Freitag, 11. Februar 2022

Betriebskosten: Gewährung der Einsichtnahme in Originalbelege oder Kopie / Scan ?

Streitbefangen war (noch) das im Rahmen einer Widerklage geltend gemachte Verlangen der Beklagten als Mieter einer Wohnung in die den Betriebskostenabrechnungen 2017 – 2019 zugrunde liegenden Originalbelege. Statt Einsicht zu gewähren, sandte die Vermieterin (Klägerin) ihn lediglich Belegkopien. Das Amtsgericht hatte der Widerklage stattgegeben; auf die Berufung der Klägerin hob das Landgericht das Urteil auf und wies die Klage ab. Mit der zugelassenen Revision begehrten die Beklagten die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Der BGH wies darauf hin, dass die Abrechnung nach § 556 Abs. 3 S. 1 Halbs. 1 BGB dazu diene, die im Abrechnungsjahr erfassten Betriebskosten zusammenzustellen und unter Berücksichtigung der Vorauszahlungen auf die Mieter zu verteilen. Nach § 259 Abs. 1 Halbs. 1 BGB habe die Abrechnung eine aus sich selbst heraus verständliche Zusammenstellung der im Abrechnungsjahr zu den umzulegenden Betriebskosten getätigten Einnahmen und Ausgaben zu enthalten, um so dem Mieter die Möglichkeit zu geben, die zu verteilenden Kostenpositionen zu erkennen und den auf ihn entfallenden Anteil an diesen gedanklich und rechnerisch nachzuprüfen. Dementsprechend gehöre die Gewährung einer begehrten Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen nach § 259 Abs. 1 Halbs. 2 BGB zur ordnungsgemäßen Abrechnung, soweit dies zur sachgerechten Überprüfung der Abrechnung oder zur Vorbereitung etwaiger Einwendungen erforderlich sei.

Bereits aus dem Wortlaut des § 259 Abs. 1 Halbs. 2 BGB folge das Einsichtsrecht in Originalbelege. Dabei könnten Originalbelege unter Umständen nicht nur solche in Papierform sein; dazu gehören auch Belege in digitaler Form, wenn der Vermieter solche von seinen Dienstleistern übermittelt erhielt. Kopien, die der Vermieter gefertigt habe, würden aber nicht den Originalbelegen gleichzusetzen sein. Entsprechendes würde auch für preisgebundenen Wohnraum deutlich, bei dem in § 28 Abs. 2 S. 1 NMV 1970 zwischen „Berechnungsunterlagen“ und „Ablichtungen davon“ unterschieden würde. Zudem seien zur Überprüfung der Ordnungsgemäßheit der Verwaltung, über die Rechenschaft abzulegen sei, in erster Linien Originalunterlagen uneingeschränkt geeignet, auch wenn diese durch Kopien ersetzbar wären.

Damit bestünde grundsätzlich ein Anspruch auf Einsicht in die Originalunterlagen. Dies sei nicht davon abhängig, ob dies allgemein oder zu bestimmten Belegen üblich sei.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts müsse der Mieter auch kein besonderes Interesse an der Einsicht in Originalbelege dartun. Schon allgemein für das Einsichtsrecht müsse der Mieter kein besonderes Interesse darlegen. Es würde das allgemeine Interesse genügen, den Vermieter zu kontrollieren. Daraus ergäbe sich, dass auch kein besonderes Interesse an der Einsicht in Originalbelege dargetan werden müsse. Also müsse er auch – wenn ihm wie hier Kopien überlassen worden seien – keinen begründeten Verdacht aufzeigen, dass Kopien manipuliert seien oder Unstimmigkeiten aufweisen würden.

Dem begehren auf Einsicht in Originalunterlagen statt Kopien könne nur das (vom Vermieter dann darzulegende und zu beweisende) Schikaneverbot entgegenstehen. Dazu sei aber erforderlich, dass vom Vermieter aufgezeigt würde, dass das Begehren nur erfolge, um den Vermieter zu schaden, also kein schutzwürdiges Eigeninteresse des Mieters zugrunde liegen würde oder das recht nur geltend gemacht würde, um eine anders, vertragsfremdes oder unlauteres Ziel zu erreichen. Dafür sei nichts ersichtlich.

