Die acht Kläger (Käufer von von dem Beklagten erstellten Eigentumswohnungen) klagten wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum vor dem LG Heilbronn, in dem der Beklagte zur Beseitigung genau bezeichneter Mängel und zur Zahlung von ¾ der Kosten eines Privatgutachtens verurteilt wurden; die Kosten des Verfahrens wurden in der landgerichtlichen Kostenentscheidung im Urteil gequotelt. Die Kläger machten im Rahmen der Kostenausgleichung vor dem LG Heilbronn für die Vertretung der Beklagten eine Erhöhungsgebühr mit 2,0 wegen mehrerer Beklagter geltend, Nr. 1008 VV RVG. Der beklagte wandte sich gegen die Erhöhungsgebühr mit Hinweis darauf, dass die Klage erhoben worden sei, nachdem die WEG parteifähig geworden und die Eigentümergemeinschaft einen Beschluss zur Klageerhebung gefasst habe. Das Landgericht berücksichtigte bei der Kostenausgleichung die Erhöhungsgebühr nicht, weshalb die Kläger gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss Beschwerde einlegten. Die Beschwerde wurde, nachdem ihr das Landgericht nicht abhalf, vom Oberlandesgericht (OLG) zurückgewiesen.
Das OLG wies darauf hin, dass zwar möglicherweise die Erhöhungsgebühr im Verhältnis der Kläger zu ihrem Prozessbevollmächtigten entstanden sein könne, jedenfalls aber nicht im Verhältnis zu dem Beklagten. Denn im Rahmen der der Kostenausgleichung und -festsetzung könnten nach § 91 ZPO nur notwendige Kosten der Rechtsverfolgung berücksichtigt werden.
Das OLG verwies auf den Beschluss des BGH vom 02.06.2005 - V ZB 32/05 -, demzufolge die Wohnungseigentümergemeinschaft teilrechtsfähig sei. Die bedeute, dass sie im Verfahren hinsichtlich der das Verwaltungsvermögen betreffenden Forderungen und Verbindlichkeiten als solche klagen und verklagt werden könne. Es sei also nicht mehr notwendig, dass alle Miteigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft selbst klagen und einen Rechtsanwalt beauftragen, sondern ausreichend sei die die Mandatierung eines Rechtsanwalts durch die Eigentümergemeinschaft. Damit falle dann auch keine Erhöhungsgebühr an, da die Eigentümergemeinschaft als solche rechtstechnisch nur ein Mandant ist. Der BGH habe weiter mit seiner Entscheidung vom 12.04.2007 - VII ZR 236/06 - in Bezug auf Mängel am Gemeinschaftseigentum klargestellt, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft als insoweit rechts- und parteifähiger Verband befugt sei, die Rechte der Erwerber wegen Mängeln an der Bausubstanz des Gemeinschaftseigentums geltend zu machen und gerichtlich durchzusetzen.
Das OLG Stuttgart habe bereits, gestützt auf diese Entscheidungen des BGH die Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG für die Fälle anerkannt, in denen in der der Zeit zwischen der Entscheidung vom 02.06.2005 und der Veröffentlichung der Entscheidung vom 12.04.2007 anstelle der Wohnungseigentümergemeinschaft deren sämtliche Mitglieder ihre Rechte wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum geltend gemacht hätten. Seit der Veröffentlichung des Urteils vom 12.04.2007 käme aber ein Erstattungsanspruch für einen Mehrvertretungszuschlag nicht mehr in Betracht. In seiner Entscheidung vom 12.04.2007 habe sich der BGH nämlich auch mit den individuellen Mängelgewährleistungsansprüchen von Erwerbern auseinandergesetzt und festgehalten, dass der Anspruch auf Vorschuss auf Mängelbeseitigungskosten (unabhängig davon, ob dieser im Erkenntnisverfahren oder gem. § 887 Abs. 2 ZPO im Zwangsvollstreckungsverfahren tituliert werden soll) gemeinschaftsbezogen sei und die Gemeinschaft mit Mehrheitsbeschluss diese sich aus den einzelnen Verträgen mit dem Veräußerer (Bauträger) an sich ziehen könne.
