Nachdem der Schuldner Sozialversicherungs- beiträge für bei ihm Beschäftigte nicht an die Gläubigerin (eine gesetzliche Krankenversicherung) für einen Zeitraum November 2018 bis Juni 2019 abgeführt hatte, beantragte die Gläubigerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners. Danach erfolgte durch den Schuldner die Zahlung und die Gläubigerin erklärte die Hauptsache für erledigt. Unter Bezugnahme auf §§ 4 InsO, 91a ZPO hatte das Insolvenzgericht nunmehr der Gläubigerin die Kosten des Verfahrens auferlegt. Das Landgericht wies die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde zurück. Auf die vom Landgericht zugelassene Rechtsbeschwerde stellte der BGH die Erledigung des Eröffnungsantrages fest und erlegte dem Schuldner die Kosten des Verfahrens auf.
Der BGH verwies darauf, dass die Insolvenzordnung in § 4 InsO auf die entsprechende Anwendbarkeit der Regelungen der ZPO verweise, soweit es an einer Regelung in der InsO ermangelt, und dass eine Hauptsacheerledigung in der InsO nicht geregelt sei anerkannt sei, dass für die § 91a ZPO entwickelten Grundsätze entsprechende Anwendung fänden (BGH, Beschluss vom 25.09.2008 - IX ZB 131/07 -).
Vorliegend läge eine einseitige Erledigungserklärung vor (da sich der Schuldner der gläubigerseits erklärten Erledigung nicht angeschlossen hatte, wobei auch kein Hinweis auf die Folgen der fehlenden Erklärung nach § 91a Abs. 1 S. 2 ZPO erfolgte, weshalb ein Schweigen keine Zustimmung zur Erledigungserklärung der Gläubigerin bedeutet).
Mit der einseitigen Erledigungserklärung würden keine Ermittlungen mehr zu einem möglichen Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren erfolgen. Für die Kostenentscheidung sei auf den Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Erledigungserklärung abzustellen. Gleichwohl bleibe aber der Eröffnungsantrag bei einseitiger Erledigungserklärung anhängig und es müsse über diesen entscheiden werden. Der Prüfungsumfang beziehe sich nun auf die Klärung der Frage, ob der Antrag zulässig und begründet war und sich durch ein nachträgliches Ereignis erledigte. Würde vom Insolvenzgericht die Erledigung festgestellt, könne der Schuldner den Beschluss mit sofortiger Beschwerde anfechten (§§ 6, 34 Abs. 2 InsO), bei Abweisung des Antrages ergäbe sich ein Beschwerderecht aus §§ 6, 34 Abs. 1 InsO.
Vorliegend sei das Beschwerdegericht zutreffend von einer Zulässigkeit und Begründetheit des Insolvenzeröffnungsantrages der Gläubigerin ausgegangen. Allerdings läge entgegen der Annahme des Beschwerdegerichts ein erledigendes Ereignis vor; die anderweitige Auffassung des Vorgerichts beruhe auf einem falschen Verständnis zu § 14 Abs. 1 S. 2 InsO. Nach § 14 Abs. 1 S. 2 InsO sei für den antragstellenden Gläubiger die Möglichkeit eröffnet, auch bei nachträglicher Erfüllung des Anspruchs den Eröffnungsantrag aufrecht zu erhalten. Dazu bestünde aber keine Pflicht (BGH, Beschluss vom 24.09.2020 - IX ZB 71/19 -).
Der Umstand, dass grundsätzlich nach den zivilprozessualen Grundsätzen zu § 91a ZPO kein erledigendes Ereignis vorliege, wenn der Antrag weiterhin zulässig und begründet ist, unterläge hier im Insolvenzrecht einer Modifizierung. Daher könnten bei der einseitigen Erledigungserklärung nicht dem Gläubiger die Kosten mit der Begründung auferlegt werden nach § 14 Abs. 1 S. 2 InsO sei der Antrag weiterhin zulässig.
