Mittwoch, 12. Juni 2019

Sofortiges Anerkenntnis: Kostenlast Beklagter bei Entbehrlichkeit einer vorgerichtlichen Zahlungsaufforderung


Der Kläger wurde durch fingierte Anrufe des Beklagten getäuscht, indem ihm vorgegaukelt wurde, er stünde im Visier einer Diebesbande und die Kriminalpolizei würde bei ihm vorbeikommen, um sein Bargeld sicherzustellen. Der Gehilfe des Beklagten erschien dann beim Kläger als vermeintlicher Kriminalbeamter und der Kläger übergab ihm € 15.700,00.  Ohne vorhergehende Zahlungsaufforderung oder Mahnung erhob der Kläger gegen den Beklagten Klage auf Zahlung dieses Betrages. Der Beklagte erkannte den Anspruch sofort an. Das Landgericht hatte sodann die Kosten des Verfahrens dem Kläger auferlegt, da der Beklagte mangels einer vorhergehenden Zahlungsaufforderung keine Veranlassung zur Klage gegeben habe. Die gegen die Kostenentscheidung vom Kläger eingelegte sofortige Beschwerde (§§ 99 Abs. 2, 567 Abs. 1 ZPO) war erfolgreich und führte zur Kostentragung des Beklagten gem. § 91 Abs. 2 ZPO.

Das OLG hat dahinstehen lassen, ob für eine Kostentragung gem. § 93 ZPO neben dem sofortigen Anerkenntnis auch eine zeitnahe Zahlung, die hier nicht erfolgte, erforderlich ist (dies ist in Rechtsprechung und Literatur streitig; ablehnend wohl BGH, Urteil vom 27.06.1970 - VIII ZR 233/78 -).  Entgegen der Annahme des Landgerichts läge nämlich bereits deshalb kein sofortiges Anerkenntnis vor, da der Beklagte Veranlassung zur Klage gegeben habe.

Eine Veranlassung zur Klageerhebung wird angenommen, wenn aus dem Verhalten der Beklagten Partei vor dem Prozess bei vernünftiger Betrachtung  ein hinreichender Anlass für die Annahme besteht, dass ohne gerichtliche Geltendmachung das Recht nicht realisiert werden kann (BGH aaO.; BGH, Beschluss vom 08.03.2005 - VIII ZB 3/04 -). Wer sich in Zahlungsverzug (jedenfalls bei vorangegangener Mahnung) befindet, hat stets Anlass zur Klageerhebung gegeben, weshalb in diesem Fall die Kostenfolge eines sofortigen Anerkenntnisses nach § 93 ZPO entfällt (BGH, Urteil vom 10.02.2011 - VII ZR 53/10 -).

Das OLG ging vorliegend von einem Zahlungsverzug des Beklagten (trotz fehlender vorgerichtlicher Zahlungsaufforderung) aus: Der Beklagte habe mittels einer Straftat dem Kläger das Geld entzogen. Daher befinde er sich bereits gem. §§ 848, 849 BGB mit der Entziehung in Verzug, ohne dass es hier einer Zahlungsaufforderung oder Mahnung bedurft hätte. Dies stützte das OLG auf den Umstand, dass der Beklagte strafrechtlich (nur) wegen zweier Delikte und damit einer überschaubaren Anzahl von Geschädigten verurteilt worden sei und sich in keiner Weise um die Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen, mit denen er sich in Verzug befunden habe, bemüht habe. Deshalb habe der Kläger davon ausgehen dürfen, dass eine Zahlungsaufforderung vor Klageerhebung folgenlos bleiben würde und lediglich eine unnötige Förmelei darstellen würde.

Vom OLG wird auf eine davon abweichende Entscheidung des BGH (Beschluss vom 30.05.2006 – VI ZB 64/05 -) verwiesen, in dem der BGH ausführte dass zwar möglicherweise bei einem Anspruch aus unerlaubter Handlung wegen Veruntreuung von Geldbeträgen ein sofortiger Verzug vorliegen könne, jedoch bei einer Anzahl von 845 Taten bei 41 Geschädigten und der daraus resultierenden Vielzahl von Ansprüchen sowie in Ansehung der Inhaftierung des Schädigers die Auffassung der Vorinstanz nicht zu beanstanden sei, der Geschädigte hätte nicht davon ausgehen können, dass eine vorgerichtliche Kontaktaufnahme ohne Erfolg geblieben wäre. Das OLG hat hier in Ansehung der geringen Anzahl von Taten/Geschädigten den Rückschluss gezogen, dass vorliegend jedenfalls die Kontaktaufnahme unterbleiben durfte.

