Freitag, 6. September 2024

Einberufung der Gesellschafterversammlung einer PartG mbB durch Nichtberechtigten

Der PartG mbB (Partnerschaftsgesellschaft bestehend aus Rechtsanwälten) gehörten neben dem Kläger die Beklagten zu 1 und 4, zeitweise auch die Beklagten zu 2 und 3 als Partner an. Nach dem Gesellschaftsvertrag war die Partnerversammlung vom Managing Partner einzuberufen. Der Beklagte zu 4 berief zu einer Partnerversammlung ein, deren Tagesordnung den Ausschluss des Klägers vorsah. Der Ausschlussbeschluss wurde mit den Stimmen der Beklagten zu 1 bis 4 in Abwesenheit des Klägers gefasst. Der Kläger erhob Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses. Die Klage wurde ebenso wie die dagegen eingelegte Berufung zurückgewiesen. Auf die vom BGH zugelassene Revision wurde das Urteil aufgehoben und der Rechtstreit an das Berufungsgericht (OLG Frankfurt) zurückverwiesen.

In der Partnerschaftsgesellschaft würden die zum Personengesellschaftsrecht entwickelten Grundsätze zur Behandlung von Beschlussmängeln gelten (BGH, Urteil vom 19.04.2013 - II ZR 3/12 -). Die Einberufung durch einen Unbefugten würde bei der Personengesellschaft zur Nichtigkeit der auf der Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse führen (BGH, Urteil vom 13.05.2014 - II ZR 250/12 -). Diese Rechtsfolge habe das OLG hier mit der Begründung nicht angenommen, da weder dargetan noch ersichtlich wäre, dass bei Ladung durch den Managing Partner der Beschlussinhalt ein anderer gewesen wäre. Dem wollte der BGH nicht folgen.

Die Rechtsprechung vor der Reform durch das Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz (vom 10.08.2021, in Kraft seit dem 01.01.2024) habe eine Nichtigkeit wegen Fehlern bei der Form, Frist und Inhalt einer Einberufung bei Verletzung des Dispositionsschutzes ausgeschlossen, wenn nicht ausgeschlossen werden konnte, dass das Zustandekommen des Beschlusses durch den Fehler nicht beeinflusst sei. Diese Rechtsprechung sei aber nicht auf die Einberufung durch einen Unbefugten übertragbar. Dessen Einberufung würde nach der ständigen Rechtsprechung rechtsformübergreifend stets die Unwirksamkeit der Einladung und damit die Nichtigkeit der auf der Versammlung gefassten Beschlüsse zur Folge haben (BGH, Urteil vom 16.12.1953 - II ZR 167/52 -). In diesen Fällen läge nicht ein bloßer Formmangel vor, vielmehr fehle ein Mindesterfordernis der Gesellschafterversammlung, weshalb die Ladung durch einen Unbefugten einer Nichtladung gleichkäme. Die Beachtung der Ladungsbefugnis diene der Sicherung eines für jeden Gesellschafter unverzichtbaren Gesellschaftsrechts, seines Teilnahmerechts an der Gesellschafterversammlung und der damit verbundenen Willensbildung der Gesellschaft; auf die Ladung eine Unbefugten müsse er nicht reagieren.

Dass es sich vorliegend um eine personalistisch geprägte Gesellschaft handelte, sah der BGH in Ansehung des Gewichts der drohenden Rechtsbeeinträchtigung nicht als Grund für eine Abweichung von diesen Grundsätzen an. Insoweit verwies der BGH auch auf die Aktiengesellschaften und die GmbH (bei der nach ständiger Rechtsprechung aktienrechtliche Grundsätze übertragen würden), bei denen die Nichtigkeit der Beschlüsse auf einer von einem Unbefugten geladenen Gesellschafterversammlung in § 241 Nr.1, § 121 Abs. 2 AktG ihren Niederschlag gefunden hätten, unabhängig davon, ob es sich um einen kleinen oder großen Gesellschafterkreis handele.     

