Sowohl der BGH (Beschluss vom 28.02.2024 - IX ZB 30/23 -) wie auch der BFH (Beschluss vom 28.06.2024 - I B 21/23 (AdV) -) mussten sich mit der Frage auseinandersetzen, ob das Rechtsmittel (BGH: Berufung; BFH: Beschwerde) zulässig war, insoweit in beiden Fällen nicht der im jeweiligen Schriftsatz am Ende benannte Rechtsanwalt (BGH) bzw. Steuerberater (BFH) den jeweiligen Schriftsatz über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (BGH) bzw. besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach (BFH) versandte, sondern ein anderer Rechtsanwalt (BGH) bzw. Steuerberater (BFH) aus der gleichen Sozietät, im Fall des BGH mit qualifizierter elektronischer Signatur, im Fall des BFH ohne qualifizierte Signatur aus seinem elektronischen Postfach versandte. Der BGH nahm ein zulässiges Rechtsmittel an, der BFH sah hier ein unzulässiges Rechtsmittel.
1. Die Entscheidungen:
a) Im Fall des BGH legitimierte sich für den Beklagten die Rechtsanwaltssozietät G. (der der Beklagte angehörte) und wurde die Berufungsschrift von dem Beklagten einfach signiert (maschinenschriftliche Namensangabe mit Zusatz „Rechtsanwalt“) allerdings nicht von diesem, sondern dem der Sozietät angehörenden Rechtsanwalt J. qualifiziert elektronisch signiert und über dessen elektronisches Anwaltspostfach (beA) dem Gericht übermittelt. Das Berufungsgericht verwarf die Berufung als unzulässig.
Die dagegen erhobene Rechtsbeschwerde war erfolgreich. Die Berufungsschrift sei fristgerecht eingegangen, da die qualifizierte elektronische Signatur des RA J. ausreichend gewesen sei. Es fehle – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – nicht an einem nach außen in Erscheinung tretenden fehlenden Bindeglied zwischen der auf den Namen des Beklagten lautenden einfachen Signatur und der qualifizierten Signatur des RA J. § 130 Abs. 3 S. 1 ZPO verlange, dass das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person oder von dieser signiert würde; die einfache Signatur sei ausreichend, wenn der einfach signierende Rechtsanwalt den Schriftsatz selbst über den sicheren Übermittlungsweg (hier: beA) nach § 130a Abs. 4 ZPO übermittle. Würde der Schriftsatz mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen, entsprächen deren Rechtswirkung unmittelbar denen einer handschriftlichen Unterschrift gem. § 130 Nr. 6 ZPO. Der das Dokument mit qualifizierter elektronischer Signatur einreichende Rechtsanwalt übernehme für dessen Inhalt – ebenso wie bei einer handschriftlichen Unterschrift – die Verantwortung.
Nicht schädlich sei, dass am Schluss des Dokuments ein anderer Rechtsanwalt als derjenige stünde, der qualifiziert signiert habe. Unter Verweis auf seine Rechtsprechung zu §§ 520 Abs. 5, 130 Nr. 6 ZPO machte der BGH deutlich, dass eine Identifizierung des Urhebers des Schriftsatzes im Anwaltsprozess nicht bedeute, dass der Schriftsatz notwendig von dem bevollmächtigten Rechtsanwalt selbst verfasst werden müsse. Maßgeblich sei stets gewesen, dass der bevollmächtigte Rechtsanwalt den gegebenenfalls von einem anderen Rechtsanwalt formulierten Schriftsatz nach eigener Prüfung genehmige und unterschreibe, wobei im Zweifel angenommen werden konnte, dass der Unterzeichner mit der Unterschrift auch die Verantwortung für den bestimmenden Schriftsatz übernehme. Es habe auch keines klarstellenden Zusatzes (wie „für“) bedurft. Denn durch die Unterzeichnung ließe sich entnehmen, dass er anstelle des Verfassers die Unterschrift leiste und damit als weiterer Hauptbevollmächtigter oder Unterbevollmächtigter auftrete. Dies gelte auch für den elektronischen Rechtsverkehr. Die qualifizierte elektronische Signatur entspräche der Unterschrift.
