Freitag, 21. Oktober 2022

Eigener Geschäftsbetrieb eines Minderjährigen, § 112 BGB

Früh übt sich, was ein Meister werden will. Aber geht es auch ohne Übung ? Der 2007 geborene Minderjährige, der gerne Computerspiele spielte, programmierte solche auch und vertrieb sie (über ein PayPal-Konto seiner Eltern), wobei er in 2021 € 20.000,00 Einnahmen erzielt haben will. Er und seine Eltern beantragten vor dem Familiengericht die Genehmigung für ihn, selbstständig ein Erwerbgeschäft betreiben zu dürfen, was bei familiengerichtlicher Genehmigung bedeuten würde, dass er grds. für solche Rechtsgeschäfte unbeschränkt geschäftsfähig wäre, die der Geschäftsbetrieb mit sich bringt, § 112 BGB. Der Klassenlehrer gab an, dass dies seine schulischen Leistungen nicht beeinträchtigen würde; die IHK sah das Modell als plausibel an und befürwortete den Antrag. Das Familiengericht wies ihn gleichwohl zurück; die Beschwerde dagegen wurde vom OLG auch zurückgewiesen.

Grundlage der Entscheidung sei § 112 BGB, Maßstab das Kindeswohl gem. § 1697a BGB. Der Minderjährige müsse über die erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse in Bezug auf das angestrebte Gewerbe verfügen. Er müsse über die psychische und charakterliche Reife eines Volljährigen verfügen und über Fähigkeiten und Kenntnisse, um sich im Geschäftsleben angemessen zu verhalten und die sich aus dem Erwerbsgeschäft ergebenden Verpflichtungen erfüllen können. Indizien für das Vorliegen der entsprechenden Reife seien etwa schulische Leistungen, Kenntnisse in unternehmensbezogenen Bereichen wie Finanzierung, Steuern (nachzuweisen durch Belege über eine entsprechende Schulung) oder die bisherige Mitarbeit in einem Erwerbsgeschäft. Alleine technische Fähigkeiten (hier die Begabung des Minderjährigen zur Programmierung von Spielen), sondern der Minderjährige müsse sich auch im Rechts- und Erwerbsleben wie ein Volljähriger benehmen können (OLG Naumburg, Beschluss vom 22.08.2014 - 8 UF 144/13 -).  Diese reife könne durch Kurse bei der IHK, praktische Arbeit oder Praktika erworben werden.

Im vorliegenden Fall sah das Beschwerdegericht lediglich die technische Befähigung des Minderjährigen als gegeben an. Mit Rechts-, Steuerrechts- und Buchführungsfragen habe er sich bisher nicht beschäftigt und dies seinen Eltern überlassen. Auch habe er sich noch nicht mit den Nutzungsbedingungen von PayPal auseinandergesetzt und nicht angeben können, wie er mit diesen umgehen will, da sie fordern würden, dass der Nutzer volljährig sein müsse. Da es auf das vom Minderjährigen und seinen Eltern eingewandte geringe wirtschaftliche Risiko nicht ankäme, wurde die Beschwerde zurückgewiesen, da der Minderjährige im Hinblick auf die kaufmännische/rechtliche Geschäftstätigkeit nicht über sein jugendliches Alter hinausgehe.

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11.08.2022 - 5 WF 72/22 -


Aus den Gründen:

Tenor

1. Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Freiburg im Breisgau vom 04.05.2022 wird zurückgewiesen.

2. Die beteiligten Eltern tragen die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte; außergerichtliche Kosten im Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Das Beschwerdeverfahren betrifft eine familiengerichtliche Genehmigung zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts nach § 112 BGB.

Der Betroffene wurde 2007 geboren. Er besucht die Werkrealschule mit Noten zwischen 1 (Religion) und 4 (Deutsch), die er voraussichtlich im Sommer 2023 mit der 10. Klasse abschließen wird. Er spielt in seiner Freizeit regelmäßig Computerspiele. Im Computerspiel „Ignited Freddy“ programmiert er Level, für die er „coins“ erhält, die er auch in echtes Geld umwandeln kann. Abzuschließen war ein Abo für monatlich 8,99 €. Das erforderliche PayPal-Konto läuft über seine Eltern. Daraus hatte der Betroffene im Jahre 2021 nach eigenen Angaben Netto-Einkünfte von ca. 20.000 €.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 05.01.2022 beantragten der Betroffene und die Eltern die familiengerichtliche Genehmigung zum Betreiben eines selbständigen Erwerbsgeschäfts. Der Klassenlehrer des Betroffenen hat erklärt, derzeit beeinträchtige die Erwerbstätigkeit des Betroffenen nicht seine schulischen Leistungen. Die IHK schätzt die vorliegenden Unterlagen als plausibel ein, die Aufnahme des Erwerbsgeschäfts werde positiv beurteilt.

