Die Kläger waren seit 1998
Eigentümer eines in einem Wochenendhausgebiet (bis 2013) liegenden Grundstücks,
bebaut mit einem als Wochenendhaus genehmigten und ab Anbeginn an zum
dauerhaften Wohne genutzten Haus, für welches sie letztlich 2018 die
entsprechende bauaufsichtsrechtliche Genehmigung erhielten. Von einer
öffentlichen Straße zweigen Fußwege zu den einzelnen Grundstücken ab, die (wie mit
einer Länge von 80m zum Grundstück der Kläger hin) nicht mit Kraftfahrzeugen
befahren werden dürfen (Verbotsschilder). Auf einem Privatgrundstück am Eingang
der Siedlung befindet sich ein Parkplatz. Der Beklagte erwarb in 2017 ein an
die Sedlung und das Grundstück der Kläger grenzendes Grundstück, auf dem der „Sandweg“
verläuft, der an dem hinteren Teil des Grundstücks der Kläger vorbeiführt und
nah Angaben der Kläger von diesen seit 1998 als Zufahrt zu ihrem Grundstück
genutzt wurde. Der Beklagte wollte für die Nutzung des Weges ein Entgelt und
errichtete, nachdem die Kläger nicht bereit waren ein solche zu zahlen, einen
Zaun, der die Durchfahrt verhinderte. Mit ihrer Klage begehrten die Kläger die
Duldung der Benutzung des Sandweges zwecks Zugang und Zufahrt zu ihrem
Grundstück. Klage und Berufung gegen das Urteil wurden zurückgewiesen. Mit der
zugelassenen Revision verfolgten die Kläger - nunmehr Zug um Zug gegen Zahlung
einer angemessenen Notwegrente - das Klageziel weiter.
Der BGH wies die Revision zurück.
Ein Wegerecht könne nur durch
schuldrechtliche Vereinbarung oder als Notwegerecht nach § 917 BGB entstehen.
Eine schuldrechtliche Vereinbarung sei nicht zustandegekommen. Die Gestattung
des früheren Eigentümers des Grundstücks des Beklagten binde diesen als
Einzelrechtsnachfolger nicht.
Die Voraussetzungen für ein
Notwegerecht nach § 917 Abs. 1 S. 1 BGB lägen nicht vor. Voraussetzung dafür
sei, einem Grundstück die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung
mit einem öffentlichen Weg fehle. Diese Voraussetzung läge nicht vor. Zwar sei
das Grundstück nur über einen (öffentlichen) Fußweg von einer öffentlichen
Straße aus zu erreichen, was aber in Ansehung der besonderen Struktur der
Wohnsiedlung ausnahmsweise eine ausreichende Verbindung iSv. § 917 Abs. 1 BGB
darstelle.
Auch wenn grundsätzlich für die
ordnungsgemäße Benutzung eines Wohngrundstücks die Erreichbarkeit auch mit
Kraftfahrzeugen Voraussetzung sei, würde dieser Grundsatz nicht ausnahmslos
gelten. Dort, wo Grundstücke aufgrund ihrer besonderen Lage nicht mit
Kraftfahrzeugen angefahren werden können oder sollen, würde die Erreichbarkeit
mit diesen nicht zur ordnungsgemäßem Benutzung gehören. Dies könne bei von
alters her überkommenen beengten Verhältnissen in städtischen Kerngebieten
liegen, die eine Zufahrt nicht erlauben würden, oder deshalb ausscheiden, da
das Grundstück nach der Planungs- oder Nutzungskonzeption bewusst von Fahrzeugverkehr
freigehalten werden soll (wie z.B. bei Fußgängerzonen). Gleiches würde gelten,
wenn eine Wohnanlage bewusst so geplant und geschaffen worden sei, dass der
Fahrverkehr von den unmittelbar zu den Wohngrundstücken führenden Wegen
ferngehalten würde. Dieses Planungs- und Nutzungskonzept würde auf die
ordnungsmäßige Nutzung des in diesem Gebiet liegenden Grundstücks einwirken mit
der Folge, dass die Erreichbarkeit des Grundstücks mit dem Kraftfahrzeug nicht
Bestandteil der ordnungsmäßigen Nutzung würde.
Vorliegend sei das Berufungsgericht
zutreffend von einem Planungskonzept ausgegangen, nach dem die Grundstücke in
dem Gebiet nicht mit Kraftfahrzeugen angefahren werden könnten. Es sei nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts als reine Wochenendhaussiedlung konzipiert
worden, bei dem das zeitweilige Wohnen im Grünen und die Erholung in der Natur
im Vordergrund gestanden hätten. Nach diesem Konzept könnten Kraftfahrzeuge nur
die mittig durch die Siedlung führende Straße (an der auch geparkt werden kann)
benutzen, von der dann Fußwege zu den einzelnen Grundstücken abzweigen würden.
Das Planungskonzept sei auch
nicht durch die Aufhebungssatzung der Gemeinde (zur Widmung des Gebietes als
Wochenendhausgebiet) von 2013 aufgegeben worden. Die Zulässigkeit von Bauvorhaben
in dem Gebiet würde sich danach nunmehr nach § 34 BauGB orientieren. Das Fehlen positiver gesetzlicher oder
gemeindlicher Planungsvorstellungen würde in § 34 BauGB durch die
Zugrundelegung der tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten ersetzt. Das
Grundstück würde durch die Einbettung in die vorhandene Siedlungsstruktur, wie
sie durch den aufgehobenen Bebauungsplan (Wochenendgrundstücke) geprägt wurde, eingebettet.
Zwar mögen die die allgemeinen Abforderungen an die Erreichbarkeit bei
Grundstücken zum dauerhaften Wohnen andere sein als bei einer bloßen
Nutzungsmöglichkeit als Wochenendhausgrundstück. Dem würde aber
gegenüberstehen, dass die tatsächlich realisierte Gestaltung als weitgehend
autofreie Zone auch nach den neu geschaffenen bauplanungsrechtlichen
Rahmenbedingungen aufrechterhalten bleiben sollte, was sich auch darin zeige,
dass die Gemeinde die Fußwege zwischenzeitlich saniert habe, aber nicht zu
Fahrwegen ausgebaut (oder zugelassen) habe.
Alleine die bestandskräftige
Baugenehmigung der Kläger aus 2018, wonach das Haus als Wohnhaus (zur
dauerhaften Nutzung) genehmigt worden sei, ändere daran nichts. Zwar würde auch
zivilrechtlich im Rahmen des § 917 Abs. 1 BGB die öffentlich-rechtliche
Erlaubnis den zulässigen Nutzungsrahmen bestimmen (unabhängig davon, ob die Baugenehmigung
rechtswidrig war [z.B. wegen fehlender Erschließung] oder nicht). Hätte mithin
die Baugenehmigung den Klägern wegen fehlender Erschließung nicht erteilt
werden dürfen, würde dies zwar grundsätzlich ein Notwegerecht begründen können.
Allerdings stelle die bestandskräftige Baugenehmigung zur Wohnnutzung nur eine
notwendige, aber noch keine hinreichende Voraussetzung für eine Notwegerecht
dar. Dies erschließe sich schon daraus, dass das öffentliche Baurecht die
Erschließung von Wohngrundstücken in der Weise vorgebe, dass diese mit
Kraftfahrzeugen unmittelbar angefahren werden könnten. Entscheidend sei die
planerische Konzeption der Wohnanlage, die hier keine Erreichbarkeit der einzelnen
Wohngrundstücke mit Kraftfahrzeugen vorsehe.
BGH, Urteil vom 11.12.2020
- V ZR 268/19 -