers den
Vorrang eingeräumt hat. Indem sie auf die Gefahren für andere
Verkehrsteilnehmer durch nicht vorschriftsmäßige Fahrzeuge verweist, gibt sie
hinreichend die insoweit für sie maßgeblichen Erwägungen wieder.
b) Das
öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen
Ordnungsverfügung überwiegt das private Interesse des Antragstellers an einer
Aussetzung. Im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1
VwGO ist im Wege einer eigenen Abwägung des Gerichts das Interesse des
Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung der Maßnahme mit dem Interesse
der Allgemeinheit an ihrer Vollziehung abzuwägen. Maßgebliches Kriterium für
die Abwägung sind die Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren.
Ergibt die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes allein mögliche und
gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der
gerichtlichen Entscheidung, dass der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig
ist, überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der
Vollziehung. Denn an der Vollziehung rechtswidriger hoheitlicher Maßnahmen kann
kein öffentliches Interesse bestehen. Ist die angegriffene Maßnahme hingegen
offensichtlich rechtmäßig, muss im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1
Nr. 4 VwGO darüber hinaus ein besonderes öffentliches Interesse am
sofortigen Vollzug gegeben sein. Die Offensichtlichkeit der Rechtmäßigkeit oder
Rechtswidrigkeit der Maßnahme ist im vorläufigen Rechtsschutzverfahren
feststellbar, wenn bereits bei der summarischen Prüfung der Sach- und
Rechtslage ohne eine dem Hauptsacheverfahren vorbehaltene Beweisaufnahme die
Erfolgsaussichten in der Hauptsache beurteilt werden können.
Nach diesen
Maßstäben fällt die Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus. Denn
es ist nach summarischer Prüfung nach Aktenlage davon auszugehen, dass die
Betriebsuntersagung und die Aufforderung zur Vorlage der Kennzeichenschilder
und der Zulassungsbescheinigung Teil I rechtmäßig sind. Darüber hinaus besteht
auch ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug.
Rechtsgrundlage
für die Betriebsuntersagung ist § 5 Abs. 1 FZV der
Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV). Danach kann die nach Landesrecht
zuständige Behörde (Zulassungsbehörde) dem Eigentümer oder Halter eine
angemessene Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des
Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen, wenn sich ein
Fahrzeug als nicht vorschriftsmäßig nach dieser Verordnung, der
Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung oder der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung
erweist. Diese Voraussetzungen liegen vor.
Als nicht
vorschriftsmäßig erweist sich ein Fahrzeug unter anderem dann, wenn es die
Anforderungen des § 10 Abs. 12 Satz 1 FZV nicht erfüllt. Nach
dieser Vorschrift dürfen Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen nur in Betrieb
gesetzt werden, wenn das zugeteilte Kennzeichen auf einem Kennzeichenschild
nach § 10 Abs. 2 Satz 1, 2 und 3 Halbsatz 1, Abs. 5 Satz 1
und 2 sowie Abs. 6 bis 8 und 9 Satz 1 FZV ausgestaltet, angebracht
und beleuchtet ist. Andernfalls darf der Halter gemäß § 10 Abs. 12
Satz 2 FeV die Inbetriebnahme eines Fahrzeugs nicht anordnen oder
zulassen.
§ 10
Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 FZV, auf den § 10 Abs. 12
Satz 1 FZV Bezug nimmt, schreibt diesbezüglich vor, dass
Kennzeichenschilder dem Normblatt DIN 74069, Ausgabe Mai 2016, Abschnitt 1 bis
8, entsprechen müssen. Der Abschnitt 5 Ziffer 5.1.3. des Normblatts DIN 74069
legt wiederum fest, dass das Feld des EU-Emblems die Farbe "Blau"
aufweisen muss. Dies entspricht auch der Vorgabe im Anhang zur Verordnung (EG)
Nr. 2411/98 des Rates der Europäischen Union vom 3. November 1998, die
gemäß Art. 288 UAbs. 2 AUEV in den Mitgliedstaaten unmittelbare Anwendung
findet. Demnach muss das Unterscheidungszeichen des Zulassungsmitgliedsstaats
am linken Rand des Kennzeichens einen blauen Hintergrund aufweisen. Schließlich
regelt auch Abschnitt 6 Ziffer 4 Buchstabe a) der Anlage 4 zur FZV, auf
die § 10 Abs. 2 Satz 2 FZV hinsichtlich der Form, Größe und
Ausgestaltung der Kennzeichenschilder verweist, mittelbar die blaue Farbe des
Euro-Feldes ("nach DIN 6171-1, blau - Euro-Feld").
