Der Kläger klagte materielle und immaterielle Schadensersatzansprüche gegen den beklagten Arzt wegen angeblich fehlerhafter ärztlicher Behandlung mit der Folge einer Beinlähmung ein. Er behauptete in 1. Instanz vor dem Landgericht Fehler des Beklagten im Zusammenhang mit einer Ansteckung VZV, einem Herpes-Virus. Das Landgericht wies die Klage ab. Nunmehr holte der Kläger ein medizinisches Privatgutachten ein und stütze seine Berufung gegen das Urteil unter Bezugnahme auf dieses Gutachten darauf, er habe an einer Neuro- bzw. Lymeberreliose gelitten, was der Beklagte übersehen habe. Dies hätte der Beklagte erkenn können und müssen und sei behandlungsfehlerhaft nicht erkannt worden sowie die Diagnosen von ihm seien falsch gewesen. Er habe neben der (negativen) serologischen Befundung zu einer Borreliose weitere Befunde erheben müssen, was er pflichtwidrig unterlassen habe, bei deren Vornahme aber Borreliose erkannt worden wäre. In Ansehung der richtigen Diagnose sei das verordnete hochdosierte Cortison kontraindiziert gewesen und ursächlich für die vom Kläger geklagte Beinlähmung. Zudem sei er über die Risiken der Cortisonbehandlung nicht aufgeklärt worden.
Zunächst musste sich das OLG der Frage widmen, ob der Kläger mit seinem neuen Vortrag zugelassen werden konnte, bevor es - bei Bejahung – klären musste, ob sich daraus ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten herleiten lässt.
Das OLG hat auf sich beruhen lassen, ob – wie klägerseits geltend gemacht – in dem Vortrag im Berufungsverfahren, er habe im Behandlungszeitraum an einer Neuro- bzw. Lymeborreliose gelitten (gestützt auf das zwischenzeitlich eingeholte Privatgutachten) lediglich eine Präzisierung des erstinstanzlichen Vortrages lag oder ob es sich um neuen Sachvortrag iSv. § 531 Abs. 2 ZPO handelt. Nach Auffassung des OLG bedurfte es dazu keiner Entscheidung, da bei Präzisierung des erstinstanzlichen Vortrages dieser ohnehin zuzulassen wäre, aber auch dann, wenn man ihn als „neues Vorbringen“ ansehen würde, dies einer Zulassung nach § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO nicht entgegenstehen würde. Nach § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO ist neuer Vortrag zuzulassen, wenn das Unterlassen des Vortrages in er 1. Instanz nicht auf Nachlässigkeit beruht. Eine Nachlässigkeit des Klägers verneinte das OLG.
Jede Partei sei schon im ersten Rechtszug gehalten, die Angriffs- und Verteidigungsmittel vorzubringen, deren Relevanz für den Rechtsstreit ihr bekannt seien oder bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätten bekannt sein müssen und zu deren Geltendmachung sie dort imstande gewesen seien. Der gebotene Sorgfaltsmaßstab sei einfache Fahrlässigkeit. Allerdings dürften in einem Arzthaftungsprozess an eine Substantiierungsverpflichtung des Patienten nur maßvolle Anforderungen gestellt werden, was auch für Einwendungen gegen ein gerichtliches Gutachten gelte. Deshalb seien die Parteien nicht gehalten, bereits in 1. Instanz ihre Einwendungen gegen ein Gerichtsgutachten auf die Beifügung eines Privatgutachtens oder auf einen eingeholten sachverständigen Rat zu stützen oder selbst (oder durch Dritte) in medizinischen Bibliotheken Recherchen anzustellen, um Einwendungen gegen ein gerichtliches Sachverständigengutachten zu erheben (BGH, Urteil vom 08.06.2004 - VI ZR 199/03 -). Dem würde nicht entgegenstehen, dass der Privatgutachter des Klägers kein Facharzt für Neurologie sei. Da selbst eigene Recherchen des Klägers oder seines Prozessbevollmächtigten in medizinischer Fachliteratur ausreichen würden, um den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zu genügen (BGH aaO.), dann müsse dies erst recht für Vorbringen gelten, welches sich auf ein medizinisches Gutachten gelten, auch wenn der privat beauftragte ärztliche Gutachter nicht dem zur Beurteilung eines Behandlungsfehlers maßgeblichen Fachgebiet angehöre.
