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Freitag, 27. Januar 2023

Überkleben des blauen EU-Emblem auf Kfz-Nummernschild - Betriebsuntersagung

Der Antragsteller (AS) versuchte mit seinem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO vergeblich, die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner anhängigen Klage hinsichtlich u.a. der Betriebsuntersagung seines Fahrzeugs zu erwirken. Hintergrund war, dass der AS auf dem Nummernschild seines Kraftfahrzeuges das blaue EU-Emblem mit einer schwarzen Folie überzogen hatte, worauf eine Betriebsuntersagung erfolgte. Das Verwaltungsgericht (VG) sah die Anordnung der sofortigen Vollziehung als formell ordnungsgemäß an und beurteilte das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung höher als das private Interesse an der Aussetzung.

Die Antragsgegnerin (AG) habe die formalen Voraussetzungen, so das schriftliche Begründungserfordernis nach § 80 Abs.3 S. 1 iVm. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO beachtet. Damit seien die formellen Voraussetzungen erfüllt gewesen. Die inhaltliche Rechtfertigung sei keine Frage der formalen Ordnungsgemäßheit des Verwaltungsaktes.

Aber auch inhaltlich sah das VG bei der für § 80 Abs. 5 VwGO erforderlichen summarischen Prüfung keinen Fehler.

Rechtsgrundlage sei § 5 Abs. 1 FZV (Fahrzeug-Zulassungsverordnung). Danach könne die zuständige Behörde dem Eigentümer oder Halter eines Fahrzeuges eine angemessene Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeuges auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen, wenn sich das Fahrzeug als nicht vorschriftsmäßig nach der Verordnung, der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung oder der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung erweise.  Die Nichterfüllung der Anforderung des § 10 Abs. 12 FZV führe zur fehlenden Ordnungsgemäßheit. Danach dürften Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen nur in Betrieb gesetzt werden, wenn das zugeteilte Kennzeichenschild nach § 10 Abs. 2 S. 1, 2 und 3 Halbs. 1, Abs. 5 S. 1 und 2 sowie Abs. 6 - 8 und Abs. 9 S. 1 FZV ausgestaltet, angebracht und beleuchtet sei. Andernfalls dürfe der Halter die Inbetriebnahme des Fahrzeuges nicht anordnen oder zulassen, § 19 Abs. 12 S. 2 FeV.  Das Kennzeichenschild müsse der Norm DIN 74069 Abschnitt 1 - 8 entsprechen, § 10 Abs. 12 S. 1 FZV iVm. § 10 Abs. 2 S. 3 Halbs. 1 FZV. Danach müsse das EU-Emblem die Farbe Blau aufweisen (VO (EG) Nr. 2411/98, unmittelbar anwendbar in den Mitgliedsländern der EU gem. Art. 288 UAbs. 2 AUEV). Form, Größe und Ausgestaltung des Kennzeichenschildes seien in Abschnitt6 Z. 4 Bucht. a) der Anlage 4 zur FZV geregelt, auf die§ 10 Abs. 2 S. 2 FZV verweise.

Der Kläger habe das EU-Emblem mit schwarzer Folie versehen. Damit entspräche es nicht der vorgeschriebenen Norm. Nach § 10 Abs. 2 S. 1 FZV dürften Kennzeichenschilder nicht spiegeln, verdreckt oder verschmutzt sein (außer es bestünde, wie hier nicht, eine Genehmigung nach § 10 Abs. 2 S. 1 FZV). Die Norm gelte für alle Gestaltungselemente des Schildes, weshalb es nicht darauf ankäme, dass sich die schwarze Folie nur auf dem EU-Emblem befände.

Der Umstand, dass § 10 Abs. 2 S. 1 FZV der Erkennbarkeit des Kennzeichens im Sinne von § 8 8 Abs. 2 S. 1 FZV zur Identifizierung des Fahrzeughalters diene, insbesondere bei der Verkehrsüberwachung, ändere daran nichts. Die Vorschrift knüpfe ausweislich ihres Wortlautes an die von Abdeckungen ausgehende abstrakte Gefahr der eingeschränkten Erkennbarkeit an, ohne dass es im konkreten Einzelfall darauf ankäme, inwieweit die Erkennbarkeit beeinträchtigt sei. Zudem könne bei summarischer Prüfung u.a. auch nicht ausgeschlossen werden, dass durch die schwarze Folie das Kennzeichenschild spiegele oder nicht mehr ausreichend reflektiert (entgegen § 10 Abs. 2 S. 1 Halbs. 1 FZV, § 10 Abs. 2 S. 3 Halbs. 1 FZV).  

