Im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall musste sich das OLG mit dem widersprüchlichen Vortrag der Parteien auseinandersetzen. In diesem Fall lag ein am Unfalltag gefertigter und von dem beklagten Fahrer, dessen Mitfahrerin und einem Zeugen des Unfalls (dem Fahrer des gegnerischen Lkw) gefertigter Unfallbericht vor, in dem ausgeführt wurde, dass an dem klägerischen Lkw der linke Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt war, als der beklagte Fahrer diesen überholte. Das OLG wies darauf hin, dass im Rahmen der Beweiswürdigung dies Unfallprotokoll zu berücksichtigen sei.
Die schriftliche Einlassung würde sich nicht rechtsgeschäftliches Anerkenntnis darstellen. Rücke der Anerkennende später von seiner schriftlichen Erklärung ab, käme dann der schriftlichen Erklärung keine besondere Bedeutung zu, wenn auch das übrige Beweisergebnis gegen seine Schuld spreche. Sei dies aber nicht der Fall, müsste er plausibel erklären, weshalb er sich zu dem objektiv falschen Anerkenntnis habe bewegen lassen. Je konkreter die schriftliche Erklärung sei, umso schwerer würde es ihm fallen. Ferner sei im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen, ob das Anerkenntnis zu einer Beeinträchtigung der Beweismöglichkeiten des Gegners geführt habe, da dieser evtl. wegen der schriftlichen Erklärung auf die Hinzuziehung der Polizei verzichtet habe.
Der BGH hatte bereits in seinem Urteil vom 10.01.1984 - VI ZR 64/82 -, auf welches sich das OLG bezog, ausgeführt, dass die Alleinschulderklärung grundsätzlich mangels rechtsgeschäftlichen Charakters kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis sei. Anderes könne nur angenommen werden, wenn der erklärte Wille der Beteiligten die mit einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis verbundenen Rechtsfolgen tragen. Das setze voraus, dass die gewollte Rechtsfolge der Interessenslage der Beteiligten, dem mit der Erklärung erkennbar verfolgten Zweck und der allgemeinen Verkehrsauffassung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses entspricht. Eine generelle Vermutung für einen bestätigenden Schuldanerkenntnisvertrag gäbe es nicht und die Vermutung für einen solchen Vertrag fordere, dass die Beteiligten und den konkreten Umständen einen besonderen Anlass für diesen Anschluss hatten, wie z.B. Streit oder (subjektive) Ungewissheit über das Bestehen der Schuld. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Versicherungsnehmer im Verhältnis zu seinem Versicherer nach den zugrundeliegenden AKB grundsätzlich nicht berechtigt sei, einen Anspruch ganz oder zum Teil anzuerkennen. Im Hinblick darauf seien besondere Anforderungen notwendig, die eine solche Wertung zuließen, z.B. dass der Erklärung ein Gespräch über Haftpflichtansprüche vorausging. Das Absehen von einer polizeilichen Unfallaufnahme sei nicht ausreichend. Aber auch wenn danach das Schuldanerkenntnis nicht als deklaratorisches Schuldanerkenntnis mit den entsprechenden Rechtsfolgen gewertet werden könne, käme dem Schuldanerkenntnis Bedeutung im Schadensersatzprozess zu, was Äquivalent dafür sei, dass der Erklärungsempfänger von Aufklärungsmöglichkeiten absehe. Folge sei, dass der Erklärungsempfänger zunächst nicht den ansonsten gegebenen Beweisanforderungen unterläge; diese träfe ihn erst dann, wenn dem Erklärenden der Nachweis der Unrichtigkeit des Anerkenntnisses gelingt.
Dem folgte das OLG. Zwar liegt kein Schuldanerkenntnis vor, aber eine Erklärung zum Geschehensablauf. Während sich das Schuldanerkenntnis lediglich auf die Verschuldensfrage bezieht, sei in dem Unfallbericht auch der Unfallhergang (detailliert) dargelegt worden. Dieser (anerkannte) Sachverhalt wäre damit von dem Erklärenden selbst zu widerlegen. Darauf verwies das OLG, welches darauf verwies, dass in der handschriftlichen Erklärung nicht nur ein Verschulden vom beklagten Fahrer bestätigt worden sei, sondern darüber hinaus detaillierte Ausführungen zum Unfallhergang gemacht worden seien. Dem beklagten Fahrer sei es nicht gelungen, den Gegenbeweis zu führen. Seine allgemeine Erklärung im Rahmen der informatorischen Anhörung (§ 141 ZPO), er habe nach dem Unfall neben sich gestanden, reiche nicht aus.