Damit brachte das OLG deutlich zum Ausdruck, dass das erstinstanzliche Abstellen auf bestimmte ärztliche Fehler nicht ein Abstellen im Berufungsverfahren auf anderweitige Fehler hindert, da der Kläger im Arzthaftungsprozess nicht veranlasst ist, sich bereits vorab ein eigenes medizinisches Gutachten zu besorgen bzw. sich in die medizinische Fachliteratur einzulesen; erfolge dies erst im Zusammenhang mit der von ihm gegen ein klageabweisendes Urteil eingelegten Berufung, liegt darin keine diesen neuen Sachvortrag ausschließende Nachlässigkeit iSv. § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO.
Allerdings wies das OLG die Berufung des Klägers als unbegründet zurück. Nach Beweisaufnahme durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens kam es zum Ergebnis, dass mir hoher Wahrscheinlichkeit Borreliose zum Zeitpunkt der streitbefangenen Behandlung noch nicht vorlag. Es habe auch nicht darüber befinden müssen, ob der Beklagte im Zusammenhang mit der Cortisonbehandlung eine Aufklärungspflicht gegenüber dem Kläger verletzt habe, da diese jedenfalls nicht zu einem Schaden geführt habe; die gerichtlich bestellten Sachverständigen hätten darauf hingewiesen, dass Schäden durch eine Cortisonbehandlung in den Behandlungsunterlagen nicht dokumentiert seien.
OLG Dresden, Urteil vom
14.09.2021 - 4 U 1771/20 -
Aus den Gründen:
Tenor
I. Die Berufung
des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 24. Juli 2020 - Az.:
8 O 2550/17 - wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger
trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil
sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die
Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des
zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden
Betrages leistet.
IV. Die
Revision wird nicht zugelassen.
und
beschlossen:
Der Streitwert
für das Berufungsverfahren wird auf 200.099,62 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger
macht gegenüber der Beklagten materielle und immaterielle
Schadensersatzansprüche aufgrund einer von ihm behaupteten fehlerhaften
ärztlichen Behandlung geltend.
Wegen der
Einzelheiten des Sachverhaltes und der erstinstanzlichen Antragstellung wird
auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Dresden vom 24.07.2020 Bezug
genommen.
Das Landgericht
hat mit Urteil vom 24.07.2020 die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der
Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils
verwiesen.
Der Kläger
verfolgt mit der von ihm form- und fristgerecht eingelegten sowie begründeten
Berufung sein erstinstanzliches Begehren weiter, beziffert den materiellen
Schadensersatzanspruch nunmehr bis einschließlich 31.12.2020 und beschränkt
zugleich die von ihm erhobenen Vorwürfe auf die Behandlung im ... Klinikum ...
ab dem 05.02.2015. Er behauptet unter Bezug auf ein nach Erlass des
angefochtenen Urteils eingeholtes Privatgutachten, er habe bereits 2015 an
einer Neuro- bzw. Lymeborreliose gelitten, was die Ärzte der Beklagten
behandlungsfehlerhaft nicht erkannt hätten. Der von ihnen erhobene negative
serologische Befund habe eine solche Borreliose nicht ausgeschlossen. Die
Verdachtsdiagnosen einer Myelitis, einer Neuromyelitis Optica und einer
Multiplen Sklerose (MS) seien dagegen falsch gewesen. Die erhobenen Befunde
seien mit einer Multiplen Sklerose (MS) nicht vereinbar gewesen. Vorzuwerfen
sei den ärztlichen Behandlern der Beklagten zudem eine unzureichende
Befunderhebung. So hätten sie zwingend weitere Befunde erheben müssen, um eine
Neuroborreliose sicher auszuschließen, hierzu hätte die Liquordiagnostik durch
Lumbalpunktion wiederholt und eine PCR- und eine CXCL13-Testung durchgeführt
werden müssen. Die hierbei erhobenen Befunde hätten eine Borreliose ergeben und
eine gezielte Antibiose nach sich gezogen, die die Erkrankung des Klägers hätte
(nahezu) vollständig ausheilen lassen. Stattdessen sei ihm hochdosiertes
Cortison ohne hinreichende Befunderhebung verordnet worden; dies sei
kontraindiziert gewesen und stelle einen groben Behandlungsfehler dar. Die
heutigen Beeinträchtigungen des Klägers infolge der Neuroborreliose seien auf
die Unterdrückung des Immunsystems zurückzuführen. Die Fehlbehandlung sei daher
kausal für den eingetretenen Dauerschaden, insbesondere die Beinlähmung und die
radikuläre Schmerzsymptomatik. Schließlich sei der Kläger aber auch nicht über
die Risiken einer hochdosierten Cortisonbehandlung aufgeklärt worden. Eine
Aufklärung sei aber zwingend notwendig gewesen, da der Cortisongabe keine
gesicherte Diagnose zugrunde gelegen habe. Eine rein prophylaktische
Cortisonbehandlung sei aufgrund der schädigenden Wirkung des hochdosierten
Cortisons aufklärungspflichtig.
