Der Kläger wollte nach links in eine doppelspurige Straße einbiegen, der beklagte Fahrer (nachfolgend Beklagter), der aus der Gegenrichtung kam, nach rechts. Der Kläger wollte auf der linken der durch eine unterbrochene Linie getrennten Fahrspuren auffahren, allerdings der Beklagte auch, weshalb die Fahrzeuge kollidierten. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen.
Das OLG stimmte im Berufungsverfahren dem Landgericht zu, dass sowohl der Kläger als auch die Beklagtenseite grundsätzlich nach §§ 7, 17, 18 StVG für den Schadensfall einstandspflichtig seien, da der Unfall bei den Betrieb von Kraftfahrzeugen entstanden sei und weder auf höhere Gewalt zurückzuführen sie noch für einen der Beteiligten ein unabwendbares Ereignis iSv. § 17 Abs. 3 StVG darstelle.
Der Kläger habe gegen § 9 Abs. 4 StVO verstoßen. Danach müsse ein Linksabbieger entgegenkommende Fahrzeuge, die ihrerseits nach rechts abbiegen wollten, durchfahren lassen. Es würden die gleichen Grundsätze gelten wie für die Begegnung mit einem auf einer bevorrechtigten Straße fahrenden Fahrzeug. Damit habe der Kläger die ihm als Linksabbieger nach § 9 Abs. 4 StVO treffende Wartepflicht nicht beachtet. Er hätte zunächst den Abbiegevorgang des Beklagten abwarten müssen. Dabei käme es nicht darauf an, ob er von einer engen Bogenfahrt des Beklagtenfahrzeugs ausgegangen sei, welches auf der rechten Fahrspur weiterfahren wolle, denn diese Annahme sei nicht schutzwürdig. Wer nach links in eine Straße mit mehreren Fahrstreifen abbiege, dürfe grundsätzlich nicht darauf vertrauen, ei entgegenkommender Rechtsabbieger würde nur die rechte Fahrspur nutzen.
Auch käme es nicht darauf an, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Kollision (nach den Feststellungen eines gerichtlich bestellten Sachverständigen) bereits eine gerade Fahrposition auf der linken Fahrspur eingenommen habe, während sich das Beklagtenfahrzeug noch in Schrägstellung befunden habe. Der Unfall habe sich nach sachverständiger Feststellung in Höhe des Fußgängerüberwegs, der den unmittelbaren Kreuzungsbereich aus Klägersicht nach links begrenzt habe, ereignet und das Klägerfahrzeug habe seine Kollisionsstellung erst kurz zuvor erreicht. Der enge räumliche und zeitliche Zusammenhang zwischen dem Linksabbiegevorgang des Klägers und dem Unfall verdeutliche, dass eine Beeinträchtigung des bevorrechtigten Beklagten durch den Kläger gerade nicht auszuschließen gewesen sei; Unsicherheiten zur Einschätzung der Verkehrslage gingen zu seinen Lasten (LG Potsdam, Urteil vom 10.03.2008 - 7 S 120/07 -).
Der Beklagte habe auch nicht gegen § 7 Abs. 5 StVO verstoßen. Dass er die rechte Fahrspur passieren musste, um auf die linke Fahrspur zu gelangen, stelle keinen Fahrstreifenwechsel im Sinne der Norm dar. Der Vorrang des Beklagten umfasse auch die Wahl zwischen den beiden Fahrspuren (LG Hamburg, Urteil vom 06.09.2021 - 306 S 85/19 -). Deshalb läge auch kein Verstoß gegen das Gebot, sich rechts einzuordnen (§ 9 Abs. 1 S. 2 StVO), oder das Rechtsfahrgebot (§ 2 Abs. 2 StVO) vor.
Allerdings läge bei dem Beklagten ein Sorgfaltsverstoß gem. § 1 Abs. 2 StVO vor. Für ihr sei ersichtlich gewesen, dass der Kläger seiner Wartepflicht nach § 9 Abs. 4 S. 1 StVO nicht genügen würde. Davon habe er spätestens auszugehen gehabt, als der Kläger, nachdem er bereits die für Linksabbieger vorgesehene Wartelinie ohne anzuhalten passiert habe, auch die gestrichelte Begrenzungslinie der linken Fahrspur im Bereich der Kreuzungsmitte überfahren habe.