Da sich der Kläger darauf berufen habe, dass der Beklagte zu 4 nicht Managing Partner gewesen sei, das Berufungsgericht dazu aber keine Feststellungen getroffen hatte (fehlerhaft davon ausgehend, dass es hier darauf nicht ankommen würde), war das Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zurück zu verweisen.

BGH, Urteil vom 16.07.2024 - II ZR 100/23 -


Aus den Gründen:

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 20. Juni 2023 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 10. August 2023 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger ist neben dem Beklagten zu 1 und dem Beklagten zu 4 Gründungspartner der am 1. Januar 2007 gegründeten B.

Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB in Frankfurt am Main (im Folgenden: Partnerschaftsgesellschaft), der zwischenzeitlich auch die Beklagten zu 2 und zu 3 als Partner angehören.

§ 4 Nr. 4 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags der Partnerschaftsgesellschaft lautet wie folgt:

"Die Partnerversammlung wird vom Managing Partner einberufen."

Mit einem auch an den Kläger gerichteten Schreiben vom 30. Juli 2020 lud der Beklagte zu 4 zu einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung am 7. August 2020 ein. Die Einladung sah als Tagesordnungspunkt den Ausschluss des Klägers vor.

Der Beschuss über den Ausschluss des Klägers mit sofortiger Wirkung wurde mit den Stimmen der Beklagten zu 1 bis 4 in Abwesenheit des Klägers gefasst.

Der Kläger hat unter anderem die Feststellung beantragt, dass der in der Gesellschafterversammlung vom 7. August 2020 gefasste Beschluss über seinen Ausschluss nichtig ist. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung des Klägers ist zurückgewiesen worden. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Ausschließungsbeschlusses weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, ausgeführt, die Einberufung zur Gesellschafterversammlung am 7. August 2020 weise keine formellen Mängel auf. Der Einwand des Klägers, die Einberufung sei nicht durch den damaligen Managing Partner erfolgt, sei unerheblich. Etwaige Verstöße gegen Form, Frist und Inhalt der Einberufung einer Gesellschafterversammlung könnten nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei Personengesellschaften nur dann zur Nichtigkeit des Beschlusses führen, wenn nicht ausgeschlossen werden könne, dass sein Zustandekommen durch den Fehler beeinflusst sei. Es sei weder dargetan noch ersichtlich, dass der Beschlussinhalt ein anderer gewesen wäre, wenn der Managing Partner, wie nach dem Gesellschaftsvertrag vorgesehen, eingeladen hätte und nicht der Beklagte zu 4.

II. Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, es sei unerheblich, ob der Managing Partner der Gesellschaft zur Gesellschafterversammlung am 7. August 2020 eingeladen habe. Bei der Partnerschaftsgesellschaft führt die Einberufung durch einen Unbefugten zur Unwirksamkeit der Einladung und zur Nichtigkeit der auf der Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse.

1. In der Partnerschaftsgesellschaft gelten für die Behandlung von Beschlussmängeln die zum Personengesellschaftsrecht entwickelten Grundsätze (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2013 - II ZR 3/12, ZIP 2013, 1021 Rn. 7 f., 14; Urteil vom 11. März 2014 - II ZR 24/13, ZIP 2014, 1019 Rn. 13 f.). Bei der Personengesellschaft führt die Einberufung durch einen Unbefugten zur Nichtigkeit der auf der Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse (BGH, Urteil vom 13. Mai 2014 - II ZR 250/12, BGHZ 201, 216 Rn. 12; Urteil vom 25. Oktober 2016- II ZR 231/15, juris Rn. 15; Urteil vom 25. Oktober 2016 - II ZR 230/15, ZIP 2017, 281 Rn. 30).

