Sonntag, 9. Januar 2022

Bauüberwachung und Haftung des Architekten wegen Verkehrssicherungspflichtverletzung

Ist einem Architekten auch die Bauüberwachung übertragen worden, in deren Rahmen ihm auch eine Verkehrssicherungspflicht obliegt, bei deren Verletzung er haftet. So das OLG Köln in seinem Beschluss nach § 522 ZPO, mit dem es darauf hinwies, die Berufung des verklagten Architekten gegen das landgerichtliche Urteil zurückweisen zu wollen.

Grundsätzlich obläge dem Architekten nur eine sekundäre Verkehrssicherungspflicht. Er müsse danach nur diejenigen Verkehrssicherungspflichten beachten, die dem Bauherrn als dem mittelbaren Veranlasser der aus der Baumaßnahme fließenden Gefahren obliegen. Allerdings würde der mit der örtlichen Bauaufsicht, Bauleitung und Bauüberwachung beauftragte Architekt unmittelbar verkehrssicherungspflichtig, wenn Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der beauftragte Unternehmer in dieser Hinsicht nicht genügend sachkundig oder zuverlässig sei, wenn er Gefahrenquellen erkenne oder wenn er diese bei gewissenhafter Beobachtung der ihm obliegenden Sorgfalt hätte erkennen können. In diesen Fällen sei er verpflichtet, zumutbare Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer zu verhindern (BGH, Urteil vom 18.11.2014 - VI ZR 47/13 -).

Vorliegend sei ein Kaminzug schadensursächlich gewesen, Dieser sei 11 Tage vor dem Schadenstag im Zuge der Bauausführung von dem Rohbauunternehmer mit Mineralwolle verstopft worden, um so die Ableitung der Abgase aus der Wohnung der Klägerin zu verhindern. In Ansehung der Gefährlichkeit einer Vergiftung der Mieter seiner Auftraggeberin hätte es daher dem beklagten Architekten oblegen, sich selbst von der ordnungsgemäßen provisorischen Ableitung der Abgase aller aktiven Kaminzüge nach deren Vornahme Gewissheit zu verschaffen und auch im Weiteren im Zuge der Baumaßnahmen durch regelmäßige Kontrollen sicherzustellen.

Der Beklagte könne sich nicht darauf berufen, er habe die provisorische Maßnahme angeordnet und einen zuverlässigen Unternehmer damit beauftragt. Die Planung habe eine bauliche Veränderung der bis zum Rückbau funktionierenden Kaminzüge vorgesehen, so dass der Beklagte mit seiner planerischen Maßnahme in das bisher funktionierende System der Ableitung der anfallenden Abgase eingriff und zu einem Provisorium verändert habe. Gerade deshalb habe er sich selbst im Rahmen der ihm obliegenden Bauüberwachung davon zu überzeugen gehabt, dass die zum Schutz Dritter vorgesehene provisorische Maßnahme ordnungsgemäß ausgeführt wurde. Hierfür habe dem Beklagten bis zum Schadensfall auch genügend Zeit zur Verfügung gestanden, da er nur 12 Kaminzüge hätte prüfen müssen.

Von daher hafte der Beklagte für die Vergiftungserscheinungen bei der Klägerin.

OLG Köln, Beschluss vom 01.07.2021 - I-7 U 117/20 -


Aus den Gründen:

Tenor

Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.

Gründe

I.

Die zulässige Berufung hat nach der einstimmigen Überzeugung des Senates keine Aussicht auf Erfolg. Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht, § 546 ZPO, oder nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen, § 513 Abs. 1 ZPO. Die Sache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Senats durch Urteil zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, weswegen der Senat beabsichtigt, eine Entscheidung durch Beschluss zu treffen, § 522 Abs. 2 ZPO.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat vollumfänglich anschließt, hat das Landgericht die Klageanträge zu 1. bis 6. dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

1.

Soweit der Beklagte gegen das erstinstanzliche Urteil einwendet, das Landgericht habe den Umfang der dem mit der Bauüberwachung beauftragten Architekten obliegenden Verkehrssicherungspflicht verkannt, verhilft diese Einwendung der Berufung nicht zum Erfolg. Es kann nach Auffassung des Senats keinem Zweifel unterliegen, dass es in Anbetracht der Gefährlichkeit der vorzunehmenden Baumaßnahmen für Leib und Leben der Mieter dem Beklagten oblag, nicht nur geeignete Maßnahmen zur Ableitung der bei dem Betrieb der Gasthermen anfallenden Abgase planerisch vorzusehen, sondern auch und gerade deren mangelfreie Ausführung durch den Bauunternehmer vor Ort zu kontrollieren.

