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Sonntag, 17. September 2023

Rückschnitt vom Nachbargrundstück überhängender Äste

Immer wieder kommt es im Zusammenhang mit Anpflanzungen an einer Grundstücksgrenze zu einem Streit zwischen den Nachbarn, sei es, dass bei Anpflanzungen der in den Nachbarrechtsgesetzen der Länder vorgesehene Grenzabstand nicht eingehalten ist (vgl. z.B. §§ 38 ff NachbG HE), sei es, dass ein Überhang auf das benachbarte Grundstück vorliegt. Den Überhang kann der davon betroffene Nachbar gem. § 1004 BGB entgegentreten - wenn dessen Voraussetzungen vorliegen. § 1004 BGB lautet:

 (1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

Ferner gibt § 910 BGB dem durch den Überhang beeinträchtigten Nachbarn auch ein Selbsthilferecht an die Hand:

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann Wurzeln eines Baumes oder eines Strauches, die von einem Nachbargrundstück eingedrungen sind, abschneiden und behalten. Das Gleiche gilt von herüberragenden Zweigen, wenn der Eigentümer dem Besitzer des Nachbargrundstücks eine angemessene Frist zur Beseitigung bestimmt hat und die Beseitigung nicht innerhalb der Frist erfolgt.

(2) Dem Eigentümer steht dieses Recht nicht zu, wenn die Wurzeln oder die Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen.

Vorliegend verlangte der Kläger vom Beklagten den Rückschnitt von Ästen und Zweigen diverser Bäume, da diese auf sein Grundstück ragten. Das Amtsgericht gab der Klage statt. Unter Abänderung dieses Urteils gab das Landgericht der Berufung allerdings statt und wies die Klage ab. Kernpunkt war, ob hier durch den Überhang das Eigentum des Klägers in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wurde, § 1004 Abs. 1 S.1 BGB (das Selbsthilferecht des § 910 Abs. 1 BGB verlangt gem. Abs. 2, dass durch die Zweige die Benutzung des Grundstücks beeinträchtigt wird). In beiden Fällen ist mithin die Beeinträchtigung des Grundstücks durch die überragenden Äste/Zweige erforderlich.

Das Landgericht ging auf der Grundlage eines eingeholten Sachverständigengutachtens davon aus, dass ein Überhang bestand. Allerdings negierte es einen Anspruch des Klägers nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB iVm. § 910 Abs. 1 S. 2 BGB im Hinblick auf § 910 Abs. 2 BGB, da die Benutzung des klägerischen Grundstücks durch den Überhang nicht als beeinträchtigt anzusehen sei.  

Nicht das subjektive Empfinden des Grundstückseigentümers sei für die Beurteilung, ob eine Beeinträchtigung vorliegt, entscheidend, vielmehr müsse der Überhang objektiv beeinträchtigend sein. Für das Nichtvorliegen der Beeinträchtigung sei allerdings der Nachbar darlegungs- und beweisbelastet, auf dessen Grundstück der Baum stehen würde, hier mithin der Beklagte (BGH, Urteil vom 11.06.2021 - V ZR 234/19 -). Dieser habe den von ihm zu erbringenden Nachweis erbracht.

Nach Auffassung der Berufungskammer des Landgerichts fehle es an einer relevanten Beeinträchtigung, wenn die Störung im Vergleich zu den Wirkungen des Rückschnitts außer Verhältnis stehen und deshalb unzumutbar sei. Dies sei z.B. dann der Fall, wenn die verlangte Maßnahme die Gefahr des Absterbens des Baues oder zu einer erhöhten Risikolage führe. Das Verlangen würde dann auf eine verbotene Beseitigung des Baumes hinauslaufen (im Anschluss an OLG Köln, Urteil vom 12.07.2011 - 4 U 18/10 -).  Da die Bäume (unstreitig) mindestens acht Jahre alt seien und der Kläger die Beseitigung nach § 47 Abs. 1 NachbG NRW daher nicht mehr verlangen könne, sei hier der in Rede stehende Anspruch des Klägers ausgeschlossen, da er auf die Beseitigung der Bäume hinauslaufe. Der Sachverständige sei in seinem Gutachten zu dem Schluss gelangt, dass bei dem klägerseits begehrten Rückschnitt kaum ein Baum überleben würde.