OLG Nürnberg, Urteil vom
29.03.2022 - 3 U 4188/ 21 -
Aus den Gründen:
Tenor
1. Auf die
Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 25.10.2021,
Az. 2 O 86/20, wie folgt abgeändert:
1.1. Die
Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, über den bereits vom
Landgericht ausgeurteilten Betrag an die Klägerin weitere 3.376,91 € nebst
Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
27.02.2019 sowie weitere 612,50 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.05.2020 zu zahlen.
1.2. Die Beklagten werden als
Gesamtschuldner verurteilt, über den bereits vom Landgericht ausgeurteilten
Betrag die Klägerin von angefallenen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von
weiteren 342,80 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
jeweils geltenden Basiszinssatz seit 07.05.2020 freizustellen.
1.3. Im Übrigen wird die Klage
abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung wird
zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits in
erster Instanz haben die Klägerin 20 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 80
% zu tragen. Von den Kosten des Rechtsstreits der zweiten Instanz haben die
Klägerin 30 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 70 % zu tragen.
4. Dieses Urteil und das Urteil des
Landgerichts Ansbach sind vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert
wird für die erste Instanz auf 8.403,33 € und für das Berufungsverfahren auf
5.704,16 € festgesetzt.
Gründe
A.
Ausweislich des
unstreitigen Tatbestands des erstinstanzlichen Urteils ist folgender
Sachverhalt zwischen den Parteien unstreitig:
Die Klägerin
ist Eigentümerin des LKWs Arocs L-FHS, amtliches Kennzeichen […]. Am 17.10.2018
gegen 14:40 Uhr fuhr der Zeuge H. mit dem klägerischen Fahrzeug und dem daran
angeschlossenen Auflieger, amtliches Kennzeichen […], auf der
Ortsverbindungsstraße St 2384 zwischen Polsingen und Ursheim (Frankenstraße) in
Richtung Ursheim. Der Zeuge H. wollte in die auf die Ortsverbindungsstraße
einmündende Abfahrt nach Trendel einfahren. Diese Abfahrt mündet in die
gegenüberliegende Fahrbahnhälfte ein. Als er den Abbiegevorgang begann, wurde
er von dem aus rückwärtigen Verkehr kommenden PKW, amtliches Kennzeichen […],
welches vom Beklagten zu 1) gesteuert wurde, überholt. In der Folge kam es zu
einem Zusammenstoß des Beklagtenfahrzeugs mit dem vorderen linken Fahrzeugeck
des klägerischen Gespanns. Der Pkw des Beklagten zu 1) ist bei der Beklagten zu
2) pflichtversichert.
Unstreitig ist
darüber hinaus, dass der Beklagte zu 1) am Unfalltag den in Anlage K 1
enthaltenen handschriftlichen Unfallbericht fertigte, den er, der Zeuge H. und
die Mitfahrerin des Beklagten zu 1) unterschrieben.
Das Landgericht
Ansbach hat den Beklagten zu 1) informatorisch angehört sowie Beweis erhoben
durch uneidliche Vernehmung des Zeugen H., Einholung eines schriftlichen
Sachverständigengutachtens des Sachverständigen R. vom 27.01.2021 und mündliche
Erläuterung des Gutachtens.
Am 25.10.2021
hat das Landgericht Ansbach das nachfolgende Endurteil erlassen:
1. Die Beklagten werden als
Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.824,17 € nebst Zinsen hieraus in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.02.2019 sowie weitere
875,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit 07.05.2020 zu zahlen.
2. Die
Beklagten werden als Gesamtschuldner weiter verurteilt, die Klägerin von
angefallenen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 402,60 € nebst Zinsen hieraus
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit
07.05.2020 freizustellen.
Zur Begründung
hat das Landgericht ausgeführt, dass die Haftungsabwägung gemäß § 17
Abs. 2 StVG im vorliegenden Fall eine Haftungsquote von jeweils 50 %
ergebe.
