Die Beteiligte zu 2. war zusammen
mit ihren 2007 und 2011 geborenen Kindern Alleinerbin Ihres ehedem als Landwirt
tätigen Ehemannes und wollte ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück langfristig
verpachten, wozu sie die Genehmigung des Familiengerichts im Hinblick auf die
Beteiligung ihrer Kinder beantragte. Ohne vorherige Anhörung der Beteiligten zu
2. bestellte das Amtsgericht (Familiengericht) für die Vertretung der Kinder
bei der Eingehung des Pachtvertrages die Beteiligte zu 1. (eine Rechtsanwältin)
als Ergänzungspflegerin. Die dagegen von der Beteiligten zu 1. Eingelegte Beschwerde
wurde vom OLG zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss wandte sich die Beteiligte
mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, die erfolgreich war.
Vorliegend geht es um die Frage,
wann eine Ergänzungspflegschaft bei Vornahme von Rechtsgeschäfte (zwingend)
anzuordnen ist. Liegt ein solcher Grund nicht vor, darf auch die (mit zusätzlichen
Kosten für die Beteiligte zu 1. verbundene) Ergänzungspflegschaft nicht
angeordnet werden. Letztlich stellt sich die Bestellung des Ergänzungspflegers
als (teilwiese) Entziehung der gesetzlichen Vertretungsmacht gem. § 1793 Abs. 1
S. 1 BGB dar.
Der BGH wies in seinen Beschluss
zutreffend darauf hin, dass hier § 41 Abs. 3 FamFG („Ein Beschluss, der die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts zum Gegenstand
hat, ist auch demjenigen, für den das Rechtsgeschäft genehmigt wird, bekannt zu
geben.“), den das OLG zur Stützung seiner die Beschwerde zurückweisenden
Beschluss benannte, nicht einschlägig sei. Aus § 43 Abs. 3 FamFG folge nicht,
dass die Entziehung der Vertretungsmacht gem. § 1793 Abs. 1 S. 1 BGB über die
in §§ 1795 und 1796 BGB benannten Fälle hinaus erfolgen könne, da sich § 41 Abs. 3 FamFG
nur auf einen am Genehmigungsverfahren
nicht Beteiligten, selbst verfahrensfähigen Vertretenen beziehe, nicht aber
verlange, dass das nicht verfahrensfähige Kind für eine Bekanntgabe (und auch
für die Vertretung im Genehmigungsverfahren) einen Ergänzungspfleger benötige. Es
fehle hier an einer gesetzlichen Grundlage für die Anordnung der
Ergänzungspflegschaft, weshalb sich ein über die bestehenden Ermächtigungen
hinausgehender Eingriff in das Elternrecht verbiete. Die gesetzliche Vertretung
des Kindes in Kindschaftsverfahren durch die Eltern sei als Bestandteil des
Elternrechts eine wohlerwogene Entscheidung des Gesetzgebers (BGHZ 191, 48; BGH
vom 27.06.2018 - XII ZB 46/18 -).
In Fällen der vorliegenden Art würde
der gesetzliche Vertreter bereits durch das Gericht kontrolliert. Ein Bedürfnis,
hier eine weitere Kontrolle durch einen anderen Vertreter des Rechtsinhabers zu
schaffen, bestehe nicht, soweit kein Interessenswiderstreit bestünde (BGH vom 12.02.2014
- XII ZB 592/12 -). Bei einem Interessenswiderstreit aber greift die
Entziehungsmöglichkeit nach § 1796 Abs. 2 BGB; diese Voraussetzungen wurden
hier nicht festgestellt. Mutter und Kinder würden sich hier in der gleichen
Vertragsstellung (als Verpächter) bei dem Vertrag mit einem Pächter befinden,
weshalb eine Interessenskollision ausscheide, da die Interessen gleichgerichtet
seien. Ob der Vertragsabschluss dem Kindeswohl entspräche, sei in dem
gesonderten Verfahren zu klären (hat also mit einer streitigen
Pflegschaftsbestellung nichts zu tun). Auch ein in § 1795 BGB enumerativ
aufgeführter Fall des Ausschlusses der Vertretung lag ersichtlich nicht vor.