Danach unterläge es keinem Zweifel, dass RA J. als sozietätsangehöriger und damit vom Beklagten beauftragter Rechtsanwalt diesen mit Anbringung seiner qualifizierten elektronischen Signatur habe vertreten wollen und zugleich iSv. § 130a Abs. 3 S. 1 Fall 1 ZPO die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes seines Kollegen, den dieser verfasst und nur einfach signiert hatte, übernehmen wollte.
b) Im Fall des BFH stritten die Parteien um die gewerbesteuerliche Behandlung von Dividenden. Neben einen Einspruch gegen einen Bescheid des Finanzamtes ließ die Antragstellerin bei dem Finanzgericht einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) nach § 69 Abs. 3 S. 1 FGO stellen. Das Finanzgericht wies den Antrag zurück, wogegen die Antragstellerin (die vom Finanzgericht zugelassene) Beschwerde erhob. Der BFH wies die Beschwerde als unzulässig zurück.
Dabei stellte der BFH auf § 52a Abs. 1 FGO ab und führte zur Bedeutung der qualifizierten elektronischen Signatur deren Bedeutung unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH vom 28.02.204 aus. Allerdings sah es die Zulässigkeit der Beschwerde als nicht gegeben an.
Dabei stellte der BFH darauf ab, dass „die Unterschrift auf dem Schriftsatz“ mit einfacher Signatur versehen gewesen sei und vom Steuerberater E. stamme, während die Übermittlung über das besondere Steuerberaterpostfach (beSt) der Steuerberaterin F. erfolgte. Zwar waren beide Sterberater Partner der prozessbevollmächtigten Steuerberaterkanzlei. Doch war dies nach dem BFH nicht ausreichend. Der durch den sicheren Übermittlungsweg ausgewiesene Absender sei nicht identisch mit der Person, die durch ihre Unterschrift die Verantwortung für den Schriftsatz übernommen habe, weshalb die Beschwerde nicht wirksam eingereicht worden sei.
2. Weitergehende Hinweise:
Der BFH verwies in seiner Entscheidung auf die o.g. Entscheidung des BGH. Der Unterscheid liegt darin, dass im Fall des BGH der übermittelnde Rechtsanwalt den bestimmenden Schriftsatz qualifiziert elektronisch signierte, was hier nicht erfolgte. Garde durch die qualifizierte Signatur konnte der BGH davon ausgehen, dass der mit qualifizierter Signatur das Schriftstück über sein elektronisches Postfach versendende Anwalt der Sozietät als Haupt- oder Unterbevollmächtigter auftritt und die Verantwortung für den Schriftsatz übernehmen wollte. Mangels einer qualifizierten Signatur der Steuerberaterin war diese Annahme im Fall des BFH nicht möglich.
Befindet sich eine (grundsätzlich ausreichende) einfache Signatur auf dem (bestimmenden) Schriftsatz, ist darauf zu achten, dass bei Versendung über das elektronische Postfach (sei es beA, beSt oder auf einem anderen sicheren Übermittlungsweg) derjenige, der weiterleitet, qualifiziert signiert.
In diesem Zusammenhang darf noch auf folgende Entscheidungen verwiesen werden:
a) Der BGH hat im Rahmen einer Revision in einer Strafsache mit Beschluss vom 18.10.2022 - 3 StR 262/22 - die Revision als unzulässig verworfen. Die Revisionsschrift war von dem zum Pflichtverteidiger bestellten Strafverteidiger (grundsätzlich zulässig) nur maschinenschriftlich signiert. Doch wurde sie nicht von ihm aus seinem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) versandt, sondern – mit qualifizierter Signatur – von einem anderen, am Verfahren nicht beteiligten Rechtsanwalt, der weder Pflichtverteidiger des Angeklagten noch allgemeiner Vertreter des Pflichtverteidiger (§ 53 Abs. 2 S. 1 BRAO) war und auch keine Vollmacht des Angeklagten als Wahlverteidiger hatte. In diesem Fall wäre aufgrund der Singularität der vorliegenden Vollmacht selbst dann die Revision zu verwerfen gewesen, wenn der qualifiziert signierende Rechtsanwalt Sozietätsmitglied einer Sozietät mit dem Pflichtverteidiger gewesen wäre.