Der BGH sah sich in der Lage, da nicht davon auszugehen sei, dass bei einer Zurückverweisung weitere Feststellungen, insbesondere zu einem Druckantrag, zu erwarten wären. Anmerkung: Zum Druckantrag hatte der BGH in seinem Beschluss vom 24.09.2020 – IX ZB 71/19 – Stellung genommen. Ein solcher liegt vor, wenn der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt, um den Schuldner zu veranlassen, unter dem Druck des Antrages zur Zahlung vorzunehmen. In diesem Fall wären nach der Motivlage bei der Erledigung durch Zahlung die Kosten dem Gläubiger aufzuerlegen. Allerdings müssten hier, neben der Antragsrücknahme, weitere Umstände vorliegen, die die Annahme der Druckantragstellung rechtfertigen könnten (BGH, Beschluss vom 24.09.2020 - IX ZB 71/19 -).
BGH, Beschluss vom
23.09.2021 – IX ZB 66/20 -
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die
Rechtsmittel der weiteren Beteiligten werden der Beschluss der Zivilkammer 26
des Landgerichts Hamburg vom 24. November 2020 aufgehoben und der Beschluss des
Amtsgerichts Hamburg vom 14. April 2020 abgeändert.
Es wird
festgestellt, dass sich der Antrag der weiteren Beteiligten auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners vom 31. Januar 2020
erledigt hat. Der Schuldner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des
Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 180 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Schuldner
war als Einzelunternehmer gewerblich tätig und beschäftigte einen bei der
weiteren Beteiligten (fortan: Gläubigerin) gesetzlich krankenversicherten
Arbeitnehmer. Die Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Monate November
2018 bis Juni 2019 entrichtete der Schuldner nicht. Am 31. Januar 2020 hat die
Gläubigerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des
Schuldners beantragt. Nach Begleichung der Beitragsrückstände hat die
Gläubigerin den Insolvenzantrag für erledigt erklärt. Das Insolvenzgericht hat
dem Schuldner die Erledigungserklärung ohne Hinweis gemäß § 91a
Abs. 1 Satz 2 ZPO zugestellt. Der Schuldner hat sich zu der
Erledigungserklärung nicht geäußert.
Das
Insolvenzgericht hat die Kosten des Verfahrens der Gläubigerin auferlegt und
sich dabei auf § 4 InsO, § 91a ZPO gestützt. Die sofortige Beschwerde
der Gläubigerin hat das Landgericht nach Übertragung auf die Kammer
zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde
will die Gläubigerin die Feststellung erreichen, dass ihr Insolvenzantrag in der
Hauptsache erledigt ist. Die Kosten des Verfahrens sollen dem Schuldner
auferlegt werden.
II.
Die
Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO
statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie führt zur Aufhebung der
angefochtenen Entscheidung. Auf die statthafte und auch sonst zulässige
sofortige Beschwerde ist festzustellen, dass sich der Eröffnungsantrag der
Gläubigerin erledigt hat. Der Schuldner trägt die Kosten des Verfahrens.
1. Das
Beschwerdegericht hat ausgeführt: Das Insolvenzgericht habe der Gläubigerin zu
Recht die Kosten des Verfahrens auferlegt. Allerdings liege entgegen den
Ausführungen des Insolvenzgerichts nur eine einseitige Erledigungserklärung
vor. Deshalb sei zu prüfen, ob der Eröffnungsantrag der Gläubigerin zunächst
zulässig gewesen sei und sich durch ein erledigendes Ereignis erledigt habe.
Danach sei der so zu deutende Antrag der Gläubigerin auf Feststellung eines
erledigenden Ereignisses zurückzuweisen. Gemäß § 14 Abs. 1
Satz 2 InsO werde der Insolvenzantrag nicht allein dadurch unzulässig oder
unbegründet, dass die Antragsforderung erfüllt werde. Ein
Sozialversicherungsträger, wie die Gläubigerin, könne nicht verhindern, dass
jederzeit neue Forderungen gegen den Schuldner entstünden. Deshalb entfalle das
rechtliche Interesse des Sozialversicherungsträgers an der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens trotz Erfüllung der Antragsforderung nur ausnahmsweise,
wenn der Schuldner den versicherten Arbeitnehmern gekündigt und seinen Betrieb
geschlossen habe. Davon sei hier nicht auszugehen. Schließlich habe die
Begleichung der Antragsforderung auch den Eröffnungsgrund der
Zahlungsunfähigkeit nicht beseitigt. Es sei nicht dargetan, dass der Schuldner
seine Zahlungen an alle Gläubiger wiederaufgenommen habe.
