1. Eine Anschlussberufung liegt vor, wenn eine Partei gegen ein der Klage teilweise stattgebendes Urteil das Rechtmittel der Berufung zur nächsthöheren Instanz einlegt und die andere Partei nachfolgend ebenfalls. Anschluss Berufung wird qua Definition von demjenigen eingelegt, der das Rechtsmittel als Zweiter einlegt. Für die Rechtsfolgen ist entscheidend, ob es sich um eine selbständige oder eine unselbständige Anschlussberufung handelt.
Handelt es sich um eine selbständige Anschlussberufung, so gelten für diese die üblichen Normen der ZPO für Berufungen und zwischen dem Berufungskläger und dem Anschlussberufungskläger besteht keinerlei Unterschied in der Behandlung der jeweiligen Berufung. Eine selbständige Berufung liegt vor, wenn die Anschlussberufung als solche qua Zulassung oder Streitwert zulässig ist und innerhalb der gesetzlichen Monatsfrist von einem Monat nach Zustellung des Urteils durch einen an einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt wird. Um eine unselbständige Anschlussberufung handelt es sich in dem Fall, dass die Berufung erst nach Ablauf der Berufungsfrist eingelegt wird, eine Berufung der anderen Partei bereits vorliegt (die allerdings für die Zulässigkeit der Anschlussberufung auch zulässig sein muss, also rechtzeitig erhoben sein muss und ansonsten zulässig sein müsste) oder aber zwar evtl. auch innerhalb der eigenen Berufungsfrist eingelegt wird, aber im Hinblick auf den Streitwert und mangels Zulassung ansonsten nicht zulässig wäre.
Die unselbständige Anschlussberufung wird zwar wie eine normale Berufung behandelt, ist aber letztlich ist abhängig von der Berufung (Hauptberufung) der anderen Partei. Nimmt die andere Partei ihre Berufung (noch zulässig) zurück oder weist das Berufungsgericht die Berufung der anderen Partei wegen offensichtlicher Unbegründetheit nach § 522 ZPO per Beschluss (nicht durch Urteil; im Falle eines Urteils wäre auch in der Sache über die Anschlussberufung zu entscheiden) zurück, so kann auch nicht mehr über die unselbständige Anschlussberufung entschieden werden. Ihre Zulässigkeit ist von dem Bestand er Hauptberufung abhängig.
In diesem Zusammenhang besteht in Literatur und Rechtsprechung Streit zu der Frage, wie mit den Kosten der Anschlussberufung umzugehen ist. Teils wird angenommen, dass mit der Zurückweisung nach § 522 ZPO der Hauptberufungsführer auch die Kosten der Anschlussberufung zu tragen habe, teils wird angenommen, dass die Kosten nach dem Verhältnis von Berufung und Anschlussberufung zu quoteln sind (auch dann, wenn die Anschlussberufung in der Sache Erfolg haben könnte).
2. Das OLG Stuttgart hatte die Hauptberufung im Beschlussweg nach § 522 ZPO in seinem hier besprochenen Beschluss zurückgewiesen und dabei gleichzeitig festgestellt, dass die unselbständige Anschlussberufung wirkungslos wurde (§ 524 Abs. 4 ZPO). Die Kosten des Berufungsverfahrens (aus dem Streitwert von Hauptberufung und Anschlussberufung) hatte es im Verhältnis von 8% des unselbständigen Anschlussberufung hatte es dem Kläger als Hauptberufungsführer mit 8%, dem Beklagten im Hinblick auf dessen unselbständige Anschlussberufung mit 92% auferlegt.