Das Landgericht bezog sich zur Stützung seiner Argumentation lediglich auf ein Urteil des OLG Köln vom 12.07.2011 - 4 U 18/10 -. Dort wurde ebenfalls festgehalten, dass eine Unzumutbarkeit bestünde, wenn in Folge des Rückschnitts es zu einem Absterben des Baumes oder einer erhöhten Risikolage käme.

Allerdings geht das Landgericht nicht auf das Urteil des BGH vom 11.06.2021 - V ZR 234/19 - ein, demzufolge das Selbsthilferecht nach § 910 Abs. 1 BGB nicht deshalb ausgeschlossen sei,  da durch die Beseitigung des Überhangs das Absterben des Baumes oder der Verlust seiner Standfestigkeit drohe, es sei denn, naturschutzrechtliche Beschränkungen stünden dem entgegen (was im vorliegenden Fall nicht benannt wurde). Das Selbsthilferecht würde uneingeschränkt bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen, also wenn die Wurzeln oder Zweige die Benutzung des Grundstücks beeinträchtigen. Wörtlich führte der BGH aus: „Eine Verhältnismäßigkeits- oder Zumutbarkeitsprüfung, mit der der Ausschluss des Selbsthilferechts teilweise begründet wird (…), ist gesetzlich nicht vorgesehen und widerspräche den Vorstellungen des Gesetzgebers.“ Weiter verwies der BGH darauf, dass eine Einschränkung des Selbsthilferechts nach § 910 BGB auch nicht deshalb in Betracht käme, da eine landesrechtliche Ausschlussfrist zur Beseitigung des Baumes abgelaufen und mit dem Selbsthilferecht umgangen werden könne. Die nachbarrechtlichen Vorschriften der Länder würden kein Selbsthilferecht des beeinträchtigten Nachbarn in Bezug auf überhängende Äste/Zweige oder eingedrungene Wurzeln regeln und könnten dies mangels Gesetzgebungskompetenz die Regelung des § 910 BGB daher auch nicht einschränken.

Während der Anspruch des beeinträchtigten Eigentümers nach § 1004 BGB jedenfalls der Regelverjährung des § 195 BGB unterfällt (wobei es bei einem Überhang darauf ankommt, wann welcher Teil des überhängenden Astes gewachsen ist), unterliegt das Selbsthilferecht nach § 910 BGB keiner Verjährung (BGH, Urteil vom 22.02.2019 - V ZR 136/18 -).

Allerdings betrifft das Urteil des BGH vom 11.06.2021 - V ZR 234/19 - lediglich das Selbsthilferecht nach § 910 BGB. Der Ansatz des Landgerichts in der hier besprochenen Entscheidung ist auch unter Beachtung des Urteils des BGH zutreffend, da sich der BGH zur Begründung der fehlenden Verhältnismäßigkeits- und Zumutbarkeitsprüfung lediglich auf das unabhängig von den Nachbarrechten der Länder geltende Selbsthilferecht des § 910 BGB bezog, bei dem er keine Verjährungsproblematik sah. Dies lässt sich auch aus den Gründen des Urteils des BGH nicht auf den Anspruch aus § 1004 BGB übertragen. Für den Kläger in dem hier besprochenen Verfahren vor dem Landgericht bedeutet dies, dass er zwar von seinem Nachbarn keinen Rückschnitt beanspruchen kann, aber sehr wohl diesen nach § 910 BGB trotz der Gefährdung der Bäume selbst durchführen könnte.

LG Köln, Urteil vom 02.03.2023 - 6 S 27/20 -

Dienstag, 20. März 2018

Nachbarrecht: Der Anspruch auf Rückschnitt von Grenzbepflanzung

Die Beklagten strebten mit ihrer Berufung gegen das amtsgerichtliche Teilanerkenntnis- und Endurteil eine Abänderung insbesondere insoweit an, als sie verpflichtet wurden, eine Hecke sowie die Glanzmispel dauerhaft, auch während der Wachstumsperiode, auf die zulässige Höhe zu beschränken.  Diesbezüglich war die Berufung erfolgreich.

