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Dienstag, 15. Oktober 2024

Festsetzung von Reisekosten eines (ausländischen) Prozessvertreters gegen säumigen Zeugen

Ein Zeuge war zu einem Termin, zu dem er zwecks seiner Vernehmung ordnungsgemäß geladen worden war, nicht erschienen. Zu diesem Termin war aber der Prozessbevollmächtigte der Kläger, die ihren Wohnsitz in Brasilien hatten, von seinem Kanzleisitz in Brasilien angereist. Das Landgericht verhängte gegen den Zeugen ein Ordnungsgeld von € 200,00 und legte ihm die durch sein Ausbleiben zum Termin entstandenen Kosten auf. Die dagegen vom Zeugen eingelegte Beschwerde wies das OLG Bamberg mit Beschluss vom 20.03.2023 zurück. Ein neuer Termin für die Zeugenvernehmung wurde auf den 11.05.2023 anberaumt, allerdings auf Antrag des Beklagtenvertreters am 20.04.2023 auf den 04.07.2023 verlegt. Am 20.05.2023 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Festsetzung seiner Reisekosten: Er habe im Hinblick auf den Termin vom 11.05.2023 am 23.03.2023 Kosten für Flugtickets in Höhe von € 1.000,00 gehabt, sodann durch die Verlegung des Termins noch einmal Umbuchungskosten von € 1.063,90. Zur Festsetzung gegen den Zeugen wurden nur die € 1.000,00 beantragt. Die Rechtspflegerin wies den Antrag zurück, dem das OLG auf die vom Klägervertreter eingelegten sofortigen Beschwerde stattgab, da es sich um notwendige Kosten der Rechtsverfolgung gem. § 91 Abs. 1 ZPO handele.

Die Kostengrundentscheidung sei nach § 380 Abs. 1 S. 1 ZPO getroffen, demzufolge dem Zeugen die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt werden könnten. Bei den Kosten eines an der Rechtsverfolgung oder -verteidigung Beteiligten greife auch hier die das Kostenfestsetzungsverfahren beherrschende Maxime des § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO, dass nur solche Kosten zu erstatten seien, die zur zweckentsprechenden Wahrung der Rechte notwendig gewesen wären. Dabei käme es darauf an, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die kostenauslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung habe als sachdienlich ansehen dürfen, wobei sie ihre berechtigten Interessen verfolgen und zur vollen Wahrung ihrer Belange ergreifen dürfe. Lediglich sei sie gehalten, unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die kostengünstigere zu wählen (BGH, Beschluss vom 16.12.2004 - I ZB 23/04 -).

Sollte nach dieser Maßgabe eine Partei grundsätzlich die Hinzuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalts zur entsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sein, so sei der Partei auch das Recht zuzubilligen, sich von diesem in der mündlichen Verhandlung vertreten zu lassen (auch wenn ggf. die Kosten eines Unterbevollmächtigten billiger wären). § 91 Abs. 2 S. 1 Halbs. 2 ZPO verlange keine zusätzliche Prüfung, ob auch die Wahrnehmung des Verhandlungstermins durch diesen Rechtsanwalt im konkreten Einzelfall unbedingt erforderlich sei. Das OLG wies darauf hin, dass die Annahme, der Unterbevollmächtigte sei nur „ausführendes Organ“ des Prozessbevollmächtigten, der Prozessstrategie und -taktik mit der Partei bespreche und den Vortrag in der mündlichen Verhandlung mit seinen Schriftsätzen bestimme, würde den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten in einer Beweisaufnahme nicht gerecht, da deren Verlauf und die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen noch weniger planbar seien als in der mündlichen Verhandlung.

