Immer wieder kommt es zum Streit zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger/dessen Versicherer, ob bei einem wirtschaftlichen Totalschaden gleichwohl Reparaturkosten verlangt werden können. Der BGH hat in seiner Entscheidung dazu neuerlich Stellung genommen und erstmals sich auch mit der Frage auseinandergesetzt, ob ein Ersatz von Reparaturkosten auch verlangt werden kann, wenn die Kostenprognose im Schadensgutachten Reparaturkosten vorsieht, die über die 130%-Grenze liegen. Ferner musste er sich damit auseinandersetzen, wie die Feststellung erfolgen muss, um festzustellen, dass tatsächlich zu den geltend gemachten Kosten der Schaden komplett sah- und fachgerecht behoben wurde.
In dem Fall betrug der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges nach dem Schadensgutachten € 4.500,00, die Reparaturkosten gab der Sachverständige mit € 7.148,84 an. Der Kläger ließ das Fahrzeug zu einem Preis von € 5.695,49 reparieren, nutzte es weiterhin und machte gegen die Beklagten diesen Betrag abzüglich der erfolgten Zahlung auf den Wiederbeschaffungswert geltend.
Das Amtsgericht gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten wurde unter Zulassung der Revision zurückgewiesen. Die Revision führte zur Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und Zurückverweisung.
1. Der BGH verwies auf seine Rechtsprechung, wonach dem Geschädigten in Abweichung von dem Wirtschaftlichkeitsgebot in Ansehung seines Integritätsinteresses ausnahmsweise ein Anspruch auf Ersatz des den Wiederbeschaffungswert des beschädigten Fahrzeugs um bis zu 30% übersteigenden Reparaturaufwandes (Reparaturkosten zuzüglich einer etwaigen Entschädigung für den merkantilen Minderwert) zustünde. Voraussetzung sei, dass er den Zustand des ihm vertrauten Fahrzeuges wie vor dem Unfall wiederherstellt, um es nach der Reparatur (mindestens für ein Jahr) weiter zu nutzen. Fachgerecht sei die Reparatur nur dann, wenn diese so durchgeführt würde, wie es vom Sachverständigen in seiner Kostenschätzung vorgesehen worden sei. Würde der Aufwand mehr als 30% betragen, sei die Reparatur wirtschaftlich unvernünftig und dem Geschädigten stünde nur der Wiederbeschaffungswert (abzüglich eines etwaigen Restwertes) als Schadensersatz zu. Anderes würde im Falle der Reparatur nur dann gelten, wenn der Geschädigte auf der Grundlage eines entsprechenden Gutachtens den Weg der Schadensbehebung mit dem vermeintlich geringeren Aufwand wähle, die Reparatur aber teurer würde und ihm kein Auswahlverschulden zur Last falle. Ließe er aber das Fahrzeug reparieren, obwohl wie hier die Kostenprognose bei über 30% über dem Wiederbeschaffungswert läge und erweise sich dies als richtig, sei der Schadensersatzanspruch auch auf den Wiederbeschaffungswert (abzüglich eines möglichen Restwertes) beschränkt.
Vom Grundsatz her seien die Angaben des vom Geschädigten beauftragten Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten zur Höhe nicht für den geschädigten verbindlich und er könne den Betrag verlangen, der gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlich sei. Er müsse in diesem Fall den Angaben des Sachverständigen konkret entgegentreten und geltend machen, der von ihm ermittelte Betrag gebe den objektiv zur Herstellung erforderlichen Betrag wieder; würde dies vom Gegner bestritten, müsse dies im Rechtsstreit auf entsprechenden Beweisantrag des Geschädigten durch Einholung eines vom Gericht zu veranlassenden Sachverständigengutachtens geklärt werden.