Die Pflegerbestellung durch das
Amtsgericht, gebilligt durch das OLG, sei auch bereits deshalb rechtwidrig, da
sie eindeutig über die Bekanntgabe einer Entscheidung nach § 41 Abs. 3 FamFG
hinausgehen würde und auch über die Vertretung der Kinder im Genehmigungsverfahren
hinausginge, insoweit nach der Anordnung die Ergänzungspflegerin auch bei der
Eingehung des Pachtvertrages mitwirken sollte. Die Beschlüsse vom Amtsgericht
und OLG ließen nicht erkennen, auf Grund welcher Gründe davon ausgegangen werden
könnte, die Mutter könne die Kinder nicht beim Abschluss des Vertrages
vertreten.
Der vorliegende Fall zeigt auf,
dass das Familiengericht, eventuell zur eigenen (argumentativen) Entscheidungsfindung
einen Dritten in Form des Ergänzungspflegers hinzuziehen will. Es sollte schon
im Kosteninteresse stets sorgfältig von Betroffenen geprüft werden, ob die
Anordnung der Ergänzungspflegschaft rechtlich geboten ist; ermangelt es an
einer Rechtsgrundlage, sowohl vom Grundsatz als auch möglicherweise (wie
vorliegend hinzu kam) von der Reichweite, sollten die gebotenen Rechtsmittel
eingelegt werden.
Allerdings hinterlässt diese
Entscheidung gleichwohl einen bitteren Beigeschmack: Der Antrag auf
familiengerichtliche Genehmigung wurde wohl Anfang 1917 gestellt, das
Amtsgericht entschied im März 2017, das OLG Nürnberg am 19.06.2017. Das gesamte
Verfahren hatte mithin zwei Jahre und drei Monate gedauert. Dies können Jahre
gewesen sein, in denen es zu keinen Pachteinnahmen kam. Hinzu kommen die Kosten
des Verfahrens. Auch wenn Gerichtskosten nicht anfielen, so musste sich die
Beteiligte zu 2. (Mutter) jedenfalls vor dem BGH anwaltlich vertreten lassen,
wofür Kosten von ihr zu tragen waren, die sie nicht erstattet bekommt (es denn,
sie wäre diesbezüglich rechtsschutzversichert und könnte sich dort insoweit
„schadlos“ halten). Hier handelt es sich nicht um eine Willkür des BGH, sondern
um Umstände, die in den gesetzlichen Regelungen ihren Grund haben. Ist
Anwaltszwang vorgesehen, so wäre jedenfalls bei Fehlentscheidungen der
Gerichte, soweit nicht ein anderer Kostenschuldner in Betracht kommt, eine
Reglung aufzunehmen, wonach die notwendigen außergerichtlichen Kosten vom Staat
zu tragen sind. Da allerdings bei Rechtstreitigkeiten der vorliegenden Art idR.
der juristische Laie ohnehin überfordert sein dürfte, sollte dies sogar
generell gelten.
BGH, Beschluss vom 03.04.2019 - XII ZB 359/17 -
Aus den Gründen:
Tenor
- Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des 11. Zivilsenats und Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 29. Juni 2017 aufgehoben.
- Auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Amtsgerichts Kelheim vom 22. März 2017 aufgehoben.
- Gerichtskosten werden nicht erhoben.
- Wert: 5.000 €
Gründe
- I.
- Die Beteiligten streiten über die Bestellung eines Ergänzungspflegers für die betroffenen Kinder.
- Die betroffenen Kinder wurden 2007 und 2011 geboren. Ihr Vater war Landwirt. Er verstarb 2016. Die allein sorgeberechtigte Mutter (Beteiligte zu 2) will landwirtschaftlich genutzte Grundstücke, die ihr und den Kindern als Miterben nach dem Vater gehören, langfristig verpachten und hat in einem gesonderten Verfahren hierfür die Genehmigung des Familiengerichts beantragt. Das Amtsgericht hat im von Amts wegen eingeleiteten vorliegenden Verfahren den Kindern – ohne vorherige Anhörung der Mutter – für die Vertretung bei der Eingehung des Pachtvertrags die Beteiligte zu 1, eine Rechtsanwältin, als Ergänzungspflegerin bestellt.