Daraus folgt nach Auffassung des OLG (bezogen jedenfalls auf das Wohnungseigentumsgesetz vor der Novellierung zum 01.12.2020), dass zwar den einzelnen Wohnungseigentümern das Recht zustünde, ihre Gewährleistungsansprüche aus dem jeweiligen Erwerbsvertrag selbst geltend zu machen, allerdings dann, wenn dieses Recht von der Wohnungseigentümergemeinschaft gerichtlich geltend gemacht würde, kostenrechtlich nicht mehr um notwendige Kosten iSv. § 91 ZPO handele, da das erstrebte Ziel auch durch die Klage der Wohnungseigentümergemeinschaft als solcher erreicht werden könne.
Hinweis: Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann auch dann die Geltendmachung von Ansprüchen an sich ziehen, wenn bis auf den letzten Erwerber Ansprüche der übrigen Erwerber gegen den Bauträger/Veräußerer verjährt sind und die Ansprüche des nicht der Verjährung unterliegenden Erwerbers geltend machen.
OLG Stuttgart, Beschluss
vom 06.04.2021 - 8 W 435/20 -
Aus den Gründen:
Tenor
1. Die
sofortige Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Landgerichts Heilbronn
vom 12.10.2020, Az. 6 O 334/17, wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger
tragen die Kosten dieses Beschwerdeverfahrens.
Gegenstandswert
dieses Beschwerdeverfahrens: 2.053,94 €
Gründe
I.
Gegenstand
dieses Beschwerdeverfahrens ist eine von Seiten der Kläger zur Festsetzung
beantrage 2,0 Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 RVG-VV für die erste Instanz
wegen insgesamt acht Auftraggebern nebst Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt
2.053,94 €.
Grundlage der
Festsetzung ist das infolge Berufungsrücknahme rechtskräftig gewordene Urteil
des Landgerichts Heilbronn vom 27.09.2019, mit welchem die Beklagte zur
Beseitigung genau bezeichneter Mängel und Bezahlung von 3/4 der Kosten eines
Privatgutachtens verurteilt, die Klage im Übrigen abgewiesen sowie die
Verfahrenskosten zu 1/4 den acht Klägern und zu 3/4 den Beklagten auferlegt
worden sind. Der Streitwert ist im Urteil auf 30.000,00 € festgesetzt worden,
dies entspricht nach den Urteilsgründen den Gesamtbeseitigungskosten aller in
der Klage behaupteten Mängel.
Die Kläger
haben im Rahmen ihres Kostenausgleichungsantrags vom 25.10.2019 u.a. eine um
nach Nr. 1008 RVG-VV um 2,0 erhöhte 3,3 Verfahrensgebühr in Höhe von insgesamt
2.847,90 € geltend gemacht. Die Parteien streiten ausschließlich um diese 2,0
Erhöhung.
Die Beklagte
ist der Erhöhung entgegengetreten mit der Begründung, Gegenstand des
Rechtsstreits seien Mängel des Gemeinschaftseigentums gewesen, nachdem die WEG parteifähig
sei und die Einleitung des Prozessverfahrens vor dem Landgericht nach
entsprechender Beschlussfassung in einer Eigentümerversammlung erfolgt sei,
stehe dem Prozessbevollmächtigten der Kläger lediglich eine 1,3
Verfahrensgebühr für die Vertretung der WEG zu (Bl. 169 d.A.).
Die Kläger
haben vortragen lassen, die acht Kläger bildeten nicht die WEG, diese bestehe
mindestens aus einem weiteren - von ihnen nicht konkret benannten -
Miteigentümer. Es habe auch keine Beschlussfassung in einer Eigentümerversammlung
gegeben, die Wohnungseigentümergemeinschaft habe die Ansprüche nicht an sich
gezogen. Vielmehr verfolgten die acht Kläger ausschließlich jeweils die ihnen
aus den jeweiligen Erwerbsverträgen zustehenden Gewährleistungsansprüche. (Bl.
173 d.A.).
Das Landgericht
hat im angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12.10.2020 die geltend
gemachte 2,0 Erhöhungsgebühr nicht berücksichtigt und die auf Seiten der Kläger
zu berücksichtigende Verfahrensgebühr daher mit nur 1.121,90 € zzgl.