Zur Begründung der Kostenentscheidung wies das OLG darauf hin, dass § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht klärt, wer die Kosten einer zulässigen unselbständigen Anschlussberufung zu tragen habe und dies auch bisher höchstrichterlich Rechtsprechung (BGH) nicht geklärt sei, in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten sei. Es entscheid sich zu der Quotelung entsprechend einem jeweiligen Obsiegen zum Unterliegen und hat damit den Anschlussberufungskläger wie eine unterlegene Partei behandelt, ohne die mögliche Begründetheit dessen Berufung zu würdigen. Dabei hat sich das OLG mit verschiedenen Konstelltationen, die in der obergerichtlichen Rechtsprechung gebildet wurden. auseinandergesetzt:
Kostenteilung wegen Missbrauchsgefahr (so OLG Köln, Beschluss vom 23.07.2009 - 4 UF 80/09 - und OLG Stuttgart, Beschluss vom 23.03.2009 – 12 U 220/08 -): Dabei würde zugrunde gelegt, der Anschlussberufungskläger könne das Rechtsmittel nur einlegen, um die Kosten für den Berufungskläger in die Höhe zu treiben. Das könne zwar angenommen werden, wenn die Anschlussberufung erst nach einem Hinweisbeschluss nach § 522 ZPO erfolge (Hinweis darauf, dass beabsichtigt sei, die Berufung zurückzuweisen) oder z.B. offensichtlich sei, dass die Berufung unzulässig oder unbegründet ist. Dies sie aber nicht der Regelfall und könne hier nicht angenommen werden.
Kostenteilung wegen Abwartens bis zu einer Terminierung (z.B. OLG München, Beschluss vom 11.04.2014 – 23 U 4499/13 -). Da aber die Anschlussberufung (mit Ausnahme des Falles in § 524 Abs. 2 S. 3 ZPO) eine Anschließung nur bis zum Ablauf der (Anm.: diesbezüglich nicht verlängerbaren) Berufungserwiderungsfrist erfolgen könne, sei dies auch kein Argument für eine Kostenteilung, da in der Regel bis zu diesem Zeitpunkt keine Terminierung erfolge.
Gegen eine Kostenteilung spreche nicht, dass damit die Rücknahme der Berufung nach einem Hinweis nach § 522 ZPO mit der Zurückweisung nach § 522 ZPO gleichgestellt werden müssten. Diese Fälle lägen nicht gleich. Bei der Zurücknahme ohne gerichtliche Entscheidung durch eine im Belieben des Berufungsklägers liegende Entscheidung erfolge, nicht durch eine gerichtliche Maßnahme (Beschluss). Zwar könne nicht maßgeblich für eine Kostenteilung bei Zurückweisung sprechen, dass die Rücknahme noch im Belieben des Hauptberufungsführers stünde was zwar der Fall sei. Allerdings müsse für die Zurücknahme nicht zwingend sprechen, dass er sich von der Argumentation des Gerichts überzeugen ließ, da auch anderweitige Erwägungen (so, dass er zur Einsparung von Kosten darauf verzichte, des Gericht durch Argumentation von seiner Sicht zu überzeugen) möglich seien. Nutze der Hauptberufungsführer sein Recht zum rechtlichen Gehör und versuche er, das Gericht von einer Zurückweisung nach § 522 ZPO abzubringen, könne ihm dies alleine nicht zum Nachteil gereichen, weshalb es an einer Grundlage fehle, ihm auch die Kosten der Anschlussberufung aufzuerlegen.
Folgende Gründe benannte das OLG zur Rechtefertigung seiner Kostenentscheidung:
Das Grundprinzip sei, dass derjenige, der mit seinem Angriff erfolglos bliebe, die Kosten dieses Angriffs zu tragen habe, gleich aus welchem Grund er damit erfolglos geblieben sei (so z.B. OLG München, Beschluss vom 23.07.2009 - 23 U 4499/13 -; zu Anschlussrevision BGH, Beschluss vom 11.03.1981 - GSZ 1/80 -). Zwar sei die unselbständige Anschlussberufung kein eigenes Rechtsmittel, sondern nur ein Angriff innerhalb der Berufung des Gegners, weshalb § 97 ZPO (Kosten des Rechtsmittels) nicht in Betracht käme. Der Grundsatz gelte insoweit, als nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO derjenige die Kosten trage, der unterliege. Dies setze sich in § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO fort, wonach bei teilweisen Obsiegen und Unterliegen die Kosten im Verhältnis aufzuteilen seien. Auch hebe der Kläger bei einer Klagerücknahme gem. § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO regelmäßig die Kosten zu tragen ebenso der Berufungsführer bei einer Berufungsrücknahme . Auch im Rahmen des § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO (Hauptsacheerledigung) seien im Rahmen einer Ermessenentscheidung die jeweiligen Erfolgsaussichten bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigen. Nach § 96 ZPO könnten auch dem obsiegenden Kläger Kosten eines ohne Erfolg gebliebenen Angriffs- oder Verteidigungsmittels auferlegt werden. Es könne also nicht formal darauf abgestellt werden, dass die unselbständige Anschlussberufung kein eigenständiges Rechtsmittel sei. Sie diene nicht nur zur Durchsetzung oder Abwehr eines Anspruchs, sondern mit ihr erstrebe die Partei mit Sachanträgen eine Abänderung der Entscheidung zu ihren Gunsten. Auch wenn die Wirkungslosigkeit der Anschlussberufung gem. § 524 Abs. 4 ZPO kein Unterliegen iSv. § 92 ZPO sei, führe dies zur Erfolglosigkeit der Anschlussberufung.