Vorliegend sei ein Ermessensfehler iSv. § 114 S. 1 VwGO nicht festzustellen. Steht eine Entscheidung, wie hier, im Ermessen der Behörde, prüfe das Gericht, ob die Grenzen des Ermessens eingehalten wurden und ob vom Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde.  Danach seien Ermessensfehler nicht festzustellen. Insbesondere verstoße die Betriebsuntersagung nach summarischer Prüfung nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsrundsatz. Vor der Anordnung sei der AS von der AG zur Entfernung aufgefordert worden; diesem milderen Mittel sei der AS nicht nachgekommen. Dass er nunmehr das Fahrzeug nicht mehr im öffentlichen Straßenverkehr nicht mehr nutzen dürfe, sei Sinn der Betriebsuntersagung und infolge der fehlenden Mitwirkung des AS dazu geeignet, den rechtmäßigen Zustand widerherzustellen.

Im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO sei im Wege einer eigenen Abwägung durch das Gericht das Interesse an der Aussetzung der Vollziehung mit dem Interesse der Allgemeinheit an der Vollziehung abzuwägen. Hauptgesichtspunkt sei dabei die zu erwartende Erfolgsaussicht im Hauptsacheverfahren. Danach falle die Abwägung zuungunsten des AS aus. Denn nach der summarischen Prüfung nach Aktenlage sei die Anordnung rechtmäßig.

VG Düsseldorf, Beschluss vom 30.09.2022 - 9 L 1698/22 -

Freitag, 14. Mai 2021

Notwegerecht: Ausnahme vom Anspruch auf Zufahrtsmöglichkeit mit Kraftfahrzeugen

Die Kläger waren seit 1998 Eigentümer eines in einem Wochenendhausgebiet (bis 2013) liegenden Grundstücks, bebaut mit einem als Wochenendhaus genehmigten und ab Anbeginn an zum dauerhaften Wohne genutzten Haus, für welches sie letztlich 2018 die entsprechende bauaufsichtsrechtliche Genehmigung erhielten. Von einer öffentlichen Straße zweigen Fußwege zu den einzelnen Grundstücken ab, die (wie mit einer Länge von 80m zum Grundstück der Kläger hin) nicht mit Kraftfahrzeugen befahren werden dürfen (Verbotsschilder). Auf einem Privatgrundstück am Eingang der Siedlung befindet sich ein Parkplatz. Der Beklagte erwarb in 2017 ein an die Sedlung und das Grundstück der Kläger grenzendes Grundstück, auf dem der „Sandweg“ verläuft, der an dem hinteren Teil des Grundstücks der Kläger vorbeiführt und nah Angaben der Kläger von diesen seit 1998 als Zufahrt zu ihrem Grundstück genutzt wurde. Der Beklagte wollte für die Nutzung des Weges ein Entgelt und errichtete, nachdem die Kläger nicht bereit waren ein solche zu zahlen, einen Zaun, der die Durchfahrt verhinderte. Mit ihrer Klage begehrten die Kläger die Duldung der Benutzung des Sandweges zwecks Zugang und Zufahrt zu ihrem Grundstück. Klage und Berufung gegen das Urteil wurden zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgten die Kläger - nunmehr Zug um Zug gegen Zahlung einer angemessenen Notwegrente - das Klageziel weiter.

Der BGH wies die Revision zurück.

Ein Wegerecht könne nur durch schuldrechtliche Vereinbarung oder als Notwegerecht nach § 917 BGB entstehen. Eine schuldrechtliche Vereinbarung sei nicht zustandegekommen. Die Gestattung des früheren Eigentümers des Grundstücks des Beklagten binde diesen als Einzelrechtsnachfolger nicht.

Die Voraussetzungen für ein Notwegerecht nach § 917 Abs. 1 S. 1 BGB lägen nicht vor. Voraussetzung dafür sei, einem Grundstück die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg fehle. Diese Voraussetzung läge nicht vor. Zwar sei das Grundstück nur über einen (öffentlichen) Fußweg von einer öffentlichen Straße aus zu erreichen, was aber in Ansehung der besonderen Struktur der Wohnsiedlung ausnahmsweise eine ausreichende Verbindung iSv. § 917 Abs. 1 BGB darstelle.

