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Mittwoch, 26. Juli 2023

Der nach Anstoß wegrollende Anhänger und Haftung wegen Verwirklichung der Betriebsgefahr

Der bei der Beklagten haftpflichtversicherte Anhänger war in der H-Gasse ordnungsgemäß abgestellt gewesen. Gegen 22.45 Uhr kam ein Pkw due H-Gasse in der dortigen Linkskurve von der Fahrbahn ab und stieß gegen das Gebäude H-Gasse 12 sowie gegen den Anhänger. Durch den Anstoß rollte der Anhänger nach vorne stieß gegen das Gebäude H-Gasse 10 und beschädigte dieses. Für das Gebäude H-Gasse 10 bestand bei der Klägerin eine Wohngebäudeversicherung, die in Anspruch genommen wurde und nunmehr den Schadensersatzanspruch des Eigentümers gegen den Versicherer des Anhängers geltend machte. Das Amtsgericht gab der Klage statt; auf die Berufung hob das Landgericht dessen Urteil auf und wies die Klage ab. Die zugelassene Revision der Klägerin führte zur Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung und Zurückverweisung.

Anders als das Landgericht bejahte der BGH die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 StVG in der damaligen Fassung (heute: § 19 Abs. 1 S. 1 StVG), derzufolge Voraussetzung der Haftung bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs oder Anhängers, der dazu bestimmt sei, von einem Kraftfahrzeug mitgeführt zu werden, eine Verletzung oder Schädigung der in der Norm genannten Rechtsgüter vorliegen müsse. Entscheidend sei daher, ob sich der Anhänger „im Betrieb“ befunden habe.  Der hier verwandte Betriebsbegriff sei weit auszulegen, weshalb ausreichend sei, wenn sich in dem Schaden die von dem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr verwirklicht habe, d.h. wenn bei einer insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug geprägt oder mitgeprägt worden sei. Der BGH wiederholte die Grundlagen dafür, wie er sie in ständiger Rechtsprechung  festhält: Es müsse sich bei dem Schaden um die Auswirkung der Gefahren handeln, hinsichtlich derer der Verkehr nach Sinn der Haftungsnorm schadlos gehalten werden soll und die Schadensfolge muss in den Bereich fallen, um derentwegen die Norm geschaffen wurde. Dabei sei erforderlich, dass die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang einer bestimmten Betriebseinrichtung des Fahrzeugs stünde (z.B. Urteile des BGH vom 03.07.1962 - VI ZR 184/61 - und vom 20.10.2020 - VI ZR 319/18 -). Der betrieb daure fort, solange der Fahrer das Fahrzeug im Verkehr belasse und dadurch die durch ein Fahrzeug allgemein geschaffene Gefahrenlage (die Grund und „Preis“ für die Haftungsnorm sei) fortbestünde.

Dies sei entsprechend auch auf den Betrieb von Anhängern anzuwenden, die dazu bestimmt seien, von einem Kraftfahrzeug mitgeführt zu werden (Hinweis: Dies ist in § 19 Abs. 1 S. 1 StVG benannt).

Damit sei hier der Gebäudeschaden bei dem Betrieb des bei der Beklagten versicherten Anhängers entstanden, der zum Mitführen durch ein Kraftfahrzeug bestimmt gewesen sei (wenn er auch abgekoppelt von einem Kraftfahrzeug stand). Auch wenn der Fahrer des Pkw, der die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren hatte und gegen den Anhänger stieß und damit maßgeblich den Unfallablauf bestimmte habe, wurde der Schadensfall durch den Anhänger mitgeprägt und sei auch seinem Betrieb zuzurechnen: Der Anhänger sei auf der Straße abgestellt gewesen und infolge des Anstoßes durch dne Pkw gegen das Gebäude gerollt. Damit habe sich die aus seiner Konstruktion bedingte Gefahr einer unkontrollierten Bewegung durch Fremdkraft verwirklicht, die durch das Abstellen im öffentlichen Raum noch nicht beseitigt gewesen sei. Diese Gefahr falle nach den benannten Grundsätzen unter den Schutzzweck des § 7 Abs. 1 StVG a.F. / § 19 Abs. 1 S. 1 StVG n.F.

Eine Zurechnung sei (entgegen der Annahme des Berufungsgerichts) nicht deshalb zu verneine, da der Pkw-Fahrer die Ursache gesetzt und damit das Unfallgeschehen maßgeblich bestimmt habe. Dies könne lediglich im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs gem. §§ 426 Abs. 1, 254 Abs. 1 BGB Bedeutung haben, ändere aber nichts am Zurechnungszusammenhang im Rahmen der Gefährdungshaftung des Anhängers.