Die Heckenhöhe bestimmt sich nach §§ 12, 22 NRG BW nach dem jeweiligen Grenzabstand der Pflanze und wurde hier vom Landgericht in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht mit 1,80n angenommen. Durch eine von den Beklagten vorgenommene Kürzung der Hecke nach dem erstinstanzlichen Urteil auf 1,80m sei aber keine Erfüllung eingetreten, da der Kürzungsanspruch der Kläger fortbestünde, da die Pflanzen fortlaufend weiter wachsen würden.

Allerdings würde der Kürzungsanspruch nur außerhalb der Vegetationsperiode (01.03. – 30.09.) bestehen, § 12 Abs. 3 s. Halbs. NRG BW. Auch wenn nach § 39 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 2. Halbs. BNatSchG sogen. Schonschnitte zur Beseitigung des Zuwachses der Pflanzen naturschutzrechtlich zulässig seien, ergäbe sich daraus nach dem  Wortlaut des § 12 Abs. 3 s. Halbs. NRG BW  keine Verpflichtung des Eigentümers. § 12 Abs. 3 2. Halbs. NTG BW statuiere eine zeitliche Ausnahme von der Kürzungsverpflichtung und sei an die zeitliche Regelung des § 39 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 BNatSchG angepasst, enthalte aber die Ausnahmevorschrift für Schonschnitte gerade nicht.

Ein Anspruch auf einen vorsorglichen Rückschnitt würde es nicht geben, mit dem sichergestellt würde, dass die Hecke die zulässige Höhe während der Wachstumsperiode nicht überschreitet. Die Verpflichtung zum laufenden Rückschnitt bei Überschreitung des Grenzwertes wurde gerade für die Vegetationsperiode in § 12 NRG BW ausgesetzt. Auch das OLG Frankfurt (Urteil vom 07.11.1996 - 15 U 173/05 -) habe bereits festgehalten, dass der Eigentümer nicht verpflichtet sei dafür zu sorgen, dass niemals die Höchstgrenze überschritten würde, sondern berechtigt sei das Ende der Vegetationsperiode abzuwarten, um erst dann den Rückschnitt vorzunehmen. Soweit in der Literatur teilweise eine andere Auffassung vertreten würde, sei dies nicht überzeugend. Zum einen sei der vorsorgliche Rückschnitt für den Eigentümer mit der besonderen Schwierigkeit der fehlenden Vorhersehbarkeit des künftigen Pflanzenwuchses verbunden, zum anderen wäre ein entsprechender Titel nicht vollstreckbar, da die Überschreitung in der Vegetationsperiode stattfinde und in dieser auch im Wege der Vollstreckung der Rückschnitt ausgeschlossen sei.

LG Freiburg, Urteil vom 07.12.2017 - 3 S 171/16 -

Mittwoch, 23. August 2017

Grenzbepflanzungen: Zur Verjährung eines Rückschnittanspruchs und zu den Grundlagen für die Messung der maßgeblichen Pflanzenhöhe

Die Parteien sind Nachbarn. Der Beklagte hatte auf seinem etwa 1,00 – 1,25m niedriger liegenden Grundstück (Geländestufe mit Mauer) in einer Distanz von 0,5 bis 2,0m zur Mauer eine Thujenhecke gepflanzt, die eine Höhe von 6m hatte. Der Kläger verlangte von dem Beklagten den Rückschnitt auf 2m, gemessen ab dem oberen Ende der Mauer zwischen den Grundstücken der Parteien.

Die Revision des Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil wurde zurückgewiesen.

