Montag, 1. Juni 2015

ESt: Passivierung von Schadensersatzansprüchen nicht stets zulässig, §§ 5 EStG, 249 HGB

Im Rahmen der Bilanzierung muss der Steuerpflichtige prüfen, ob und inwieweit er Rückstellungen bilden muss. Die Rückstellungen mindern den Jahresgewinn und damit notwendig die Steuerlast. Von daher achtet verständlicherweise die Finanzverwaltung darauf, dass nicht willkürlich Rückstellungen gebildet werden. Allerdings ist auch der Kaufmann verpflichtet, für ungewisse Verbindlichkeiten Rückstellungen zu bilden, § 249 Abs. 1 HGB. Diese Verpflichtung gilt für obligatorische (nicht für wahlweise) Rückstellungsbildungen. Zwingend ist die Rückstellungsbildung für ungewisse Verbindlichkeiten, drohende Verluste aus schwebenden Geschäften und unterlassene Instandhaltung bzw. Abraumbeseitigung (Ballwieser, MüKo-HGB, § 249 Rdz 6).

Nach Auffassung des FG Baden-Württemberg kann/darf allerdings für einen (auch anwaltlich angedrohter) Schadensersatzanspruch eines Dritten nicht  ohne weiteres eine Rückstellung gebildet werden. Entscheidend ist, ob der Steuerpflichtige nach den objektiv gegebenen und subjektiv erkennbaren Verhältnissen ernsthaft mit einer Inanspruchnahme zu rechnen hat. Die theoretische Möglichkeit der Inanspruchnahme ist hier nicht ausreichend. Es müssten mehr Gründe für als gegen eine Inanspruchnahme sprechen. Das fängt nach Auffassung des FG bereits damit an, ob der Schadensersatzanspruch als solcher überhaupt zivilrechtlich als möglich angesehen wird. Darüber hinaus kann eine ernsthafte Durchsetzung auch nicht deshalb angenommen werden, da ein Anwalt eingeschaltet wurde (wobei vorliegend eine englische Ltd. Ansprüche für sich generierte, die sie über einen englischen Anwalt geltend machte). 

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.03.2015 - 13 K 540/13 -

Werkvertragsrecht: Mängelbeseitigungsanspruch bei nachfolgenden vom Auftraggeber zu vertretenen Mängeln

Die Mangelhaftigkeit eines Gewerks führt zu Gewährleistungsansprüchen des Auftraggebers. Was aber, wenn der Auftraggeber auf dem mangelhaften Gewerk selbst auf der mangelhaften Vorarbeit (hier: Estrich) weitergehende eigene Arbeiten durchführt  (hier: Fliesenverlegung) und diesen Arbeiten unabhängig vom vorbestehenden Mangel ein eigener Mangel innewohnt (der zum Reißen der Fliesen führte, da die Fliesen verlegt wurden, als die Belegreife noch nicht gegeben war) ?

Das OLG Hamm geht weiterhin von einem Gewährleistungsanspruch des Auftragnehmers gegen den Werkunternehmer  aus. Dabei stellt es darauf ab, dass für die Kausalität des Risses der Fliesen  der mangelhaft Estrichs vor der Fliesenverlegung jedenfalls mitursächlich war.


Allerdings sei der Schaden des Auftraggebers entsprechend § 254 Abs. 1 BGB gemindert. Es müsste berücksichtigt werden, dass im Rahmen der Sanierung des Estrichs auch Risse an den Fliesen beseitigt würden, die nicht auf den Mangel am Estrich zurückzuführen sind.  Dieses unbillige Ergebnis, dass im Rahmen der Mängelbeseitigung auch Mängel beseitigt würden, die nicht vom Werkunternehmer zu vertreten sind, wäre durch die Anwendung des Rechtsgedankens des § 254 Abs. 1 BGB zu korrigieren. 

OLG Hamm, Urteil vom 31.03.2015 - 24 U 30/14 -

Sonntag, 31. Mai 2015

Mietrecht: Sonderkündigungsrecht Zweifamilienhaus

§ 573a Abs. 1 BGB sieht ein Sonderkündigungsrecht für Wohnraum bei einem Haus mit zwei Wohnungen  vor, wenn die eine der zwei Wohnungen vom Vermieter selbst bewohnt wird. Der Umstand, dass in dem Haus noch gewerbliche Räume vorhanden sind, ist ohne Belang, es sei denn, dass es sich um Räume handelt, die ehedem ebenfalls der Wohnnutzung dienten. Sollte allerdings – so der BGH – die Umnutzung vor Abschluss des Mietvertrages erfolgt sein, der nunmehr gekündigt wird, so ist die Umnutzung ohne Relevanz. 

BGH, Urteil vom 18.02.2015 - VIII ZR 127/14 -

Sonntag, 24. Mai 2015

Versicherung: Kostenlast bei verspäteter Mitteilung des Risikofortfalls

Entfällt bei einer abgeschlossenen Haftpflichtversicherung das versicherte Risiko (z.B. bei Abschluss einer Tierhalterhaftpflichtversicherung durch Ableben des Tieres), endet das Versicherungsverhältnis.