Das OLG musste daher eine Abwägung der gegenseitigen Verursachungsbeiträge nach § 17 Abs. 1 StVG vornehmen. Die Nichtbeachtung der Wartepflicht des Linksabbiegers stelle regelmäßig einen Besonders schwerwiegenden Verkehrsverstoß dar. Dahinter würde aber die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs hier nicht zurücktreten. Der Beklagte sei zwar bevorrechtigt gewesen. Er habe aber eine Gefahr dadurch gesetzt, dass er nicht weiter auf das aus der Gegenrichtung abbiegende Kraftfahrzeug geachtet habe, obwohl dies bei dem von ihm beabsichtigten Wechsel unmittelbar auf die linke Fahrspur in höherem Maße geboten gewesen wäre, als bei einem Wechsel auf die rechte Fahrspur. Allerdings wiege dieser verstoß weniger schwer als die Verletzung der Wartepflicht (Vorfahrtsverstoß) des Klägers, weshalb sich eine Haftungsverteilung im Verhältnis 70% zu 30% zu Lasten des Klägers ergäbe.
Saarländisches
Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 20.10.2023 - 3 U 49/23 -
Aus den Gründen:
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das
Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 12.5.2023 – 1 O 226/21 – unter
Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und
insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagten werden als
Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 2.115,12 Euro nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.5.2021 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die
Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger den aus der
Inanspruchnahme seiner Vollkaskoversicherung bei der ... AG zur
Versicherungsnummer XXX infolge des Verkehrsunfallereignisses vom 22.4.2021 in
der Straße ... ... in ... entstandenen und künftig entstehenden
Rückstufungsschaden auf der Grundlage einer Haftungsquote von 30 % zu 70 % zu
Lasten des Klägers zu ersetzen.
3. Die Beklagten werden weiterhin als
Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten
in Höhe von 367,23 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 7.7.2021 zu zahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits tragen
der Kläger zu 36 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 64 %.
III. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien
streiten um Schadensersatzansprüche aufgrund eines Verkehrsunfalls am 22.4.2021
in Saarbrücken.
Der Kläger
befuhr mit seinem Pkw Ford Focus (amtl. Kennz. XXX) die Straße ... aus Richtung
... kommend. An der ampelgeregelten Kreuzung der Straßen ... und ... bog er
nach links ab, um seine Fahrt auf der linken der beiden durch eine
unterbrochene Linie getrennten Fahrspuren der ... fortzusetzen. Der Beklagte zu
1, der mit seinem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Pkw VW Polo
(amtl. Kennz. XXX) die Straße ... in entgegengesetzter Richtung befuhr, bog
seinerseits an der Kreuzung nach rechts ab und beabsichtigte ebenfalls auf der
linken Fahrspur der ... weiterzufahren. Dabei kam es zur Kollision.
Der Kläger hat
– nach Inanspruchnahme seiner Kaskoversicherung – erstinstanzlich zuletzt
restlichen Schadensersatz von 3.285,71 Euro (Wiederbeschaffungsaufwand 5.250
Euro, Sachverständigenkosten 939,39 Euro, Kostenpauschale 25 Euro,
Nutzungsausfall für 22 Tage 946 Euro, Überführungskosten 150 Euro abzgl.
Versicherungsleistung 4.024,68 Euro) nebst Zinsen geltend gemacht. Daneben hat
er die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz des ihm in der
Vollkaskoversicherung entstandenen und noch entstehenden Höherstufungsschadens
sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 800,39
Euro nebst Zinsen erstrebt.
Der Kläger hat
behauptet, sein Abbiegevorgang sei bereits beendet gewesen und sein Fahrzeug
habe sich vollständig auf der linken Fahrspur der ... in Geradeausfahrt
befunden, als der Beklagte zu 1 über die rechte Fahrspur der ... auf die linke
Fahrspur gezogen sei.
Die Beklagten
sind der Klage entgegengetreten. Sie haben behauptet, der Zusammenstoß habe
sich noch vor dem Abschluss des Abbiegevorgangs des Beklagten zu 1 ereignet.
