Immer wieder geht es dem Anspruchsteller nicht schnell genug. Ereignet
sich ein Verkehrsunfall, so will er möglichst umgehend nach Mitteilung des Schadensfalls
dem ihm zustehenden Schadensersatz vom gegnerischen Haftpflichtversicherer
haben. Häufig lassen sich Anwälte dazu drängen, schnell eine Klage zu erheben.
Dies mit der ebenfalls immer wieder auftretenden Konsequenz, dass der Versicherer
nach Zustellung der Klage zahle, sich damit die Hauptsache erledigt – und der
geschädigte Kläger gleichwohl die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.
Der hier zugrunde liegende
Verkehrsunfall ereignete sich am 29.08.2018. Am 29.08.2018 gab der Kläger ein
Schadensgutachten in Auftrag, welches am 13.09.2018 erstellt wurde. Mit E-Mail vom
24.09.2018, deren Zugang zwischen den Parteien streitig war, forderte der
spätere Prozessbevollmächtigte des Klägers die beklagte Haftpflichtversicherung
auf, den näher bezifferten Schadensbetrag
binnen 14 Tagen auf sein Fremdgeldkonto zu überweisen. Mit Schreiben vom
11.10.2018 forderte er den Versicherer auf, nunmehr sein Schreiben vom
24.09.2018 innerhalb von sieben Tagen ab Datum dieses Schreibens zu erledigen,
andernfalls er klagen werde. Mit E-Mail vom 30.10.2018 teilte die Beklagte dem
Klägervertreter mit, sie werde für den Schaden dem Grunde nach aufkommen, sein
Schreiben (Mail) vom 24.09.2018 läge aber nicht vor und bat ihn, den Schaden zu
beziffern und zu belegen. Der Kläger
ließ am 05.11.2018 eine auf den 24.10.2018 datierende Klage einreichen. Mit
Schreiben vom 09.11.2018 teilte die Beklagte mit, von einer Prozessführung
absehen zu wollen. Der Klagebetrag sei am gleichen Tag überwiesen worden und
sie ginge von einer Klagerücknahme aus. Im Falle einer
Hauptsacheerledigungserklärung durch den Kläger würde sie dieser unter Verwahrung
gegen die Kosten zustimmen, wobei sie auf ihr ohne Reaktion gebliebenes
Schreiben vom 30.10.2018 verwies. Der Kläger erklärte die Hauptsache in der
Folge als erledigt. Das Landgericht erlegte der Beklagten gem. § 91a ZPO die
Kosten mit Beschluss vom 10.01.2019 auf. Das Landgericht führte aus, dass § 93
ZPO (Regelung zur Kostentragung bei sofortigem Anerkenntnis) nicht anzuwenden
sei, da der Sachvortrag des Klägers zu einem vorprozessualen Verzug von der
Beklagten nicht wirksam bestritten worden sei. Dagegen wandte sich die Beklagte
mit ihrer rechtzeitigen und nach Auffassung des OLG begründeten Beschwerde, auf
Grund der das OLG den Beschluss des Landgerichts abänderte und die Kosten dem
Kläger auferlegte.
Die Beklagte machte im
wesentlichen geltend, das Sachreiben (die Mail) vom 24.09.2018 nicht bekommen
zu haben. Lediglich aus dem weiteren Schreiben vom 30.10.2018 habe sie von der
Existenz erfahren. Aug ihre entsprechende Mitteilung an den Klägervertreter vom
30.10.2018 sei keine Reaktion erfolgt. Eine Regulierung sei mangels einer
Information über den Schadensumfang nicht möglich gewesen. Deshalb sei die
Klage verfrüht erhoben worden. Zudem beginne die Prüfungs- und Reaktionsfrist
erst mit Zugang eines spezifizierten Anspruchsschreibens und betrage je nach
den Umständen des Einzelfalls in der Regel vier bis sechs Wochen. Zum Zeitpunkt
der Datierung der Klageschrift seien erst vier Wochen seit dem
Anspruchsschreiben verstrichen gewesen.
Das OLG folgte der Ansicht der
Beklagten, dass diese keine Veranlassung der Klage gegeben habe und unmittelbar
nach Zustellung der Klage reguliert habe. Nach dem Grundsatz des § 93 ZPO seien
daher die Kosten dem Kläger aufzuerlegen. Im Rahmen der Kostenentscheidung nach
§ 91a ZPO würden die allgemeinen Kostengrundsätze der §§ 91ff ZPO, und damit
auch § 93 ZPO gelten; nach § 93 ZPO seien die Kosten einer ohne Veranlassung
erhobenen Klage dem Kläger aufzuerlegen, wenn der Beklagte unmittelbar nach
Kenntnis einer spezifizierten Anspruchsbegründung (hier in der Klageschrift)
zahle.
Zwar sei dem Kläger bei Abfassung der auf den
24.10.2018 datierenden Klageschrift das Schreiben vom 30.10.2018 noch nicht
bekannt gewesen, aber bei Klageeinreichung am 05.11.2018 als auch bei Zahlung
des Gerichtskostenvorschusses am 02.11.2018. Anlass zur Klageerhebung gebe nur
derjenige, der durch sein Verhalten vernünftigerweise den Schluss auf die
Notwendigkeit einer Klage zulasse (BGH, Beschluss vom 08.03.2015 - VIII ZB 3/04
-). Dabei sei hier zu berücksichtigen, dass einem Kraftfahrt-Pflichtversicherer,
wie der Beklagten, eine Prüfungszeit zuzubilligen sei, die erst mit einem
spezifizierten Anspruchsschreiben (welches die Angabe zum Haftungsgrund und zur
Haftungshöhe enthalten muss) zu laufen beginne und vor deren Ablauf auch keinen
Verzug eintreten lasse und auch keine Klage veranlasse (wenn nicht zuvor der
Anspruch abgelehnt wird). Würde vor Ablauf der Prüfungsfrist Klage erhoben,
könne der Versicherer noch ein Anerkenntnis unter Verwahrung gegen die
Kostenlast abgeben (§ 93 ZPO) oder bei fristgerechter Regulierung und
anschließender Klagerücknahme oder übereinstimmender Erledigungserklärung auf
eine ihn günstige Kostenentscheidung vertrauen. Die Prüffrist betrage
regelmäßig vier bis sechs Wochen, wobei es, auch wenn der Versicherer seine
Prüfung möglichst beschleunigen müsse, keine starren Fristen gebe und maßgebend
die Umstände des Einzelfalls seien. Auch danach sei hier nicht von einer
Veranlassung zur Klageerhebung auszugehen. Für den Zugang des
Anspruchsschreibens vom 24.09.2018 sei (anders als vom Landgericht angenommen)
der Kläger darlegungs- und beweisbelastet, ohne einen Beweis für den Zugang zu
erbringen. Zudem habe er nicht mehr auf das Schreiben der Beklagten vom
30.10.2018 reagiert. Es bedürfe daher hier keiner Entscheidung darüber, welche
Prüffrist im Rahmen von vier bis sechs Wochen angemessen wäre, da ein
spezifiziertes Anspruchsschreiben überhaupt nicht festzustellen sei. Es sei zu
erwarten gewesen, dass die Beklagte bei einer Bezifferung des Schadens
entsprechend ihrer Ankündigung reguliert hätte, wie sie es auch unmittelbar
nach Zustellung der Klage getan habe.
Das Vorbringen der Beklagten im
Beschwerdeverfahren sei auch nicht verspätet. Im Beschwerdeverfahren sind neue
Angriffs- und Verteidigungsmittel zulässig, da die Beschwerdeinstanz
grundsätzlich eine volle zweite Tatsacheninstanz darstelle, für die die
Einschränkungen des § 529 Abs. 1 ZPO für das Berufungsverfahren nicht gelten
würden.
Anmerkung: Es ist mithin anzuraten, dem
Kfz-Versicherer ausreichend Zeit für eine Prüfung zu belassen und sicherzustellen,
dass die den Anspruch dem Grunde und der Höhe nach rechtfertigen Umstände auch
dem Versicherer zugehen.
Saarländisches OLG, Beschluss vom 17.05.2019 - 4 W 4/19 -