b) Gründe für eine Wiedereinsetzung hatte der BFH in dem oben benannten Verfahren nicht gesehen und ausgeführt, die Antragstellerin habe Gelegenheit gehabt, dazu vorzutragen, was nicht erfolgt sei.
Hierzu ist der Beschluss des BAG vom 14.09.2020 - 5 AZB 23/20 - von Interesse, mit dem dieses den Beschluss des Landesarbeitsgericht, mit dem die Berufung als unzulässig verworfen wurde, aufhob und Wiedereinsetzung gewährte. Die Berufungsschrift war in diesem Fall nicht nur nicht qualifiziert signiert gewesen (was grundsätzlich nicht erforderlich ist, liegt nicht z.B. eine Ausnahme wie oben im Fall des BGH vor), sondern es fehlte auch eine einfache Signatur. Das angefochtene Urteil war am 21.02.2019 zugestellt worden, die Berufungsschrift aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) am 20.03.2019 dem Landesarbeitsgericht (LAG) zugeleitet. Mit Verfügung vom 21.03.2019, 14:02 Uhr, teilte der Vorsitzende den Zugang der Berufungsschrift vom Vortag und das Aktenzeichen mit. Nachdem der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Berufungsbegründung fristgerecht (und ordnungsgemäß mit einfacher Signatur) eingereicht hatte, wies das LAG auf den Mangel in der Berufungsschrift hin. In der Folge verwarf das LAG die Berufung unter Zurückweisung des zeitlich rechtzeitig gestellten Wiedereinsetzungsantrages.
Die dagegen eingelegte Beschwerde hatte Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) ließ auf sich beruhen, ob ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten vorlag, da eine Kausalität für die Verfristung nicht festgestellt werden könne. Es sei ein faires Verfahren zu gewährleisten (Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips, Art. 2 Abs. 1 GG iVm. Art, 20 Abs. 3 GG). Aus eigenen Fehlern des Gerichts dürften keine konkreten prozessualen Nachteile für die Partei abgeleitet werden. Zwar gäbe es keine generelle Pflicht der Gerichte, die Formalien eines elektronischen Dokuments sofort zu prüfen. Hier aber sei nach der zeitlichen Folge ein Hinweis möglich gewesen, habe doch nach dem Eingang des Dokuments am 20.03.2019 noch ein voller Tag bis 24:00 Uhr zur Einreichung einer prozessordnungsgemäßen Berufungsschrift zur Verfügung gestanden. Bereits zum Zeitpunkt der Verfügung des Vorsitzenden durch Signierung um 14:02 Uhr am, 21.03.2019 war dem Vorsitzenden ersichtlich, dass die Berufungsschrift nicht ordnungsgemäß signiert war. Es hätte der Prozessbevollmächtigte informiert werden müssen und können. Ohne besondere Anstrengung hätte dies telefonisch oder mittels Telefax erfolgen können. Damit war Wiedereinsetzung zu gewähren.
Es lohnt sich also in entsprechenden Fällen Einsicht in die Gerichtsakte zu nehmen, um die zeitlichen Folgen und Möglichkeiten festzustellen.
c) Insgesamt empfiehlt es sich, neben der einfachen Signatur auch qualifiziert elektronisch zu signieren.