Hiervon
ausgehend werden die Kennzeichenschilder des Fahrzeugs des Antragstellers nach der
im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung den
Anforderungen des § 10 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 FZV i.V.m.
Abschnitt 5 Ziffer 5.1.3. DIN 74069 nicht gerecht. Denn nach Aktenlage wurden
beim vorgenannten Fahrzeug die blauen Euro-Felder der Kennzeichenschilder mit
einer schwarzen Folie versehen. Letzteres ergibt sich neben dem Kontrollbericht
vom 00. Januar 2022 (Bl. 1 der Verwaltungsvorgänge) auch aus den in einem
früheren Ordnungswidrigkeitenverfahren gefertigten Lichtbildern (vgl. Bl. 22
ff. der Akte zum Az.: 00 XXx-000 Xx 000/00-000/00). Der Antragsteller hat dies
auch nicht substantiiert in Abrede gestellt. Soweit er mit Schriftsatz vom 15.
August 2022 geltend macht, dass "kein beklebendes EU-Kennzeichen mit
Aufklebern" vorliege (vgl. Bl. 22 der Gerichtsakte) ist dieser Vortrag
bereits nicht nachvollziehbar; zumal der Antragsteller sich zugleich auf die
uneingeschränkte Ablesbarkeit trotz "schwarzer Aufkleber" beruft.
Zudem hat der Antragsteller zuvor - mit Schriftsatz vom 8. August 2022 - noch
vorgetragen, dass die Behauptung, die Kennzeichen seien mit schwarzen
Aufklebern versehen und dies sei unzulässig, (lediglich) in "rechtlicher
Hinsicht nicht zutreffend" sei (vgl. Bl. 3 der Gerichtsakte).
Einen Nachweis,
dass die schwarzen Folien auf den Kennzeichenschildern zwischenzeitlich
entfernt wurden, was zur Aufhebung der Betriebsuntersagung führen würde (vgl.
Seite 2 Abschnitt 4 der Ordnungsverfügung), hat der Antragsteller
ebenfalls nicht erbracht.
Vgl. zu den
Anforderungen an den Nachweis der Mängelbeseitigung auch OVG NRW, Beschluss vom
8. Dezember 2020 - 8 A 204/20 −, n.v.
Insoweit ist
nach summarischer Prüfung weiterhin von einem Verstoß gegen § 10
Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 FZV auszugehen.
Gleiches folgt
aus dem Umstand, dass sich das Fahrzeug des Antragstellers nach summarischer
Prüfung auch nicht als vorschriftsgemäß im Sinne des § 10 Abs. 2
Satz 1 Halbsatz 2 FZV erweist. Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 FZV
dürfen Kennzeichenschilder nicht spiegeln, verdeckt oder verschmutzt sein; sie dürfen
nicht zusätzlich mit Glas, Folien oder ähnlichen Abdeckungen versehen sein, es
sei denn, die Abdeckung ist - anders als vorliegend − Gegenstand der
Genehmigung nach den in § 10 Abs. 6 FZV genannten Vorschriften.
Entgegen der Vorschrift des § 10 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FZV
wurden beim Fahrzeug des Antragstellers - wie zuvor dargelegt − die
Kennzeichenschilder jeweils mit einer schwarzen Folie versehen.
Dass die Folien
nur auf den Euro-Feldern der Kennzeichenschilder angebracht wurden,
rechtfertigt keine andere Bewertung. Denn das unter anderem unter Abschnitt 1
Nr. 3 der Anlage 4 zu § 10 Abs. 2 FZV dargestellte Euro-Feld,
ist zwingendes Gestaltungselement (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 2 FZV)
und Teil des Kennzeichenschildes.
Vgl. Weiß in:
Freymann/Wellner, Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 10 FZV (Stand: 1.
Dezember 2021), Rn. 14; OLG München, Urteil vom 22. März 2019 - 4 OLG 14
Ss 322/18 -, juris, Rn. 15; VG Stuttgart, Gerichtsbescheid vom 29. Januar
2015 - 8 K 4792/14 -, juris, Rn. 20 ff.; AG Starnberg, Urteil vom 10.