In den Fällen, in denen die Reparaturkosten über 130% des Wiederbeschaffungswertes lägen, die Reparatur aber fachgerecht (ggfls. unter Verwendung von Gebrauchtteilen) Kosten auch unter Berücksichtigung des merkantilen Minderwertes den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen würden, würde daher ein Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten bestehen. Anm.: Bei dieser Berechnung bleibt der Restwert des Fahrzeuges außer Ansatz, dessen Abzug sich der Geschädigte bei Ersatz des Wiederbeschaffungswertes auf diesen anrechnen lassen muss.
Offen gelassen hatte der BGH bisher den Ersatzanspruch auf Reparaturkosten, die sich unter Berücksichtigung des merkantilen Minderwertes auf 101 bis 130% des Wiederbeschaffungswertes belaufen. Nunmehr hielt der BGH fest, dass auch in dem Fall, dass sich die erforderlichen Reparaturkosten für eine fachgerechte Reparatur (auch unter Verwendung von Gebrauchtteilen) zur Wiederherstellung des Zustandes des Fahrzeuges wie vor dem Unfall innerhalb der 130%-Grenze bewegen, dem Geschädigten diese „Integritätsspritze“ nicht versagt werden könne. Der gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ersatzfähige Betrag würde nicht durch die Einschätzung des vorgerichtlich tätigen Sachverständigen bestimmt, sondern von den tatsächlichen Kosten einschl. des merkantilen Minderwertes.
2. Ob die durchgeführte Reparatur sach- und fachgerecht und nach den Vorgaben des Sachverständigen erfolgt sei, sei bei Bestreiten des Gegners vom Gericht zu prüfen. Die Beweislast, der durch Einholung eines zu beantragenden und vom Gericht einzuholenden Sachverständigengutachtens nachzukommen ist, obliegt dem Geschädigten
Das Amtsgericht hatte ein Sachverständigengutachten eingeholt und auf dessen Grundlage den vom Kläger zu erbringenden Beweis als erbracht angesehen. Vom Landgericht sei dies fehlerhaft nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO als festgestellte Tatsache des Erstgerichts seiner Entscheidung zugrunde gelegt worden. Bestünden konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der festgestellten Tatsachen, würde dies eine erneute Feststellung durch das Berufungsgericht erfordern. Aufgabe der Berufungsinstanz als zweite (wenn auch eingeschränkte) Tatsacheninstanz sei die Gewinnung einer „fehlerfreien und überzeugenden“ und damit „richtigen“, der materiellen Gerechtigkeit entsprechenden Entscheidung.
So sei ein Verfahrensfehler zu berücksichtigen, was namentlich dann vorläge, wenn das erstinstanzliche Urteil nicht den Anforderungen entspräche, die von der Rechtsprechung zu §§ 286, 287 ZPO entwickelt worden seien. Dies sei z.B. dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoße. So seien auch unklare oder widersprüchliche Gutachten keine ausreichende Grundlage für die Überzeugungsbildung durch das Gericht.
Die vom Landgericht als bindend angesehene Feststellung des Amtsgerichts zu dem Sachverständigengutachten, dieses habe aufgrund der vor, während und nach der Reparatur aufgenommenen Fotos eine sach- und fachgerechte Reparatur bejaht, sei von den Ausführungen des Sachverständigen vor Gericht nicht gedeckt. Verschiedentlich sei vom Sachverständigen darauf hingewiesen worden, dass nach der zwischenzeitlich erfolgten Veräußerung des Fahrzeuges eine eingeschränkte Beurteilungsgrundlage fehlen würde und sich auf die relativierende Aussage beschränkt, nach den übergebenden Fotos seien keine Anzeichen vorhanden, die gegen eine sach- und fachgerechte Reparatur sprechen würden. Nur vor diesem Hintergrund habe er eine fachgerechte Reparatur bestätigt. Demgegenüber habe das Amtsgericht in der Entscheidung ausgeführt, der Sachverständige habe an keiner Stelle seines Gutachtens zu erkennen gegeben, dass sich für ihn bei der Beantwortung der Beweisfrage Einschränkungen ergeben hätten, wie er den Pkw nicht mehr habe begutachten können.