BGH, Beschluss vom 28.02.2024 – IX ZB 30/23 -
BFH, Beschluss vom 28.06.2024 – I B 41/23 (AdV) -
Aus den Gründen:
A. BGH, Beschluss vom
28.02.2024 – IX ZB 30/23 -
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten
wird der Beschluss der 15. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 7. Juli
2023 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 2.501,93 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger verlangt von dem beklagten Rechtsanwalt als seinem früheren Prozessbevollmächtigten Schadensersatz. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Gegen das dem Beklagten am 15. Februar 2023 zugestellte Urteil hat dieser mit am 23. Februar 2023 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Dabei legitimierte sich für den Beklagten die Rechtsanwaltssozietät G., welcher der Beklagte selbst angehört. Das Berufungsgericht hat die zugleich beantragte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 15. Mai 2023 gewährt.
Am 15. Mai 2023 ist eine auf denselben Tag datierte Berufungsbegründung als elektronisches Dokument beim Landgericht eingegangen. Der Schriftsatz schließt am Ende mit dem maschinenschriftlich eingefügten Namen des Beklagten und dem Zusatz Rechtsanwalt ab. Der Schriftsatz ist zudem mit der qualifizierten elektronischen Signatur des ebenfalls der Sozietät des Beklagten angehörenden Rechtsanwalts J. versehen, über dessen besonderes elektronisches Anwaltspostfach der Schriftsatz an das Gericht übermittelt wurde.
Das
Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich
der Beklagte mit seiner Rechtsbeschwerde.
II.
Die
Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Die
Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO in
Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im
Übrigen zulässig. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist nach
§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung erforderlich. Die Verwerfung der Berufung als unzulässig
verletzt den Beklagten in seinem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen
Rechtsschutzes aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem
Rechtsstaatsprinzip, welches es den Gerichten verbietet, den Beteiligten den
Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer,
aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. BGH,
Beschluss vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, BGHZ 151, 221, 227; vom 24. November
2022 - IX ZB 9/22, juris Rn. 4 mwN).
2. Die
Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
a) Das
Berufungsgericht hat ausgeführt, eine rechtswirksame Berufungsbegründung sei
nicht fristgemäß eingegangen. Das eingereichte elektronische Dokument genüge
nicht den Vorgaben des § 130a Abs. 3 ZPO. Maßgeblich sei insoweit,
dass Rechtsanwalt J.
als derjenige,
der die Berufungsbegründung qualifiziert signiert und aus seinem besonderen
elektronischen Anwaltspostfach versandt habe, in dem Schriftsatz selbst nicht
als verantwortende Person in Erscheinung trete, zumal sich darin auch kein
Vertretungsvermerk finde. Deshalb fehle es an einem nach außen in Erscheinung
tretenden Bindeglied zwischen der auf den Namen des Beklagten lautenden
einfachen Signatur und der qualifizierten elektronischen Signatur des weiteren
Rechtsanwalts. Der Umstand, dass beide Rechtsanwälte Mitglied der gleichen
Sozietät seien, die sich für den Beklagten zum Prozessbevollmächtigten im
Berufungsverfahren bestellt hat, sei unerheblich.
b) Das
hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Beklagte hat seine Berufung
innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist wirksam unter Beachtung
der Anforderungen des § 130a Abs. 3 Satz 1 Fall 1 ZPO begründet.
aa)
Gemäß § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO muss das elektronische Dokument
mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person
versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem
sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Die Bestimmung stellt damit zwei
Wege zur rechtswirksamen Übermittlung von elektronischen Dokumenten zur
Verfügung. Zum einen kann der Rechtsanwalt den Schriftsatz mit seiner
qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Zum anderen kann er auch nur einfach
signieren, muss den Schriftsatz aber sodann selbst auf einem sicheren
Übermittlungsweg gemäß § 130a Abs. 4 ZPO einreichen.