- Die von der Mutter hiergegen eingelegte Beschwerde ist vom Oberlandesgericht zurückgewiesen worden. Dagegen wendet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Mutter.
- II.
- Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
- 1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist bei der Genehmigung eines nicht nur einseitigen Rechtsgeschäfts, hier von langfristigen Pachtverträgen nach §§ 1643 Abs. 1, 1822 Nr. 5 BGB, einem unter 14 Jahre alten Beteiligten zur Wahrung seines rechtlichen Gehörs stets ein Ergänzungspfleger zu bestellen, ohne dass es auf einen festzustellenden Interessengegensatz nach § 1796 BGB ankomme. Das beruhe auf der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Danach könne das rechtliche Gehör nicht durch denjenigen vermittelt werden, dessen Handeln im Genehmigungsverfahren überprüft werden solle. Der Gesetzgeber habe unter ausdrücklichem Hinweis darauf die Regelung des § 41 Abs. 3 FamFG geschaffen. Zwar habe der Bundesgerichtshof für den Fall der Erbausschlagung durch einen Vormund verlangt, dass zur Bestellung eines Ergänzungspflegers für die Entgegennahme des Genehmigungsbeschlusses die Voraussetzungen des § 1796 BGB vorliegen müssten. Dies sei aber ausdrücklich nur für ein einseitiges Rechtsgeschäft entschieden worden und nicht für eine vertragliche Gestaltung. Außerdem ergebe sich ein gesetzlicher Ausschluss der gesetzlichen Vertretung aus verfahrensrechtlichen Gründen. Die Vorschrift des § 41 Abs. 3 FamFG und der dahinter stehende Wille des Gesetzgebers liefen andernfalls bei unter 14jährigen Beteiligten weitgehend ins Leere.
- 2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- a) Gemäß § 41 Abs. 3 FamFG ist ein Beschluss, der die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts zum Gegenstand hat, auch demjenigen bekanntzugeben, für den das Rechtsgeschäft genehmigt wird. Nach der Rechtsprechung des Senats folgt daraus nicht, dass das Vertretungsrecht des Vormunds gemäß § 1793 Abs. 1 Satz 1 BGB über die in § 1796 BGB bezeichneten Fälle hinaus zu entziehen ist. Nach § 1796 Abs. 2 BGB soll die eine Ergänzungspflegschaft auslösende Entziehung des Vertretungsrechts nur erfolgen, wenn das Interesse des Mündels zu dem Interesse des Vormunds in erheblichem Gegensatz steht. Ein Ausschluss des Vertretungsrechts aus verfahrensrechtlichen Gründen jenseits des hier nicht einschlägigen § 1795 BGB oder des § 1796 BGB kommt nicht in Betracht (Senatsbeschluss vom 12. Februar 2014 – XII ZB 592/12 – FamRZ 2014, 640 Rn. 13). Diese für das Vertretungsrecht des Vormunds angeführten Gründe gelten erst recht auch für die gesetzliche Vertretung durch die Eltern.