2. Dies
hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
a) Mit
Recht hat das Beschwerdegericht allerdings erkannt, dass im Streitfall von
einer einseitigen Erledigungserklärung des Antrags der Gläubigerin auf
Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners auszugehen
ist.
aa) Gemäß
§ 4 InsO (§ 4 Satz 1 InsO nF) gelten für das Insolvenzverfahren
die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend, soweit die
Insolvenz-ordnung nichts anderes bestimmt. Die Insolvenzordnung regelt nicht,
ob, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen (Kosten-)Folgen der von einem
Gläubiger gestellte Insolvenzantrag für erledigt erklärt werden kann. Es ist
deshalb anerkannt, dass die Regelungen der Zivilprozessordnung über die
Erledigung der Hauptsache und die hierzu entwickelten Grundsätze entsprechende
Anwendung finden. Dies gilt für die übereinstimmende (vgl. BGH, Beschluss vom
25. September 2008 - IX ZB 131/07, NZI 2008, 736 Rn. 7; vom 24. September 2020
- IX ZB 71/19, ZInsO 2020, 2537 Rn. 8) und die einseitige Erledigungserklärung
(vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2004 - IX ZB 258/03, ZIP 2005, 91, 92;
vom 22. September 2005 - IX ZB 205/04, NZI 2006, 34; vom 25. September 2008,
aaO Rn. 8) gleichermaßen (BGH, Urteil vom 20. November 2001 - IX ZR 48/01, BGHZ
149, 178, 181). Der Gläubiger kann seinen Antrag auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens daher, wenn auch zeitlich begrenzt (vgl. BGH, Beschluss vom
11. November 2004, aaO; Beschluss vom 22. September 2005, aaO), für erledigt
erklären, wenn er ihn nicht weiterverfolgen will.
bb) In
entsprechender Anwendung der Regelungen der Zivilprozessordnung über die
Erledigung der Hauptsache und den hierzu entwickelten Grundsätzen ist im
Streitfall von einer einseitigen Erledigungserklärung des Eröffnungsantrags der
Gläubigerin auszugehen.
Die Gläubigerin
hat ihren Insolvenzantrag in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem der
Schuldner die Antragsforderung beglichen hatte. Sie hat beantragt, dem
Schuldner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Das Insolvenzgericht hat dem
Schuldner die Erledigungserklärung zugestellt, ohne den Hinweis nach § 91a
Abs. 1 Satz 2 ZPO zu erteilen. Der Schuldner hat sich zu der
Erledigungserklärung nicht geäußert. Eine übereinstimmende Erledigungserklärung
kann daher nicht aus einer entsprechenden Anwendung des § 91a Abs. 1 Satz 2
ZPO abgeleitet werden. Das bloße Schweigen des Schuldners begründet auch sonst
keine Zustimmungswirkung (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2004, aaO).
b) Die
für den Zivilprozess entwickelten Grundsätze für die Behandlung einer
einseitigen Erledigungserklärung gelten im Insolvenzeröffnungsverfahren in
modifizierter Form (BGH, Beschluss vom 11. November 2004, aaO; vom 25.
September 2008, aaO Rn. 8). Insbesondere finden keine weiteren Ermittlungen
mehr dazu statt, ob ein Eröffnungsgrund gegeben war. Grundlage der vom
Insolvenzgericht zu treffenden Entscheidung ist vielmehr der Sach- und
Streitstand im Zeitpunkt der Erledigungserklärung. Ein reiner Parteienstreit
über die Kostentragungspflicht ist mit § 5 Abs. 1 Satz 1 InsO
nicht vereinbar; Amtsermittlungen sind nicht mehr veranlasst, sobald feststeht,
dass das Insolvenzverfahren wegen des geänderten Antrags nicht mehr eröffnet
werden kann. Gleichwohl bleibt der durch die Erledigungserklärung geänderte
Eröffnungsantrag anhängig und muss beschieden werden (BGH, Beschluss vom 25.