Damit war das Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung an das Landgericht zurückzuverweisen.
BGH, Urteil vom 16.11.2021 -
VI ZR 100/20 -
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die
Revision der Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts
Frankfurt (Oder) vom 18. Dezember 2019 aufgehoben.
Die Sache wird
zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts
wegen
Tatbestand
Der Kläger
begehrt restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 3. Februar 2015,
bei dem sein Fahrzeug durch ein von der Beklagten gehaltenes Fahrzeug
beschädigt wurde. Die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht
zwischen den Parteien außer Streit. Der vom Kläger nach dem Unfall mit der
Begutachtung des Kraftfahrzeugschadens beauftragte Sachverständige ermittelte
voraussichtliche Reparaturkosten in Höhe von 7.148,84 € brutto, einen
Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs von 4.500 € brutto und einen Restwert von
1.210 € brutto. Die Beklagte regulierte den Schaden auf der Grundlage des
Wiederbeschaffungsaufwands. Sie brachte von dem vom Sachverständigen
geschätzten Wiederbeschaffungswert einen mit Hilfe einer Restwert-Online-Börse
ermittelten Wert in Höhe von 1.420 € in Abzug und zahlte an den Kläger 3.080 €.
Der Kläger ließ sein Fahrzeug bei der Dienstleistungsgesellschaft A. zum Preis
von 5.695,49 € brutto reparieren und nutzte es weiter.
Mit der Klage
macht der Kläger die Differenz in Höhe von 2.615,49 € zwischen den angefallenen
Reparaturkosten und der Zahlung der Beklagten geltend. Während des
erstinstanzlichen Verfahrens - im September 2017 - hat der Kläger sein Fahrzeug
veräußert. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht hat die
Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landgericht zugelassenen
Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Nach
Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung der
geltend gemachten Reparaturkosten aus § 7 StVG, § 823 Abs. 1 BGB
zu. Zwar habe der vom Kläger nach dem Unfall beauftragte Sachverständige die
voraussichtlichen Kosten der Reparatur auf über 130% des
Wiederbeschaffungswerts geschätzt. Dieses Gutachten habe aber keine absolute
Bedeutung für die Frage, welche Reparaturkosten tatsächlich erstattungsfähig
seien. Gelinge es dem Geschädigten, unter Verwendung von Gebrauchtteilen eine
fachgerechte und den Vorgaben des Gutachtens entsprechende Reparatur
durchzuführen, deren Kosten unter Berücksichtigung eines etwaigen merkantilen
Minderwerts den Wiederbeschaffungswert um nicht mehr als 30% überstiegen, könne
ihm eine Abrechnung der konkret angefallenen Reparaturkosten nicht verwehrt
werden. So verhalte es sich im Streitfall. Dem Kläger sei der Beweis gelungen,
dass die Reparatur sach- und fachgerecht und in einem den Vorgaben des
vorgerichtlichen Sachverständigen entsprechenden Umfang durchgeführt worden
sei. Die Kammer sei gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die Beweiswürdigung
des Amtsgerichts gebunden, weil keine konkreten Anhaltspunkte für die
Unrichtigkeit der Beweiswürdigung vorgetragen worden seien. Der gerichtliche
Sachverständige habe die Behauptung des Klägers, die Reparatur entspreche dem
im außergerichtlichen Gutachten vorgegebenen Reparaturweg, bestätigt. Aus der
Auswertung der vor, während und nach der Reparatur gefertigten Lichtbilder habe
der Sachverständige darüber hinaus auch eine sach- und fachgerechte Reparatur
bejaht. Dies habe ihm als Gutachtengrundlage ausgereicht, auch wenn er in der
Zusammenfassung lediglich angegeben habe, dass keine Anzeichen vorhanden seien,
die gegen eine sach- und fachgerechte Reparatur sprechen würden. Die
Lichtbilder dokumentierten jedoch den Reparaturverlauf hinreichend deutlich.