Umsatzsteuer angesetzt. Hieraus ergab sich unter Einbeziehung der Kostenquote
und der beiderseitigen Kostenpositionen, soweit als berechtigt anerkannt und
von keiner der Parteien angegriffen, ein Erstattungsanspruch zugunsten der
Kläger in Höhe von 4.970,31 €. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt,
der Gegenstand der Tätigkeit des Klägervertreters sei nicht derselbe gewesen,
da es sich jeweils um die Gewährleistungsansprüche der einzelnen Kläger
gehandelt habe und seitens des Gerichts im Wege der Addition der Werte der
einzelnen Gegenstände die gesamten Mangelbeseitigungskosten als Streitwert
festgesetzt worden seien.
Mit ihrer
Beschwerde vom 12.11.2020 begehren die Kläger, ohne hierbei die Kostenquote zu
berücksichtigen, die Festsetzung weiterer Kosten in Höhe von 2.053,94 €,
bestehend aus der 2,0 Erhöhungsgebühr aus dem Streitwert von 30.000,00 €
(1.726,00 €) und der Umsatzsteuer aus dieser Gebühr (327,94 €).
Das Landgericht
hat am 14.12.2020 beschlossen, der Beschwerde nicht abzuhelfen, und hat sie
daher zur Entscheidung vorgelegt. Die Beklagte hat sich nicht weiter geäußert.
II.
Die gemäß
§§ 11 Abs. 2 RPflG, 104 Abs. 3 Satz 1, 567 ff ZPO
statthafte, fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige sofortige
Beschwerde der Kläger hat in der Sache keinen Erfolg.
In Höhe von
513,48 € ist die Beschwerde bereits deshalb unbegründet, weil nach der
rechtskräftigen Kostengrundentscheidung im landgerichtlichen Urteil die Kläger
in dieser Höhe die Erhöhungsgebühr selbst zu tragen haben.
Die
Rechtspflegerin des Landgerichts Heilbronn hat im Ergebnis zu Recht die geltend
gemachte anwaltliche Erhöhungsgebühr für mehrere Auftraggeber nach
Nr. 1008 RVG-VV zzgl. entsprechender Umsatzsteuer insgesamt nicht
anerkannt.
Zwar sind diese
Anwaltskosten ggf. für den Klägervertreter entstanden, jedoch handelt es sich
insoweit nicht um notwendige und damit nicht um gemäß § 91 ZPO
erstattungsfähige Kosten der Rechtsverfolgung:
Der Senat hat
bereits in seinen Entscheidungen vom 17.06.2008 - 8 W 239/08 und vom 29.07.2008
- 8 W 307/08, in denen es jeweils um die Erstattungsfähigkeit der Gebühr nach
Nr. 1008 RVG-VV ging, folgendes ausgeführt:
„... Gemäß
Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 2. Juni 2005 (NJW 2005, 2061) ist die
Wohnungseigentümergemeinschaft teilrechtsfähig, so dass sie im Verfahren
hinsichtlich der das Verwaltungsvermögen betreffenden Forderungen und
Verbindlichkeiten als solche klagen und verklagt werden kann. Auf Grund dieser
neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es in solchen Fällen nicht mehr
notwendig im Sinn des § 91 ZPO, dass sämtliche Miteigentümer der
Wohnungseigentümergemeinschaft einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer
Interessen in einem Prozess beauftragen, sondern es genügt, wenn die
Eigentümergemeinschaft selbst einen Rechtsanwalt mandatiert. Eine Erhöhung nach
Nr. 1008 RVG-VV fällt dann grundsätzlich nicht mehr an. ...
Die
Grundsatzentscheidung des 5. Zivilsenats des BGH vom 2. Juni 2005 (NJW 2005,
2061) legte fest, dass die Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft
nicht umfassend, sondern auf die Teilbereiche des Rechtslebens beschränkt ist,
bei denen die Wohnungseigentümer im Rahmen der Verwaltung des
gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr teilnehmen. Es ergingen danach
Folgeentscheidungen zur Teilrechtsfähigkeit und zur Mehrvertretungsgebühr des
Rechtsanwalts (BGH/7. Zivilsenat NJW 2007, 1464; BGH/8. Zivilsenat NJW 2007,
2987; BGH/5. Zivilsenat NJW-RR 2007, 955).