Letztlich prüfte der BGH, ob § 242 BGB (Treu und Glauben) dem Begehren der Mieter auf Einsicht in Originalbelege entgegen stehen könne. Dabei verwies er darauf, dass der Senat einen Anspruch des Mieters auf Überlassung von Kopien statt Einsichtnahme in die Originalbelege vor Ort dann bejahe, wenn dem Mieter die Einsichtnahme vor Ort nicht zumutbar sei (z.B. wegen der Entfernung). Mithin könne sich nach Treu und Glauben das Recht zur Einsichtnahme auch auf die Zurverfügungstellung von Kopien oder Scans beschränken. Habe der Vermieter durch seine Dienstleister Belge nur in digitaler Form erhalten, könne ein derartiger Ausnahmefall vorliegen. Nach den Umständen des Einzelfalls könnten auch andere, vom Tatrichter zu würdigende Umstände in Betracht kommen, die allerdings hier nicht vorlägen. Der BGH beließ damit ein breites Spektrum für möglicherweis phantasievolle Überlegungen eines solchen Ausnahmefalls. Ein solcher sollte nach Auffassung der Klägerin vorliegen, da die Belge vernichtet worden seien und damit eine Unmöglichkeit nah § 275 Abs. 1 BGB vorläge. Der BGH verwies für diesen Fall auf die dem Vermieter obliegende Beweislast für eine solche Behauptung, wie auch darauf, dass nach den (nicht mit Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffenen) Feststellungen des Berufungsgerichts eine Vernichtung nicht vorläge.; von daher musste er sich nicht mit den Konsequenzen einer eventuellen Unmöglichkeit auseinandersetzen, weder in Bezug auf das Einsichtsrecht noch im Hinblick aus den daraus zu ziehenden Folgen für die Abrechnung und  die wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus dieser.

Anm.: In der Sache hat sich der BGH nicht mit der Frage auseinandergesetzt, unter welchen Umständen die Unmöglichkeit der Einsichtsgewährung in Originalbelege infolge einer Vernichtung keine Auswirkung auf die Abrechnung selbst hat, also insbesondere auch nicht damit, ob bei einer schuldhaften Nichtgewährung der Einsicht durch den Vermieter (z.B. wegen Verrichtung durch ihn) die Vorauszahlungen zurückverlangen kann. Dies wäre an sich die Konsequenz: Soll mit der Prüfung dem Mieter ermöglicht werden, die Richtigkeit der Abrechnung zu prüfen, mithin auch die in derselben dargestellten Ansätze mit den Belegen vergleichen können, und kann dafür grundsätzlich nicht auf Kopien verwiesen werden, so muss bei schuldhaft bedingter Unmöglichkeit der Vorlage die Abrechnung als nicht erteilt angesehen werden mit dem Anspruch auf Rückerstattung der Vorauszahlungen.

Danach war die Klage auf Einsichtnahme in die Originalbelege als Teil der geschuldeten Abrechnung der Betriebskosten im Revisionsverfahren erfolgreich.

BGH, Urteil vom 15.12.2021 - VIII ZR 66/20 -


Aus den Gründen:

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Memmingen - 1. Zivilkammer - vom 19. Februar 2020 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Günzburg vom 30. Juli 2019 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung der Klägerin in G. Die Klägerin hat die Zustimmung der Beklagten zu einer Anpassung der Miete an die ortsübliche Vergleichsmiete begehrt, die Klage jedoch zurückgenommen. Mit der Widerklage, die allein Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, verlangen die Beklagten Einsicht in die den Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2015 bis 2017 zugrundeliegenden Originalbelege. Die Klägerin hat den Beklagten stattdessen Belegkopien übersandt.

Die Widerklage hat in erster Instanz Erfolg gehabt. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Widerklage abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehren die Beklagten die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:

Den Beklagten stehe ein Anspruch auf Einsicht in die Originale der Belege, welche den Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2015 bis 2017 zugrunde lägen, nicht zu. Der Anspruch sei bereits erfüllt durch die Übersendung von Kopien beziehungsweise Scan-Ausdrucken der betreffenden Unterlagen.