Der Kläger
beantragt,
das Urteil des
Landgerichts Dresden vom 24.07.2020 aufzuheben und
1. die Beklagte
zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen
Festsetzung der Höhe nach in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt
werde, mindestens jedoch 60.000,00 €, nebst Zinsen aus dem zugesprochenen
Schmerzensgeldbetrag in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit,
2. die Beklagte
zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 59.432,48 € (materieller
Schaden Vergangenheit bis 31.12.2020) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu
zahlen,
3. die Beklagte
zu verurteilen, beginnend ab 01.01.2021 an den Kläger eine monatliche Rate
hinsichtlich des zukünftigen Haushaltsführungsschadens in Höhe von 730,17 € zu
zahlen,
4. festzustellen,
dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche aus der fehlerhaften
Behandlung resultierenden weiteren materiellen Schäden für Vergangenheit und
Zukunft, sowie die nicht vorhersehbaren immateriellen Zukunftsschäden zu
ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder
sonstige Dritte übergehen oder bereits übergegangen sind und
5. die Beklagte
zu verurteilen, den Kläger wegen der nach dem RVG nicht konsumierten
außergerichtlichen Kosten des Klägers bei den Prozessbevollmächtigten in Höhe
von 2.891,70 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
Die Beklagte
beantragt,
die Berufung
des Klägers zurückzuweisen.
Sie verteidigt
das erstinstanzliche Urteil und vertritt die Auffassung, die erstmals im
Berufungsverfahren erhobene Behauptung, der Kläger habe statt an einer Herpes-Zoster-Infektion
an einer (Lyme-)Neuroborreliose gelitten, sei zum einen medizinisch nicht
nachvollziehbar und zum anderen auch als verspätet zurückzuweisen. Ohnehin sei
nicht nachvollziehbar, wie der fachfremde Privatgutachter zu der Auffassung
gelange, dass bei dem Kläger „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“
eine Neuroborreliose vorgelegen habe. Im Übrigen habe der gerichtliche
Sachverständige eindeutig ausgeführt, dass eine weitere Diagnostik zum
Zeitpunkt der streitgegenständlichen Behandlung nicht geboten gewesen sei. Der
gerichtliche Sachverständige habe dabei berücksichtigt, dass der Kläger auf
Borreliose getestet worden sei, die Ergebnisse darauf aber keinen Hinweis
gegeben hätten. Weitere Befunderhebungen seien danach nicht mehr geboten
gewesen.
Der Senat hat
Beweis erhoben durch ergänzende Anhörung des Sachverständigen Prof. T......
B....... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der
mündlichen Verhandlung vom 03.08.2021 verwiesen. Darüber hinaus wird auf die von
den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige
Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Dem Kläger
stehen gegenüber der Beklagten keine Ansprüche aus dem streitgegenständlichen
Behandlungsgeschehen zu, §§ 630 a ff, 823 BGB.
1.
Die Behauptung
des Klägers, den behandelnden Ärzten der Beklagten sei im Zusammenhang mit der
unterbliebenen Diagnose einer Neuro- bzw. Lymeborreliose ein schuldhafter
Behandlungsfehler vorzuwerfen, ist im Berufungsverfahren zu berücksichtigen.