Zwar obliegt dem Architekten grundsätzlich nur eine sekundäre Verkehrssicherungspflicht, d. h. er braucht grundsätzlich nur diejenigen Verkehrssicherungspflichten zu beachten, die dem Bauherrn als dem mittelbaren Veranlasser der aus der Bauausführung fließenden Gefahren obliegen. Unmittelbar selbst verkehrssicherungspflichtig wird der mit der örtlichen Bauaufsicht, Bauleitung oder Bauüberwachung beauftragte Architekt aber dann, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Unternehmer in dieser Hinsicht nicht genügend sachkundig oder zuverlässig ist, wenn er Gefahrenquellen erkannt hat oder wenn er diese bei gewissenhafter Beobachtung der ihm obliegenden Sorgfalt hätte erkennen können. Er ist dann verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer zu verhindern (ständige Rechtsprechung, vergleiche unter anderem BGH, Urteil vom 18.11.2014 - VI ZR 47/13 -, BGHZ 203, 224-239, Rn. 12 mit weiteren Nachweisen).

Vorliegend wurde der schadensverursachende Kaminzug bereits am 26.05.2014 und damit 11 Tage vor dem Schadenstag im Zuge der Bauausführung durch den Rohbauunternehmer mit Mineralwolle verstopft und damit die Ableitung der Abgase aus der Wohnung der Klägerin zu 6) verhindert. In Anbetracht der Gefährlichkeit einer Vergiftung für die Mieter seiner Auftraggeberin hätte es dem Beklagten unzweifelhaft oblegen, sich von der ordnungsgemäßen provisorischen Ableitung der Abgase aller aktiven Kaminzüge vor Ort nach Vornahme der Ableitung zunächst Gewissheit zu verschaffen und auch die weitere Ordnungsgemäßheit der provisorischen Ableitung im Zuge der Baumaßnahmen durch regelmäßige Kontrollen im Zuge der Bauausführung sicherzustellen.

Der Beklagte kann sich insoweit nicht darauf berufen, die Arbeiten seien durch zuverlässige Vertragspartner, die regelmäßig für seine Auftraggeberin tätig würden, ausgeführt worden, er selbst habe lediglich in Form der provisorischen Ableitung der Abgase Maßnahmen angeordnet, die gerade dem Schutz Dritter zu dienen bestimmt waren. Unstreitig sah die Planung des Beklagten eine bauliche Veränderung der bis zum Zeitpunkt des Rückbaus funktionierenden Kaminzüge vor, sodass der Beklagte mit seinen planerischen Maßnahmen in die bis dahin funktionierende Ableitung der bei dem Betrieb der Gasthermen anfallenden Abgase eingriff und diese zu einem Provisorium veränderte. Gerade weil dies der Fall war, musste der Beklagte sich im Rahmen der ihm ebenfalls beauftragten Bauüberwachung davon überzeugen, dass die von ihm nach seinen eigenen Ausführungen in der Berufungsbegründung gerade zum Schutze Dritter vorgesehenen lediglich provisorischen Ableitungsmaßnahmen auch ordnungsgemäß ausgeführt wurden. Hierfür stand den Beklagten in Anbetracht des seit Ausführung verstrichenen Zeitraums von fast 2 Wochen auch ausreichend Zeit zur Verfügung. Es ist weiter nicht ersichtlich, dass es eine unzumutbare zeitliche oder inhaltliche Belastung dargestellt hätte, die Ausführung der provisorischen Ableitung von 12 Kaminzügen vor Ort zu überprüfen.

2.

Auch die Beweiswürdigung des Landgerichts betreffend die Ursache der von den Klägern am 06.06.2014 erlittenen Vergiftungserscheinungen hält den Angriffen der Berufung stand.

Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Dies ist nicht der Fall, wenn sich das Gericht des ersten Rechtszuges bei der Tatsachenfeststellung an die Grundsätze der freien Beweiswürdigung des § 286 ZPO gehalten hat, das Berufungsgericht das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme ebenso würdigt wie das Gericht der Vorinstanz und sich mithin von der Richtigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung zu überzeugen vermag (BGH NJW 2005, 1583, 1584). Die leitenden Gründe und die wesentlichen Gesichtspunkte für seine Überzeugungsbildung hat das Gericht zudem gemäß § 286 Abs. 1 S. 2 ZPO nachvollziehbar im Urteil darzulegen. Dies erfordert jedoch nicht eine ausdrückliche Auseinandersetzung mit allen nur denkbaren Gesichtspunkten, wenn sich nur ergibt, dass nach der Gesamtheit der Gründe eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat (BGH NJW 1987, 1557, 1558). Um die Rüge einer falschen Beweiswürdigung zu rechtfertigen, reicht es demnach nicht aus, wenn der Berufungsführer an die Stelle der überzeugenden Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Gerichts eine andere - aus seiner Sicht überzeugendere - Beweiswürdigung setzt, ohne dass hierdurch die Beweisführung des erstinstanzlichen Gerichts widerlegt werden könnte (OLG Köln, Beschluss vom 18.04.2011, 4 U 30/10).