Auch der außergerichtliche Sachverständige habe in seinem Schreiben vom 20.
März 2015 bestätigt, dass Restunfallspuren oder Hinweise mit Querverweis auf
eine nicht fachgerechte Reparatur nicht vorgefunden worden seien. Unter
Berücksichtigung des herabgesenkten Beweismaßes des § 287 ZPO seien damit
trotz der fehlenden Möglichkeit der Besichtigung des Fahrzeugs die
festgestellten Anknüpfungstatsachen ausreichend zur Beantwortung der
Beweisfragen gewesen. Das Amtsgericht habe auch zutreffend eine Anwendung der
Grundsätze zur Beweisvereitelung abgelehnt. Für den Verkauf des Fahrzeugs über
zweieinhalb Jahre nach dem Verkehrsunfallgeschehen habe der Kläger einen
hinreichenden Grund (Getriebeschaden) angegeben. Unstreitig habe der Kläger
darüber hinaus vorgetragen, dass er den gerichtlichen Sachverständigen im
August 2017 angerufen und ihm mitgeteilt habe, dass das Fahrzeug wegen eines
Getriebeschadens nicht mehr fahrtüchtig sei. Er habe ihm daraufhin auf dessen
Anweisung Lichtbilder zum Ablauf der Reparatur übersandt.
II.
Diese
Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Mit der
Begründung des Berufungsgerichts kann ein Anspruch des Klägers auf Ersatz
weiterer, den Wiederbeschaffungsaufwand überschreitender Reparaturkosten nicht
bejaht werden.
1. Der
geltend gemachte Anspruch scheitert allerdings nicht bereits daran, dass der
vom Kläger vorgerichtlich mit der Begutachtung des Kraftfahrzeugschadens
beauftragte Sachverständige die voraussichtlichen Reparaturkosten auf einen den
Wiederbeschaffungswert um 59% übersteigenden Betrag geschätzt hat. Wie das
Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, führt dieser Umstand für sich
genommen nicht dazu, dass die Instandsetzung des beschädigten Fahrzeugs als
wirtschaftlich unvernünftig zu beurteilen wäre.
a) Nach
der gefestigten Rechtsprechung des Senats steht dem Geschädigten in Abweichung
vom Wirtschaftlichkeitsgebot ausnahmsweise ein Anspruch auf Ersatz des den
Wiederbeschaffungswert des beschädigten Fahrzeugs um bis zu 30% übersteigenden
Reparaturaufwands (Reparaturkosten zuzüglich einer etwaigen Entschädigung für
den merkantilen Minderwert) zu, wenn er ein besonderes Integritätsinteresse zum
Ausdruck bringt. Dies setzt voraus, dass er den Zustand des ihm vertrauten
Fahrzeugs wie vor dem Unfall wiederherstellt, um es nach der Reparatur weiter
zu nutzen (vgl. Senatsurteile vom 9. Juni 2009 - VI ZR 110/08, BGHZ 181, 242
Rn. 15; vom 10. Juli 2007 - VI ZR 258/06, VersR 2007, 1244 Rn. 8;
Senatsbeschluss vom 18. November 2008 - VI ZB 22/08, BGHZ 178, 338, Rn. 12 ff.
mwN). Von einer Wiederherstellung in diesem Sinne kann dabei nur dann
ausgegangen werden, wenn die Reparatur fachgerecht und in einem Umfang
durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner
Kostenschätzung gemacht hat (vgl. Senatsurteile vom 15. Februar 2005 - VI ZR
70/04, BGHZ 162, 161, juris Rn. 18; vom 10. Juli 2007 - VI ZR 258/06, VersR
2007, 1244 Rn. 8; vom 2. Juni 2015 - VI ZR 387/14, VersR 2015, 1267 Rn. 6 mwN).