Mit seinen
Urteilen vom 12. April 2007, VII ZR 236/05 (Mängel des Gemeinschaftseigentums;
NJW 2007, 1952) und VII ZR 50/06 (Bauträgerbürgschaft; NJW 2007, 1957), stellte
der 7. Zivilsenat des BGH klar, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft als
insoweit rechts- und parteifähiger Verband befugt ist, die Rechte der Erwerber
wegen Mängeln an der Bausubstanz des Gemeinschaftseigentums geltend zu machen
und gerichtlich durchzusetzen. Im Einzelnen wird auf die Darlegungen in den
vorgenannten Entscheidungen Bezug genommen. ...“
Gestützt auf
diese Entscheidungen des Bundesgerichtshofs hat das Oberlandesgericht Stuttgart
die geltend gemachte Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 RVG-VV für die Fälle
anerkannt, in denen in der Zeit zwischen der Entscheidung vom 02.06.2005 und
dem Zeitpunkt, ab dem aufgrund der Veröffentlichung von einer Kenntnis bzgl.
der Entscheidung vom 12.04.2007 auszugehen war, anstelle der
Wohnungseigentümergemeinschaft deren sämtliche Mitglieder ihre Rechte als
Erwerber wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum geltend gemacht haben.
Seit der
Veröffentlichung des Urteil vom 12.04.2007 - VII ZR 236/05 kommt hingegen bei
einer auf die Beseitigung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum gerichteten
Klage der Wohnungseigentümer ein Erstattungsanspruch für den
Mehrvertretungszuschlag nicht mehr in Betracht, (vgl. bereits für den Zeitpunkt
18.08.2005: Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 24. Auflage 2019,
Nr. 1008 RVG-VV Rn 134, 136, 351 und 354).
In dieser
Entscheidung hat der Bundesgerichtshof sich nämlich u.a. auch ausdrücklich mit
den individuellen Mängelgewährleistungsrechten der Erwerber von
Wohnungseigentum befasst und ausgeführt, dass der Anspruch auf Zahlung eines
Vorschusses für die Mangelbeseitigungskosten unabhängig davon, ob er im
Erkenntnis- oder gemäß § 887 Abs. 2 ZPO im
Zwangsvollstreckungsverfahren tituliert werden soll, gemeinschaftsbezogen ist
und dass die Wohnungseigentümergemeinschaft im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung
die Ausübung der auf ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums
gerichteten Rechte der Eigentümer aus den Verträgen mit dem Veräußerer durch
Mehrheitsbeschluss mit der Folge des Ausschlusses eines selbständigen Vorgehens
der einzelnen Erwerber an sich ziehen kann.
Aus dieser
Gemeinschaftsbezogenheit des Anspruchs auf Mangelbeseitigung bzgl. des
Gemeinschaftseigentums gepaart mit der rechtlichen Möglichkeit der
Rechtsverfolgung seitens der Wohnungseigentümergemeinschaft als insoweit
teilrechtsfähiger Person folgt, dass den einzelnen Wohnungseigentümern zwar das
Recht zusteht, ihre Gewährleistungsansprüche aus dem jeweiligen Erwerbsvertrag
selbständig geltend zu machen, es sich jedoch zumindest in dem Fall, in dem die
Mehrheit der Wohnungseigentümer jeweils selbständig den Beseitigungsanspruch
hinsichtlich desselben Mangels am Gemeinschaftseigentum gerichtlich geltend
macht, kostenrechtlich nicht mehr um notwendige Kosten handelt: da sowieso
jeder der Wohnungseigentümer nur Leistung an die Gemeinschaft verlangen kann
und exakt dasselbe Ziel auch im Wege der Klage der Gemeinschaft erfolgen kann,
sind die Wohnungseigentümer nach dem Grundsatz der Kostengeringhaltung so zu
stellen, als hätte die Gemeinschaft die Klage erhoben. Dann aber wäre die
Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 RVG-VV nicht angefallen. Auf diese
Möglichkeit hat der Rechtsanwalt auch hinzuweisen (Müller-Rabe aaO
Nr. 1008 RVG-VV Rn 139).
Daher war die
Beschwerde mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Auf Nr. 1812 des KV zum GKG wird hingewiesen.
Die
Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO für die Zulassung einer
Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.
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