Vorliegend sah das OLG die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten mit Kanzleisitz in Brasilien als notwendig im vorgenannten Sinn an. Die Kläger hätten ihren Wohnsitz in Brasilien. Im Hinblick auf die Möglichkeit eines persönlichen Mandantengesprächs wie auch der direkten Verständigung in deren portugiesischer Muttersprache sie die Beauftragung sachgerecht gewesen. Es handele sich zudem nicht um eine einfach gelagerte Sach- und Rechtslage bei einem nicht unerheblichen Streitwert von vorläufig € 50.000,00. Aufgrund seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft unter Befreiung von seiner Kanzleipflicht in der BRD sei dem Prozessbevollmächtigten der Kläger auch die Führung eines Prozesses in Deutschland möglich gewesen, ohne Dritte einzuschalten.

Aus diesen Umständen folge regelmäßig die Erstattungsfähigkeit der Terminswahrnehmung durch den Prozessbevollmächtigten. Auf eine kostengünstigere Alternative hätten die Kläger nicht verwiesen werden können; dieser Ausnahmefall läge nur dann vor, wen von Anfang an festgestanden hätte, dass die Anwesenheit des Prozessbevollmächtigten bei der Beweisaufnahme nicht erforderlich sein wird, es sich also um ein „lediglich durchschnittliches“ Beweisthema gehandelt hätte. Allerdings sei für die Parte nicht von vorhersehbar, welche Schwierigkeiten es bei der Zeugeneinvernahme gibt, ob es um ein Zeugnisverweigerungsrecht gehen würde, wie die Glaubwürdigkeit zu beurteilen ist, was alles von der Persönlichkeit des Zeugen und seinem Verhalten abhänge. Auch sei zu berücksichtigen, dass das Hintergrundwissen eine sinnvolle und nützliche Hilfe bei der Beseitigung von Schwierigkeiten sei (BGH, Beschluss vom 16.12.2004 - I ZB 23/04 -).

Zu den nach § 380 Abs. 1 ZPO aufgrund seines Ausbleibens vom Zeugen zu erstattenden Kosten würden alle Kosten zählen, die durch die neuerliche Ladung des Zeugen und seiner Vernehmung in einem neuen Termin erforderlich würden (BGH, Beschluss vom 16.12.2004 - I ZB 23/04 -).

Anmerkung: Mit der vorstehenden Begründung müssten der Partei auch die Kosten der Umbuchung erstattet zuerkannt werden, da diese zwar kausal auf der Verlegung des Termins vom 11.05. beruhte, die nicht vom Zeugen veranlasst wurde, aber es überhaupt zu einem neuen Termin und damit der Bestimmung des 11.05. als neuen Termin kam, beruhte auf dem Ausbleiben des Zeugen im vorhergehenden Termin. Ohne das Ausbleiben des zeugen im ersten Termin wäre es mithin nicht zu einer Terminänderung gekommen, sie die Kosten der Umbuchung verursachte.

OLG Bamberg, Beschluss vom 01.03.2024 - 2 W 39/23 -

Donnerstag, 12. Oktober 2023

Erstattungsfähigkeit der zusätzlichen Kosten durch Anwaltswechsel ?

Immer wieder kommt es im Laufe eines Verfahrens (in einer Instanz) zu einen Anwaltswechsel, sei es, dass der Rechtsanwalt verstirbt, wegen Alters oder aus anderen Gründen seine Zulassung zurückgibt (oder zurückgeben muss), oder wegen Unzufriedenheit des Mandanten mit dem bisherigen Prozessbevollmächtigten. In diesen Fällen stellt sich im Falle des (auch teilweisen) Obsiegens dieser Partei die Frage, ob die dadurch verursachten Kosten (zusätzlich) gegen den Gegner im Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzt werden können. 

Im Kostenfestsetzungsbeschluss wurden nur die Kosten des zunächst die Beklagte vertretenen Rechtsanwalts berücksichtigt, nicht die Kosten des später mandatieren (neuen) Rechtsanwalts (der nach der neuen – höheren – Gebührenordnung abrechnete). Die dagegen von der Beklagten eingelegte sofortige Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht (OLG) zurückgewiesen.