September 2008, aaO).
Nach dieser
Maßgabe ist zu prüfen, ob der Eröffnungsantrag zulässig und begründet war und
sich durch ein nachträglich eingetretenes Ereignis erledigt hat (BGH, Urteil
vom 20. November 2001, aaO S. 182; Beschluss vom 25. September 2008, aaO).
Stellt das Insolvenzgericht danach die Erledigung fest, kann der Schuldner den
Beschluss nach den §§ 6, 34 Abs. 2 InsO mit der sofortigen Beschwerde
anfechten; weist das Insolvenzgericht den Antrag ab, gelten die §§ 6, 34
Abs. 1 InsO (BGH, Beschluss vom 25. September 2008, aaO).
c) Das
Beschwerdegericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass der Eröffnungsantrag
der Gläubigerin zulässig und begründet war. Von einem unrichtigen Verständnis
der Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO getragen ist jedoch die
Einschätzung des Beschwerdegerichts, es fehle an einem erledigenden Ereignis.
Der
Bundesgerichtshof hat entschieden, dass § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO
für den antragstellenden Gläubiger die Möglichkeit begründet, den
Eröffnungsantrag weiterlaufen zu lassen, aber keine Pflicht (BGH, Beschluss vom
24. September 2020 - IX ZB 71/19, ZInsO 2020, 2537 Rn. 11, 21). Die Regelung
des § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO schließt weder die
Erledigungserklärung noch die Rücknahme des Antrags ausdrücklich aus. Dies kann
ihr auch nicht sonst entnommen werden. Anderenfalls würde der im
Eröffnungsverfahren geltende Dispositionsgrundsatz ausgehebelt und das
Verfahren gleichsam von Amts wegen fortgeführt. Das ist dem deutschen Recht
fremd (vgl. BGH, Beschluss vom 24. September 2020, aaO Rn. 11).
Die
Möglichkeit, den Eröffnungsantrag für erledigt zu erklären, kann nicht dadurch
beschnitten werden, dass der Gläubiger im Falle einer einseitig bleibenden
Erledigungserklärung die Kosten des Verfahrens deshalb zu tragen hat, weil ein
rechtliches Interesse an der Verfahrenseröffnung gemäß § 14 Abs. 1
Satz 2 InsO trotz Erfüllung der Antragsforderung fortbesteht. Zwar trifft
es zu, dass in diesem Fall nach den im Zivilprozess geltenden Grundsätzen nicht
von einem erledigenden Ereignis ausgegangen werden kann, wenn der Antrag auch sonst
weiterhin zulässig und begründet ist. Die für den Zivilprozess entwickelten
Grundsätze gelten jedoch im Insolvenzeröffnungsverfahren nur in modifizierter
Form (BGH, Beschluss vom 11. November 2004 - IX ZB 258/03, ZIP 2005, 91, 92;
vom 25. September 2008 - IX ZB 131/07, NZI 2008, 736 Rn. 8). Deshalb kann die
Kostentragungspflicht des Gläubigers nach dessen einseitig gebliebener
Erledigungserklärung nicht damit begründet werden, dass der Insolvenzantrag
gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO weiterhin zulässig ist. Ein
Zwangsgläubiger kann mit einem Insolvenzantrag mehrere schützenswerte Ziele
verfolgen. Das mit § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO verfolgte Anliegen,
die Insolvenzreife des Schuldners möglichst frühzeitig abzuklären, muss nicht
dazu zählen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. September 2020, aaO Rn. 20 f).
3. Die
angefochtene Entscheidung ist danach aufzuheben. Der Senat kann in der Sache
selbst entscheiden, weil diese zur Endentscheidung reif ist (§ 577
Abs. 5 ZPO). Weitere Feststellungen, insbesondere zu einem unzulässigen
Druckantrag (vgl. BGH, Beschluss vom 24. September 2020, aaO Rn. 16 ff), sind
nicht zu erwarten.
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