Derjenige, der eine unselbständige Anschlussberufung einlege, hätte durch rechtzeitige eigene Berufungseinlegung sicherstellen können, dass sein Rechtsmittel nicht von demjenigen des Gegners abhängig ist. Weiterhin hätte er die unselbständige Anschlussberufung unter einer zulässigen auflösenden Bedingung erheben können (OLG Nürnberg, Beschluss vom 23.07.2012 – 5 U 126/11 -; Anmerkung: Es ist strittig, ob eine Anschlussberufung unter einer Bedingung prozessual zulässig ist).
Derjenige, der eine unselbständige Anschlussberufung einlege, wisse zudem, dass sein Rechtsmittel davon abhängig ist, dass die Berufung des Gegners nicht durch Beschluss zurückgewiesen wird. Dies zwinge zwar nicht zur Kostenteilung, zeige aber auf, dass der Anschlussberufungsführer mit den Kosten nicht unbillig belastet würde. Er wisse, dass sein Risiko darin bestünde, auch ohne jegliche Sachprüfung mit diesem Rechtsmittel keinen Erfolg haben zu können.
Die Kostenquotelung sei nach dem jeweiligen Wert ermittelten Quote der Berufungsanträge zu bemessen.
OLG Stuttgart, Beschluss
vom 18.06.2021 - 23 U 728/21 -
Aus den Gründen:
Tenor
1. Die Berufung
des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 30. September 2020,
Aktenzeichen 20 O 190/20, wird zurückgewiesen.
2. Die
Anschlussberufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom
30. September 2020, Aktenzeichen 20 O 190/20, ist wirkungslos.
3. Von den
Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 8% und die Beklagte 92%.
4. Das
angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die
Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120%
des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die
jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des
jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Der
Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 37.312,93 € festgesetzt
(Berufung des Klägers: 3.091,97 €, Anschlussberufung der Beklagten: 34.220,96
€).
Gründe
I.
Die Parteien
streiten über Ansprüche wegen eines etwaigen Einbaus einer unzulässigen
Abschalteinrichtung in ein Dieselfahrzeug.
Hinsichtlich
der Einzelheiten des Sachverhalts und der Anträge wird auf den Hinweisbeschluss
des Senats vom 12. März 2021 (Bl. 108 ff. d. eA.) und den Tatbestand des
landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Mit dem
Hinweisbeschluss hat der Senat darauf hingewiesen, dass die Berufung nach
übereinstimmender Auffassung des Senats keine Aussicht auf Erfolg habe.
Eine
Stellungnahme des Klägers hierzu ist nicht eingegangen.
II.
Die zulässige
Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie nach
einstimmiger Auffassung des Senats, auch in der geänderten Besetzung,
offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine
grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung
über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung
wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats verwiesen. Mangels
Gegenerklärung sind weitere Ausführungen insoweit nicht erforderlich.
III.
Mit der
Zurückweisung der Berufung verliert gemäß § 524 Abs. 4 Var. 3 ZPO die
Anschlussberufung der Beklagten ihre Wirkung.
IV.
1. Die
Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO und dem Rechtsgedanken
der §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 91a Abs. 1, 92 Abs. 1
Satz 1, 96, 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2, 516 Abs. 3
Satz 1, 565 Satz 1 ZPO.
a) Wer
bei einer Zurückweisung der Berufung durch Beschluss nach § 522
Abs. 2 Satz 1 ZPO die Kosten einer zulässigen Anschlussberufung
trägt, ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, höchstrichterlich nicht
geklärt (offengelassen von BGH, Beschluss vom 7. Februar 2006 – XI ZB 9/05,
juris, Rn. 8) und in der obergerichtlichen Rechtsprechung äußerst umstritten
(zur Literatur siehe z. B. einerseits Zöller/Heßler, ZPO, 33. Aufl. 2020,
§ 524, Rn. 44, und MüKoZPO/Rimmelspacher, 6. Aufl. 2020, § 524, Rn.