Nach § 259 Abs. 1 BGB bestehe zwar grundsätzlich ein Anspruch auf Vorlage von Belegen, soweit dem Rechenschaftspflichtigen Belege für seine Einnahmen und Ausgaben erteilt zu werden pflegten. § 259 Abs. 1 BGB spreche nicht von Kopien, sondern von den erteilten Belegen, weshalb Einsicht in die Originalunterlagen geschuldet sei. Soweit die Klägerin behauptet habe, die Vorlage sei unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB), weil sie die Originale nach dem Einscannen vernichtet habe, habe sie Beweis hierfür nicht angeboten, so dass vom Vorhandensein der Originalbelege auszugehen sei.

Allerdings bestehe nach einer teilweise im Schrifttum und in der Instanzrechtsprechung vertretenen Auffassung, der das Berufungsgericht folge, ein Recht zur Einsichtnahme in die Originalbelege nur, wenn auf Seiten des Mieters "konkrete Gründe" gegeben seien, sich mit Kopien nicht zufriedenzugeben beziehungsweise bei einem begründeten Verdacht von Manipulationen oder Unstimmigkeiten.

Ein Anspruch der Beklagten auf Vorlage von Originalbelegen sei danach im vorliegenden Fall nicht gegeben. Das rechtliche Interesse der Beklagten an einer ordnungsgemäßen Rechnungslegung sei durch die ihnen übersandten Kopien bereits hinreichend gewahrt, zumal die Prüfungsmöglichkeit in der eigenen Wohnung und nicht - wie bei Originalbelegen - beim Vermieter die Rechnungskontrolle wesentlich erleichtere.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, eine Verpflichtung der Klägerin, den Beklagten auf deren Verlangen gemäß § 259 Abs. 1 Halbs. 2, § 556 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 BGB nicht nur Einsicht in Kopien der den Betriebskostenabrechnungen der Jahre 2015 bis 2017 zugrundeliegenden Belege, sondern in die Originalbelege zu gewähren, bestehe nicht. Denn eine solche Pflicht ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht von einem besonderen Interesse der beklagten Mieter abhängig.

1. Eine vom Vermieter gemäß § 556 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 BGB vorzunehmende Abrechnung dient dazu, die Betriebskosten des jeweiligen Abrechnungsjahrs zu erfassen, zusammenzustellen und unter Abzug der jeweils geleisteten Vorauszahlungen auf die einzelnen Mieter zu verteilen. Dazu muss die Abrechnung den allgemeinen Anforderungen des § 259 Abs. 1 Halbs. 1 BGB entsprechen, also eine aus sich heraus verständliche geordnete Zusammenstellung der zu den umzulegenden Betriebskosten im Abrechnungsjahr getätigten Einnahmen und Ausgaben enthalten, um es dem Mieter zu ermöglichen, die zur Verteilung anstehenden Kostenpositionen zu erkennen und den auf ihn entfallenden Anteil an diesen Kosten gedanklich und rechnerisch nachzuprüfen (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsurteile vom 7. Februar 2018 - VIII ZR 189/17, NJW 2018, 1599 Rn. 15; vom 12. November 2014 - VIII ZR 112/14, NJW 2015, 406 Rn. 11; vom 9. Oktober 2013 - VIII ZR 22/13, NJW-RR 2014, 76 Rn. 13; jeweils mwN).

Dementsprechend gehört es zu einer ordnungsgemäßen Abrechnung des Vermieters, dass er im Anschluss an die Mitteilung der die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthaltenden Rechnung dem Mieter auf dessen Verlangen gemäß § 259 Abs. 1 Halbs. 2 BGB die Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen durch deren Vorlage ermöglicht, soweit dies etwa zur sachgerechten Überprüfung der Nebenkostenabrechnung oder zur Vorbereitung etwaiger Einwendungen erforderlich ist (vgl. Senatsurteile vom 7. Februar 2018 - VIII ZR 189/17, aaO Rn. 16; vom 20. Januar 2016 - VIII ZR 93/15, NJW 2016, 866 Rn. 18; vom 3. Juli 2013 - VIII ZR 322/12, NJW 2013, 3234 Rn. 9; jeweils mwN).

2. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht dabei angenommen, dass sich das Einsichtsrecht des Mieters grundsätzlich auf die Originalbelege bezieht.

a) Das folgt bereits aus dem Wortlaut des § 259 Abs. 1 Halbs. 2 BGB. Danach hat der Rechenschaftspflichtige Belege vorzulegen, soweit sie erteilt worden sind. Anhand dieser Formulierung wird deutlich, dass der Rechenschaftspflichtige diejenigen Belege vorzulegen hat, die ihm selbst erteilt worden sind, mithin die Originale, während vom Rechenschaftspflichtigen gefertigte Kopien grundsätzlich nicht ausreichend sind. Zwar sind Originalbelege - was hier nicht in Streit steht - unter Umständen nicht nur solche in Papierform; es kann sich auch um Belege handeln, die dem Vermieter von seinen Dienstleistern ausschließlich in digitaler Form übermittelt worden sind (vgl. Wall, Betriebs- und Heizkostenkommentar, 5. Aufl., Rn. 2149b). Vom Vermieter gefertigte Kopien sind jedoch Originalbelegen grundsätzlich nicht gleichzustellen. Dies wird auch anhand der Bestimmung des § 29 Abs. 2 Satz 1 NMV 1970 deutlich, welche - jedenfalls für preisgebundene Wohnraummietverhältnisse - ausdrücklich zwischen den "Berechnungsunterlagen", in die Einsicht zu gewähren ist, und "Ablichtungen davon" differenziert.

b) Aus dem Normzweck des § 259 Abs. 1 BGB ergibt sich ebenfalls, dass sich die Vorlagepflicht auf die Originalbelege bezieht. Die Rechenschafts- und Vorlagepflicht ist dazu bestimmt, dem Interesse des Gläubigers an einer umfassenden und übersichtlichen Information Rechnung zu tragen. Er soll in den Stand versetzt werden, die Ordnungsgemäßheit der Verwaltung, über die Rechenschaft abzulegen ist, zu überprüfen und - bei Missständen - Ansprüche geltend machen zu können (MünchKommBGB/Krüger, 8. Aufl., § 259 Rn. 1). Zur Überprüfung der Ordnungsgemäßheit der Verwaltung, über die Rechenschaft abzulegen ist, sind indes in erster Linie Originalunterlagen uneingeschränkt geeignet, selbst wenn diese vielfach durch Kopien ersetzbar sein mögen.

c) Demgemäß entspricht es durchgängiger Auffassung in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum, dass der Mieter grundsätzlich Einsicht in die einer Betriebskostenabrechnung zugrundeliegende Originalunterlagen nehmen darf (vgl. LG Hamburg, ZMR 2020, 957; LG Kempten ZMR 2017, 248; LG Freiburg, NJW-RR 2011, 1096, 1097; LG Berlin, Urteil vom 1. März 2011 - 65 S 4/10, juris Rn. 7; OLG Düsseldorf ZMR 2001, 882, 886; Wall, aaO Rn. 2141, 2149, 2149b; Schmid/Harsch, Handbuch der Mietnebenkosten, 16. Aufl., Rn. 3653; Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, Mietrecht, 15. Aufl., § 556 BGB Rn. 511; Langenberg/Zehelein, Betriebskosten- und Heizkostenrecht, 9. Aufl., H Rn. 284: Staudinger/Artz, BGB, Neubearb. 2021, § 556 Rn. 112; Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 81. Aufl., § 535 Rn. 97).