(1) Die
einfache Signatur hat in dem zuletzt genannten Fall die Funktion zu
dokumentieren, dass die durch den sicheren Übermittlungsweg als Absender
ausgewiesene Person mit der die Verantwortung für das elektronische Dokument
übernehmenden Person identisch ist; ist diese Identität nicht feststellbar, ist
das Dokument nicht wirksam eingereicht (BT-Drucks. 17/12634, S. 25; BGH,
Beschluss vom 3. Mai 2022 - 3 StR 89/22, wistra 2022, 389 Rn. 11; BAGE 172, 186
Rn. 16). Wird der Schriftsatz hingegen mit einer qualifizierten elektronischen
Signatur versehen, entsprechen deren Rechtswirkungen unmittelbar denen einer
handschriftlichen Unterschrift des Rechtsanwalts gemäß § 130 Nr. 6
ZPO (BGH, Beschluss vom 8. März 2022 - VI ZB 78/21, NJW 2022, 1964 Rn. 11; vom18.
April 2023 - VI ZB 36/22, ZIP 2023, 1502 Rn. 16). Durch die Einreichung eines
elektronischen Dokuments mit der qualifizierten Signatur eines Rechtsanwalts
übernimmt dieser mithin nicht anders als bei einer handschriftlichen
Unterzeichnung eines Schriftsatzes die Verantwortung für dessen Inhalt und ist
daher verantwortende Person im Sinne von § 130a Abs. 3 Fall 1 ZPO
(vgl. BAGE, aaO Rn. 9).
(2) Der
Übernahme der Verantwortung durch den qualifiziert elektronisch signierenden
und von der Partei bevollmächtigten Rechtsanwalt für den Schriftsatzinhalt
steht es nicht entgegen, dass das elektronische Dokument am Schluss seiner
Ausführungen den Namen eines anderen Rechtsanwalts als Verfasser nennt.
(a) Nach
der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war die eigenhändige
Unterschrift des Rechtsanwalts Wirksamkeitsvoraussetzung für einen bestimmenden
Schriftsatz, wie etwa für eine Berufungsbegründungsschrift gemäß § 520
Abs. 5, § 130 Nr. 6 ZPO. Damit sollte die Identifizierung des
Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglicht und dessen unbedingter
Wille zum Ausdruck gebracht werden, den Schriftsatz zu verantworten und bei
Gericht einzureichen. Für den Anwaltsprozess bedeutete dies allerdings nicht,
dass der Schriftsatz notwendig von dem bevollmächtigten Rechtsanwalt selbst
verfasst werden musste. Maßgeblich war vielmehr allein, dass der
bevollmächtigte Rechtsanwalt den gegebenenfalls von einem anderen formulierten
Schriftsatz nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigte und unterschrieb
(vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juni 2005 - V ZB 45/04, NJW 2005, 2709; vom 14.
März 2017 - XI ZB 16/16, WM 2017, 831 Rn.10; jeweils mwN). Nach dieser
Rechtsprechung verstand es sich zudem für einen unterzeichnenden Rechtsanwalt
im Zweifel von selbst, mit seiner Unterschrift zugleich auch eine entsprechende
Verantwortung für den bestimmenden Schriftsatz zu übernehmen (vgl. BGH, Urteil
vom 31. März 2003 - II ZR 192/02, NJW 2003, 2028; Beschluss vom 14. März 2017,
aaO mwN). Schließlich bedurfte es nach dieser Rechtsprechung bei Unterzeichnung
eines mit dem maschinenschriftlichen Namen seines Verfassers abschließenden
Schriftsatzes durch einen anderen von der Partei bevollmächtigten Rechtsanwalt
auch nicht eines klarstellenden Zusatzes, wie etwa der Verwendung des Worts
"für". Denn bereits dem Umstand der Unterzeichnung des Schriftsatzes
durch einen anderen Rechtsanwalt an sich lässt sich entnehmen, dass er an
Stelle des Verfassers die Unterschrift leisten und damit als weiterer
Hauptbevollmächtigter oder Unterbevollmächtigter der Partei auftreten wollte
(vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juli 2012 - III ZB 70/11, NJW-RR 2012, 1142 Rn.