Das Familiengericht hat nach persönlicher Anhörung des Betroffenen und seiner Mutter (I 99) mit dem angefochtenen Beschluss die beantragte Genehmigung versagt (I 109). Der Beschluss wurde den Beteiligten am 05.05.2022 zugestellt (I 115).

Gegen den Beschluss richtet sich die Beschwerde der Beteiligten mit Anwaltsschriftsatz vom 19.05.2022, eingegangen beim Familiengericht am gleichen Tag (I 133).

Zu den Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die nach § 58 Abs. 1 FamFG statthafte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Das Familiengericht hat die begehrte Genehmigung auf der Grundlage des § 112 BGB zu Recht versagt.

Zur Begründung wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Familiengerichts im angefochtenen Beschluss verwiesen. Maßstab ist das Kindeswohl (vgl. § 1697a BGB). Der Minderjährige muss die für die Betreibung des Gewerbes erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse besitzen (vgl. Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Auflage 2022, § 112 Rn. 2 m.w.N.). Es ist danach zu fragen, ob der Minderjährige die psychische und charakterliche Reife wie ein Volljähriger hat. Zudem muss er über die nötigen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügen, um sich im Geschäftsleben angemessen zu verhalten und die sich aus dem Erwerbsgeschäft ergebenden Verpflichtungen Dritten und der Allgemeinheit gegenüber erfüllen können. Als Indizien dafür, dass diese gebotene Reife vorliegt, wurden etwa die schulischen Leistungen, die Kenntnisse in unternehmensbezogenen Bereichen wie Finanzierung, Steuern - nachgewiesen auch durch den Besuch einer entsprechenden Schulung - oder die bisherige Mitarbeit in einem Erwerbsgeschäft herangezogen (vgl. Staudinger/Klumpp, BGB, Bearb. 2021, § 112 Rn. 20 m.w.N.). Diese besondere Reife des Minderjährigen ergibt sich nicht allein aus technischen Fertigkeiten. Vielmehr muss er sich nicht nur in technischer Hinsicht, sondern auch im Rechts- und Erwerbsleben schon im Wesentlichen wie ein Volljähriger benehmen können (OLG Naumburg vom 22.08.2013 – 8 UF 144/13, juris Rn. 17). Eine solche besondere Reife kann sich aus der Teilnahme des Minderjährigen an einem entsprechenden Kurs der Industrie- und Handelskammer, durch praktische Arbeit oder durch Praktika in einem Unternehmen ergeben (vgl. OLG Naumburg, a.a.O., Rn. 18; OLG Köln vom 13.04.1994 - 16 Wx 52/94, juris Rn. 5).

Im vorliegenden Fall bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Minderjährige ausnahmsweise die Reife erlangt hat, ein Erwerbsgeschäft zu führen. Vielmehr wird auch in der Beschwerdebegründung des Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten lediglich auf seine technischen Fähigkeiten innerhalb des Online-Spiels abgestellt. Mit rechtlichen, steuerrechtlichen und Buchführungs-Fragen hat sich der Minderjährige jedenfalls nach seinen eigenen Angaben bisher überhaupt nicht beschäftigt, dies vielmehr seinen Eltern überlassen. In der Anhörung hat die Mutter erklärt, der Betroffene solle zunächst nur begrenzt über das Geld verfügen können, damit er den Umgang lerne. Er habe auch bisher kein anderes Konto. Diese Einschätzung wird in der Beschwerdeschrift ausdrücklich bestätigt (S. 4). Im Übrigen fehlt die Auseinandersetzung des Minderjährigen mit der Frage, wie er mit den Nutzungsbedingungen des offenbar für den Betrieb erforderlichen Zahlungsdienstes PayPal umgehen will. Die Nutzungsbedingungen sehen vor, dass der Nutzer volljährig sein muss. Dies zeigt, dass der Minderjährige offenbar gut Computerspielen und programmieren kann, mit rechtlichen Fragen aber jedenfalls nicht in einer Weise umgehen kann, die über sein jugendliches Alter hinausgeht. Es verbleibt daher dabei, dass die Eltern die rechtliche Verantwortung für die geschäftliche Tätigkeit des betroffenen Minderjährigen tragen.

Auf den Vortrag der Beteiligten, es bestehe lediglich ein geringes wirtschaftliches Risiko, kommt es danach nicht an.

III.

Von einer erneuten persönlichen Anhörung sieht der Senat ab, da hiervon keine weitere Aufklärung zu erwarten ist.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach §§ 84, 81 FamFG. Es gibt keinen Anlass, von dem Grundsatz der Kostentragung durch die erfolglosen Beschwerdeführer abzuweichen; dabei entspricht es aber nicht der Billigkeit, das Kind mit Gerichtskosten zu belasten.

Der Verfahrenswert wird auf der Grundlage von §§ 40, 42 Abs. 2 FamGKG festgesetzt.


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