d) Von den vorbezeichneten Grundsätzen geht bereits das Senatsurteil vom 8. März 2006 aus, welches ebenfalls zwischen den der Abrechnung zugrundeliegenden Belegen und deren Ablichtungen unterscheidet (VIII ZR 78/05, NJW 2006, 1419 Rn. 24). Diese Entscheidung betraf die umgekehrte Fallgestaltung, in der der Mieter - anders als hier - die Überlassung von Fotokopien der Abrechnungsbelege begehrte. Einen solchen Anspruch sieht das Gesetz - wie der Senat in dem vorgenannten Urteil entschieden hat - für den Bereich preisfreien Wohnraums grundsätzlich nicht vor (Senatsurteil vom 8. März 2006 - VIII ZR 78/05, aaO Rn. 22). Zur Begründung hat der Senat unter anderem ausgeführt, dem Interesse des Mieters an einer Überprüfung der Abrechnung werde im Regelfall dadurch Rechnung getragen, dass er vom Vermieter Einsicht in die der Abrechnung zugrundeliegenden Belege verlangen kann (Senatsurteil vom 8. März 2006 - VIII ZR 78/05, aaO Rn. 24; siehe auch Senatsurteile vom 13. September 2006 - VIII ZR 71/06, NZM 2006, 926 Rn. 7; VIII ZR 105/06, WuM 2006, 616 Rn. 6; vom 25. Oktober 2006 - VIII ZR 102/06, NJW 2007, 428 Rn. 10). Nur ausnahmsweise kommt nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ein Anspruch des Mieters auf Übermittlung von Kopien von Rechnungsbelegen in Betracht, wenn ihm die Einsichtnahme in den Räumen des Vermieters nicht zugemutet werden kann (Senatsurteile vom 8. März 2006 - VIII ZR 78/05, aaO Rn. 25; vom 13. September 2006 - VIII ZR 71/06, aaO; Beschlüsse vom 19. Januar 2010 - VIII ZR 83/09, WuM 2010, 296 Rn. 2; vom 13. April 2010 - VIII ZR 80/09, NJW 2010, 2288 Rn. 2). Diese Rechtsprechung geht ersichtlich davon aus, dass der Vermieter dem Mieter auf dessen Verlangen grundsätzlich Einsicht in die Originalbelege der Betriebskostenabrechnung schuldet.

3. Das Einsichtsrecht in die Originalbelege hängt - was das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend, wenn auch unausgesprochen zugrundegelegt hat - nach dem Wortlaut des § 259 Abs. 1 Halbs. 2 BGB, wonach Belege vorzulegen sind, "soweit sie erteilt zu werden pflegen", auch nicht davon ab, ob dies im Rahmen der geschuldeten Rechnungslegung - hier im Wohnraummietverhältnis - üblich ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Erteilung von Belegen bei demjenigen Vorgang üblich ist, den der Beleg dokumentieren soll (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 - X ZR 85/14, juris Rn. 62 ff.; Staudinger/Bittner/Kolbe, BGB, Neubearb. 2019, § 259 Rn. 26). Es kommt daher auf das Verhältnis des Vermieters zu seinem Dienstleister an, nicht hingegen auf etwaige Gepflogenheiten von (Groß-)Vermietern gegenüber ihren Mietern (so aber Hartmann, WuM 2019, 418, 426; Lützenkirchen, NZM 2018, 266, 268).

4. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht den Beklagten die Einsicht in die Originalbelege allerdings mit der Begründung versagt, dass sie ein besonderes Interesse daran nicht dargetan hätten. Ein solches Erfordernis findet weder in der Vorschrift des § 259 Abs. 1 Halbs. 2 BGB noch in der Rechtsprechung des Senats eine Stütze.

a) Der Senat hat wiederholt ausgesprochen, dass ein Mieter, der einen Anspruch auf Rechnungslegung und Einsicht in Abrechnungsunterlagen gemäß § 556 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1, § 259 Abs. 1 Halbs. 1 und 2 BGB geltend macht, hierfür ein besonderes Interesse nicht darzulegen hat. Es genügt vielmehr das allgemeine Interesse des Mieters, die Tätigkeit des abrechnungspflichtigen Vermieters zu kontrollieren (Senatsurteile vom 7. Februar 2018 - VIII ZR 189/17, NJW 2018, 1599 Rn. 18 [zu Einzelverbrauchsdaten anderer Nutzer des Mietobjekts]; vom 9. Dezember 2020 - VIII ZR 118/19, NJW 2021, 693 Rn. 13 [zu den Zahlungsbelegen des Vermieters]; vom 27. Oktober 2021 - VIII ZR 102/21, juris Rn. 17, und VIII ZR 114/21, juris Rn. 16; vgl. auch BGH, Urteile vom 8. Februar 2007 - III ZR 148/06, NJW 2007, 1528 Rn. 6; vom 3. November 2011 - III ZR 105/11, NJW 2012, 58 Rn. 12 f.; insoweit jeweils zu § 666 BGB).