60, andererseits BeckOK-ZPO/Wulf, 40. Ed., 1.3.2021, § 524, Rn. 34, und
sehr ausführlich Vidal/Aufderheide, NJW 2016, 3269). Insbesondere kommt
entweder in Betracht, die Kosten des Berufungsverfahrens anhand der jeweiligen
Streitwerte zu teilen oder dem Berufungskläger auch die Kosten der
Anschlussberufung des Gegners aufzuerlegen.
b) Nach
Ansicht des Senats ist es vorzugswürdig, die Kosten des Berufungsverfahrens
entsprechend dem jeweiligen Obsiegen und Unterliegen der Parteien mit Berufung
und Anschlussberufung zu teilen.
aa) Einige
Argumente, die zu dieser Frage vorgebracht wurden, überzeugen nicht.
(1) Dies
gilt zunächst für eine etwaige Missbrauchsgefahr, die für eine Kostenteilung
herangezogen wird, etwa weil ein Berufungsbeklagter allein deshalb
Anschlussberufung einlegen könne, um den Gegner mit weiteren Kosten zu belasten
(so z. B. OLG Köln, Beschluss vom 23. Juli 2009 – 4 UF 80/09, juris, Rn. 9, das
im betreffenden Fall Anhaltspunkte für eine solche Vermutung gesehen hat; s. a.
OLG Stuttgart, Beschluss vom 23. März 2009 – 12 U 220/08, juris, Rn. 5). Einem
Missbrauch kann jedoch im konkreten Einzelfall begegnet werden, was z. B. in
Betracht kommen könnte, wenn die Anschlussberufung erst eingelegt wird, nachdem
das Gericht bereits einen Hinweis erteilt hat, oder wenn sie schon ohne nähere
Sachprüfung offensichtlich unbegründet ist, sowie wenn die Berufung
offensichtlich aussichtslos und dies für den Anschlussberufungskläger bei
Einlegung der Anschlussberufung unzweifelhaft erkennbar ist. Anlass, die Gefahr
eines Missbrauchs auch für diejenigen Fälle heranzuziehen, in denen ein solcher
– was in aller Regel der Fall sein dürfte – nicht ersichtlich ist, besteht
nicht.
(2) Mit
dem Argument, dass mit der Einlegung der Anschlussberufung abgewartet werden
könne, bis das Gericht Termin bestimme und mithin keinen Hinweisbeschluss
erlasse (so z. B. OLG München, Beschluss vom 11. April 2014 – 23 U 4499/13,
juris, Rn. 9; OLG Köln, Beschluss vom 23. Juli 2009 – 4 UF 80/09, juris, Rn. 9;
OLG Stuttgart, Beschluss vom 23. März 2009 – 12 U 220/08, juris, Rn. 5), kann
eine generelle Kostenteilung ebenfalls nicht begründet werden. Gemäß § 524
Abs. 2 Satz 2 ZPO ist – abgesehen von der Ausnahme in Satz 3 –
die Anschließung nur bis zum Ablauf der Berufungserwiderungsfrist möglich. Bis
zu diesem Zeitpunkt wird aber häufig noch keine Entscheidung des Gerichts
erfolgt sein, ob ein Termin bestimmt oder nach § 522 Abs. 2 ZPO
vorgegangen wird. Hinzu kommt, dass das Gericht selbst nach einer
Terminsbestimmung den Termin wieder aufheben und gemäß § 522 Abs. 2 ZPO
vorgehen kann.