2. Zu Unrecht verneint das Berufungsgericht die Nichtigkeit des Beschlusses mit der Begründung, es sei weder dargetan noch ersichtlich, dass der Beschlussinhalt ein anderer gewesen wäre, wenn der Managing Partner, wie nach dem Gesellschaftsvertrag vorgesehen, eingeladen hätte und nicht der Beklagte zu 4. Darauf, ob die Einladung durch einen Unbefugten das Zustandekommen des auf der Gesellschafterversammlung gefassten Beschlusses beeinflusst hat, kommt es nicht an.

a) Abweichend von dem im Personengesellschaftsrecht vor der Reform durch das Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz allgemein vorherrschenden Grundsatz der Nichtigkeit mangelhafter Beschlüsse (BGH, Urteil vom 9. April 2013 - II ZR 3/12, ZIP 2013, 1021 Rn. 14; Urteil vom 3. Februar 2015 - II ZR 105/13, ZIP 2015, 778 Rn. 20 f.; Beschluss vom 23. September 2021 - I ZB 13/21, ZIP 2022, 124 Rn. 17 - Schiedsfähigkeit IV mwN; MüKoBGB/Schäfer, 9. Aufl., § 714 Rn. 72), können Verstöße gegen Form, Frist und Inhalt der Einberufung einer Gesellschafterversammlung zwar nur dann zur Nichtigkeit des Beschlusses führen, wenn der mit den gesellschaftsvertraglichen oder gesetzlichen Ladungsbestimmungen verfolgte Zweck, dem einzelnen Gesellschafter die Vorbereitung auf die Tagesordnungspunkte und die Teilnahme an der Versammlung zu ermöglichen, vereitelt wird. Wird dieser "Dispositionsschutz" verletzt, liegt ein zur Nichtigkeit der in der Versammlung gefassten Beschlüsse führender schwerwiegender Mangel vor. Der Verfahrensmangel führt aber nur zur Nichtigkeit des Beschlusses, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass sein Zustandekommen durch den Fehler beeinflusst ist (BGH, Urteil vom 10. Oktober 1983 - II ZR 213/82, WM 1983, 1407, 1408; Urteil vom 11. März 2014- II ZR 24/13, ZIP 2014,1019 Rn. 13; Urteil vom 3. Februar 2015 - II ZR 105/13, ZIP 2015, 778 Rn. 22).

b) Diese Rechtsprechung ist jedoch auf die Einberufung durch einen Unbefugten nicht übertragbar.

aa) Die Einberufung der Gesellschafterversammlung durch einen Unbefugten führt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs rechtsformübergreifend zur Unwirksamkeit der Einladung und zur Nichtigkeit der auf der Versammlung gefassten Beschlüsse (vgl. BGH, Urteil vom16. Dezember 1953 - II ZR 167/52, BGHZ 11, 231, 236 f.; Urteil vom26. Oktober 1955 - VI ZR 90/54, BGHZ 18, 334, 337; Urteil vom 19. Juni 1961- II ZR 123/59, WM 1961, 799; Urteil vom 7. Februar 1983 - II ZR 14/82, BGHZ 87, 1, 2; Urteil vom 13. Mai 2014 - II ZR 250/12, BGHZ 201, 216 Rn. 12; Urteil vom 25. Oktober 2016 - II ZR 231/15, juris Rn. 15; Urteil vom 25. Oktober 2016- II ZR 230/15, ZIP 2017, 281 Rn. 30; Urteil vom 8. November 2016- II ZR 304/15, BGHZ 212, 342 Rn. 13; Urteil vom 9. Januar 2024 - II ZR 220/22, ZIP 2024, 567 Rn. 17).