Juli 2020 - 4 OWi 55 Js 21101/20 -, juris, Rn. 12 ff., auch zur Frage der
Gesetzeskonformität der Einführung des Euro-Kennzeichens.
Zwar lässt die
schwarze Folie das Unterscheidungskennzeichen "D" und den
Sternenkranz im Euro-Feld weiterhin in Original-Abmessungen erkennen. § 10
Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FZV umfasst jedoch nicht nur die Überdeckung
des Sternenkranzes, des Erkennungsbuchstabens "D" oder gar des
Kennzeichenschildes in Gänze, sondern gilt entsprechend seinem eindeutigen
Wortlaut für sämtliche (Gestaltungs-)Elemente des Kennzeichenschildes,
vgl. hierzu
auch VG Köln, Urteil vom 12. Januar 2017 - 18 K 5857/16 -, juris, Rn.
14; VG München, Urteil vom 15. April 2015 - M 23 K 14.5127 -, juris, Rn. 26; AG
Starnberg, Urteil vom 10. Juli 2020 - 4 OWi 55 Js 21101/20 -, juris,
Rn. 15,
mithin auch für
die blaue Farbgestaltung des Euro-Feldes.
Vgl. auch
Huppertz, Das Schwarze Euro-Feld, NVZ 2022, 416; AG Starnberg, Urteil vom 10.
Juli 2020 - 4 OWi 55 Js 21101/20 -, juris, Rn. 16 ff.
Hieran ändert auch
nichts, dass § 10 Abs. 2 Satz 1 FZV der Erkennbarkeit des
Kennzeichens im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 1 FZV zwecks
Identifizierung des Fahrzeughalters, insbesondere bei der Verkehrsüberwachung
mittels stationärer und mobiler Messeinrichtungen, dient.
Vgl. BR-Drs.
811/05, S. 172; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht,
46. Aufl. 2021, § 10 FZV, Rn. 5; Kammer, Gerichtsbescheid vom 17. Dezember
2020 - 6 K 245/19 -, juris, Rn. 24.
Die Vorschrift
des § 10 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FZV knüpft ausweislich ihres
Wortlauts an die von Glas, Folien und ähnlichen Abdeckungen ausgehende
abstrakte Gefahr der eingeschränkten Erkennbarkeit des Kennzeichens an, ohne
dass es darauf ankommt, inwieweit die jeweilige Abdeckung im konkreten
Einzelfall die Erkennbarkeit tatsächlich beeinträchtigt. Tragfähige
Anhaltspunkte, dass eine solche (abstrakte) Gefahr der eingeschränkten
Erkennbarkeit beim Aufbringen einer schwarzen Folie im EU-Feld nicht besteht,
liegen nicht vor. Zum einen kann nach summarischer Prüfung im Eilverfahren
nicht ausgeschlossen werden, dass das Aufbringen einer schwarzen Folie im
EU-Feld dazu führt, dass das Kennzeichenschild entgegen § 10 Abs. 2
Satz 1 Halbsatz 1 FZV spiegelt und/oder entgegen § 10 Abs. 2
Satz 3 Halbsatz 1 FZV nicht mehr ausreichend reflektiert und damit die
Identifizierung des Fahrzeugs mittels stationärer und mobiler Messeinrichtungen
eingeschränkt wird. Zum anderen kann nicht ausgeschlossen werden, dass durch
das Aufbringen der schwarzen Folie die Ablesbarkeit durch andere Verkehrsteilnehmer
beeinträchtigt wird, etwa weil sie durch die Veränderung des Euro-Feldes
abgelenkt werden oder weil sie aufgrund dessen Zweifel an der Echtheit und
Unverfälschtheit des Kennzeichens (vgl. auch § 10 Abs. 11 Satz 1
FZV) oder gar an der Zulassung des Fahrzeugs (vgl. auch § 3 Abs. 1
Satz 3 FZV) hegen.
Vgl. auch AG
Starnberg, Urteil vom 10. Juli 2020 - 4 OWi 55 Js 21101/20 -, juris,
Rn. 18.
Schließlich
kommt es − entgegen der Auffassung des Antragstellers - auch nicht darauf an,
dass ein in der Vergangenheit gegen ihn geführtes Bußgeldverfahren wegen der
schwarzen Folie auf den EU-Feldern der Kennzeichenschilder eingestellt wurde.