(3)
Gegen eine Kostenteilung wiederum spricht nicht, dass die Rücknahme auf einen
gerichtlichen Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO und die Zurückweisung
gemäß § 522 Abs. 2 ZPO kostenmäßig gleichbehandelt werden müssten,
denn die beiden Fälle liegen nicht gleich. Zwar mag die Rücknahme in diesem
Fall für den Berufungskläger nur eingeschränkt und mehr dem Namen nach
„freiwillig“ sein (s. a. OLG München, Beschluss vom 19. November 2013 – 14 U
1510/13, Rn. 20) und es für den Anschlussberufungskläger in der Sache keinen
Unterschied machen, ob seine Anschlussberufung – jeweils ohne (über eine
argumentative Stellungnahme hinausgehende) Einflussmöglichkeit seinerseits und
ohne gerichtliche Sachprüfung – durch Rücknahme oder durch Zurückweisung der
Berufung wirkungslos wird (vgl. Vidal/Aufderheide, NJW 2016, 3269, 3272). Dies
ändert aber nichts daran, dass die Anschlussberufung im einen Fall durch die
gerichtliche Entscheidung, im Beschlusswege vorzugehen statt mündlich zu
verhandeln, und sodann eine gerichtliche Sachentscheidung – wenn auch in der
Sache der Berufung, nicht der Anschlussberufung –, im anderen hingegen durch
eine im Belieben des Berufungsklägers stehende Prozesshandlung wirkungslos wird
(OLG München, Beschluss vom 11. April 2014 – 23 U 4499/13, juris, Rn. 10; s. a.
zur Anschlussrevision BGH, Beschluss vom 11. März 1981 – GSZ 1/80, juris, Rn.
11 f.), weshalb die Grundsätze der Kostenverteilung im Fall der Zurückweisung
der Berufung nicht auf den Fall der Rücknahme nach Hinweis übertragen werden
können (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2006 – XI ZB 9/05, juris, Rn. 8)
oder umgekehrt.
(4)
Allerdings dürfte umgekehrt auch nicht maßgeblich für eine Kostenteilung bei
Zurückweisung sprechen, dass die Rücknahme auch nach Hinweis des Gerichts noch
im Belieben des Klägers steht. Dies trifft zwar zu, dennoch erfolgt eine
Rücknahme nicht zwingend deshalb, weil der Kläger sich von der Argumentation
des Gerichts überzeugen lässt, sondern kann auch allein darauf beruhen, dass er
zur Einsparung von Kosten auf den Versuch verzichtet, das Gericht von seiner
Auffassung zu überzeugen. Wenn er insoweit seinen Anspruch auf rechtliches
Gehör nutzt, sollte ihm das nicht allein mit diesem Argument zum Nachteil
gereichen, zumal nach seiner Stellungnahme vor einer etwaigen Zurückweisung in
aller Regel kein weiterer Hinweis erfolgt, der ihm trotz inhaltlicher Gegenwehr
noch eine kostensparende Rücknahme ermöglicht.
bb) Es
gibt sodann bedenkenswerte Argumente dafür, dem Berufungskläger auch die Kosten
der Anschlussberufung aufzuerlegen.
(1) Der
Gesetzgeber gibt dem Berufungskläger im Rahmen des § 522 Abs. 2 ZPO
nicht nur rechtliches Gehör, sondern auch die Gelegenheit, seine vom Gericht
als aussichtslos eingeschätzte Berufung auf einen entsprechenden Hinweis hin
kostengünstig zurückzunehmen, wodurch auch zur Entlastung der Gerichte
beigetragen werden soll; wird die Rücknahme der Berufung – die, auch wenn sie
nach einem Hinweis des Gerichts erfolgt, zur Folge hat, dass der
Berufungskläger auch die Kosten der Anschlussberufung trägt (vgl. BGH,
Beschluss vom 7. Februar 2006 – XI ZB 9/05, juris, Rn. 7) – hinsichtlich der
Kosten der Anschlussberufung anders behandelt als ihre Zurückweisung durch
Beschluss, steht der Berufungskläger im Falle einer Anschlussberufung je nach
jeweiligem Streitwert in vielen Fällen bei der Rücknahme hinsichtlich der
Kosten wirtschaftlich ungünstiger und wird dann in aller Regel von einer
Rücknahme selbst dann absehen, wenn er von dieser als sinnvoll überzeugt ist
(vgl. z. B. OLG Braunschweig, Beschluss vom 18. Dezember 2019 – 11 U 85/18,
juris, Rn. 13 f.; OLG München, Beschluss vom 19. November 2013 – 14 U 1510/13,
Rn. 21 ff.; KG Berlin, Beschluss vom 30. Oktober 2013 – 26a U 98/13, Rn. 18, a.