Vorliegend hatte die Haftpflichtversicherung, nachdem die beklagte Versicherungsnehmerin trotz Mahnung den Versicherungsbeitrag nicht zahlte, Klage auf Zahlung erhoben. Im Rechtsstreit wandte die Beklagte dann den Wegfall des versicherten Risikos für den Zeitraum ein, für den der Versicherungsbeitrag geltend gemacht wurde. Da die Beklagte auch auf Verlangen des klagende Versicherers den Nachweis des Risikofortfalls erbrachte, erklärte der Versicherer den Rechtsstreit als in der Hauptsache erledigt und begehrte, der Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Diese schloss sich zwar der Erledigungserklärung an, meinte allerdings, dass durch den Fortfall des Risikos von Anbeginn an kein Anspruch der Klägerin bestanden habe und von daher diese die Kosten tragen müsse.

Das Amtsgericht schloss sich der Auffassung der klagenden Versicherung an und erlegte die Kosten der Beklagten im Beschluss nach § 91a ZPO auf. Es wies darauf hin, dass zwar der Versicherungsvertrag wegen Wegfalls des versicherten Risikos rückwirkend aufgehoben werde, weshalb sich daraus ein Anspruch der Klägerin nicht mehr herleiten ließe. Allerdings ist bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigen, dass die Beklagte aus dem laufenden Vertragsverhältnis nach §§ 311m 241 Abs. 2 BGB verpflichtet gewesen war, wichtige Informationen in Bezug auf das Versicherungsverhältnis dem Versicherer mitzuteilen um so mögliche Schäden bei dem Versicherer abzuwenden. Dazu gehörte auch die Information über den Fortfall des versicherten Risikos. Da sie auf die geltend gemachte Beitragsforderung und die Mahnungen nicht reagierte sondern erst im Prozess selbst die Unterlagen überließ, hätte sie auch die Kosten zu tragen.  

AG Lippstadt, Beschluss vom 21.05.2015 – 26 C 14/15 -

Freitag, 22. Mai 2015

Keine Halterhaftung bei Schäden im Rahmen der Feldbewirtschaftung

Ob eine Halterhaftung gegeben ist, orientiert sich an § 7 StVG. Erforderlich ist, dass der  Schaden als
vom Schutzzweck des § 7 StVG erfasst angesehen werden kann. Vorliegend hatte ein Traktor auf einem Feld bei Arbeiten  ein Maschinenteil verloren. Am folgenden Tag kam es dadurch an einem Feldhäcksler zu einem Schaden. Die Klage wurde abgewiesen. Eine Verbindung mit dem Betrieb eines Kfz als Voraussetzung des § 7 StVG könne bei einer fahrbaren Arbeitsmaschine nicht losgelöst von dem konkreten Einsatzbereich betrachtet werden, so der BGH. Maßgebliches Kriterium einer Differenzierung wäre nicht allgemein das Stehen oder fahren; erforderlich wäre stets, dass es sich bei dem Schaden um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsnorm schadlos gehalten werden soll. Maßgeblich sei hier, dass der Schaden weder auf einer öffentlichen noch einer privaten Verkehrsfläche sondern einer zu dieser Zeit nur landwirtschaftlichen Zwecken dienenden Wiese eingetreten sei. Damit stand die Funktion des Traktors als Arbeitsmaschine im Vordergrund und war nicht vom Betrieb des Traktors geprägt.

BGH, Urteil vom 24.03.2015 - VI ZR 265/14 -

Tierhalterhaftung bei mittelbarer Verursachung des Schadens

Der Anspruchsteller muss den Nachweis erbringen, dass sich die Tiergefahr verwirklichte, auf Grund derer er einen Anspruch gegen den Tierhalternach der Gefährdungshaftungsnorm des § 833 S. 1 BGB durchsetzen will. Im vorliegenden Fall sind Ponys durchgegangen, unter denen auch Tiere des Beklagten waren. Sie galoppierten in einen Feldweg, in dem ihnen der Geschädigte mit seinem Mountainbike entgegenkam. Er verklagte die Versicherungsnehmerin der jetzigen Klägerin, die ihrerseits dem jetzigen Beklagten den Streit verkündete. Dem Geschädigten, der seitdem querschnittgelähmt ist,  wurde ein Schmerzensgeld von € 350.000,00 zugesprochen. Nunmehr macht die Haftpflichtversicherung der ursprünglich verklagten Versicherungsnehmerin Regressansprüche gegen den Beklagten geltend, und zwar prozentual in dem Verhältnis der beteiligten Ponys.