Das Landgericht
hat das in einem Verfahren vor dem Amtsgericht Saarbrücken, in dem der hiesige
Beklagte zu 1 seinerseits Schadensersatzansprüche aus dem Verkehrsunfall
geltend gemacht hatte, eingeholte Sachverständigengutachten verwertet. Durch
das angefochtene Urteil (Bl. 183 GA), auf dessen tatsächliche Feststellungen
gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird,
hat es die Klage abgewiesen.
Mit der
Berufung, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt der Kläger
sein erstinstanzliches Klageziel weiter.
Wegen des Sach-
und Streitstands im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Die Akte 36 C
293/21 (12) des Amtsgerichts Saarbrücken war beigezogen und Gegenstand der
mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren.
II.
Die Berufung
ist zulässig und teilweise begründet. Die Auffassung des Landgerichts, den
Kläger treffe ein die Haftung der Beklagten ausschließendes Mitverschulden an
dem streitgegenständlichen Unfall, hält einer Überprüfung im Ergebnis nicht
stand.
1. Das
Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sowohl die Kläger- als auch
die Beklagtenseite grundsätzlich gemäß §§ 7, 17, 18 StVG i.V.m. § 115
VVG für die Folgen des streitgegenständlichen Unfalls einzustehen haben, weil
die Unfallschäden jeweils bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstanden sind,
der Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen ist und für keinen der
beteiligten Fahrer ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17
Abs. 3 StVG darstellt.
2.
Vergebens wendet sich die Berufung gegen die Annahme des Landgerichts, der
Kläger habe gegen § 9 Abs. 4 Satz 1 StVO verstoßen. Nach dieser
Vorschrift muss ein Linksabbieger entgegenkommende Fahrzeuge, die ihrerseits
nach rechts abbiegen wollen, durchfahren lassen. Insoweit gelten im
Wesentlichen die gleichen Rechtsgrundsätze wie für die Begegnung mit einem auf
einer bevorrechtigten Straße fahrenden Fahrzeug (Burmann in
Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 27. Aufl., § 9 StVO
Rn. 26; vgl. auch zu § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO: BGH, Urteil vom
7.2.2012 – VI ZR 133/11, Rn. 8 juris). Das übersieht die Berufung, wenn sie
unter Hinweis auf die zitierte Kommentarstelle den Standpunkt einnimmt,
§ 9 Abs. 4 Satz 1 StVO betreffe keinen „eigentlichen“
Vorfahrtfall.
a)
Ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts, die im
Berufungsverfahren nicht angegriffen werden, hat der Kläger die ihn als
Linksabbieger gemäß § 9 Abs. 4 Satz 1 StVO treffende
Wartepflicht nicht beachtet.
Um diese zu
erfüllen, hätte der Kläger nach dem Anfahren zunächst an der für Linksabbieger
eingezeichneten gestrichelten Linie im Bereich der Kreuzungsmitte den
Abbiegevorgang des Beklagten zu 1 abwarten müssen. Unerheblich ist, ob der
Kläger – wie er bei seiner Anhörung durch das Amtsgericht Saarbrücken angegeben
hat – in der Anfahrsituation nach dem Wechsel der Ampel auf Grünlicht die
Fahrlinie des entgegenkommenden Beklagtenfahrzeugs als engen Bogen wahrnahm und
hieraus für sich schloss, dessen Fahrer beabsichtige eine Weiterfahrt auf der
rechten Spur der .... Eine entsprechende Annahme des Klägers wäre jedenfalls
nicht schutzwürdig. Wer – wie der Kläger – nach links in eine Straße mit
mehreren Fahrstreifen abbiegt, darf grundsätzlich nicht darauf vertrauen, ein
entgegenkommender Rechtsabbieger werde nur in den für ihn rechten Fahrstreifen
einbiegen und könne deshalb durch ein Einbiegen in den linken Fahrstreifen
nicht beeinträchtigt werden (BayObLG, Beschluss vom 25.4.1978 – 1 Ob OWi 55/78,
Rn. 15 juris; OLG Karlsruhe, DAR 1997, 26; Freymann in Geigel,
Haftpflichtprozess, 28. Aufl., Kap. 27 Rn. 290). Objektive Anhaltspunkte dafür,
dass der Beklagte zu 1 durch sein Fahrverhalten zunächst den Anschein erweckte,
er werde die linke Fahrspur der ... nicht in Anspruch nehmen, bevor er dies
durch eine Korrektur seiner Fahrlinie doch tat, sind nicht vorhanden. Auch die
Unfallsimulationsrechnung des Sachverständigen zeigt keine abrupten Änderungen
der Fahrlinie des Beklagtenfahrzeugs.