b) Daraus ergibt sich unmittelbar, dass es der Darlegung eines besonderen Interesses des Mieters im Hinblick auf die von den Beklagten begehrte Einsicht in die Originalunterlagen nach § 259 Abs. 1 Halbs. 2 BGB nicht bedarf. Entgegen einer zum Teil vertretenen Ansicht, der sich das Berufungsgericht angeschlossen hat, muss ein Mieter, dem - wie hier - ohne sein Einverständnis lediglich Belegkopien zugänglich gemacht werden, demgemäß keinen begründeten Verdacht aufzeigen, die Kopien seien manipuliert oder wiesen Unstimmigkeiten auf (so aber Erman/Lützenkirchen, BGB, 16. Aufl., § 556 Rn. 245; unklar LG Hannover, WuM 1985, 346 [für den Fall der Einsichtnahme am Wohnort des Mieters]).

aa) Die Sichtweise des Berufungsgerichts lässt sich mit vermeintlichen Besonderheiten der beiderseitigen Interessenlage nicht begründen. Insoweit hat das Berufungsgericht einerseits eine erhöhte Mühewaltung der Klägerin bei der Verpflichtung zur Einsichtgewährung in ihren Geschäftsräumen und andererseits die Annehmlichkeiten der Beklagten bei der Einsichtsmöglichkeit in ihnen übersandte Kopien für maßgeblich erachtet. Diese Einschätzung ist weder sachgerecht noch geeignet, eine einschränkende Auslegung des Belegeinsichtsrechts gemäß § 259 Abs. 1 Halbs. 2 BGB zu begründen. Ein - dem Wunsch des Vermieters, die Organisation einer Einsichtnahme in seinen (Geschäfts-) Räumen zu vermeiden, vorgehendes - berechtigtes Interesse des Mieters an der Einsichtnahme in die Belegoriginale der Betriebskostenabrechnung bedarf keiner besonderen Begründung, sondern ist typischerweise gegeben.

So hat der Senat für den umgekehrten Fall, in dem der Vermieter den Mieter auf Einsicht in die Originalbelege verweisen wollte, der Mieter hingegen die Übersendung von Kopien begehrte, entschieden, der Vermieter habe ein berechtigtes Interesse daran, den Mieter auf die Einsichtnahme in die der Betriebskostenabrechnung zugrundeliegenden Originalbelege zu verweisen, um den durch die Anfertigung von Fotokopien entstehenden zusätzlichen Aufwand zu vermeiden und dem Mieter mögliche Unklarheiten im Gespräch sofort erläutern zu können. Denn hierdurch kann Fehlverständnissen der Abrechnung und zeitlichen Verzögerungen durch ein Verlangen des Mieters nach Übersendung weiterer Kopien von Rechnungsbelegen vorgebeugt werden (Senatsurteil vom 8. März 2006 - VIII ZR 78/05, NJW 2006, 1419 Rn. 24).

Diese Erwägungen gelten gleichermaßen für den hier vorliegenden Fall, dass der Mieter das Angebot auf Übersendung von Kopien nicht annehmen will, sondern auf die Einsicht in Originalunterlagen besteht. Zwar mag die Überlassung von Fotokopien oder Scanprodukten im Einzelfall den Interessen des Vermieters entgegenkommen. Das Interesse des Mieters an der Einsicht in Originalbelege bedarf jedoch keiner zusätzlichen Begründung. Auch hier gilt, dass dadurch Fehlverständnisse der Abrechnung und zeitliche Verzögerungen infolge eines etwaigen Verlangens nach weiteren Erläuterungen vermieden werden können, was - objektiv betrachtet - auch im Interesse des Vermieters liegt.

bb) In Anbetracht dessen ist die Hilfsbegründung des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft, dem Einsichtsbegehren der Beklagten stehe auch das Schikaneverbot (§ 226 BGB) entgegen. Davon wäre nur dann auszugehen, wenn die Geltendmachung des Einsichtsrechts keinen anderen Zweck als die Schädigung der Klägerin haben könnte, wenn der Rechtsausübung ein schutzwürdiges Eigeninteresse der Beklagten nicht zugrunde läge oder wenn das Einsichtsrecht nur geltend gemacht würde, um ein anderes, vertragsfremdes oder unlauteres Ziel zu erreichen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2007 - II ZR 95/06, NJW-RR 2007, 1676 Rn. 9 mwN). Das Berufungsgericht hat zwar angenommen, das Einsichtsbegehren der Beklagten könne keinen anderen Zweck haben, als der Klägerin Schaden zuzufügen. Dahingehende tragfähige Feststellungen hat das Berufungsgericht jedoch nicht getroffen. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung unterfällt die vom Berufungsgerichts vorgenommene Bewertung daher schon mangels hinreichender Tatsachengrundlage nicht dem vom Revisionsgericht zu respektierenden tatrichterlichen Beurteilungsspielraum (vgl. Senatsurteile vom 22. Mai 2019 - VIII ZR 180/18, BGHZ 222, 133 Rn. 26; vom 28. April 2021 - VIII ZR 6/19, NJW-RR 2021, 1312 Rn. 24; vgl. auch BGH, Beschluss vom 9. Juli 2007 - II ZR 95/06, aaO).

