Montag, 10. Juni 2019

Vollstreckungskosten des Gläubigers gegen den Schuldner durch Kosten aus Klage gegen Drittschuldner


Die Gläubigerin, die eine titulierte Forderungen gegen den Schuldner hatte, erwirkte am 16.08.2017 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss  (PfÜ) gegen einen Mieter des Schuldners wegen Mietzinsansprüchen für September bis November 2017, die sie mit diesem pfändete und zur Einziehung an sich überweisen ließ. Der Mieter, der mit dem PfÜ Drittschuldner wurde, anerkannte in der vorgeschriebenen Drittschuldnererklärung die Forderung der Gläubigern und kündigte Zahlung an, § 840 ZPO. Da er aber nicht zahlte,  erhob die Gläubigerin gegen ich Zahlungsklage. Es erging gegen den Drittschuldner Versäumnisurteil; die Kosten des Rechtsstreit wurden für die Gläubigerin gegen den Drittschuldner in diesem Verfahren mit € 323,00 festgesetzt.

Nunmehr beantragte die Gläubigern diese Kosten gem. § 788 Abs. 1 S. 1 ZPO gegen den Schuldner festzusetzen. Dieser Antrag wurde (auch Beschwerdeverfahren) abgelehnt. Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde hob der BGH den Beschluss des Beschwerdegerichts auf und verwies die Sache an das Beschwerdegericht zurück.

 Der BGH führte aus, dass das Beschwerdegericht zutreffend davon ausgegangen sei, dass die Kosten eines Rechtsstreits zwischen dem Gläubiger und dem Drittschuldner über eine gepfändete und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesenen Forderung als Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 Abs. 1 S. 1 ZPO erstattungsfähig seien (BGH, Beschluss vom 14.01.2010 - VII ZB 79/09 -).

Ferner sei auch richtig, dass diese Kosten nur gegen den Schuldner festsetzungsfähig seien, soweit sie notwendig waren. Dies sei dann anzunehmen, wenn der Prozess gegen den Drittschuldner nicht von vornherein aussichtslos war. Dabei sei auf die maßgebliche Sicht des Gläubigers bei Erteilung des Klageauftrags abzustellen. Da der Drittschuldner die gepfändete Forderung als begründet anerkannt, aber nicht beglichen habe, sei aus Sicht des Gläubigers keine andere erfolgversprechende Möglichkeit außer der Klage geblieben.

Allerdings war das Beschwerdegericht der Auffassung, eine Festsetzung der Kosten gegen den Schuldner käme erst dann in Betracht, wenn eine Zwangsvollstreckung gegen den Drittschuldner erfolglos geblieben sei. Seine davon abweichende Rechtsauffassung begründete der BGH wie folgt:

Drittschuldnerklage und deren Vorbereitung seien Vollstreckungsmaßnahmen, die unmittelbar dem Vollzug des die Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner betreffenden PfÜ dienen würden. Die Kosten würden sich daher im Verhältnis zum Schuldner nicht als Prozess-, sondern Vollstreckungskosten darstellen, für die das Veranlassungsprinzip gelte; der Schuldner habe sie zu tragen, da er die titulierte Forderung des Gläubigers nicht erfüllt und von daher die Vollstreckungsmaßnahme ausgelöst habe (BGH, Beschluss vom 20.12.2005 - VII ZB 57/05 -).

Auch sei die Festsetzung nicht von einem vorherigen Beitreibungsversuch bei dem Drittschuldner abhängig, wodurch zusätzliche Kosten entstehen würden. Ein solche Vollstreckung gegen den Drittschuldner im Rahmen der Vollstreckung gegen den Schuldner widerspräche dem Sinn und Zweck des § 788 Abs. 1 S. 1 ZPO, nach dem dem Gläubiger ein rasches und einfaches Verfahren zur Durchsetzung seines Anspruchs zur Verfügung stehen solle. Die Festsetzung gegen den Schuldner entfalle nur, wenn die Kosten vom Drittschuldner nach Abschluss des Verfahrens freiwillig gezahlt würden. Im übrigen gäbe es keine vorrangige Haftung des Drittschuldners, für die es im Gesetz keine Stütze gäbe, zumal wenn der Gläubiger nach seinen Erkenntnissen zum Zeitpunkt des Klageauftrages nicht absehen könne, ob der Drittschuldner ihm die Kosten auch ohne Vollstreckung erstatten würde.

 Anderweitiges sei auch nicht aus den Entscheidungen des Senats in Beschlüssen vom 14.01.2010 - VII ZB 79/09 - und vom 20.12.2005 - VII ZB 57/05 - zu entnehmen. Zwar habe dort der Senat ausgeführt, die Festsetzung sei nur zulässig, wenn die Kosten nicht beim Drittschuldner beigetrieben werden könnten.  Dem hätten Sachverhalte zugrunde gelegen, nach denen der Gläubiger gegen die Drittschuldner keinen Kostenerstattungsanspruch gehabt habe. Ausdrücklich würde klarstellend festgehalten, dass für die Festsetzungsfähigkeit der Kosten einer Drittschuldnerklage nach § 788 Abs. 1 S. 1 ZPO eine vorherige Vollstreckung des Gläubigers gegen den Drittschuldner nicht erforderlich sei. Vorliegend folge die Festsetzungsfähigkeit bereits aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss und der fehlenden Zahlung durch den Drittschuldner.

Die Zurückverweisung erfolge, da sich das Beschwerdegericht noch keine Feststellungen zur Höhe der festzusetzenden Kosten getroffen habe.

BGH, Beschluss vom 03.04.2019 - VII ZB 58/18 -


Aus den Gründen:


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn vom 27. August 2018 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Gegenstandswert: 323 €

Gründe

I.
Die Gläubigerin ist Inhaberin einer titulierten Forderung gegen den Schuldner.
Sie erwirkte am 16. August 2017 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit dem die Ansprüche des Schuldners gegen den Drittschuldner (Mietzinsansprüche für die Monate September, Oktober und November 2017) gepfändet und ihr zur Einziehung überwiesen wurden. Entgegen seiner vorherigen Erklärung gemäß § 840 Abs. 1 ZPO, die Forderung anzuerkennen und zu gegebener Zeit zu überweisen, zahlte der Drittschuldner nicht. Die Gläubigerin erhob daraufhin Klage gegen den Drittschuldner. Dieser Rechtsstreit endete durch Erlass eines Versäumnisurteils gegen den Drittschuldner, in welchem ihm die Kosten des Rechtsstreits auferlegt wurden; diese wurden sodann auf Antrag der Gläubigerin mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. Februar 2018 in Höhe von 323 € festgesetzt. Der Drittschuldner zahlte die festgesetzten Kosten nicht.
Die Gläubigerin hat beantragt, die Kosten des Drittschuldnerprozesses gegen den Schuldner nach § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO festzusetzen. Dieser Antrag hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihr Festsetzungsbegehren weiter.
II.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die Kosten eines Drittschuldnerprozesses seien grundsätzlich als Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 Abs. 1 ZPO erstattungsfähig. Bei dem Drittschuldnerprozess handele es sich um eine Vollstreckungsmaßnahme des Gläubigers. Die dadurch angefallenen Kosten habe der Schuldner verursacht, weil er die Forderung des Gläubigers nicht erfüllt habe. Festsetzungsfähig im Verfahren nach § 788 Abs. 1 ZPO seien die dem Gläubiger in einem Drittschuldnerprozess entstandenen Kosten allerdings nur, soweit sie notwendig gewesen seien. Die Gläubigerin habe nicht den Nachweis erbracht, dass die Kosten bei dem Drittschuldner nicht beizutreiben gewesen seien. Dass der Drittschuldner tatsächlich nicht gezahlt habe, reiche im Hinblick auf die nach § 788 Abs. 1 ZPO zu beachtende vorrangige Haftung des in Anspruch genommenen Drittschuldners nicht aus. Die Gläubigerin habe zu der Erfolglosigkeit eines Vollstreckungsversuchs hinsichtlich der Kosten des Drittschuldnerprozesses keinen Vortrag gehalten und keinen Nachweis erbracht. Infolgedessen könne eine Notwendigkeit der Festsetzung der Kosten gemäß § 788 Abs. 1 ZPO gegenüber dem Schuldner nicht angenommen werden.
2. Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass die Kosten eines Rechtsstreits zwischen dem Gläubiger und dem Drittschuldner über eine gepfändete und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesene Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner als Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO erstattungsfähig sind (BGH, Beschluss vom 14. Januar 2010 - VII ZB 79/09 Rn. 7, NJW 2010, 1674; Beschluss vom 20. Dezember 2005 - VII ZB 57/05, NJW 2006, 1141, juris Rn. 9 f.).
b) Zu Recht hat das Beschwerdegericht ferner angenommen, dass die Kosten des Drittschuldnerprozesses gegen den Schuldner gemäß § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur festsetzungsfähig sind, soweit sie notwendig waren. Davon ist auszugehen, wenn der Prozess gegen den Drittschuldner nicht von vornherein aussichtslos gewesen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2010 - VII ZB 79/09 Rn. 8 f., NJW 2010, 1674).
Aus der maßgeblichen Sicht der Gläubigerin gab es bei Erteilung des Klageauftrags keine andere erfolgversprechende Möglichkeit, die zur Einziehung überwiesene Forderung durchzusetzen, als gerichtlich gegen den Drittschuldner vorzugehen. Dieser hatte zwar erklärt, die gepfändete Forderung "als begründet anzuerkennen", sie indes nicht beglichen. Im Hinblick darauf war die Drittschuldnerklage nicht mutwillig. Sie war auch, wie sich bereits aus der späteren Verurteilung des Drittschuldners ergibt, nicht von vornherein aussichtslos.
c) Entgegen der Annahme des Beschwerdegerichts sind die dem Gläubiger im Drittschuldnerprozess entstandenen Kosten nicht erst nach einem erfolglosen Vollstreckungsversuch gegen den Drittschuldner im Verhältnis zum Schuldner festsetzungsfähig.
aa) Die Drittschuldnerklage und deren Vorbereitung sind Vollstreckungsmaßnahmen des Gläubigers, die unmittelbar dem Vollzug des die Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner betreffenden Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses dienen. Die Kosten des Drittschuldnerprozesses stellen daher im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner nicht Prozess-, sondern Vollstreckungskosten dar, für die - wie das Beschwerdegericht im Ausgangspunkt nicht verkannt hat - das Veranlassungsprinzip gilt. Der Schuldner hat sie zu tragen, weil er den titulierten Anspruch des Gläubigers nicht erfüllt und hierdurch dessen Drittschuldnerklage als Vollstreckungsmaßnahme ausgelöst hat (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2005 - VII ZB 57/05, NJW 2006, 1141, juris Rn. 10 f., 14).
bb) Die Festsetzung dieser Kosten im Verhältnis zum Schuldner kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass der Gläubiger zunächst noch zusätzliche, weitere Kosten auslösende (Vollstreckungs-)Maßnahmen gegen den Drittschuldner ergreift. Eine solche "Vollstreckung (gegenüber dem Drittschuldner) innerhalb der Vollstreckung (gegenüber dem Schuldner)" widerspräche dem Sinn und Zweck des § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wonach dem Gläubiger ein rasches und einfaches Verfahren zur Durchsetzung seines Anspruchs zur Verfügung stehen soll (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2005 - VII ZB 57/05, NJW 2006, 1141, juris Rn. 15). Zwar entfällt für den Gläubiger das Erfordernis, die Kosten der Drittschuldnerklage gegen den Schuldner festsetzen zu lassen, dann, wenn der Drittschuldner sie nach Abschluss des betreffenden Prozesses freiwillig zahlt. Ist das aber nicht der Fall, gilt entgegen der Annahme des Beschwerdegerichts keine "vorrangige Haftung" des Drittschuldners. Ein solcher Vorrang findet im Gesetz keine Grundlage. Er wäre insbesondere auch damit unvereinbar, dass die Notwendigkeit der erstattungsfähigen Kosten im Sinne von § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO sich allgemeiner Auffassung zufolge (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 32. Auf. § 788 Rn. 9a m.w.N.) nach den Erkenntnissen des Gläubigers im Zeitpunkt der Verursachung der Voll-streckungsmaßnahme - hier also demjenigen der die Kosten auslösenden Erhebung der Drittschuldnerklage - bestimmt, zu dem für den Gläubiger regelmäßig nicht absehbar ist, ob der Drittschuldner ihm deren Kosten später auch ohne Vollstreckung erstatten wird.
cc) Zu Unrecht hat das Beschwerdegericht aus zwei Senatsentscheidungen (BGH, Beschluss vom 14. Januar 2010 - VII ZB 79/09 Rn. 10, NJW 2010, 1674; Beschluss vom 20. Dezember 2005 - VII ZB 57/05, NJW 2006, 1141, juris Rn. 16) gefolgert, die Kosten der Drittschuldnerklage seien nur dann als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner festsetzungsfähig, wenn der Gläubiger insoweit die Erfolglosigkeit eines Vollstreckungsversuchs gegen den Drittschuldner nachgewiesen habe. Zwar hat der erkennende Senat in beiden Entscheidungen ausgeführt, der Schuldner habe die Kosten des Drittschuldnerprozesses - neben weiteren Voraussetzungen - nur dann zu tragen, wenn sie beim Drittschuldner nicht beigetrieben werden könnten. Die Beitreibbarkeit entfiel aber in den den beiden vorgenannten Entscheidungen zugrundeliegenden Sachverhalten, wie sich aus der jeweiligen Entscheidungsbegründung ergibt, schon deshalb, weil dem Gläubiger bereits von Rechts wegen kein Kostenerstattungsanspruch gegen den Drittschuldner zustand. Vorsorglich stellt der Senat daher klar, dass für die Festsetzungsfähigkeit der Kosten einer Drittschuldnerklage nach § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO eine vorherige Vollstreckung des Gläubigers gegen den Drittschuldner nicht erforderlich ist. In diesem Sinne nicht beigetrieben werden können die betreffenden Kosten schon dann, wenn der Drittschuldner - sofern ihm gegenüber grundsätzlich ein Erstattungsanspruch des Gläubigers besteht - nicht freiwillig leistet. Zur Feststellung dieses Erfordernisses bedarf es keiner Vollstreckungsmaßnahme. Im Streitfall folgt die fehlende Beitreibbarkeit jedenfalls daraus, dass der Drittschuldner die Kosten, obwohl sie bereits durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. Februar 2018 gegen ihn festgesetzt wurden, bislang nicht an den Gläubiger gezahlt hat.

III.
Das Beschwerdegericht hat, von seinem Standpunkt aus zu Recht, keine abschließenden Feststellungen zu den festzusetzenden Kosten getroffen. Die Aktenlage gestattet auch dem Senat insoweit keine Entscheidung. Die Sache war daher unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, damit die notwendigen Feststellungen getroffen werden können, um über den Festsetzungsantrag des Gläubigers endgültig zu befinden.

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