Nicht
entscheidend ist, dass das Klägerfahrzeug nach den Feststellungen des
Sachverständigen zum Kollisionszeitpunkt bereits eine gerade Position auf der
linken Fahrspur der ... eingenommen hatte, während das Beklagtenfahrzeug sich
noch in einer Schrägstellung befand. Wie der Sachverständige unbeanstandet
festgestellt hat, ereignete sich die Kollision in Höhe des Fußgängerüberwegs,
der den unmittelbaren Kreuzungsbereich aus Klägersicht nach links begrenzt, und
hatte das Klägerfahrzeug seine Ausrichtung nach einer längeren Schrägfahrt erst
unmittelbar zuvor erreicht. Der enge räumliche und zeitliche Zusammenhang
zwischen dem Linksabbiegevorgang des Klägers und dem Unfall verdeutlicht, dass
eine Beeinträchtigung des bevorrechtigten Beklagten zu 1 durch den Kläger
gerade nicht mit Sicherheit auszuschließen war. Etwaige Unsicherheiten bei der
Einschätzung der Verkehrslage durch den Kläger gehen insoweit zu dessen Lasten
(vgl. LG Potsdam, Urteil vom 10.3.2008 – 7 S 120/07, Rn. 9 juris).
b) Der
Beklagte zu 1 hat entgegen der Auffassung der Berufung nicht gegen § 7
Abs. 5 StVO verstoßen. Dass er die rechte Fahrspur der ... passieren
musste, um auf die linke Fahrspur zu gelangen, stellt keinen
Fahrstreifenwechsel im Sinne dieser Vorschrift dar. Der Vorrang des Beklagten
zu 1 gegenüber dem wartepflichtigen Kläger umfasste vielmehr auch die Wahl
zwischen den beiden Fahrspuren der ... (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 6.9.2021 –
306 S 85/19, Rn. 29 f. juris; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht,
47. Aufl., § 7 StVO Rn. 16). Der Kläger hatte daher mit seinem
Linksabbiegevorgang abzuwarten, bis der Beklagte zu 1 sich auf einer Fahrspur
vollständig eingeordnet hatte, was zum Unfallzeitpunkt noch nicht der Fall war,
wie aus der Kollisionsstellung hervorgeht. Aus denselben Erwägungen liegt auch
kein Verstoß des Beklagten zu 1 gegen das für den Rechtsabbieger geltende
Gebot, sich rechts einzuordnen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 StVO), oder
gegen das Rechtsfahrgebot (§ 2 Abs. 2 StVO) vor.
c) Mit
Recht macht die Berufung indes einen Sorgfaltsverstoß des Beklagten zu 1 gemäß
§ 1 Abs. 2 StVO geltend. Für den Beklagten zu 1 war nämlich absehbar,
dass der Kläger seiner Wartepflicht nach § 9 Abs. 4 Satz 1 StVO
nicht genügen würde. Davon ist spätestens auszugehen, als der Kläger, nachdem
er bereits die für Linksabbieger vorgesehene Wartelinie ohne anzuhalten
passiert hatte, auch die gestrichelte Begrenzungslinie der linken Fahrspur der
... im Bereich der Kreuzungsmitte überfuhr (vgl. Bild 1 der Unfallsimulationsrechnung
des Sachverständigen, Bl. 114 d. Beiakte). Der Beklagte zu 1 durfte in dieser
Situation nicht darauf vertrauen, dass die von ihm anvisierte linke Fahrspur
frei bleiben würde, sondern er musste mit einer weiteren Inanspruchnahme dieser
Spur durch den Kläger und folglich mit einer Nichtbeachtung seines Vorrangs
rechnen (zu einem vergleichbaren Fall OLG Koblenz, Beschluss vom 17.11.2021 –
12 U 1517/21, Rn. 5 juris).
Die
Erkennbarkeit der Fahrbewegung des Klägerfahrzeugs für den Beklagten zu 1 steht
aufgrund des Sachverständigengutachtens fest. Der Beklagte zu 1 selbst hat bei
seiner Anhörung durch das Amtsgericht Saarbrücken eingeräumt, er habe gesehen,
wie das Klägerfahrzeug losgefahren sei, wegen seines Vorrechts als
Rechtsabbieger hierauf aber nicht näher geachtet. Dazu wäre er in der konkreten
Situation indes gehalten gewesen und es wäre von ihm zu verlangen gewesen, dass
er seinen Abbiegevorgang zumindest verlangsamt und Bremsbereitschaft einnimmt.