Gegen dieses
Urteil wendet sich die Klägerin in ihrer Berufung. Sie beantragt:
1. Die Beklagten werden als
Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin weitere 4.829,16 € nebst Zinsen
hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 27.02.2019
sowie weitere 875,00 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über den
Basiszinssatz seit dem 07.05.2020 zu bezahlen.
2. Die
Beklagten werden als Gesamtschuldner weiter verurteilt, die Klägerin von
angefallenen vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 402,60 € nebst
Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über den jeweils geltenden Basiszinssatz
seit dem 07.05.2020 freizustellen.
Die Beklagten
beantragen die Zurückweisung der Berufung.
Wegen des
Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen
Bezug genommen.
B.
Die zulässige
Berufung hat teilweise Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagten als
Gesamtschuldner gemäß den §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 18 StVG,
§ 115 VVG auf der Grundlage einer Haftungsverteilung von 15 % zu 85 %
einen Anspruch auf Ersatz des ihr durch den Unfall entstandenen Schadens in
Höhe von weiteren 3.989,41 € sowie Freistellung von vorgerichtlichen
Rechtsanwaltskosten in Höhe von weiteren 342,80 €.
I.
Das Landgericht
kam zutreffend zu dem Ergebnis, dass für keine der Parteien die Ersatzpflicht
gemäß § 17 Abs. 3 StVG ausgeschlossen ist, da der
streitgegenständliche Verkehrsunfall für keinen Beteiligten ein unabwendbares
Ereignis darstellte. Einwände dagegen bringt die Berufung nicht vor.
II.
Das Erstgericht
kam in Abwägung der Verursachungsbeiträge gemäß § 17 Abs. 1,
Abs. 2 StVG zu einer Haftungsquote in Höhe von jeweils 50 %. Dies kann
jedoch nach Maßgabe der bindenden erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen
keinen Bestand haben. Vielmehr entspricht eine Verteilung von 15 % zu 85 % zugunsten
der Klagepartei dem Gewicht der jeweiligen Verursachungsbeiträge und der
einzustellenden Betriebsgefahr.
1. Nach
§ 17 Abs. 1 StVG hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang
des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit
der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden
ist. Dabei ist zunächst das Gewicht des Verursachungsbeitrags des einen und des
anderen Fahrzeugs zu bestimmen (vgl. BGH, NZV 2007, 190, Rn. 15). Sodann sind
die beiden Verursachungsanteile gegeneinander abzuwägen. Die Abwägung ist
aufgrund aller festgestellten, das heißt unstreitigen, zugestandenen oder nach
§ 286 ZPO bewiesenen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, die sich auf
den Unfall ausgewirkt haben; in erster Linie ist hierbei das Maß der
Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen
haben; ein Faktor bei der Abwägung ist dabei das beiderseitige Verschulden
(BGH, NJW 2017, 1177 Rn. 8).
2. Auf
Seiten der Beklagten ist ein erheblicher Verstoß des Beklagten zu 1) gegen
§ 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO in die Abwägung einzustellen, da er
aufgrund mehrerer Umstände bei unklarer Verkehrslage überholte.
a) Eine
unklare Verkehrslage liegt vor, wenn der Überholende nach den gegebenen
Umständen mit einem ungefährlichen Überholvorgang nicht rechnen darf, wenn also
die Verkehrslage unübersichtlich bzw. ihre Entwicklung nach objektiven
Umständen nicht zu beurteilen ist (OLG München, NJOZ 2021, 684 Rn. 12). Dies
kann beispielsweise angenommen werden bei Sichtbehinderung durch ein
vorausfahrendes Fahrzeug, durch Witterungsumstände wie Blendung durch Sonne
oder durch Straßenführung. Gleiches gilt, wenn die Verlangsamung der
Geschwindigkeit des Vorausfahrenden in Verbindung mit der Verkehrssituation und
-örtlichkeit – wie Annäherung an eine links abzweigende Straße – geeignet ist,
Zweifel über die beabsichtigte Fahrweise des Vorausfahrenden aufkommen zu
lassen. Dies ist erst recht anzunehmen, wenn das vorausfahrende Fahrzeug den
linken Fahrtrichtungsanzeiger betätigt hat (Heß, in
Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 27. Aufl. 2022, § 5
StVO Rn. 26).
b) Eine
derartige unklare Verkehrslage ergibt sich im vorliegenden Fall zum einen
daraus, dass nach den Feststellungen des Sachverständigen an dieser Stelle ein
vollständig gefahrloser Überholvorgang aufgrund der Rechtskurve, der
vorhandenen erheblichen Sichteinschränkungen durch die Randbepflanzung und des
konkreten Sonnenstands sowie dem vorausfahrenden klägerischen Sattelzug mit
Anhänger in dieser Situation aus technischer Sicht nicht möglich war. Dies
ergibt sich gleichermaßen aus den vorgelegten Lichtbildern mit Aufnahmen der
Unfallstelle.