Denn die Einstellung entfaltet keine Bindungswirkung im vorliegenden
(gefahrenabwehrrechtlichen) Verfahren. Im Übrigen erfolgte die Einstellung auch
nicht wegen der Nichtfeststellbarkeit von Verstößen gegen § 10 FZV,
sondern weil das Gericht eine repressive Ahndung gemäß § 47 Abs. 2
OWiG nicht für geboten hielt.
Das Gericht
kann in der angegriffenen Betriebsuntersagung nach summarischer Prüfung auch
keine Ermessensfehler im Sinne von § 114 Satz 1 VwGO erkennen. Steht
eine Entscheidung im Ermessen der Behörde, überprüft das Gericht danach nur, ob
die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten worden sind und ob von dem
Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch
gemacht worden ist. Hiervon ausgehend sind keine Ermessensfehler erkennbar. Die
Betriebsuntersagung verstößt nach summarischer Prüfung insbesondere nicht gegen
den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Antragsgegnerin hat den
Antragsteller zuvor mit Schriftsatz vom 13. Mai 2022 aufgefordert, die
"schwarzen Aufkleber" an den Kennzeichenschildern zu entfernen.
Diesem im Vergleich zur Betriebsuntersagung milderen Mittel ist der Antragsteller
nicht nachgekommen. Dass er seinen Wagen nunmehr nicht mehr im öffentlichen
Straßenverkehr benutzen darf, ist der Sinn der Betriebsuntersagung. Diese ist
nicht unverhältnismäßig, weil diese Maßnahme nach der fehlenden Mitwirkung des
Antragstellers allein dazu geeignet ist, rechtmäßige Zustände
wiederherzustellen.
Vgl. OVG NRW,
Beschluss vom 17. August 2018 - 8 B 548/18 -, juris, Rn. 29 ff.; Kammer,
Gerichtsbescheid vom 17. Dezember 2020 - 6 K 245/19 -, juris, Rn. 21
und Beschluss vom 25. September 2018 - 6 L 2322/18 −, n.v.
Hinzu kommt,
dass der Antragsteller die schwarze Folie auf den Kennzeichenschildern
jederzeit entfernen und durch entsprechenden Nachweis der Mängelbeseitigung
sodann die Betriebsuntersagung zum Erlöschen bringen kann (vgl. Seite 2
Abschnitt 4 der Ordnungsverfügung).
Die
Aufforderung zur Vorlage der Kennzeichenschilder sowie der
Zulassungsbescheinigung Teil I begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken.
Sie beruht auf §§ 5 Abs. 2, 14 Abs. 1 Satz 1 FZV und ergibt
sich zwingend aus der Betriebsuntersagung.
Vgl. auch
BayVGH, Urteil vom 22. Oktober 2019 - 11 BV 19.824 -, juris, Rn. 49.
Neben der
Rechtmäßigkeit der Betriebsuntersagung und der Aufforderung zur Vorlage der
Kennzeichenschilder sowie der Zulassungsbescheinigung Teil I ist auch ein
besonderes öffentliches Interesse am sofortigen Vollzug dieser Verfügung
gegeben. Denn nur durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist
hinreichend sichergestellt, dass nicht vorschriftsmäßige Kraftfahrzeuge nicht
am Straßenverkehr teilnehmen und dadurch - mangels ausreichender
Identifizierbarkeit − die Sicherheit des Straßenverkehrs gefährden.
2.
Soweit der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner
fristgemäß erhobenen Klage gegen die Androhung der zwangsweisen Außerbetriebsetzung
begehrt, ist sein Antrag ebenfalls unbegründet.
Die Androhung
des unmittelbaren Zwangs nach §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1
Nr. 3, 62 Abs. 1, 63 Abs. 1, 2 Satz 2
Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVG NRW) ist rechtmäßig, insbesondere
hinsichtlich der Frist zur Vorlage der Kennzeichenschilder und der
Zulassungsbescheinigung Teil I (sieben Tage nach Zustellung der Verfügung)
nicht zu beanstanden.
Die
Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die
Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52
Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Nach Ziffer 46.16 des
Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit beträgt der Streitwert
bei einer Stilllegung eines Kraftfahrzeugs den halben Auffangwert. In Verfahren
betreffend die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ermäßigt sich der danach
zu berücksichtigende Betrag von 2.500,00 Euro aufgrund der Vorläufigkeit der
Entscheidung um die Hälfte.
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