- aa) Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts begründet der Abschluss von Verträgen keine entscheidende Besonderheit gegenüber der vom Senat bereits entschiedenen Fallkonstellation einer Erbausschlagung (vgl. auch Senatsbeschluss vom 2. Dezember 2015 – XII ZB 283/15 – FamRZ 2016, 296 Rn. 20; zutreffend Weber DNotZ 2015, 498, 502 ff. mwN auch zur aA; MünchKommFamFG/Ulrici 3. Aufl. § 41 Rn. 14 ff.; Staudinger/Veit BGB [2014] § 1796 Rn. 14). Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht dem auch in der vorliegenden Fallgestaltung nicht entgegen. Denn diese bezieht sich auf einen am Genehmigungsverfahren nicht beteiligten, selbst verfahrensfähigen Vertretenen und verlangt, dass diesem der Genehmigungsbeschluss bekanntgegeben werden muss. Daraus und aus der daran orientierten Gesetzesfassung in § 41 Abs. 3 FamFG folgt aber noch nicht, dass das nicht verfahrensfähige Kind für die Bekanntgabe – und ebenfalls hinsichtlich der Vertretung im Genehmigungsverfahren – einen Ergänzungspfleger benötigt. Vielmehr ist im Unterschied zur Stellung des Nachlasspflegers, um den es in dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall ging, die verfassungsrechtlich garantierte elterliche Sorge vom Gesetz nur insoweit eingeschränkt, als die Eltern hinsichtlich bestimmter Verträge nicht unbeschränkt für das Kind handeln können, sondern hierfür einer gerichtlichen Genehmigung bedürfen. Da es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage fehlt, verbietet sich ein über die bestehenden Ermächtigungen hinausgehender Eingriff in das Elternrecht. Der Senat hat dementsprechend bereits in anderem Zusammenhang hervorgehoben, dass die gesetzliche Vertretung des Kindes im Kindschaftsverfahren durch die Eltern als Bestandteil des Elternrechts eine wohlabgewogene Entscheidung des Gesetzgebers darstellt (vgl. Senatsbeschlüsse BGHZ 191, 48 = FamRZ 2011, 1788 Rn. 18 ff. und vom 27. Juni 2018 – XII ZB 46/18 – FamRZ 2018, 1512 Rn. 11 ff.).
- bb) Der gesetzliche Vertreter wird in Fällen der vorliegenden Art schließlich bereits durch das Gericht kontrolliert. Ein Bedürfnis dafür, das der Kontrolle dienende Verfahren sowie das kontrollierende Gericht seinerseits einer generellen weiteren Kontrolle durch einen anderen Vertreter des Rechtsinhabers zu unterstellen, besteht – jedenfalls soweit kein Interessenwiderstreit festgestellt wird – nicht (Senatsbeschluss vom 12. Februar 2014 – XII ZB 592/12 – FamRZ 2014, 640 Rn. 15 mwN).
- b) Die vom Amtsgericht beschlossene und vom Oberlandesgericht gebilligte Pflegerbestellung entspricht den genannten Maßstäben nicht. Sie ist schon deswegen rechtswidrig, weil das Amtsgericht dem Ergänzungspfleger die Vertretung bei der Eingehung eines Pachtvertrags übertragen hat, was deutlich über die Bekanntgabe nach § 41 Abs. 3 FamFG und auch über die Vertretung der Kinder im Genehmigungsverfahren hinausgeht. Aus welchem Grund die sorgeberechtigte Mutter nicht dazu in der Lage sein sollte, die Kinder beim Abschluss des Pachtvertrags zu vertreten, geht weder aus dem angefochtenen Beschluss noch aus dem Beschluss des Amtsgerichts hervor. Diese befassen sich vielmehr allein mit der Bekanntgabe des Genehmigungsbeschlusses.
- Für eine Entziehung der Vertretung nach § 1796 BGB bestehen im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte. Insbesondere besteht keine Interessenkollision zwischen der sorgeberechtigten Mutter und den Kindern. Mutter und Kinder befinden sich als Verpächter vielmehr in der gleichen Vertragsstellung und haben mithin im Zweifel gleichlaufende Interessen. Die Überprüfung, ob die Verpachtung in der konkret vereinbarten Form dem Kindeswohl entspricht, ist dem dafür vorgesehenen gesonderten Verfahren vorbehalten.
- 3. Der angefochtene Beschluss ist mithin aufzuheben. Der Senat kann in der Sache abschließend entscheiden. Auf die Beschwerde der sorgeberechtigten Mutter ist die vom Amtsgericht angeordnete Ergänzungspflegerbestellung ersatzlos aufzuheben.
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