Zum anderen
konnte der Beklagte zu 1) aufgrund des Fahrverhaltens des vorausfahrenden
Sattelzugs nicht sicher beurteilen, wie sich der Vorausfahrende verhält. Der
Zeuge H. gab glaubhaft an, dass er bereits vor dem Abbiegevorgang seine
Geschwindigkeit erheblich reduziert habe. Damit korrespondieren die
Feststellungen des Sachverständigen, wonach die Geschwindigkeit des
klägerischen Fahrzeugs im Zeitpunkt der Kollision mit ca. 7 - 10 km/h deutlich
unter der Geschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs mit mindestens 55 - 60 km/h
lag.
c)
Schließlich kann im Rahmen der Beweiswürdigung der am Unfalltag vom Beklagten
zu 1) gefertigte und von ihm, dem Zeugen H. und der Mitfahrerin des Beklagten
zu 1) unterschriebene Unfallbericht – wonach am Sattelzug der linke
Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt war – nicht außer Acht gelassen werden.
Einer
schriftlichen Einlassung am Unfallort kommt als nicht rechtsgeschäftliches
Anerkenntnis im Rahmen der Beweiswürdigung Bedeutung zu (BGH, NJW 1976, 1259;
BGH, NJW 1984, 799; OLG Bamberg, VersR 1987, 1246; OLG Saarbrücken, NJW 2011,
1820). Rückt der Anerkennende später von seiner Erklärung ab, so wird er, falls
nicht auch das übrige Beweisergebnis gegen seine Schuld spricht, dem Richter
plausibel machen müssen, weshalb er sich zu dem objektiv falschen Anerkenntnis
hat bewegen lassen. Dies wird ihm umso schwerer fallen, je konkreter seine
Erklärung war (Greger, in Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 6.
Aufl. 2021, § 16 Rn. 16.56). Im Rahmen der Beweiswürdigung ist auch zu
berücksichtigen, ob das Anerkenntnis zu einer Beeinträchtigung der
Beweismöglichkeiten des Gegners geführt hat, z.B. weil er im Hinblick hierauf
auf die Zuziehung der Polizei verzichtete (Greger, a.a.O. § 16 Rn. 16.56).
Im vorliegenden
Fall führt das handschriftliche Schreiben nicht nur allgemein aus, dass der
Unfall vom Beklagten zu 1) verschuldet sei, sondern macht darüber hinaus
detaillierte Ausführungen zum Unfallhergang. Insbesondere wird darin
geschildert, dass der Beklagte zu 1) aufgrund des Sonnenstandes den
eingeschalteten Blinker erst am Zugfahrzeug habe erkennen können, obwohl der
Blinker einwandfrei funktioniert habe und auch betätigt gewesen sei. Die
Angaben in diesem Anerkenntnis decken sich mit der Aussage des Zeugen H., der
ausführte, den Blinker gesetzt zu haben. Zu berücksichtigen ist auch, dass der
Zeuge angab, dass er ohne dieses vom Beklagten zu 1 aufgesetzte und
unterschriebene Schriftstück auf Aufnahme des Unfalls durch die Polizei
bestanden habe. Vor diesem Hintergrund ist die Klagepartei als
Erklärungsempfängerin dieses Schreibens der Beweisanforderungen, denen sie ohne
die Erklärung zur Erreichung ihres Prozesszieles genügen müsste, enthoben, da
dem Beklagten zu 1) als Erklärenden der Nachweis der Unrichtigkeit des
Anerkannten nicht gelingt (vgl. BGH, NJW 1984, 799). Die pauschale Erklärung
des Beklagten zu 1) im Rahmen seiner informatorischen Anhörung, dass er nach
dem Unfall neben sich gestanden habe, reicht dafür nicht aus.
3. Auf
Seiten der Klagepartei sind keine kausalen Verursachungsbeiträge i.S.v.