In diesem Fall hätte die Kollision ohne weiteres vermieden werden können, was
schon daran deutlich wird, dass das Beklagtenfahrzeug sich erst in Höhe des
Fußgängerüberwegs vor Beginn des Kreuzungsbereichs befand, als das – nach den
Feststellungen des Sachverständigen auch noch im Kollisionszeitpunkt schnellere
– Klägerfahrzeug bereits die linke Fahrspur der ... erreicht hatte.
d) Im
Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge fällt zu Lasten
des Klägers ins Gewicht, dass die Nichtbeachtung der Wartepflicht durch den
Linksabbieger regelmäßig als besonders schwerwiegender Verkehrsverstoß
anzusehen ist (vgl. zu § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO: BGH, Urteil vom
7.2.2012 – VI ZR 133/11, Rn. 8 juris). Dahinter tritt die Betriebsgefahr des
Beklagtenfahrzeugs gleichwohl nicht zurück. Dieses war zwar in der konkreten
Situation bevorrechtigt. Der Beklagte zu 1 hat indes seinerseits eine Gefahr
dadurch gesetzt, dass er nicht weiter auf das aus der Gegenrichtung abbiegende
Klägerfahrzeug achtete, obwohl dies bei dem von ihm beabsichtigten Wechsel
unmittelbar auf die linke Fahrspur der ... in höherem Maße geboten war als bei
einer Fortsetzung der Fahrt auf der näher gelegenen rechten Fahrspur. Dieser
Verstoß wiegt allerdings weniger schwer als der Vorfahrtsverstoß des Klägers,
weshalb im Ergebnis eine Haftungsverteilung von 70 % zu 30 % zu Lasten des
Klägers angemessen ist.
3. Bei
der Schadensberechnung ist das nach Inanspruchnahme der Kaskoversicherung durch
den Kläger aus § 86 Abs. 1 VVG resultierende Quotenvorrecht zu
berücksichtigen und demzufolge zwischen quotenbevorrechtigten und nicht
quotenbevorrechtigten Schadenspositionen zu unterscheiden.
a)
Quotenbevorrechtigt sind der Fahrzeugschaden in Form des mit der Klage geltend
gemachten – beklagtenseits nicht bestrittenen – Wiederbeschaffungsaufwands
(5.250 Euro) sowie die Sachverständigenkosten (939,39 Euro), da es sich hierbei
um mit dem Kaskoversicherungsschutz deckungsgleiche (kongruente) Schäden
handelt (vgl. zu den Sachverständigenkosten BGH, Urteil vom 12.1.1982 – VI ZR
265/80, Rn. 9). Auf den Gesamtschaden im Kasko-Bereich von 6.189,40 Euro hat
die Kaskoversicherung 4.024,68 Euro gezahlt. Den nach Abzug der
Versicherungsleistung verbleibenden Schaden kann der Kläger im Rahmen des
Quotenvorrechts von den Beklagten ersetzt verlangen, allerdings nicht in voller
Höhe von 2.164,71 Euro, sondern lediglich entsprechend der Haftungsquote der
Beklagten von 30 %, d.h. in Höhe von 1.856,82 Euro (vgl. zur Berechnung BGH,
Urteil vom 12.1.1982, a.a.O., Rn. 16; Freymann/Rüssmann in
jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl. [Stand 8.8.2023], § 249 BGB Rn. 306
ff.).