11; vom 14. März 2017, aaO).
(b) Für
den elektronischen Rechtsverkehr gilt nichts anderes. Die qualifizierte
elektronische Signatur entspricht der Unterschrift des Rechtsanwalts (BGH,
Beschluss vom 8. März 2022 - VI ZB 78/21, NJW 2022, 1964 Rn. 11; vom 18. April
2023 - VI ZB 36/22, ZIP 2023, 1502 Rn. 16). Der Rechtsanwalt, der das zuvor von
einem anderen verfasste elektronische Dokument, das auch mit dessen Namen und
Berufsbezeichnung abschließt, qualifiziert elektronisch signiert, bringt wie
mit seiner eigenhändigen Unterschrift ohne weitere Voraussetzungen im Zweifel
seinen unbedingten Willen zum Ausdruck, mit seiner qualifizierten
elektronischen Signatur auch eine entsprechende Verantwortung für einen
bestimmenden Schriftsatz zu übernehmen und dessen Inhalt zu verantworten und
den Mandanten als weiterer Hauptbevollmächtigter oder zumindest als
Unterbevollmächtigter in Wahrnehmung des Mandats zu vertreten (vgl. BGH,
Beschluss vom 14. März 2017 - XI ZB 16/16, WM 2017, 831 Rn. 10). Auch insoweit
bedarf es daher keines klarstellenden Zusatzes eines Vertretungsverhältnisses,
insbesondere nicht der Verwendung des Worts "für".
(3)
Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ergeben sich aus der Rechtsprechung
des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 18. Oktober 2022 - 3
StR 262/22, NStZ-RR 2023, 22) keine abweichenden Vorgaben. Denn dieser
Entscheidung lag der Fall einer von dem Verteidiger maschinenschriftlich
signierten Revisionseinlegungsschrift zugrunde, die aus dem besonderen
elektronischen Anwaltspostfach eines nicht am Verfahren beteiligten anderen
Rechtsanwalts übersandt und durch diesen qualifiziert elektronisch signiert
worden war (BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2022, aaO; vgl. auch BGH, Beschluss
vom 4. Oktober 2023, 3 StR 292/23, NStZ-RR 2024, 25, 26 mwN). Es ging mithin um
die qualifizierte elektronische Signatur eines Rechtsanwalts, der nicht zum
Pflichtverteidiger des Angeklagten bestellt, nicht als allgemeiner Vertreter
des Pflichtverteidigers nach § 53 Abs. 2 Satz 1 BRAO tätig war
und dem der Angeklagte auch keine Vollmacht als Wahlverteidiger erteilt hatte
(vgl. zu den Anforderungen des § 345 Abs. 2 StPO BGH, Beschluss vom
24. Januar 2023 - 6 StR 466/22, JR 2023, 398 Rn. 5 mwN; Temming in
Gercke/Temming/Zöller, StPO, 7. Aufl., § 345 Rn. 8). Anders als im
Zivilprozess konnte dieser Rechtsanwalt auch nicht als Unterbevollmächtigter
des Verteidigers wirksam für den Angeklagten handeln. Die Erteilung einer
Untervollmacht durch den Verteidiger ist im Strafprozess nicht statthaft, sie
wäre vielmehr unwirksam (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 1994 - 2 StR
461/94, NStZ 1995, 356, 357; vom 24. Januar 2023, aaO; jeweils mwN).
bb)
Diese Maßstäbe hat das Berufungsgericht nicht beachtet. Es unterliegt keinem
Zweifel, dass Rechtsanwalt J. als sozietätsangehöriger und somit von dem
Beklagten bevollmächtigter Rechtsanwalt diesen mit Anbringung seiner
qualifizierten elektronischen Signatur hat vertreten wollen. Damit hat
Rechtsanwalt J. zugleich im Sinne von § 130a Abs. 3 Satz 1 Fall
1 ZPO die Verantwortung für den Inhalt des von seinem Kollegen verfassten und
von diesem nur einfach signierten Berufungsbegründungsschriftsatz übernommen.