Festzuhalten bleibt mithin, dass alleine die Annahme eines Verzugs bei einem Anspruch aus unerlaubter Handlung im Zusammenhang mit einer strafrechtlichen Vermögensschädigung bereits zum Zeitpunkt der Tathandlung nicht schon gefolgert werden kann, dass es einer vorgerichtlichen Zahlungsaufforderung nicht bedarf. Es kommt ersichtlich auf die Umstände des Einzelfalls an, die hier vom OLG zugrunde gelegt und in diesem Fall zugunsten des geschädigten Klägers gewürdigt wurden.

OLG Köln, Beschluss vom 25.01.2019 - 10 W 19/18 -


Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird die Kostenentscheidung aus dem Anerkenntnisurteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 03.12.2018 - 7 O 376/18 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird festgesetzt auf bis 3.000,00 EUR (Kosteninteresse).

Gründe

Die zulässige, §§ 99 Abs. 2, 567 Abs. 1 ZPO, sofortige Beschwerde des Klägers hat Erfolg und führt zur Kostentragung des Beklagten nach § 91 Abs. 1 ZPO. Hierbei kann die zwischen den Parteien streitige Frage, inwieweit für ein sofortiges Anerkenntnis über die Erklärung hinaus bei Geldschulden noch erforderlich wäre, dass diese zeitnah erfüllt werden (vgl. zum Streitstand Zöller-Herget, 32. Aufl. (2018), § 94, Rn. 6 "Geldschulden"), dahinstehen. Ein sofortiges Anerkenntnis liegt nämlich schon deshalb nicht vor, weil der Beklagte Veranlassung zur Klage gegeben hat.
Veranlassung zur Klageerhebung gibt eine Partei, wenn ihr Verhalten vor dem Prozess aus der Sicht des Klägers bei vernünftiger Betrachtung hinreichenden Anlass für die Annahme bietet, er werde ohne Inanspruchnahme der Gerichte nicht zu seinem Recht kommen (BGH, Urt. v. 27.06.1979 - VIII ZR 233/78, NJW 1979, 2040; BGH, Beschl. v. 03.03.2004 - IV ZB 21/03, NJW-RR 2004, 999; BGH, Beschl. v. 08.03.2005 - VIII ZB 3/04, NJW-RR 2005, 1005 (1006)). Wer schon im Zahlungsverzug ist, hat bereits Anlass zur Klageerhebung gegeben, so dass die Kostenfolge des § 93 ZPO nicht mehr in Betracht kommt (BGH, Urt. v. 10.02.2011 - VII ZR 53/10, WM 2011, 541).
Der Beklagte, der - nachdem dem Kläger durch fingierte Anrufe vorgegaukelt worden war, die Kriminalpolizei komme bei ihm vorbei, weil er in das Visier einer Diebesbande geraten sei, worauf der Kläger nachfolgend dem ihn aufsuchenden Gehilfen des Beklagten insgesamt 15.700,00 EUR übergeben hatte - solcherart dem Kläger mittels einer Straftat das Geld entzogen hat, ist indes nach §§ 848, 849 BGB bereits seit dieser Entziehung im Verzug (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 03.03.1982 - 2 W 13/82, MDR 1982, 584), ohne dass es einer weiteren Mahnung oder Zahlungsaufforderung bedurft hätte. Der Beklagte hat sich weiter trotz strafrechtlicher Verurteilung wegen nur zweier einschlägiger Delikte - und somit einer überschaubaren Zahl an Geschädigten (insoweit liegt der Fall vorliegend anders als in der Entscheidung des BGH vom 30.05.2006 - VI ZB 64/05, NJW 2006, 2490, in welcher bei 835 Taten und 41 Geschädigten aus dem reinen Verzug und dem Untätigbleiben des dortigen Beklagten nicht schon auf Klageveranlassung geschlossen werden konnte) - in keiner Weise um Erfüllung der Zahlungspflicht bemüht, mit welcher er im Verzug war, so dass der Kläger zu Recht davon ausgehen durfte, eine Zahlungsaufforderung werde sich als folgenlose und daher unnötige Förmelei darstellen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

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