Dabei kann
dahinstehen, ob das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren, er habe im
streitgegenständlichen Behandlungszeitraum an einer Neuro- bzw. Lymeborreliose
gelitten, dass er auf ein nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens
eingeholtes Privatgutachten stützt, nur eine Präzisierung des erstinstanzlichen
Vortrags darstellt oder neu im Sinne von § 531 Abs. 2 ZPO ist (vgl.
dazu BGH, Urteil vom 08.06.2004, Az.: VI ZR 199/03 - juris). Denn selbst wenn
es sich um „neues“ Vorbringen handelte, wäre dem Kläger keine Nachlässigkeit
i.S.d. § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO vorzuwerfen. Zwar ist
jede Partei gehalten, schon im ersten Rechtszug die Angriffs- und
Verteidigungsmittel vorzubringen, deren Relevanz für den Rechtsstreit ihr bekannt
ist oder bei Aufwendung der gebotenen Sorgfalt hätte bekannt sein müssen und zu
deren Geltendmachung sie dort imstande ist. Sorgfaltsmaßstab ist dabei jedoch
einfache Fahrlässigkeit (vgl. BGH, a.a.O., m.w.N.). In einem
Arzthaftungsprozess dürfen an die Substantiierungspflicht des Patienten
grundsätzlich nur maßvolle Anforderungen gestellt werden, was auch für
Einwendungen gegen ein gerichtliches Gutachten gilt. Die Partei ist daher nicht
verpflichtet, bereits in erster Instanz ihre Einwendungen gegen das
Gerichtsgutachten auf die Beifügung eines Privatgutachtens oder auf
sachverständigen Rat zu stützen oder selbst bzw. durch Dritte in medizinischen
Bibliotheken Recherchen anzustellen, um Einwendungen gegen ein gerichtliches
Sachverständigengutachten zu formulieren (vgl. BGH, a.a.O.). Unterbleibt dies,
kann hierauf kein Fahrlässigkeitsvorwurf gestützt werden. Dem steht auch nicht
entgegen, dass der Privatgutachter, auf dessen Ausführungen sich der Kläger
bezieht, kein Facharzt für Neurologie ist. Denn wenn selbst eigene Recherchen
des Klägers oder seines Prozessbevollmächtigten in medizinischer Fachliteratur
ausreichen, um den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Satz 1
Nr. 3 ZPO zu genügen (vgl. BGHZ 159, 245 ff.), dann muss dies erst recht
für Vorbringen gelten, das sich auf ein medizinisches Gutachten bezieht, auch
wenn der ärztliche Gutachter nicht dem zur Beurteilung eines Behandlungsfehlers
maßgeblichen Fachgebiet angehört.
2.
Im Anschluss an
die ergänzende Beweisaufnahme durch den Senat scheidet jedoch auch insofern ein
Behandlungsfehler der behandelnden Ärzte der Beklagten sowohl in Form eines
Befunderhebungs- als auch eines Diagnosefehlers aus.
a)
Ein
Befunderhebungsfehler ist gegeben, wenn die Erhebung medizinisch gebotener
Befunde unterlassen wird. Im Unterschied dazu liegt ein Diagnoseirrtum vor,
wenn der Arzt erhobene oder sonst vorliegende Befunde falsch interpretiert und
deshalb nicht die aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs gebotenen
therapeutischen oder diagnostischen Maßnahmen ergreift (vgl. BGH, Urteil vom
26.01.2016, Az.: VI ZR 146/14 - juris -, m.w.N.). Ein Diagnoseirrtum setzt aber
voraus, dass der Arzt die medizinisch notwendigen Befunde überhaupt erhoben
hat, um sich eine ausreichende Basis für die Einordnung der Krankheitssymptome
zu verschaffen. Hat dagegen die unrichtige diagnostische Einstufung einer
Erkrankung ihren Grund bereits darin, dass der Arzt die nach dem medizinischen
Standard gebotenen Untersuchungen erst gar nicht veranlasst hat - ist er mithin
aufgrund unzureichender Untersuchungen vorschnell zu einer Diagnose gelangt,
ohne diese durch die medizinisch gebotenen Befunderhebungen abzuklären - dann
ist dem Arzt ein Befunderhebungsfehler vorzuwerfen. Denn bei einer solchen
Sachlage geht es im Kern nicht um die Fehlinterpretation von Befunden, sondern
um deren Nichterhebung (vgl. BGH, a.a.O.).