E.; OLG Nürnberg, Beschluss vom 3. September 2012 – 6 U 844/12, juris, Rn. 39
ff.).
Ein
„Wertungswiderspruch“ dürfte zwar nicht vorliegen, da der vielfach so genannte
„einsichtige“ Berufungskläger nicht in jedem Fall bessergestellt werden muss
als ein „uneinsichtiger“, der auch nur seinen Anspruch auf rechtliches Gehör
wahrnimmt. Allerdings würde die Bestrebung des Gesetzgebers in den betreffenden
Fällen konterkariert. In vielen dieser Fälle würde der Kläger seine Berufung
allein deshalb weiterführen, um nicht aufgrund der Rücknahme mit höheren Kosten
belastet zu werden, was nicht prozessökonomisch wäre und zu einem höheren
Aufwand bei den Gerichten führte.
(2) Ein
weiteres Argument, das nicht von der Hand gewiesen werden kann, liegt darin,
dass der Anschlussberufungskläger Kosten tragen soll, obwohl nicht nur keine Sachentscheidung
über seine materiell möglicherweise erfolgversprechenden Anträge ergeht – dies
wäre für sich auch im Rahmen des § 93 ZPO oder des § 91a ZPO der Fall
–, sondern dies zudem vollständig „fremdbestimmt“ ohne eigenen Einfluss seinerseits
geschieht (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 18. Dezember 2019 – 11 U 85/18,
juris, Rn. 14; OLG Nürnberg, Beschluss vom 3. September 2012 – 6 U 844/12,
juris, Rn. 36, das hierin einen der Unterschiede zur Entscheidung des BGH,
Beschluss vom 11. März 1981 – GSZ 1/80, juris, zur Anschlussrevision, sieht).
cc)
Erhebliche Gründe sprechen hingegen dafür, die Kosten zwischen dem
Berufungskläger und dem Anschlussberufungskläger zu teilen.
(1) Ein
maßgebliches Grundprinzip der Kostenentscheidung ist es, dass derjenige, der
mit seinem Angriff erfolglos bleibt, die Kosten des Angriffs trägt, und zwar
unabhängig davon, ob dieser sachlich geprüft wurde, bereits unzulässig war oder
von ihm Abstand genommen wurde, die Kostenfolge mithin durch Erfolg und
Misserfolg bestimmt wird (vgl. z. B. OLG Rostock, Beschluss vom 21. Dezember
2018 – 1 U 25/17, Rn. 70 f; OLG München, Beschluss vom 11. April 2014 – 23 U
4499/13, juris, Rn. 8; OLG Köln, Beschluss vom 23. Juli 2009 – 4 UF 80/09,
juris, Rn. 9; OLG Stuttgart, Beschluss vom 23. März 2009 – 12 U 220/08, juris,
Rn. 4; s. a. zur Anschlussrevision BGH, Beschluss vom 11. März 1981 – GSZ 1/80,
juris, Rn. 7).
Die
Anschlussberufung ist zwar kein eigenes Rechtsmittel, sondern nur ein Angriff
innerhalb des vom Berufungsklägers eingelegten Rechtsmittels (vgl. BGH,
Beschluss vom 7. Februar 2006 – XI ZB 9/05, juris, Rn. 6), weshalb jedenfalls
eine unmittelbare Anwendung des diesem Grundprinzip entsprechenden § 97
ZPO nicht in Betracht kommt. Hierauf beschränkt sich der genannte Grundsatz
indes nicht (insoweit verkürzend Vidal/Aufderheide, NJW 2016, 3269, 3271). Er
gilt zunächst insoweit, als nach der grundlegenden Vorschrift des § 91
Abs. 1 Satz 1 ZPO derjenige die Kosten des Rechtsstreits zu tragen
hat, der in diesem unterliegt. Dies setzt sich in § 92 Abs. 1
Satz 1 ZPO fort, der den Fall, dass jede Partei teils obsiegt und teils
unterliegt, entsprechend regelt. Ebenso hat derjenige, der aufgrund eigener
Entscheidung in der Sache erfolglos bleibt, regelmäßig die Kosten zu tragen,
sei es gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO bei einer Klagerücknahme,
gemäß §§ 516 Abs. 3 Satz 1, 565 Satz 1 ZPO bei der
Rücknahme eines Rechtsmittels oder – wie die Ausnahmeregelung des § 93 ZPO
– zeigt bei einem Anerkenntnis des Anspruchs. Auch im Rahmen des § 91a
Abs. 1 Satz 1 ZPO werden im Rahmen der zu treffenden
Ermessensentscheidung die jeweiligen Erfolgsaussichten maßgeblich
berücksichtigt. Schließlich können gemäß § 96 ZPO – wenn auch diese, auf
ausscheidbare Kosten bezogene Vorschrift nicht unmittelbar anwendbar ist
(zutreffend OLG Nürnberg, Beschluss vom 3. September 2012 – 6 U 844/12, juris,
Rn. 37) – die Kosten eines ohne Erfolg gebliebenen Angriffs- oder
Verteidigungsmittels der Partei, die es geltend gemacht hat, sogar dann
auferlegt werden, wenn sie in der Hauptsache obsiegt.