b) Die
Instandsetzung eines beschädigten Fahrzeugs ist demgegenüber wirtschaftlich
unvernünftig, wenn der Reparaturaufwand (Reparaturkosten zuzüglich einer
etwaigen Entschädigung für den merkantilen Minderwert) den
Wiederbeschaffungswert um mehr als 30% übersteigt. In einem solchen Fall, in
dem das Kraftfahrzeug nicht mehr reparaturwürdig ist, kann der Geschädigte vom
Schädiger grundsätzlich nur den Ersatz des Wiederbeschaffungsaufwands, also den
Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts, verlangen. Etwas anderes gilt
nur dann, wenn der Geschädigte auf der Grundlage eines entsprechenden
Gutachtens den Weg der Schadensbehebung mit dem vermeintlich geringeren Aufwand
wählt, die Reparatur aber teurer wird und ihm nicht ausnahmsweise ein
(Auswahl-)Verschulden zur Last fällt; denn das Werkstatt- und das
Prognoserisiko geht zu Lasten des Schädigers (vgl. Senatsurteil vom 15. Oktober
1991 - VI ZR 314/90, BGHZ 115, 364, juris Rn. 15 mwN). Lässt der Geschädigte
sein Fahrzeug dagegen reparieren, obwohl der voraussichtliche
Instandsetzungsaufwand nach der Schadensschätzung des vom ihm beauftragten
Sachverständigen - wie hier - mehr als 30% über dem Wiederbeschaffungswert des
unfallbeschädigten Kraftfahrzeugs liegt und erweist sich die Schätzung des
Sachverständigen als zutreffend, ist der Ersatzanspruch der Höhe nach auf den
Wiederbeschaffungsaufwand beschränkt (vgl. Senatsurteile vom 12. Oktober 2021 -
VI ZR 513/19, zVb; vom 2. Juni 2015 - VI ZR 387/14, VersR 2015, 1267 Rn. 7
mwN). Die Reparaturkosten können dann insbesondere nicht in einen vom Schädiger
auszugleichenden wirtschaftlich vernünftigen Teil (bis zu 130% des
Wiederbeschaffungswerts) und einen vom Geschädigten selbst zu tragenden
wirtschaftlich unvernünftigen Teil aufgespalten werden (vgl. Senatsurteil vom
2. Juni 2015 - VI ZR 387/14, VersR 2015, 1267 Rn. 7 mwN).
c) Wie
das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, bestimmen die Angaben des vom
Geschädigten beauftragten Sachverständigen zur Höhe der voraussichtlich
anfallenden Reparaturkosten nicht verbindlich den Geldbetrag, den der
Geschädigte als Schadensersatz gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB
beanspruchen kann (vgl. Senatsurteile vom 3. Dezember 2013 - VI ZR 24/13, VersR
2014, 214 Rn. 10; vom 2. Juni 2015 - VI ZR 387/14, VersR 2015, 1267 Rn. 8 mwN).
Der Geschädigte ist insbesondere nicht gehindert, den Angaben des Sachverständigen
konkret entgegenzutreten und geltend zu machen, der von diesem ermittelte
Betrag gebe den zur Herstellung objektiv erforderlichen Betrag nicht zutreffend
wieder (vgl. Senatsurteile vom 3. Dezember 2013 - VI ZR 24/13, VersR 2014, 214
Rn. 10; vom 14. Mai 2013 - VI ZR 320/12, VersR 2013, 876 Rn. 11; zur objektiven
Erforderlichkeit vgl. Senatsurteile vom 8. Februar 2011 - VI ZR 79/10, VersR
2011, 547 Rn. 9; vom 14. Mai 2019 - VI ZR 393/18, BGHZ 222, 44, Rn. 25). Diese
Frage ist dann im Rechtstreit - im Falle des Bestreitens durch den Gegner auf
entsprechenden Beweisantrag des Geschädigten durch Einholung eines
Sachverständigengutachtens - einer Klärung zuzuführen.