b)
Unter
Berücksichtigung dessen ist den behandelnden Ärzten nach den Ausführungen des
gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. T...... B...... weder ein
Befunderhebungs- noch ein Diagnosefehler vorzuwerfen, zumal dem Kläger bereits
vor dem Hintergrund der Darlegungen des Gerichtssachverständigen nicht der
Nachweis gelungen ist, in dem streitgegenständlichen Behandlungszeitraum an
einer Neuro- bzw. Lymeborreliose gelitten zu haben. Nach den überzeugenden
Darlegungen des Gerichtssachverständigen bestand für die Ärzte der Beklagten
keine Notwendigkeit, das Vorliegen einer Neuro- bzw. Lymeborreliose durch
weitere Befunde zu überprüfen. Selbst der Privatsachverständige Dr.
B........... geht in seinem Gutachten vom 15.06.2021 nicht davon aus, dass es
veranlasst gewesen wäre, die Liquoruntersuchung vom 05.02.2015, die keinen
Hinweis auf ein solches Krankheitsbild ergeben hatte, zu wiederholen.
Der gerichtlich
bestellte Sachverständige hat sich in seinem erstinstanzlichen Gutachten vom
14.11.2019 (Bl. 83 ff. d. A.) zwar im Schwerpunkt mit der erstinstanzlich
allein gegenständlichen Frage einer Infektion oder Reaktivierung von VZV
(Varicella-Zoster-Virus) befasst und diesbezüglich die Befunderhebung des
behandelnden Arztes als ausreichend angesehen; die darauf beruhenden
Feststellungen des Landgerichts werden vom Kläger mit der Berufung auch nicht
angegriffen.
Darüber hinaus
hat er jedoch bereits in der mündlichen Verhandlung vom 10.06.2020 (Bl. 119 ff.
d. A.) ausgeführt, dass der Kläger daneben auch auf Borrelien untersucht worden
sei, weil diese für die „Beschwerden, über die der Kläger berichtete,
ursächlich sein können“, die durchgeführten Untersuchungen hätten dafür aber
keinen Hinweis ergeben (Bl. 121 d. A.). In der mündlichen Verhandlung vom
03.08.2021 hat der Sachverständige diese Einschätzung unter eingehender
Auseinandersetzung mit den vom Kläger eingeholten Privatgutachten des PD Dr.
Berghoff vom 25.11.2020 und 15.06.2021 umfangreich ergänzt und ist zu dem
Ergebnis gelangt, es sei in der Gesamtschau „sehr unwahrscheinlich“, dass bei
dem Kläger im Jahr 2015 eine Neuro- bzw. Lymeborreliose vorgelegen habe. In
diesem Zusammenhang hat er sich detailliert und mit nachvollziehbarer
Begründung mit den Ergebnissen der zum damaligen Zeitpunkt erfolgten Liquor-
und Blutuntersuchung auseinandergesetzt und darauf hingewiesen, die fehlende
Erhöhung der Zellzahl im Liquor sowie der unauffällige borrelienspezifische
Antikörperindex im Blut ließen in der Zusammenschau den Rückschluss zu, dass im
damaligen Zeitpunkt der Behandlung eine Neuroborreliose „praktisch
ausgeschlossen“ gewesen sei und daher für eine „experimentelle“ Antibiose
keinerlei Veranlassung bestanden habe. Des Weiteren hat sich der
Sachverständige in diesem Zusammenhang eingehend mit dem Einwand des Privatsachverständigen
befasst, eine Lymeborreliose könne allein aufgrund eines negativen
serologischen Befundes nicht ausgeschlossen werden. Zwar könne es - so der
Gerichtssachverständige - durchaus zu einer „Spätmanifestation“ einer
Borreliose kommen, die auch eine Myelitis zur Folge haben könne. Im
vorliegenden Fall sei aber zu beachten, dass das MRT aufgrund der dort
dokumentierten frischen Entzündungszeichen für eine akute Entzündung gesprochen
habe; Veranlassung, eine Spätmanifestation einer Neuroborreliose in Betracht zu
ziehen, hätten die Ärzte der Beklagten in der Gesamtschau daher nicht haben