Hieran zeigt
sich auch, dass nicht allein formal darauf abgestellt werden kann, dass die
Anschlussberufung kein eigenes Rechtsmittel ist. Mehr noch als ein Angriffs-
oder Verteidigungsmittel im Sinne des § 96 ZPO, der eine entsprechende
Verteilung (dort im Rahmen einer Kostentrennung) nach Ermessen ermöglicht, ist
die Anschlussberufung nicht nur ein sachliches oder prozessuales Vorbringen, um
einen Anspruch durchzusetzen oder abzuwehren, sondern erstrebt sie – wie die
Berufung selbst, wenn auch prozessual von dieser abhängig – mit Sachanträgen
die Abänderung der angefochtenen Entscheidung.
Auch trifft
zwar formal zu, dass die Wirkungslosigkeit der Anschlussberufung gemäß
§ 524 Abs. 4 ZPO kein Unterliegen im Sinne des § 92 ZPO und
keine Erfolglosigkeit im Sinne des § 96 ZPO ist (so OLG München, Beschluss
vom 19. November 2013 – 14 U 1510/13, juris, Rn. 9 f.). Im Ergebnis indes
unterliegt der Anschlussberufungskläger insoweit und bleibt mit seiner
Anschlussberufung erfolglos, da er mit seinen angekündigten Sachanträgen nicht
durchdringt.
(2) Es
ist zwar richtig, dass dies geschieht, ohne dass eine gerichtliche Sachprüfung
der Anschlussberufung erfolgt, sowie ohne Einflussmöglichkeit seitens des
Anschlussberufungsklägers (vgl. z. B. OLG Nürnberg, Beschluss vom 3. September
2012 – 6 U 844/12, juris, Rn. 37). Demjenigen, der eine Anschlussberufung
eingelegt hat, wäre indes unschwer möglich gewesen, es zu vermeiden, dass ihn eine
nachteilige Kostenfolge ohne inhaltliche Prüfung seiner Anträge nur wegen der
Zurückweisung der Berufung des Gegners treffen kann. Zum einen hätte er
insbesondere eine selbständige Berufung einlegen können, um eine Entscheidung
über seine Anträge sicherzustellen (so auch OLG München, Beschluss vom 11.
April 2014 – 23 U 4499/13, juris, Rn. 9); gleichgültig, ob er sich mit dem
angegriffenen Urteil zufriedengegeben hätte, wenn der Gegner nicht Berufung
eingelegt hätte, oder ob er schlicht die Berufungsfrist versäumt hat, ist ihm
dies jedenfalls zuzurechnen (anders OLG Frankfurt, Beschluss vom 18. Juli 2018
– 13 U 236/16, juris, Rn. 7, das den Berufungskläger als „ursprünglichen
Veranlasser der Anschlussberufung“ sieht). Zum anderen hätte er die Anschlussberufung
unter einer zulässigen auflösenden Bedingung erheben können (vgl. OLG Nürnberg,
Beschluss vom 23. Juli 2012 – 5 U 256/11, juris, Rn. 12), wobei zuzugeben ist,
dass eine entsprechende Bedingung als einzigen prozessualen Sinn die
kostenrechtlichen Konsequenzen hätte (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 3.
September 2012 – 6 U 844/12, juris, Rn. 46).
(3) Wer
eine Anschlussberufung einlegt, weiß zudem, dass deren Erfolg auch davon
abhängt, dass die Berufung des Gegners nicht durch Beschluss zurückgewiesen wird,
und geht dieses Risiko bewusst ein (vgl. z. B. OLG Rostock, Beschluss vom 21.