§ 17 Abs. 1 StVG in die Abwägung einzustellen.
a) Ein
Verstoß des Zeugen H. gegen die doppelte Rückschaupflicht nach § 9
Abs. 1 S. 4 StVO steht nicht fest und kann damit nicht in die
Abwägung eingestellt werden.
aa) In
rechtlicher Hinsicht normiert die Vorschrift § 9 Abs. 1 S. 4
StVO zwar den Vorrang des entgegenkommenden und gleichgerichteten Verkehrs
gegenüber dem Abbieger, wobei sich dessen Sorgfaltspflichten je nach
Abbiegeziel von erhöhter Vorsicht bis zur höchsten Sorgfalt, die eine
Gefährdung anderer ausschließt, steigert. Je weniger erkennbar das Abbiegeziel
im Fahrverkehr ist, umso sorgfältiger muss sich der Abbiegende verhalten.
bb) Im
vorliegenden Fall ergibt jedoch die durchgeführte Beweisaufnahme, dass ein
entsprechender Verstoß des Zeugen H gegen die doppelte Rückschaupflicht weder
unstreitig noch nach § 286 ZPO bewiesenen ist.
Der
grundsätzlich bestehende Beweis des ersten Anscheins für eine
Sorgfaltspflichtverletzung des Linksabbiegers, wenn es in unmittelbarem
Zusammenhang mit dem Linksabbiegen zu einer Kollision mit einem links
überholenden Fahrzeug kommt, greift vorliegend nicht. Denn es handelt sich auf
Grund der örtlichen Gegebenheiten und der Feststellungen des Sachverständigen
nicht um einen derart typischen Vorgang, dass allein auf Grund des
Zusammenstoßes mit der notwendigen Sicherheit auf einen Verstoß des Abbiegenden
gegen die zweite Rückschaupflicht geschlossen werden kann (vgl. OLG Frankfurt,
NJW-RR 2015, 796 Rn. 18 f.).
Der Zeuge H.
führte aus, dass er, bevor er den Abbiegevorgang eingeleitet habe, nach rechts
und nach links in den Spiegel geschaut und hierbei niemanden gesehen habe. Er
führte wörtlich aus „ich habe immer wieder nach links und rechts geschaut, da
ich infolge der Kurve auch den rückwärtigen Verkehr nur mit dem rechten Spiegel
beobachten konnte […]".
Diese Aussage
lässt sich durch das gerichtliche Sachverständigengutachten nicht widerlegen.
Der Sachverständige führte aus, dass zum Zeitpunkt des spätesten abbiegen Entschlusses
des Zeugen H. sich das Beklagtenfahrzeug je nach Fahrlinie mit hoher
Wahrscheinlichkeit vollständig oder größtenteils im verdeckten Bereich hinter
dem Sattelanhänger befunden habe. Eine länger andauernde
Erkennbarkeitsmöglichkeit des Beklagten Fahrzeugs für den Zeugen H. sei
vollständig auszuschließen, insbesondere sei hier der Fahrbahnverlauf von
wesentlicher Bedeutung. Zwar könne sachverständigenseits nicht vollständig
ausgeschlossen werden, dass, je nach Geschwindigkeitsverhalten der Fahrzeuge zum
Zeitpunkt des Abbiegenbeginns des Klägerfahrzeugs, der Pkw der Beklagtenseite
zumindest teilweise im möglichen einsehbaren Bereich der linken Außenspiegel
gewesen sei. Damit hat der Sachverständige jedoch lediglich ausgeführt, dass
eine Unfallkonstellation denkbar sei, in welcher der Zeuge H. im Rahmen der 2.
Rückschau das überholende Beklagtenfahrzeug hätte wahrnehmen können. Als
technisch möglich hat der Sachverständige jedoch auch eine Situation angesehen,
in der ein Verstoß gegen die doppelte Rückschauverpflichtung nicht vorlag.