III.
Gemäß
§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO ist der angefochtene Beschluss
aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen.
Berichtigungsbeschluss vom 25.
März 2024
Der Beschluss
vom 28. Februar 2024 wird wegen eines offensichtlichen Schreibversehens dahin
berichtigt, dass es auf Seite 3 in
Randnummer 5
in der fünften Zeile statt "verletzt den Kläger" richtig heißt
"verletzt den Beklagten".
Anmerkung: Die Berichtigung ist im obigen Text des Bedchlusses eingearbeitet.
B. BFH, Beschluss vom 28.06.2024
– I B 41/23 (AdV) –
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 07.08.2023 - 6 V 128/23 wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten
streiten über die gewerbesteuerrechtliche Behandlung von Dividenden nach
§ 8 Nr. 5 und § 9 Nr. 2a des Gewerbesteuergesetzes in der
für das Jahr 2020 (Streitjahr) geltenden Fassung (GewStG).
Gegenstand des
Unternehmens der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin),
einer GmbH, ist …; ihr Wirtschaftsjahr entspricht dem Kalenderjahr.
Gesellschafter der Antragstellerin waren ab ….03.2020 zu jeweils 50 % C
und D. Eine zeitgleich vorgenommene Erhöhung des Stammkapitals erbrachten die
Gesellschafter durch Einbringung und Abtretung ihrer jeweils 50%igen
Beteiligungen an der A-GmbH und der B-GmbH im Wege des qualifizierten
Anteilstauschs nach § 21 Abs. 1 des Umwandlungssteuergesetzes in der
für das Streitjahr geltenden Fassung. Die Einbringung erfolgte mit
schuldrechtlicher, wirtschaftlicher und dinglicher Wirkung zum 01.04.2020.
Die
Gesellschafterversammlungen der A- und der B-GmbH beschlossen am ….08.2020
Gewinnausschüttungen in Höhe von … € und … € (insgesamt … €).
Diese Ausschüttungen sind in dem an den Antragsgegner und Beschwerdegegner
(Finanzamt --FA--) am 31.08.2022 übermittelten Jahresabschluss zum 31.12.2020
der Antragstellerin als Ertrag ausgewiesen.
In der
Körperschaftsteuererklärung 2020 ging die Antragstellerin von steuerfreien
Einkünften nach § 8b Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes in der für
das Streitjahr geltenden Fassung (KStG) von … € und nicht abziehbaren
Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 5 KStG von … € aus. Für die
Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrags 2020 berücksichtigte sie eine Kürzung
nach § 9 Nr. 2a GewStG von … €.
Das FA erkannte
die Kürzung nach § 9 Nr. 2a GewStG im Bescheid über den
Gewerbesteuermessbetrag 2020 vom 03.01.2023 nicht an, da die Beteiligungen an
der A- und der B-GmbH nicht zu Beginn des Erhebungszeitraums, sondern
unterjährig zum 01.04.2020 in das Betriebsvermögen der Antragstellerin gelangt
seien. Im Ergebnis blieb es dadurch bei einer Hinzurechnung steuerfreier
Gewinnanteile nach § 8 Nr. 5 GewStG von … € (… € abzüglich
… € nicht abziehbare Betriebsausgaben).
Über den
hiergegen eingelegten Einspruch wurde noch nicht entschieden. Der beim FA
gleichzeitig eingereichte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) hatte
keinen Erfolg. Dies gilt auch für den daraufhin beim Niedersächsischen
Finanzgericht (FG) nach § 69 Abs. 3 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) gestellten AdV-Antrag (Beschluss vom
07.08.2023 - 6 V 128/23).
Die
Antragstellerin wendet sich mit ihrer nach § 128 Abs. 3 Satz 1
FGO zugelassenen Beschwerde gegen diesen Beschluss des FG und beantragt
sinngemäß, die Vollziehung des Bescheids für 2020 über den
Gewerbesteuermessbetrag vom 03.01.2023 bis zu einer Entscheidung im
Einspruchsverfahren ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.