Dementsprechend
hat der Senat entschieden, dass dem Geschädigten in den Fällen, in denen die
vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten zwar über der 130%-Grenze
liegen, es dem Geschädigten aber - auch unter Verwendung von Gebrauchtteilen -
gelungen ist, eine nach Auffassung des sachverständig beratenen Gerichts
fachgerechte und den Vorgaben des Gutachtens entsprechende Reparatur
durchzuführen, deren Kosten unter Berücksichtigung eines merkantilen
Minderwerts den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen, ein Anspruch auf
Ersatz der konkret angefallenen Reparaturkosten zusteht (Senatsurteil vom 14.
Dezember 2010 - VI ZR 231/09, VersR 2011, 282 Ls., Rn. 13).
Der Senat hat
bisher offengelassen, ob ein entsprechender Ersatzanspruch auch dann besteht,
wenn abweichend von der Schätzung des vorgerichtlichen Sachverständigen für die
vollständige und fachgerechte Reparatur des Fahrzeugs Kosten entstehen, die
sich unter Berücksichtigung eines merkantilen Minderwerts auf 101% bis 130% des
Wiederbeschaffungswerts belaufen (Senatsurteil vom 2. Juni 2015 - VI ZR 387/14,
VersR 2015, 1267 Rn. 9). Diese Frage ist nunmehr zu bejahen. Gelingt es dem
Geschädigten entgegen der Einschätzung des von ihm beauftragten
Sachverständigen zur Überzeugung des Tatrichters, die erforderliche Reparatur -
auch unter Verwendung von Gebrauchtteilen - innerhalb der 130%-Grenze
fachgerecht und in einem Umfang durchzuführen, wie ihn der Sachverständige zur
Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat, und stellt er damit den Zustand
seines Fahrzeugs wie vor dem Unfall wieder her, um es nach der Reparatur weiter
zu nutzen, kann ihm die "Integritätsspitze" von 30% nicht versagt
werden. In diesem Fall wird der gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB
ersatzfähige Betrag durch den tatsächlich entstandenen Reparaturaufwand und
nicht die hiervon abweichende Einschätzung des vorgerichtlichen
Sachverständigen abgebildet. Der Geschädigte kann dann Ersatz der tatsächlich
angefallenen Reparaturkosten und des merkantilen Minderwerts verlangen.
2. Die
Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die Beurteilung des
Berufungsgerichts, der Kläger habe die Reparatur sach- und fachgerecht und in
einem den Vorgaben des vorgerichtlichen Sachverständigen entsprechenden Umfang
durchgeführt.
a)
Entgegen der Auffassung der Revision ist dem Kläger der Beweis seiner
diesbezüglichen Behauptungen allerdings nicht deshalb abgeschnitten, weil ihm
wegen der Veräußerung seines Fahrzeugs im September 2017 eine Beweisvereitelung
vorzuwerfen wäre. Von einer Beweisvereitelung kann nur gesprochen werden, wenn
die nicht beweisbelastete Partei dem beweisbelasteten Gegner die Beweisführung
schuldhaft unmöglich macht oder erschwert, indem sie vorhandene Beweismittel
vernichtet, vorenthält oder ihre Benutzung erschwert (BGH, Urteile vom 25. Juni
1997 - VIII ZR 300/96, NJW 1997, 3311, juris Rn. 18; vom 11. Juni 2015 - I ZR
226/13, WRP 2016, 35 Rn. 44 - Deltamethrin I mwN). Durch die Veräußerung seines
Fahrzeugs hat der Kläger jedoch nicht die Beweisführung der Beklagten, sondern
allenfalls die eigene erschwert. Denn er ist für die vollständige und
fachgerechte Reparatur seines Fahrzeugs entsprechend den Vorgaben des
vorgerichtlichen Gutachters beweispflichtig.