Dezember 2018 – 1 U 25/17, Rn. 69; OLG München, Beschluss vom 11. April 2014 –
23 U 4499/13, juris, Rn. 9; OLG Nürnberg, Beschluss vom 23. Juli 2012 – 5 U
256/11, juris, Rn. 12; KG Berlin, Beschluss vom 11. Mai 2010 – 6 U 170/09,
juris, Rn. 11; OLG Köln, Beschluss vom 23. Juli 2009 – 4 UF 80/09, juris, Rn.
9; OLG Stuttgart, Beschluss vom 23. März 2009 – 12 U 220/08, juris, Rn. 5). Ihm
ist von vorneherein bekannt, dass er in einem solchen Fall mit den Anträgen der
Anschlussberufung keinen Erfolg haben wird, selbst wenn sie begründet wäre und
ohne dass er hiergegen noch etwas unternehmen kann (entgegen Vidal/Aufderheide,
NJW 2016, 3269, 3271, liegt darin auch kein Zirkelschluss; das Kostenrisiko
wird nicht damit begründet, dass dem Anschlussberufungskläger das Kostenrisiko,
sondern damit, dass ihm das Risiko des Unterliegens bekannt ist). Dieses
Argument zwingt zwar nicht zu einer Kostenteilung (so zu Recht OLG Nürnberg,
Beschluss vom 3. September 2012 – 6 U 844/12, juris, Rn. 44), zeigt aber
jedenfalls, dass der Anschlussberufungskläger damit nicht unbillig belastet
wird. Zwar muss umgekehrt auch derjenige, der Berufung einlegt, damit rechnen,
dass der Berufungsgegner, der sich mit dem Urteil abgefunden hätte, nunmehr
Anschlussberufung erhebt und dadurch weitere Kosten auslöst (so OLG Nürnberg,
a. a. O.), der Unterschied liegt jedoch darin, dass der
Anschlussberufungskläger bereits weiß, dass Berufung eingelegt wurde (und nicht
nur Anschlussberufung eingelegt werden könnte), sein ihm bekanntes Risiko darin
besteht, ohne Sachprüfung seines Antrags mit diesem keinen Erfolg zu haben (und
nicht nur einen Antrag entgegengesetzt zu bekommen, der vor Erfolg vom Gericht
in der Sache geprüft wird), und schließlich der Eintritt des Risikos in der
Hand des Gerichts (und nicht des Gegners) liegt.
dd) Bei
einer Abwägung der unter bb) und cc) genannten Argumente sprechen aus Sicht des
Senats im Ergebnis die gewichtigeren Gründe dafür, die Kosten zu teilen. Dass
die Intention des Gesetzgebers, durch das Verfahren nach § 522 Abs. 2
ZPO in geeigneten Fällen eine für alle Beteiligten prozessökonomische und für
den Kläger zudem kostengünstige Rücknahme der Berufung zu erreichen, im Falle
einer zudem erhobenen Anschlussberufung häufig an der tatsächlichen Grundlage
scheitern wird, dass es für den Kläger im konkreten, wenn auch nicht ganz
seltenen Fall zu keiner Kostenersparnis kommt, muss für diese Ausnahmefälle
hingenommen werden. Abgesehen davon, dass auch in Fällen mit einer
Anschlussberufung je nach jeweiligem Streitwert eine Rücknahme der Berufung
kostengünstiger sein kann als ihre Zurückweisung und der zahlenmäßig
überwiegende Anwendungsfall des § 522 Abs. 2 ZPO, nämlich in Fällen
ohne Anschlussberufung, ohnehin erhalten bleibt, wird das gesetzgeberische Ziel
der Prozessökonomie zumindest teilweise auch dann erreicht, wenn die Berufung
nicht zurückgenommen wird, da jedenfalls ohne mündliche Verhandlung entschieden
werden kann und damit mit einem für alle Beteiligten geringeren Aufwand.
c)
Angesichts des Wertes von Berufung und Anschlussberufung ergibt sich die
tenorierte Quote.
2. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708
Nr. 10, 713 ZPO.
3. Der
Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48, 45
Abs. 2 und 1 Satz 1 GKG bestimmt.
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