Das FA
beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.
Das FG hat der
Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
II.
Die nach
§ 128 Abs. 3 Satz 1 FGO statthafte Beschwerde ist unzulässig und
durch Beschluss zu verwerfen.
1. Die
nach § 52a Abs. 1 FGO als elektronisches Dokument übermittelte
Beschwerde wurde nicht wirksam eingereicht, da sie nicht den Anforderungen des
§ 52a Abs. 3 und 4 FGO genügt.
a) Nach
§ 52a Abs. 3 Satz 1 FGO stehen zur rechtswirksamen Übermittlung
elektronischer Dokumente zwei Wege zur Verfügung: Das Dokument muss entweder
mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person
versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem
sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden.
Die
Rechtswirkungen einer qualifizierten elektronischen Signatur bei der
Übermittlung eines elektronischen Dokuments entsprechen dabei denen einer
handschriftlichen Unterschrift eines Dokuments in Papierform. Durch die
Einreichung eines Dokuments mit qualifizierter elektronischer Signatur wird
nicht anders als bei handschriftlicher Unterzeichnung die Verantwortung für
dessen Inhalt übernommen. Eine einfache Signatur soll dagegen sicherstellen,
dass die durch den sicheren Übermittlungsweg als Absender ausgewiesene Person
mit derjenigen Person identisch ist, die mit ihrer Unterschrift die
Verantwortung für das elektronische Dokument übernommen hat; kann diese
Identität nicht festgestellt werden, ist das Dokument nicht wirksam eingereicht
worden (Bundesgerichtshof --BGH--, Beschluss vom 28.02.2024 -
IX ZB 30/23, juris, zur vergleichbaren Regelung in § 130a
Abs. 3 der Zivilprozessordnung; vgl. auch Bundesarbeitsgericht, Beschluss
vom 14.09.2020 - 5 AZB 23/20, BAGE 172, 186; Brandis in
Tipke/Kruse, § 52a FGO Rz 10 [zweiter Spiegelstrich]; jeweils
m.w.N.).
b) Nach
diesen Maßgaben hat die Antragstellerin ihre Beschwerde nicht wirksam
eingereicht.
Das
elektronische Dokument ist zwar mit einer einfachen Signatur versehen und es
ist als --grundsätzlich zulässiger-- sicherer Übermittlungsweg das besondere
elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) gewählt worden (§ 52a
Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO i.V.m. § 86d und § 86e des
Steuerberatungsgesetzes). Allerdings stammt die Unterschrift auf dem
Schriftsatz von Steuerberater E, während das zur Übermittlung an das Gericht
genutzte beSt (ausweislich der Safe-ID) für die Steuerberaterin F eingerichtet
worden ist. Ungeachtet dessen, dass sowohl E als auch F jeweils Partner der
Prozessbevollmächtigten sind, ist damit der durch den sicheren Übermittlungsweg
ausgewiesene Absender nicht mit derjenigen Person identisch, die durch ihre
Unterschrift die Verantwortung für den Schriftsatz übernommen hat. Dies
("fehlende Eigenhändigkeit") führt dazu, dass die Beschwerde nicht
wirksam eingereicht worden ist (zur abweichenden Rechtslage bei qualifizierter
elektronischer Signatur des Übermittlers als möglicher Vertreter oder Unterbevollmächtigter
vgl. BGH-Beschluss vom 28.02.2024 - IX ZB 30/23, juris).
2. Die
Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56
FGO liegen nicht vor. Die Antragstellerin hat hierzu keinerlei Ausführungen
gemacht, obwohl das FA die Unzulässigkeit der Beschwerde in seiner Erwiderung
vom 18.09.2023 umfangreich begründet hat und somit ausreichend Anlass und
Gelegenheit bestand, hierzu Stellung zu nehmen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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