bb) Bei der Einberufung durch einen Unbefugten liegt kein bloßer Formmangel vor. In diesem Fall fehlt vielmehr ein Mindesterfordernis der Gesellschafterversammlung (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 1953 - II ZR 167/52,BGHZ 11, 231, 236 f.; Urteil vom 26. Oktober 1955 – VI ZR 90/54, BGHZ 18, 334, 338). Die Ladung durch einen Unbefugten kommt einer Nichtladung gleich und kann vom Geladenen unbeachtet bleiben, ohne dass ihm hieraus nachteilige Rechtsfolgen erwachsen dürfen. Die Beachtung der Ladungsbefugnis dient damit der Sicherung eines für jeden Gesellschafter unverzichtbaren Gesellschafterrechts, seines Teilnahmerechts an der Gesellschafterversammlung und der damit verbundenen Einflussmöglichkeit auf die Willensbildung der Gesellschaft (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2006 - II ZR 200/04, ZIP 2006, 707 Rn. 13;Beschluss vom 24. März 2016 - IX ZB 32/15, ZIP 2016, 817 Rn. 21; jeweils zur GmbH; Urteil vom 17. Januar 2023 - II ZR 76/21, ZIP 2023, 467 Rn. 30; Schäfer, ZIP 2021, 1527, 1531).

cc) Im Hinblick auf das Gewicht der drohenden Rechtsbeeinträchtigung bei Ladung durch einen Unbefugten ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch dann kein Grund für eine andere Beurteilung ersichtlich, wenn es sich, wie vorliegend, um eine personalistisch geprägte Gesellschaft handelt. Dies wird bestätigt durch einen vergleichenden Blick in das Kapitalgesellschaftsrecht. Bei der Aktiengesellschaft und bei der GmbH, auf welche die aktienrechtlichen Grundsätze in ständiger Rechtsprechung übertragen werden, hat die Nichtigkeit eines auf einer durch einen Unbefugten einberufenen Gesellschafterversammlung gefassten Beschlusses ihren Niederschlag in § 241 Nr. 1, § 121 Abs. 2 AktG gefunden, ohne dass danach differenziert wird, ob es sich um eine Gesellschaft mit einem kleinen oder einem großen Gesellschafterkreis handelt.

2. Nach § 4 Nr. 4 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags der Partnerschaftsgesellschaft wird die Gesellschafterversammlung vom Managing Partner einberufen. Ausweislich der tatbestandlichen Feststellungen hat der Kläger behauptet, der einberufende Beklagte zu 4 sei nicht Managing Partner der Sozietät gewesen. Das Berufungsgericht hat hierzu keine Feststellung getroffen, sondern ausgeführt, sofern der Kläger mit der Berufung rüge, es habe nicht der Managing Partner für die Versammlung eingeladen, sei dies unerheblich. Wenn das Berufungsgericht zu Tatsachen keine Feststellungen getroffen hat, ist bei der revisionsrechtlichen Prüfung die Richtigkeit des Sachvortrags des Revisionsklägers im Berufungsverfahren zu unterstellen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 VIa ZR 533/21, NJW 2023, 2270 Rn. 28; Urteil vom 21. Juli 2023 V ZR 112/22, juris Rn. 33; Urteil vom 24. Oktober 2023 - II ZR 211/21, NZG 2024, 482 Rn. 24).

III. Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar, § 561 ZPO. Der Beklagte zu 4 kann in der Beurteilung durch den Senat entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht für den Fall als zur Einberufung der Gesellschafterversammlung befugt angesehen werden, dass es im Einberufungszeitpunkt keinen Managing Partner gegeben hat.

Zum einen ist auch das nicht festgestellt, sondern nur davon auszugehen, dass der Beklagte zu 4 nicht Managing Partner war. Ob und unter welchen Umständen andere Gesellschafter der Partnerschaftsgesellschaft eine Gesellschafterversammlung einberufen dürfen, wenn ein Managing Partner fehlt, kann zum anderen nur durch eine nach den §§ 133, 157 BGB vorzunehmende Auslegung des Gesellschaftsvertrags bestimmt werden, die weitgehend in der Verantwortung des Tatrichters liegt (BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 - II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 Rn. 15; Urteil vom 22. September 2020 - II ZR 141/19, ZIP 2020, 2117, 2119 Rn. 30).

IV. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und 3 ZPO). Das Berufungsgericht wird sich auch mit den weiteren Rügen der Parteien auseinandersetzen müssen, zu denen Stellung zu nehmen der Senat zum jetzigen Zeitpunkt keine Veranlassung hat.


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