Der BGH negierte eine Interventionswirkung der Streitverkündung mit dem Hinweis darauf, diese wirke nur zwischen den Parteien und damit nicht zugunsten der jetzigen Klägerin (Versicherung). Allerdings bejahte es im Ergebnis den Anspruch. Für die Tierhalterhaftung käme es nicht darauf an, dass hier die Tiere des Beklagten selbst dem Mountainbikefahrer zu nahe kamen, da das tierische Verhalten nicht die einzige Ursache für den Schadenseintritt sein müsse. Es reiche eine Mitverursachung oder mittelbare Verursachung aus. Vorliegend sind alle Ponys gemeinschaftlich durchgegangen, was ausreichend sei, ohne dass es nun darauf ankäme, welches Pony eventuell dem Geschädigten zu nahe gekommen sei und den Fall letztlich verursacht habe. 

BGH, Urteil vom 27.01.2015 - VI ZR 467/13 -

Sonntag, 17. Mai 2015

WEG: Schadensersatzanspruch des Mieters bei Verletzung seines Vorkaufsrechts nach § 577 BGB

Häufig wird § 577 BGB bei der Veräußerung von Wohnungseigentum übersehen, falsch verstanden oder angewandt. Dies kann für den Verkäufer der Wohnung erhebliche finanzielle Folgen haben, da dem Mieter in einem solchen Fall ein Schadensersatzanspruch zusteht.

$ 577 BGB regelt den Fall, dass nach Begründung des Mietverhältnsses Wohnungseigentum gebildet wird und betrifft den ersten Verkaufsfall des Wohnungseigentums nach dessen Begründung. Diese Pflicht besteht dann nicht, wenn der Verkauf an einen Angehörigen oder an einen Angehörigen des Haushalts des Verkäufers erfolgt, § 577 Abs. 1 S. 2 BGB. Verkaufen heißt, worauf der BGH in seiner Entscheidung vom 21.01.2015 zutreffend hinweist, nicht verschenken. Das Vorkaufsrecht entsteht erst mit einem dem Kaufrecht unterliegenden Kaufvertrag, weshalb eine zwischenzeitliche Schenkung an einen Dritten diesen zwar zum neuen Eigentümer und Vermieter macht, nicht aber dem nachfolgenden Verkauf den Charakter des Erstverkaufs nach § 577 BGB.  Damit war der (neue) Eigentümer verpflichtet, dem Mieter den Inhalt des abgeschlossenen Kaufvertrages unverzüglich mitzuteilen  und ihn auf das Vorkaufsrecht hinzuweisen, § 577 Abs. 2 BGB.

Der BGH weist darauf hin, dass nicht nur die Mitteilung des Kaufvertrages erforderlich ist, um den Interessen des Mieters Rechnung zu tragen. Auch die Belehrung über das Bestehen des Vorkaufsrechts sei daher erforderlich. Ein adäquat auf der unterlassenen ordnungsgemäßen Mitteilung beruhender Schaden sei daher dem Mieter zu ersetzen.

Der Mieter hat nach ordnungsgemäßer Mitteilung zwei Monate Zeit, von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen, §§ 577 Abs. 1 S. 3, 577 Abs. 3, 469 Abs. 1 BGB. Vorliegend kam es bereits vorher zur Eigentumsübertragung. Zwar hätte der Mieter weiterhin gegen den Verkäufer auf Erfüllung nach § 577 BGB drängen können, da die Eigentumsübertragung also solche nicht zwingend bedeutet, daß der Verkäufer die Wohnung zurückerhält um sie dem Mieter zu gleichen Bedingungen zu überlassen. Allerdings ist der Mieter nicht verpflichtet, derart vorzugehen mit der Möglichkeit, dass tatsächlich Unmöglichkeit besteht. Die Rechtsprechung nimmt daher zugunsten des Geschädigten an, dass die Weiterveräußerung die Unmöglichkeit indiziert.  Von daher kann der Mieter in einem solchen Fall wegen Verletzung mietvertraglicher Nebenpflichten Schadensersatz gem. § 280 BGB verlangen.

Der BGH erkennt, dass hier der Schadensersatz nicht stets auf das Erfüllungsinteresse gerichtet sein kann. So in dem Fall, dass der Mieter noch rechtzeitig vor der Übereignung der Kaufsache von seinem Recht erfährt und durch Ausübung des Vorkaufsrecht  einen noch erfüllbaren Kaufvertrag zustande bringen kann.  In einem solchen Fall hätte der Verkäufer die Wahl, welchen Kaufvertrag er erfüllen will; entscheidet er sich gegen den Mieter, liegt ein Fall nachträglicher Unmöglichkeit vor, weshalb dann Schadensersatz statt der Leistung begehrt werden kann.


Im vorliegenden Fall führte allerdings die Verletzung der Mitteilungspflicht unmittelbar zur Vereitelung des Vorkaufsrechts. Der Mieter musste nicht erst auf Erfüllung klagen, da es sich, so der BGH, als sinnloser Zwischenschritt dargestellt hätte. Vor diesem Hintergrund ist der Schadensersatz unmittelbar auf das Erfüllungsinteresse gerichtet.  Da nach Vorgabe des Klägers der Kaufpreis € 186,571,00 betragen hätte, der Verkehrswert der Wohnung aber € 266.520,00 betragen haben soll, läge der Schaden in der Differenz. 

BGH, Urteil vom 21.01.2015 - VIII ZR 51/14 -