müssen. Zwar sei auch nicht ausgeschlossen, dass sich im Fall der
„Spätmanifestation“ einer Borreliose ein derartiges Bild ergebe, dann wäre es
aber ungewöhnlich, wenn zugleich - wie hier jedoch der Fall - keine Antikörper
nachweisbar wären. Aber selbst wenn man schließlich berücksichtige, dass dies
in wenigen (“handvoll“) Fällen entsprechend dokumentiert sei, wäre eine
Neuroborreliose mit weiterer Diagnostik nur schwer zu entdecken (gewesen),
zumal die PCR-Methode lediglich von mäßiger Sensitivität sowie Spezifität sei
und eine empirische Antibiose ebenfalls nicht zielgenau wirke. Darüber hinaus
hat der Sachverständige Prof. T...... B...... überzeugend dargestellt, dass die
vom Privatsachverständigen in Bezug genommenen „supratentoriellen linksseitigen
balkennahen Herdstörungen“ sowohl bei der Neuroborreliose als auch bei anderen
entzündlichen Erkrankungen aufträten und letztlich nur darauf hinwiesen, dass
ein entzündlicher Prozess ablaufe bzw. abgelaufen sei; dagegen wären sie nicht
dafür geeignet, konkrete Erkrankungen, mithin auch eine Neuroborreliose, zu
belegen. Schließlich hat der Gerichtssachverständige aber auch mit
nachvollziehbarer Begründung unter Hinweis auf den Entlassungsbericht der
behandelnden Ärzte der Beklagten bestätigt, dass die zum damaligen
Behandlungszeitraum vorgenommene differenzialdiagnostische Beurteilung, die zu
den Verdachtsdiagnosen einer Neuromyelitis Optica bzw. einer Multiplen Sklerose
geführt hatte, behandlungsfehlerfrei war, auch wenn die vorliegenden Befunde
bezogen auf die vorgenannten Erkrankungen im Behandlungszeitraum eine
abschließende Diagnose noch nicht erlaubt hätten. Die abweichende Einschätzung
des Privatsachverständigen Dr. B........... beruht ersichtlich darauf, dass
dieser nicht berücksichtigt hat, dass im hier streitgegenständlichen Zeitraum
über eine solche Verdachtsdiagnose hinaus eine diagnostische Gewissheit noch
nicht möglich war. Schließlich tritt der Gerichtssachverständige aber auch mit
überzeugenden Argumenten der Annahme des Privatsachverständigen, dass bereits
2015 ein durch eine Neuroborreliose verursachter Hirninfarkt beim Kläger
vorgelegen habe, den die Ärzte der Beklagten verkannt hätten, entgegen.
Hiergegen spreche, dass bei den diesbezüglich in der Literatur dokumentierten
Fällen - anders als beim Kläger - entweder eine Zellzahlerhöhung oder ein
positiver Antikörperindex vorgelegen habe. Da Schädigungsort das Rückenmark
gewesen sei, hätte es sich dann zudem um einen Rückenmarksschlaganfall
gehandelt haben müssen, der medizinisch selten und mit der hier aufgetretenen
„Asymmetrie des Geschehens“ nicht in Übereinstimmung zu bringen sei. Dies hält
der Senat insgesamt für überzeugend.
3.
Dahingestellt
bleiben kann auch, ob die behandelnden Ärzte der Beklagten eine
Aufklärungspflicht im Zusammenhang mit der Cortisonbehandlung des Klägers
verletzt haben. Denn jedenfalls hätte eine Verletzung von Aufklärungspflichten
in diesem Zusammenhang nicht zu einem Schaden geführt. Diesbezüglich hat der
Sachverständige Prof. T...... B...... darauf hingewiesen, dass Schäden durch
die Cortisonbehandlung in den Behandlungsunterlagen nicht dokumentiert seien.
III.
Die
Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
Die Revision
war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht
vorliegen.
Für die
Streitwertfestsetzung waren die §§ 47, 48 GKG, §§ 3 und 9 ZPO
maßgeblich.
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