Der Anspruch sie nach Art. 47 Abs. 1 BayAGBGB begründet. Danach kann ein Nachbar verlangen, dass keine Pflanzen in einer Entfernung von bis zu 2m von der Grenze nicht höher als 2m werden. Da die Thujenhecke nach den Feststellungen des Berufungsgerichts (OLG Nürnberg) im Abstand von 2,0m mit einer Wuchshöhe von 6m steht, lägen die Voraussetzungen nach Art. 47 Abs. 1 BayAGBGB unzweifelhaft vor. Der Umstand, dass der (historische) Gesetzgeber in Art. 47 BayAGBGB lediglich von einer Beseitigung oder einer Zurückversetzung derselben spräche, schließe den Anspruch auf Rückschnitt als Minus zu den Regelungen im Gesetz nichts aus.

Verjährung sei auch nicht eingetreten. Die Verjährung beginne gem. Art. 52 Abs. 1 S. 3 BayAGBGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entsteht oder Eigentümer von den den Anspruch begründenden Tatsachen Kenntnis erlange oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen können. Die Verjährungsfrist betrage dann fünf Jahre (die gegebenenfalls von einem Sachverständigen festzustellen sei). Im Grenzbereich entstehe der Anspruch, wenn die Pflanzen über die Höhe von 2m hinauswachsen würden. Das Berufungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass hier die Frist mit dem letzten Rückschnitt auf zwei Meter, gemessen von der ca. 1m hohen Geländestufe, entstand und damit eine absolute Höhe von über 3m überschritten habe. Dies sei im Laufe des Jahres 2009 gewesen.

Grundsätzlich sei zwar die zulässige Höhe der Pflanze von der Stelle des Austritts aus dem Boden an zu messen. Dies könne aber nicht für eine Bepflanzung an der Grenze auf einem tiefer belegen Grundstück gelten.  Entgegen anderweitiger Literaturmeinung und Rechtsprechung sei darauf abzustellen, dass es dem Gesetzgeber darum gehen würde, dass auch der Nachbar sein Grundstück ohne Beeinträchtigung nutzen könne, wie sie bei Bepflanzungen durch Entzug von Wasser, Licht und Luft entstehen könnten. Dabei habe er auf die Wuchshöhe abgestellt und angenommen, dass die Pflanzen bereits mit ihren Austritt aus dem Boden das Nachbargrundstück beeinträchtigen könnten. Dieser Gedankengang könne aber dann nicht zutreffen, wenn – wie hier – das bepflanzte Grundstück niedriger läge, da die Gefahr eine danach gegebenen Beeinträchtigung erst mit Erreichen des Geländeniveaus des höher gelegenen Grundstücks entstehen könne. Würde man auch in einem solchen Fall auf die Austrittsstelle am Boden abstellen, würde die gesetzgeberische Interessensabwägung verfälscht. Damit entspräche es dem Sinn und Zweck der gesetzgeberischen Regelung, in Fällen einer Höhendifferenz von Grundstücken diese hinzuzurechnen, befinden sich die Pflanzen auf dem niedriger gelegenen Grundstück. Diese Erwägungen würden auch durch eine anderweitige Regelung des bayerischen Gesetzgebers gedeckt, insoweit nach Art. 50 Abs. 1 S. 1 BayAGBGB Art. 47 Abs. 1 BayAGBGB nicht auf Pflanzen hinter einer Mauer oder sonstigen dichten Einfriedung Anwendung fände.

Anmerkung: Die Entscheidung ist zwar aus sich heraus überzeugend. Wie aber wäre bei der entsprechenden Überlegung der Rechtsstreit zu behandeln, wenn die Anpflanzung sich auf dem höher gelegenen Grundstück befindet ? Nach dem Sinngehalt dieser Entscheidung des BGH könnte man meinen, dass dann die Höhendifferenz bei der Messung der Pflanze zu berücksichtigen ist und dazu führt, dass eine Pflanze im vorliegenden Fall bei Annahme einer Höhendifferenz von 1,0m nur 1m wachsen dürfte. Dieser Überlegung dürfte aber wohl das Verbot der extensiven Gesetzesauslegung entgegenstehen. 


BGH, Urteil vom 02.06.2017 - V ZR 230/16 -