Auch wenn grundsätzlich für die ordnungsgemäße Benutzung eines Wohngrundstücks die Erreichbarkeit auch mit Kraftfahrzeugen Voraussetzung sei, würde dieser Grundsatz nicht ausnahmslos gelten. Dort, wo Grundstücke aufgrund ihrer besonderen Lage nicht mit Kraftfahrzeugen angefahren werden können oder sollen, würde die Erreichbarkeit mit diesen nicht zur ordnungsgemäßem Benutzung gehören. Dies könne bei von alters her überkommenen beengten Verhältnissen in städtischen Kerngebieten liegen, die eine Zufahrt nicht erlauben würden, oder deshalb ausscheiden, da das Grundstück nach der Planungs- oder Nutzungskonzeption bewusst von Fahrzeugverkehr freigehalten werden soll (wie z.B. bei Fußgängerzonen). Gleiches würde gelten, wenn eine Wohnanlage bewusst so geplant und geschaffen worden sei, dass der Fahrverkehr von den unmittelbar zu den Wohngrundstücken führenden Wegen ferngehalten würde. Dieses Planungs- und Nutzungskonzept würde auf die ordnungsmäßige Nutzung des in diesem Gebiet liegenden Grundstücks einwirken mit der Folge, dass die Erreichbarkeit des Grundstücks mit dem Kraftfahrzeug nicht Bestandteil der ordnungsmäßigen Nutzung würde.

Vorliegend sei das Berufungsgericht zutreffend von einem Planungskonzept ausgegangen, nach dem die Grundstücke in dem Gebiet nicht mit Kraftfahrzeugen angefahren werden könnten. Es sei nach den Feststellungen des Berufungsgerichts als reine Wochenendhaussiedlung konzipiert worden, bei dem das zeitweilige Wohnen im Grünen und die Erholung in der Natur im Vordergrund gestanden hätten. Nach diesem Konzept könnten Kraftfahrzeuge nur die mittig durch die Siedlung führende Straße (an der auch geparkt werden kann) benutzen, von der dann Fußwege zu den einzelnen Grundstücken abzweigen würden.

Das Planungskonzept sei auch nicht durch die Aufhebungssatzung der Gemeinde (zur Widmung des Gebietes als Wochenendhausgebiet) von 2013 aufgegeben worden. Die Zulässigkeit von Bauvorhaben in dem Gebiet würde sich danach nunmehr nach § 34 BauGB orientieren.  Das Fehlen positiver gesetzlicher oder gemeindlicher Planungsvorstellungen würde in § 34 BauGB durch die Zugrundelegung der tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten ersetzt. Das Grundstück würde durch die Einbettung in die vorhandene Siedlungsstruktur, wie sie durch den aufgehobenen Bebauungsplan (Wochenendgrundstücke) geprägt wurde, eingebettet. Zwar mögen die die allgemeinen Abforderungen an die Erreichbarkeit bei Grundstücken zum dauerhaften Wohnen andere sein als bei einer bloßen Nutzungsmöglichkeit als Wochenendhausgrundstück. Dem würde aber gegenüberstehen, dass die tatsächlich realisierte Gestaltung als weitgehend autofreie Zone auch nach den neu geschaffenen bauplanungsrechtlichen Rahmenbedingungen aufrechterhalten bleiben sollte, was sich auch darin zeige, dass die Gemeinde die Fußwege zwischenzeitlich saniert habe, aber nicht zu Fahrwegen ausgebaut (oder zugelassen) habe.  

Alleine die bestandskräftige Baugenehmigung der Kläger aus 2018, wonach das Haus als Wohnhaus (zur dauerhaften Nutzung) genehmigt worden sei, ändere daran nichts. Zwar würde auch zivilrechtlich im Rahmen des § 917 Abs. 1 BGB die öffentlich-rechtliche Erlaubnis den zulässigen Nutzungsrahmen bestimmen (unabhängig davon, ob die Baugenehmigung rechtswidrig war [z.B. wegen fehlender Erschließung] oder nicht). Hätte mithin die Baugenehmigung den Klägern wegen fehlender Erschließung nicht erteilt werden dürfen, würde dies zwar grundsätzlich ein Notwegerecht begründen können. Allerdings stelle die bestandskräftige Baugenehmigung zur Wohnnutzung nur eine notwendige, aber noch keine hinreichende Voraussetzung für eine Notwegerecht dar. Dies erschließe sich schon daraus, dass das öffentliche Baurecht die Erschließung von Wohngrundstücken in der Weise vorgebe, dass diese mit Kraftfahrzeugen unmittelbar angefahren werden könnten. Entscheidend sei die planerische Konzeption der Wohnanlage, die hier keine Erreichbarkeit der einzelnen Wohngrundstücke mit Kraftfahrzeugen vorsehe.

BGH, Urteil vom 11.12.2020 - V ZR 268/19 -