BGH, Urteil vom 07.02.2023 - VI ZR 87/22 -

Montag, 11. April 2022

Haftungsausschluss des Tierhalters entsprechend § 840 Abs. 3 BGB bei Schädigung des Reiters

Landgericht und Oberlandesgericht hatten sich mit einem Reitunfall vom 17.01.2016 zu befassen. Die Klägerin war ihrer Behauptung zufolge mit einem Pony des Rechtsvorgängers der Beklagten verunglückt und machte gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche nach § 833 S. 1 BGB (mithin aus der verschuldensunabhängigen Tierhalterhaftung des Rechtsvorgängers der Beklagten) geltend. Das Landgericht wies die Klage nach Beweisaufnahme wegen Mitverschuldens der Klägerin ab, da das Mitverschulden der Klägerin die Haftung der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger zurücktreten lasse.

Von Grundsatz ging das OLG davon aus, dass grundsätzlich auch der Reiter gegen den Halter eines Pferdes einen Schadensersatzanspruch aus § 833 S. 1 BGB haben könne. Würde aber (wie hier) dem Reiter das Pferd aus Gefälligkeit überlassen, gebiete es die Interessenslage, dem Verletzten gegenüber dem Vorwurf des Mitverschuldens nach § 254 BGB den Entlastungsbeweis entsprechend § 834 BGB aufzuerlegen (so bereits BGH, Urteil vom 09.06.1992 - VI ZR 49/91 -). Der Entlastungsbeweis sei der Klägerin nicht gelungen. Nach der Beweisaufnahme habe das Landgericht in nicht zu beanstandender Würdigung festgestellt, dass der Klägerin dieser Entlastungsbeweis nicht gelungen sei und mithin nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden könne, dass der Reitunfall auf einer Unachtsamkeit der Klägerin bei der Führung des Ponys beruhe. Ferner habe das Landgericht festgestellt, dass das Pony insgesamt unruhiger sei als andere Tiere und man dies dadurch in den Griff bekäme, dass man das Pferd vor dem Reiten longiere und so seinen Bewegungsdrang befriedigt habe. Auch die Klägerin habe das Longieren vor dem Reiten als Notwendigkeit erkannt, damit dieses sich vor dem Reiten erst einmal austoben könne. Dies aber habe der Rechtsvorgänger der Beklagten der Klägerin verboten. Vor diesem Hintergrund hätte die Klägerin die weitere Arbeit mit dem Pferd ablehnen müssen und sie habe sich bewusst einer Gefahr ausgesetzt, indem sie das Pony gleichwohl (ohne es zuvor zu longieren) ritt. Damit habe die von dem Ponys ausgehende Tiergefahr, die zu dem Unfallgeschehen geführt habe, gegenüber dem Verschulden der Klägerin, das hinsichtlich des unmittelbaren Geschehens gemäß § 834 BGB zu vermuten sei und hinsichtlich der vorgelagerten Verantwortung nachgewiesen sei, nach der entsprechend § 840 Abs. 3 BGB zurückzutreten und keinerlei Bedeutung mehr.

Das OLG stellt mithin nicht darauf ab, ob das vermutete und festgestellte Verschulden so erheblich sei, dass dieses die reine Tiergefahr verdrängen würde, für welche die Beklagte haften würde. Vielmehr bezieht sich das OLG auf die Norm des § 840 Abs. 3 BGB. Diese Norm regelt im Verhältnis von Gesamtschuldnern (Schuldner, die gemeinschaftlich gegenüber einem Dritten aus Delikt haften) den Innenausgleich dahingehend, dass in ihrem Verhältnis derjenige nicht haftet, der alleine nach der Gefährdungshaftungsnorm des § 833 S. 1 BGB dem Dritten gegenüber haftet, wenn dem Dritten gegenüber der weitere Gesamtschuldner aus (nachgewiesenen) Verschulden haftet. Vom OLG wird unter Verweis auf das Urteil des BGH vom 25.10.1994 - VI ZR 107/94 -; so auch OLG Hamm, Urteil vom 08.02.1990 - 6 U 143/89 -, LG Limburg, Urteil vom 29.01.2010 - 3 S 271/08 -) ausgeführt, dass die Norm nicht nur im Verhältnis zum geschädigten Dritten gelte (Anm.: was sie nicht tut; nach dem Wortlaut gilt sie nur im Verhältnis der Gesamtschuldner untereinander) greife, sondern auch dann nach ihrem Sinngehalt, wenn es um den eigenen, von dem Tier mitverursachten Schaden des Tierhalters gehe.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 05.04.2022 - 6 U 95/19 -