b) In
der Entscheidung des Zeugen H., den Linksabbiegevorgang zu beginnen, obwohl er
aus technischer Sicht noch mindestens 6 m hätte weiterfahren können, um einen
technisch ordnungsgemäßen Abbiegevorgang einzuleiten, ist kein verkehrsrechtlich
relevanter Verstoß zu sehen, der im Verhältnis zur Klagepartei in die Abwägung
der Verursachungsbeiträge einzustellen ist. Denn das Rechtsfahrgebot des
§ 2 Abs. 2 StVO gilt nicht beim Linksabbiegen. Vielmehr muss
derjenige, der nach links abbiegen will, sich nach § 9 Abs. 1
S. 2 StVO rechtzeitig bis zur Mitte der Fahrbahn einordnen. Und auf die
Vorgabe, wonach der Vorfahrtsberechtigte beim Abbiegen in die untergeordnete
Straße grundsätzlich die Mitte der Trichterbreite rechts zu umfahren hat (OLG
Saarbrücken, SVR 2018, 255), können sich die Beklagten nicht berufen. Denn der
Schutzbereich dieser Regelung bezieht sich nur auf den Wartepflichtigen im
Einmündungstrichter der untergeordneten Straße, nicht dagegen auf überholende
Verkehrsteilnehmer im Längsverkehr der Vorfahrtsstraße.
4. Die
Haftungsverteilung wird in den Fällen der Kollision des Linksabbiegers mit dem
Linksüberholer in der Rechtsprechung nicht einheitlich behandelt (Übersicht in
OLG Frankfurt, NJW-RR 2015, 796 Rn. 21 ff.). Der Senat hält nach einer
Gesamtabwägung der oben dargestellten Verursachungsbeiträge und der
Betriebsgefahren der Fahrzeuge im vorliegenden Fall eine Haftungsverteilung von
15 % zu 85 % zugunsten der Klagepartei für angemessen. Dabei hat er unter
Berücksichtigung der obengenannten Umstände auf Klägerseite zwar keine
eindeutigen Verkehrsverstöße in die Abwägung eingestellt. Angesichts der
konkreten Situation kann jedoch die Betriebsgefahr des vom Zeugen H. gelenkten
Sattelzugs mit Anhänger nicht vollständig zurücktreten, da von diesem unter
Berücksichtigung von dessen Größe und Gewicht, des generell gefährlichen
Fahrmanövers des Linksabbiegens sowie des zu zeitig eingeleiteten
Abbiegevorgangs eine erhöhte Gefahr ausging. Der Senat hält eine Einstellung
von insgesamt 15 % für angemessen.
III.
Das Landgericht
hat den Schaden mit 9.648,33 € als unstreitig festgestellt. Einwendungen
dagegen bringt die Berufung nicht vor. Unter Berücksichtigung einer
Haftungsquote von 15 % zu 85 % zugunsten der Klagepartei sowie der Tatsache,
dass die Beklagte zu 2) zur Ausgleichung des entstandenen Schadens
vorgerichtlich 3.000,00 € an die Klägerin zahlte, ergibt sich ein zu
erstattender Betrag in Höhe von insgesamt 5.201,08 €. Abzüglich des bereits vom
Landgericht ausgeurteilten Betrags von 1.824,17 € beträgt der noch zu zahlende
Schadensersatz 3.376,91 €.
Das Landgericht
hat die mit der Klageerweiterung geltend gemachten Mietaufwendungen in Höhe von
1.750,00 € netto als ortsüblich und angemessen angesehen. Auch dagegen werden
in der Berufung keine Einwendungen vorgebracht. Der erstattungsfähige Betrag
beträgt daher insgesamt 1.487,50 €. Abzüglich des bereits vom Landgericht
ausgeurteilten Betrags von 875,00 € ergibt sich der noch zu zahlende
Schadensersatz in Höhe von 612,50 €.
Der Kläger hat
Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Die
Voraussetzung, wonach ein Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch
übergeht, wenn der Schuldner die Freistellung ernsthaft und endgültig
verweigert (vgl. BGH, NJW 2012, 1573 Rn. 25), ist vorliegend weder dargetan
noch ersichtlich. Insgesamt besteht ein Freistellungsanspruch in Höhe von
745,40 € (1,3 aus 9.688,58 € zuzüglich 20,00 €). Abzüglich des bereits vom
Landgericht ausgeurteilten Betrags von 402,60 € ergibt sich ein darüber hinaus
bestehender Freistellungsanspruch in Höhe von 342,80 €.
C.
Die
Entscheidung bezüglich der Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen beruht auf
§ 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708
Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision
war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543
Abs. 2 S. 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit
Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der
höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der
Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung
des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Revisionsgerichts.
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