c) Ebenso wie nach der Rechtsprechung des Senats gemäß den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausnahmsweise ein Anspruch des Mieters auf Überlassung von Fotokopien von Rechnungsbelegen bestehen kann (vgl. Senatsurteil vom 8. März 2006 - VIII ZR 78/05, NJW 2006, 1419 Rn. 25), wird es allerdings nach den Grundsätzen von Treu und Glauben unter Umständen gleichermaßen in Betracht kommen, dass sich der regelmäßig auf Einsicht in die Belegoriginale gerichtete Anspruch des Mieters auf die Zurverfügungstellung von Kopien oder Scanprodukten beschränkt. Die sich einer allgemeinen Betrachtung entziehende Frage, ob ein solcher Fall ausnahmsweise anzunehmen ist, hat der Tatrichter unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (vgl. Senatsurteil vom 27. Oktober 2021 - VIII ZR 102/21, juris Rn. 56). Voraussetzung ist nach dem Rechtsgedanken des § 126b Satz 2 Nr. 2 BGB dabei allerdings stets, dass die vom Vermieter zur Verfügung gestellten Kopien geeignet sind, die dokumentierten Erklärungen unverändert wiederzugeben. Dabei gehen Zweifel an der Authentizität und Unverfälschtheit zu Lasten des Vermieters.

Ein Ausnahmefall, in dem der Vermieter nicht Einsichtnahme in die Originalbelege schuldet, kommt beispielsweise dann in Betracht, wenn der Vermieter seinerseits von seinem Dienstleister entsprechende Belege nur in digitaler Form erhalten hat. Darüber hinaus kann aufgrund besonderer, vom Tatrichter zu würdigender Umstände des Einzelfalls anzunehmen sein, dass dem Vermieter ausnahmsweise nicht zugemutet werden kann, dem Mieter Einsicht in vorhandene Originalunterlagen zu gewähren. Dahingehende Feststellungen hat das Berufungsgericht im Streitfall jedoch nicht getroffen; übergangenen Sachvortrag zeigt die Revisionserwiderung nicht auf.

d) Der Anspruch auf Einsicht in die Originalbelege ist hier auch nicht deshalb auf Kopien beschränkt, weil die Originalbelege nicht mehr existierten. Ohne Erfolg macht die Revisionserwiderung insoweit geltend, die Vorlage der Originalbelege sei unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB), weil unstreitig gewesen sei, dass die Klägerin diese vernichtet habe. Das Berufungsgericht hat vielmehr ausdrücklich festgestellt, dass vom Vorhandensein der Originalbelege auszugehen sei. Nach seinen Feststellungen hat die Klägerin zwar erstinstanzlich eine Vernichtung der Originalbelege behauptet, hierfür Beweis jedoch nicht angetreten. Gegen diese Feststellungen (solche können auch in den Entscheidungsgründen enthalten sein, vgl. etwa Senatsurteil vom 20. Februar 2019 - VIII ZR 7/18, BGHZ 221, 145 Rn. 49 mwN) wendet sich die Revisionserwiderung ohne Erfolg. Ihre darauf bezogene Rüge, die Vernichtung der Originalunterlagen sei - was das Berufungsgericht übersehen habe - erstinstanzlich unstreitig gewesen, ist schon deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin die dahingehenden Feststellungen des Berufungsgerichts nicht im Wege eines Tatbestandsberichtigungsantrags (§ 320 ZPO) angegriffen hat.

III.

Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, weil es weiterer Feststellungen nicht bedarf und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Auf das Rechtsmittel der Beklagten ist das Berufungsurteil daher aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen