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Dienstag, 23. Februar 2021

„Zu erbringen hat“ (§ 116 Abs. 1 SGB X) knüpft an Leistungspflicht, nicht an tatsächlich erbrachte Leistung

Der Vater der 14-jährigen Geschädigten beantragte bei der Rentenversicherung stationäre Rehabilitationsleistungen, die diese erbrachte und nach § 116 Abs. 1 SGB X bei dem Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers regressierte. Dieser leistete unter Vorbehalt und forderte dann die Zahlung mit der Begründung zurück, die Geschädigte sei nicht Mitglied der Rentenversicherung. Die Vorinstanzen gaben der Klage statt; die zugelassene Revision der Rentenversicherung führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Vom Grundsatz normiert § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X, dass ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften (z.B. nach § 7 StVG, § 823 BGB) beruhender Schadensersatzanspruch auf den Versicherungsträger übergeht, soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen (sachliche Kongruenz) sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen (zeitliche Kongruenz). Dabei sei auf die Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers abzustellen (im Gesetz heißt es „zu erbringen hat“), nicht auf eine tatsächlich erbrachte Leistung. Fehlt mithin die Leistungspflicht, kann selbst bei erbrachter Leistung der Anspruch nicht gem. § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X geltend gemacht werden, da es dann einem dort benannten gesetzlichen Forderungsübergang ermangelt.

Geht man mithin (insoweit fehlten Feststellungen der Vorinstanzen, weshalb es zur Zurückverweisung kam) davon aus, dass vorliegend  Ersatzansprüche nach § 7 Abs. 1 StVG gegenüber dem Haftpflichtversicherer gem. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG bestanden, ferner, dass die stationäre Rehabilitationsbehandlung auf den unfallbedingten Verletzungen zurückzuführen war, und die Rentenversicherung hier nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI auf Antrag Leistungen zu erbringen hatte, habe sachliche und zeitliche Kongruenz auf Ersatz gegen den Haftpflichtversicherer bestanden. Zwar sei die Geschädigte selbst nicht Mitglied der Rentenversicherung. § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI lautet:

„Als sonstige Leistungen zur Teilhabe können erbracht werden:

4. stationäre Heilbehandlung für Kinder von Versicherten, … , wenn hierdurch voraussichtlich eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit beseitigt oder eine beeinträchtigte Gesundheit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann,

…“

(§ 31 SGB 6 in der Fassung vom 17.7.2015)

Entscheidend für den Anspruch über § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X sei nicht, ob die Leistung auf einer Mitgliedschaft des Geschädigten beruhe, oder ob der Geschädigte nur Begünstigter sei. In beiden Fällen läge eine den Forderungsübergang begründende Identität zwischen Schadensersatzberechtigten und Leistungsempfänger vor.

Der Zweck des § 116 SGB X sei es zu vermeiden, dass der Schädiger durch die dem Geschädigten zufließende Sozialleistung haftungsfrei gestellt würde oder der Geschädigte doppelt entschädigt würde (BGH, Urteil vom 08.07.2003 - VI ZR 274/02 -).

Anderes würde sich auch nicht aus dem Urteil des Senats vom 24.04.2012 - VI ZR 329/10 - ergeben. Dort sei es um die Frage gegangen, ob die Forderung bereits zum Zeitpunkt des schadenstiftenden Ereignisses auf den Sozialversicherungsträger übergegangen sei, wenn zu diesem Zeitpunkt das Sozialversicherungsverhältnis noch nicht besteht. Erforderlich sei für dem Übergang zum Schadenzeitpunkt, dass eine Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers gegenüber dem Geschädigten nicht völlig unwahrscheinlich sei. Sind Sozialleistungen auf Grund eines Sozialversicherungsverhältnisses zu erbringen, setze ein Rechtsübergang zu diesem Zeitpunkt allerdings das Bestehen einer Mitgliedschaft voraus; wird die Mitgliedschaft erst später begründet, würde der Übergang auch erst zu diesem späteren Zeitpunkt eintreten. Im Urteil vom 24.04.2012 sei es um den Forderungsübergang auf den Rentenversicherungsträger aus einem erst Jahre nach dem Unfall begründeten Versicherungsverhältnis gegangen.

Zusammenfassend hielt der BGH fest, dass die Differenzierung im Hinblick darauf erfolge, welche Sozialleistungen aus welchem Sozialversicherungsverhältnis im Rahmen des Forderungsübergangs geltend gemacht würden. Hier handele es sich um Ansprüche aus Sozialleistungen zugunsten der Geschädigten, die an das Rentenversicherungsverhältnis ihres Vaters anknüpfen würden.

BGH, Urteil vom 19.01.2021 - VI ZR 125/20 -