Das OLG verwies zunächst auf ein die gesamte Privatrechtsordnung und das Prozessrecht beherrschende Prinzip von Treu und Glauben, welches das in § 91 ZPO verankerte Gebot einer sparsamen bzw. ökonomischen Prozessführung präge. § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO sei Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes kostensparender Prozessführung. Damit können Kosten, die durch einen Anwaltswechsel bedingt würden, nur erstattungsfähig sein, wenn sie notwendig gewesen wären, also nicht auf ein Verschulden der Partei oder ein ihr zuzurechnendes Verschulden ihres Rechtsanwalts beruhen würden (BGH, Beschluss vom 22.08.2012 – XII ZB 183/11 -). Alleine eine objektive Notwendigkeit sei aber nicht ausreichend; hinzukommen müsste zudem deren Unvermeidbarkeit, die dann nicht gegeben sei, wenn die den Anwaltswechsel bedingenden Umstände für die Partei oder deren Rechtsanwalt vorhersehbar gewesen wären oder (willentlich) herbeigeführt worden seien.

Die Beklagte habe vorliegend die Notwendigkeit des Anwaltswechsels nicht ausreichend dargelegt und glaubhaft gemacht.

Vorliegend hatte die Beklagte allerdings nur die Kosten des zweitbeauftragten Rechtsanwalts zur Festsetzung angemeldet, an deren Stelle die Rechtspflegerin nur die Kosten des Erstanwalts berücksichtigte. Das würde nach Auffassung des OLG an den oben benannten Grundsätzen nichts ändern. Aus § 92 Abs. 2 S. 1 ZPO folge nicht, dass diese den Erstattungsanspruch der obsiegenden Partei reduzierende Vorschrift nur zur Anwendung käme, wenn die Kosten von zwei Rechtsanwälten zur Festsetzung angemeldet würden. Es würde ganz allgemein geregelt, welche Rechtsanwaltskosten von dem unterliegenden Gegner zu erstatten seien. Nach den Gründen in der Gesetzgebung habe der Gesetzgeber das Prinzip zum Ausdruck bringen wollen, dass die Erstattungspflicht objektiv auf die Erstattung derjenigen Kosten beschränkt würde, soweit diese nach dem freien Ermessen des Gerichts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig gewesen wären („Die gesammten Materialien zur Civilprozeßordnung und dem Einführungsgesetz zu derselben vom 30. Januar 1877“, S. 197 zu § 85 CPO). Das Ermessen des Gerichts käme nach den Materialien auch in Bezug auf die Anwaltskosten zum Tragen, wenn die Partei „ohne Nothwendigkeit des Wechsels successive sich mehrerer Anwälte bedient“ habe (aaO. S. 198).

Damit sei bei der Kostenfestsetzung stets zu prüfen, ob möglicherweise nicht notwendige Mehrkosten zur Kostenfestsetzung angemeldet würden. Die Frage würde sich unabhängig davon stellen, ob die Kosten für zwei Rechtsanwälte oder für einen von zwei Rechtsanwälten angemeldet würden. Solche Mehrkoten könnten (wie hier) dadurch entstehen, dass die Mandatierung des zweiten Rechtsanwalts nach Änderung der Gebührenordnung (und Erhöhung der Gebühren, die bei dem ersten Rechtsanwalt insoweit nicht angefallen wären) erfolge.

Selbst wenn man annehmen wolle, dass § 92 Abs. 2 S. 2 ZPO tatbestandlich nicht einschlägig sei, wenn nicht Kosten mehrerer Rechtsanwälte im Rahmen der Kostenfestsetzung erstattet verlangt würden, würde dies keine andere Entscheidung rechtfertigen (entgegen OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.07.2011 – OVG 1 K 118.08 -), da der Grundsatz kostensparender Prozessführung auch neben § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO selbständige Bedeutung habe. Es wäre also auch in diesem Fall zu fragen, ob das Verfahren kostensparender durch einen Rechtsanwalt hätte betrieben werden können.

OLG Celle, Beschluss vom 19.06.2023 - 2 W 75/23 -