Gemessen hieran zeigt die Berufungsbegründung keine Zweifel an den erstinstanzlich getroffenen Feststellungen auf, die eine erneute Tatsachenfeststellung bzw. deren abweichende Würdigung durch den Senat gebieten. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht sich aufgrund des mündlich und schriftlich erstatteten Gutachtens des Sachverständigen I davon überzeugt hat, dass der Verschluss des Kaminzugs kausal zu dem Eindringen von Abgasen in die Wohnung der Klägerin zu 6) und damit zum Anstieg der Kohlenmonoxidkonzentration in der Raumluft geführt hat. Einer weiteren Beweisaufnahme bedurfte und bedarf es deshalb entgegen der von dem Beklagten vertretenen Auffassung nicht. Das Landgericht hat nachvollziehbar und zutreffend darauf abgestellt, dass es im vorliegenden Rechtsstreit dahinstehen kann, ob - wie vom Beklagten behauptet - die Therme infolge unterlassener Wartung den Grenzwert weit übersteigende CO-Emissionen abgab und die in die Wohnung der Klägerin zu 6) austretenden Abgase ausschließlich aus ihrer und nicht aus anderen Wohnungen stammten (vergleiche Seite 7,8 LGU). Der Sachverständige hat im Rahmen seiner schriftlichen Sachverständigengutachten und nochmals ausdrücklich auf Nachfrage in seiner mündlichen Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19.05.2020 (vergleiche Bl. 327 Rück GA) hierzu ausgeführt, dass, wenn das Abluftrohr am Gebäude nach oben offen gewesen wäre, das Abgas, welches durch den Sachverständigen W. in der Höhe gemessen wurde, nach oben abgeströmt wäre. Es wäre nicht zu einem Austritt in den Raum gekommen und die Menschen wären nicht gefährdet worden. Danach steht fest, dass die Vergiftungserscheinungen der Kläger kausal auf die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch den Beklagten zurückzuführen sind. Ob daneben noch weitere Ursachen ebenfalls kausal wurden, kann im Haftungsverhältnis zwischen dem Beklagten als Schädiger und den Klägern als Geschädigten dahinstehen. Die Klägerin zu 6) war jedenfalls als Mieterin befugt, die Gastherme uneingeschränkt und damit auch im Juni zum Heizen zu nutzen, wenn sie dies wollte.

Entgegen der vom Beklagten vertretenen Rechtsauffassung steht seiner Haftung weiterhin nicht entgegen, dass die Sicherheitseinrichtung zur Abgasaustrittsüberwachung der streitgegenständlichen Gastherme nicht angeschlagen hat und aus diesem Grunde die Gaszufuhr aus der Gastherme der Klägerin zu 6) nicht nach 2 Minuten selbstständig durch die Abgasüberwachungseinrichtung abgeschaltet wurde. Der Senat schließt sich auch insoweit der zutreffenden Begründung des Landgerichts an, wonach eine kumulative Kausalität bei Vorliegen der sonstigen Haftungsvoraussetzungen zur Haftung jedes Verursachers gesamtschuldnerisch auf den vollen Schaden führt. Zivilrechtlich wird in diesen Fällen nicht danach unterschieden, ob einzelne Ursachen wesentlicher sind als andere (so auch BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - IX ZR 179/07 -, Rn. 20, juris). Im vorliegenden Rechtsstreit kommt es daher aus Rechtsgründen auf die Frage, ob der Schaden auch noch durch weitere Ursachen hervorgerufen wurde, nicht an.

II.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Hinweisen des Gerichts binnen der genannten Frist. Auf die Möglichkeit der Kosten sparenden Rücknahme der Berufung (statt 4 fallen nur 2 Gerichtsgebühren an, KV Nr. 1220, 1222 zu § 3 Abs. 2 GKG) wird hingewiesen.

Berufungsstreitwert: 23.375,00 EUR


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