Abgesehen
davon führt die Annahme einer Beweisvereitelung nicht zu der von der Revision
für sich in Anspruch genommenen Rechtsfolge. Liegen die Voraussetzungen einer
Beweisvereitelung durch den Gegner der beweisbelasteten Partei vor, können
zugunsten der beweisbelasteten Partei Beweiserleichterungen in Betracht kommen,
die unter Umständen bis zur Umkehr der Beweislast gehen können. Die
Beweisvereitelung führt dagegen nicht dazu, dass eine Beweiserhebung gänzlich
unterbleiben könnte und der Vortrag der beweisbelasteten Partei als bewiesen
anzusehen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 226/13, aaO Rn. 48 f.
- Deltamethrin I mwN).
b) Die
Revision beanstandet aber zu Recht, dass sich das Berufungsgericht an die
Beweiswürdigung des Amtsgerichts für gebunden gehalten hat (§ 529
Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
aa)
Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner
Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges
festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte
Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen
Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Denn
die Aufgabe der Berufungsinstanz als zweite - wenn auch eingeschränkte -
Tatsacheninstanz besteht auch nach der Reform des Zivilprozesses in der
Gewinnung einer "fehlerfreien und überzeugenden" und damit
"richtigen", das heißt der materiellen Gerechtigkeit entsprechenden
Entscheidung des Einzelfalles (vgl. Senatsurteil vom 14. Februar 2017 - VI ZR
434/15, VersR 2017, 702, juris Rn. 20; BGH, Urteil vom 9. März 2005 - VIII ZR
266/03, BGHZ 162, 313, juris Rn. 5).
Konkrete
Anhaltspunkte, die die in dieser Bestimmung angeordnete Bindung des
Berufungsgerichts an die erstinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen,
können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem
erstinstanzlichen Gericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen
sind. Ein solcher Verfahrensfehler liegt namentlich vor, wenn die
Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt,
die von der Rechtsprechung zu §§ 286, 287 ZPO entwickelt worden sind. Dies
ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich
widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze
verstößt (vgl. Senatsurteile vom 8. Juni 2004 - VI ZR 230/03, BGHZ 159, 254,
258 f., juris Rn. 16; vom 21. Juni 2016 - VI ZR 403/14, VersR 2016, 1194 Rn. 10
mwN; zur Beweiswürdigung im Rahmen des § 287 ZPO vgl. Senatsurteile vom
19. April 2005 - VI ZR 175/04, VersR 2005, 945, juris Rn. 10; vom 24. Juni 2008
- VI ZR 234/07, VersR 2008, 1370 Rn. 18). Hiervon ist unter anderem dann
auszugehen, wenn das erstinstanzliche Gericht Widersprüche oder Unklarheiten
eines bei der Entscheidung verwerteten Sachverständigengutachtens nicht
aufgeklärt hat. Erkennbar widersprüchliche oder unklare Gutachten sind keine
ausreichende Grundlage für die Überzeugungsbildung des Gerichts (vgl.
Senatsurteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 361/02, VersR 2004, 1575, juris Rn. 6;
Senatsbeschluss vom 2. Juli 2013 - VI ZR 110/13, VersR 2014, 261 Rn. 7).