b) Den
verbleibenden, nicht deckungsgleichen (inkongruenten) Sachfolgeschaden haben
die Beklagten (ebenfalls) nach der Haftungsquote zu ersetzen. Dazu zählt die
Kostenpauschale von 7,50 Euro (30 % von 25 Euro). Daneben steht dem Kläger für
die Dauer der Ersatzbeschaffung ein – dem Grunde nach und hinsichtlich des
Zeitraums von 22 Tagen unbestrittener – Anspruch auf Ersatz des
Nutzungsausfalls zu, den der Senat im Rahmen des durch § 287 ZPO
eröffneten Ermessens anhand der Nutzungsausfalltabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch
ermittelt. Danach ist das Klägerfahrzeug zwar an sich in die Gruppe E
einzustufen. Nach der Rechtsprechung ist indes bei älteren Fahrzeugen
regelmäßig eine Herabstufung um eine Gruppe geboten (vgl. BGH, Urteil vom
23.11.2004 – VI ZR 357/03, Rn. 13 f.), wobei die Grenze im Allgemeinen bei fünf
Jahren gezogen wird (OLG Hamm, Urteil vom 30.10.2012 – I-9 U 5/12, Rn. 24
juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.3.2012 – I-1 U 139/11, Rn. 72 juris;
Palandt/Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 249 Rn. 44). Vorliegend war das am
22.4.2015 erstmals zugelassene Klägerfahrzeug am Unfalltag (20.4.2021) nahezu
sechs Jahre alt und es sind – auch unter Berücksichtigung der Laufleistung von
knapp 130.000 Kilometern – keine Umstände ersichtlich, die einer Herabstufung in
die Gruppe D entgegenstehen. Die Nutzungsausfallentschädigung beträgt somit
250,80 Euro (22 Tage x 38 Euro = 836 Euro, davon 30 %). Die weiterhin geltend
gemachten – beklagtenseits bestrittenen – Kosten in Höhe von 150 Euro für ein
Überführungskennzeichen, zu deren Begründung der Kläger sich lediglich auf den
offenbar das Ersatzfahrzeug betreffenden – im Übrigen nicht vorgelegten –
Kaufvertrag berufen hat, sind nicht ersatzfähig, da ihr tatsächlicher Anfall
nicht feststeht (vgl. Freymann/Rüssmann in jurisPK-Straßenverkehrsrecht,
a.a.O., § 249 BGB Rn. 290 m.w.N.). Insgesamt belaufen sich die nicht
deckungsgleichen Schäden somit auf 258,30 Euro (7,50 Euro + 250,80 Euro).
4. Der
Kläger kann ferner nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB Ersatz der
vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangen, die aus dem Wert der
berechtigten Forderung zu ermitteln sind (vgl. BGH, Urteil vom 5.12.2017 – VI
ZR 24/17, Rn. 8 juris). Der Anspruch beträgt 367,23 Euro (1,3 Geschäftsgebühr
nach Nr. 2300 VV-RVG + Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV-RVG +
Mehrwertsteuer nach Nr. 7008 VV-RVG).
5. Der
Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 i.V.m.
§ 288 Abs. 1, § 291 BGB.
6. Der
Antrag auf Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich des
Höherstufungsschadens in der Fahrzeug-Vollkaskoversicherung ist zulässig (vgl.
etwa BGH, Urteil vom 25.4.2006 – VI ZR 36/05, Rn. 7, juris) und auf der
Grundlage der festgestellten Haftungsquote begründet. Die Höherstufung in der
Vollkaskoversicherung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für
den Geschädigten eine Folge seines unfallbedingten Fahrzeugschadens. Das gilt
auch dann, wenn der Höherstufungsschaden auch infolge der Regulierung des vom
Geschädigten selbst zu tragenden Schadensteils eintritt. Der Schädiger haftet
daher selbst bei nur anteiliger Schadensverursachung für den
Höherstufungsschaden, der dadurch eintritt, dass der Geschädigte seine
Kaskoversicherung in Anspruch nimmt. Das folgt aus dem Grundsatz, dass eine
Mitursächlichkeit einer Alleinursächlichkeit in vollem Umfang gleichsteht. Der
Höherstufungsschaden ist dann entsprechend der Haftungsquote zu teilen (BGH,
Urteil vom 26.9.2006 – VI ZR 247/05, Rn. 8 ff., juris).
III.
Die
Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1, § 100 Abs. 4 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708
Nr. 10, §§ 711, 713 i.V.m. § 544 Abs.2 Nr. 1 ZPO. Die
Revision war nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat
und keine Veranlassung gibt, eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur
Fortbildung des Rechts sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
herbeizuführen (§ 543 Abs. 2 ZPO).
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