Sonntag, 4. Juni 2023

Fiskus als Erbe gem. § 1964 BGB und Folgen für den Nachlassgläubiger

Wird ein Erbe nicht innerhalb „einer den Umständen entsprechenden Frist“ ermittelt, so hat das Nachlassgericht festzustellen, dass ein anderer Erbe als der Fiskus nicht vorhanden ist, § 1964 Abs. 1 BGB, für den dann die Vermutung spricht, gesetzlicher Erbe zu sein, § 1964 Abs. 2 BGB. Das Nachlassgericht erließ einen solchen Beschluss, gegen den die Beteiligte zu 1 (eine Nachlassgläubigerin) Beschwerde einlegte.

Beschwerdeberechtigt ist derjenige, der geltend machen kann, durch einen Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt zu sein, § 59 Abs. 1 FamFG.

Im Hinblick auf die Regelung des § 59 Abs. 1 FamFG verwarf das OLG Celle die Beschwerde als unzulässig. Seitens der Nachlassgläubigerin sei lediglich ihre Eigenschaft als Nachlassgläubigerin  eingewandt worden, nicht aber die Stellung eines Erbprätendenten. 

Rechte des Nachlassgläubigers würden durch den Beschluss nicht betroffen. Dieser könne Ansprüche weiterhin gegen den Fiskus (mithin das jeweilige Bundesland) nach §§ 1936, 1966, 2011 oder gegen den aus ihrer Sicht wahren Erben geltend machen.  Der Feststellungsbeschluss nach § 1964 Abs. 1 BGB habe keine rechtsbegründende Wirkung und könne jederzeit bei Vorliegen neuer Tatsachen aufgehoben werden (dies ergibt sich aus § 48 Abs. 1 FamFG). 

Der Feststellungsbeschluss verschaffe dem Fiskus, ohne Änderung der tatsächlich eingetretenen Erbfolge, eine Legitimation im Rechtsverkehr.   

Hier ist ergänzend darauf zu verweisen, dass die Legitimation auch beschränkt ist; muss ein Grundbucheintrag erfolgen, so kann dieser vom Fiskus auf der Grundlage dieses Beschlusses nicht vornehmen, sondern muss für sich einen Erbschein nach § 2353 BGB beantragen, da der Beschluss nach § 35 GBO den Erbschein (oder das europäische Nachlasszeugnis) nicht ersetzt, es sei denn, die Erbeinsetzung würde auf einer letztwilligen Verfügung beruhen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.02.2020 - I-3 Wx 12/19 -). Die Erbeinsetzung des Fiskus nach § 1964 ist nur subsidiär und in der Regel ein vermutetes Erbrecht; der Feststellungsbeschluss hat damit keine rechtsgestaltende Wirkung, die den Fiskus für alle Zeiten gegenüber jedermann zum Erben macht (OLG Düsseldorf aaO.). Mithin ist der wirkliche Erbe nicht gehindert, seine Rechte geltend zu machen (so auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 05.09.1983 - 20 W 515/83 -; OLG Köln, Beschluss vom 06.08.1965 - 2 Wx 117/65; BayObLG, Beschluss vom 01.04.1987 - BReg 2 Z 8/87 -). 

Zu berücksichtigen ist auch, dass, tritt der Fiskus als Erbe ein, da sich keine gesetzlichen Erben finden lassen, der Staat nur mit dem Nachlass des Erblassers, nicht weitergehend haftet (BGH, Urteil vom 14.12.2018 - V ZR 309/17 -). 

OLG Celle, Beschluss vom 22.03.2023 - 6 W 31/23 -


Aus den Gründen:

Tenor

Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

Beschwerdewert: 5.000,00 €.

Gründe

Die statthafte Beschwerde (vgl. Beschluss des BGH vom 23. November 2011 zu IV ZB 15/11, zitiert nach juris) ist unzulässig.

I.

Die Beteiligte zu 1 macht nicht geltend, durch den angefochtenen Beschluss in ihren „Rechten beeinträchtigt“ zu sein (§ 59 Abs. 1 FamFG).

Dessen einzige Feststellung, ein anderer Erbe als das Land Niedersachsen sei nicht vorhanden (§ 1964 Abs. 1 BGB), enthält keine Beeinträchtigung der Rechte der Beteiligten zu 1, die nicht einwendet, Erbe des Erblassers zu sein (vgl. zur Beschwerdeberechtigung für den Fiskus und den Erbprätendenten: Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 59 Rn. 81a m. w. N.), sondern nur, sie sei Nachlassgläubigerin. Die Rechte eines Nachlassgläubigers werden durch den angefochtenen Beschluss nicht betroffen. Die Beteiligte zu 1 kann die behaupteten Ansprüche weiterhin gegen das Land Niedersachsen (§§ 1936, 1966, 2011 BGB oder gegen den aus ihrer Sicht wahren Erben geltend machen. Ein Feststellungsbeschluss nach § 1964 Abs. 1 BGB, der bei Vorliegen neuer Tatsachen von Amts wegen jederzeit aufgehoben werden kann, hat „keine rechtsbegründende Wirkung und schließt weder eine anderweitige Feststellung des tatsächlichen Erben im Wege des Zivilprozessverfahrens noch die Erteilung eines Erbscheins mit abweichender Erbfolge aus“ (BGH a. a. O., zitiert nach juris, dort Rn. 8 m. w. N.), sondern begründet nur eine widerlegbare „Erbenvermutung für den Fiskus“ (§ 1964 Abs. 2 BGB) und verschafft diesem eine Legitimation für den Rechtsverkehr, ändert aber nicht die eingetretene Erbfolge (Grüneberg/Weidlich, BGB, 82. Auflage 2023, § 1964, Rn. 2 und 3).

II.

Eine Kostenentscheidung war entbehrlich.

Die Pflicht, die Gerichtskosten des erfolglosen Beschwerdeverfahren zu tragen, folgt aus dem Gesetz.

Eine Kostenerstattung war nicht anzuordnen, weil am Beschwerdeverfahren nur die Beteiligte zu 1 als Beschwerdeführerin, aber niemand im entgegengesetzten Sinn teilgenommen hat.

Der Beschwerdewert wurde gemäß § 36 Abs. 3 GNotKG mangels genügender Anhaltspunkte für eine andere Bestimmung auf 5.000 € festgesetzt.


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