bb) Die
Revision rügt mit Erfolg, dass die vom Berufungsgericht als bindend angesehene
Feststellung des Amtsgerichts, der gerichtliche Sachverständige habe aufgrund
der Auswertung der vor, während und nach der Reparatur aufgenommenen Fotos eine
sach- und fachgerechte Reparatur bejaht, von dessen Ausführungen im Gutachten
nicht gedeckt ist. Wie die Revision zu Recht geltend macht, hatte der
Sachverständige an verschiedenen Stellen im Gutachten auf die nach der
Veräußerung des Fahrzeugs eingeschränkte Beurteilungsgrundlage hingewiesen und
sich auf die relativierende, keine positive Feststellung enthaltende Aussage
beschränkt, nach der Auswertung der ihm vom Kläger zur Verfügung gestellten
Lichtbilder seien keine Anzeichen vorhanden, die gegen eine fach- und
sachgerechte Reparatur sprächen (S. 10 - 13, Bemerkungen unter Bild
Nr. 37). So führt er auf S. 10 unten/S. 11 oben des Gutachtens
aus:
"Die
Auswertung der zur Verfügung stehenden Schadensunterlagen und Fotos des
klägerischen VW - die im vorliegenden Fall zur Beurteilung der Art, Lage und
Intensität der Beschädigungen sowie des Reparaturergebnisses die einzigen
objektiven Anknüpfungspunkte darstellen - hat ergeben, dass vorhanden sind, des
VW sprechen würden.
Vielmehr
können die durch die Dienstleistungsgesellschaft A.[…] durchgeführten Arbeiten
- soweit diese in den vorliegenden im Rahmen der Reparatur des VW aufgenommenen
Fotos erkennbar sind (Bilder 13 - 40) - in einem der Reparaturrechnung der
Dienstleistungsgesellschaft A.[…] vom 17.03.2015 entsprechenden Umfang
durchgeführt worden sein und zu einem sach- und fachgerechten Reparaturergebnis
geführt haben."
In der
Zusammenfassung auf S. 12 weist der Sachverständige erneut darauf hin,
dass ihm zur Beantwortung der Beweisfrage neben der Reparaturkalkulation des
vorgerichtlichen Sachverständigen und der Reparaturrechnung der
Dienstleistungsgesellschaft A.[…] nur die vor und im Rahmen der Reparatur des
VW angefertigten Fotos als objektive Anknüpfungspunkte zur Verfügung gestanden
hätten, und wiederholt seine relativierende Angabe, die zur Verfügung stehenden
Unterlagen und Lichtbilder ließen keine Anzeichen erkennen, die gegen eine
fach- und sachgerechte Reparatur sprächen.
Soweit der
Sachverständige darüber hinaus ausführt, die Behauptung des Klägers, die von
der Dienstleistungsgesellschaft A.[…] durchgeführte Reparatur habe zu einer
fachgerechten Instandsetzung in einem Umfang geführt, wie ihn der
vorgerichtliche Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht
habe, "kann daher bestätigt werden", ist diese Schlussfolgerung ersichtlich
nicht mit seinen oben dargestellten einschränkenden Äußerungen in Einklang zu
bringen.
Wie die
Revision zu Recht geltend macht, sind diese nicht hinreichend aussagekräftigen
Angaben des Sachverständigen keine ausreichende Grundlage für die
Überzeugungsbildung des Gerichts. Sie begründen Zweifel an der Richtigkeit und
Vollständigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts und lassen
die in § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO angeordnete Bindung des
Berufungsgerichts an diese Feststellungen entfallen. Dies gilt umso mehr, als
das Amtsgericht seine Überzeugung ausweislich der vom Berufungsgericht in Bezug
genommenen Urteilsgründe trotz der oben wiedergegebenen einschränkenden
Hinweise des Sachverständigen auch damit begründet hat, der Sachverständige
habe an keiner Stelle seines Gutachtens erkennen lassen, dass sich für ihn bei
der Beantwortung der Beweisfrage Einschränkungen ergeben hätten, weil er den
PKW nicht mehr habe besichtigen können.
c) Das
Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen sich als richtig dar
(§ 561 ZPO). Den Gründen des Berufungsurteils auf S. 6 Abs. 4
ist nicht zu entnehmen, dass sich das Berufungsgericht hilfsweise von der auf
S. 6 Abs. 2 und 3 angenommenen Bindung an die erstinstanzlichen
Feststellungen gelöst und eine eigene tatrichterliche Beweiswürdigung
vorgenommen hätte.
III.
Das
Berufungsurteil war deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und
Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1,
§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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