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Sonntag, 5. Mai 2024

Vertragsstrafenklausel in Bauverträgen mit Einheitspreisen

Die Klägerin gab im Rahmen einer auf Einheitspreisen basierenden Ausschreibung der Beklagten ein Angebot ab, das auf die Allgemeinen Vertragsbedingungen für Bauleistungen VOB/Bund und auf die Besonderen Vertragsbedingungen (BVB-VOB) der Beklagten Bezug nahm. In Ziffer 2 der BVB-VOB hieß es:

 "2. Vertragsstrafen (§ 11 VOB/B)

2.1 Der Auftragnehmer hat bei Überschreitung der unter 1. genannten Einzelfristen oder der Frist für die Vollendung als Vertragsstrafe für jeden Werktag des Verzugs zu zahlen:

0,2 v.H. der im Auftragsschreiben genannten Auftragssumme ohne Umsatzsteuer;

Beträge für angebotene Instandhaltungsleistungen bleiben unberücksichtigt. Die Bezugsgröße zur Berechnung der Vertragsstrafen bei Überschreitung von Einzelfristen ist der Teil dieser Auftragssumme, der den bis zu diesem Zeitpunkt vertraglich zu erbringenden Leistungen entspricht.

2.2 Die Vertragsstrafe wird auf insgesamt 5 v. H. der im Auftragsschreiben genannten Auftragssumme (ohne Umsatzsteuer) begrenzt.

2.3 Verwirkte Vertragsstrafen für den Verzug wegen Nichteinhaltung verbindlicher Zwischentermine (Einzelfristen als Vertragsfristen) werden auf eine durch den Verzug wegen Nichteinhaltung der Frist für die Vollendung der Leistung verbürgte Vertragsstrafe angerechnet.“

Eine Verhandlung der Parteien zur Vertragsstrafe fand nicht statt. Die Beklagte beauftragte die Klägerin. Nach Fertigstellung Abnahme stellte die Klägerin die Schlussrechnung, die mit Ausnahme eines Betrages von € 284.013,78 von der Beklagten bezahlt wurde. Das Landgericht gab der Zahlungsklage statt. Es ging u.a. davon aus, dass die Berufung der Beklagten auf die Verwirkung der Vertragsstrafe treuwidrig sei, auf Grund der der Einbehalt erfolgte. Auf die Berufung der Beklagten hob das OLG das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit an das Landgericht zurück. Die Klägerin legte gegen diese Entscheidung des OLG Revision ein, mit der sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils begehrte. Ihre Revision war erfolgreich.

Anders als das Berufungsgericht ging der BGH davon aus, dass die Vertragsstrafenklausel in den BVB-VOB bei Verwendung durch den Auftraggeber einer Inhaltskontrolle nicht stand halte und gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam sei, da sie den Auftragnehmer entgegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) unangemessen benachteilige. Nach Z. 2.1 und 2.2 der BVB-VOB sei die Vertragsstrafe für die Überschreitung der Freist für die Vollendung auf insgesamt 5% der vor der Ausführung des Auftrages vereinbarten Netto-Auftragssumme begrenzt. Dies beeinträchtige aber bei einem Einheitspreisvertrag (wie hier) den Auftragnehmer unangemessen. Allgemeine Geschäftsbedingungen seien nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden würden.

Ansatzpunkt für die gebotene objektive Auslegung sei in erster Linie der Wortlaut. Dabei sei hier die Regelung für die Überschreitung der Frist für die Vollendung nach der Vertragsgestaltung eine eigenständige Regelung, die inhaltlich, optisch und sprachlich von der Vertragsstrafe für die Überschreitung sonstiger Termine getrennt sei. Die Auslegung des Begriffs „im Austragsschreiben genannten Auftragssumme (ohne Umsatzsteuer)“ führe nach dem klaren Wortlaut dazu, dass sich die Höhe nach der vor der Ausführung des Auftrags vereinbarten Netto-Auftragssumme richte. Zwar könne sich der Begriff „Auftragssumme“ sowohl auf die nach Abwicklung des Vertrages geschuldete Vergütung wie auch auf die vor Ausführung des Auftrags vereinbarte Vergütung beziehen (BGH. Urteil vom 06.12.2007 - VII ZR 28/07 -), doch sei vorliegend durch die Anknüpfung an die „im Auftragsschreiben genannte(n)“ Netto-Auftragssumme klargestellt, dass Bezugsgröße der Wert der vor Ausführung vereinbarten Netto-Vergütung sein soll. Zum Zeitpunkt der Auftragserteilung stünde bei einem Einheitspreisvertrag, bei dem die Mangen und Massen nach dem (späteren) tatsächlichen Verbrauch berechnet würden, nur diese Vergütung fest.

Eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners wegen Verstoßes gegen das Gebot von Treu und Glauben läge bei einer einseitigen Vertragsgestaltung vor, bei der versucht würde, missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen, ohne von vornherein auch dessen Interessen hinreichend zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 16.07.2020 - VII ZR 159/19 -). Eine Vertragsstrafenklausel, die eine Höchstgrenze von mehr als 5% der Auftragssumme bei Überschreitung des Fertigstellungstermins vorsähe, stelle regelmäßig eine Benachteiligung dar (BGH, Urteil vom 23.01.2023 - VII ZR 210/01 -). Die Druckfunktion erlaube zwar eine spürbare Vertragsstrafe, doch sei darauf zu achten, dass sich diese in wirtschaftlich vernünftigen Grenzen halte (BGH, Urteil vom 20.01.2000 - VII ZR 46/98 -). Daher seine eine Vertragsstrafe von über 5% der Auftragssumme zu hoch.

Den entsprechenden Anforderungen würde die Klausel vorliegend nicht gerecht. Bei der gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise könne bei einem Einheitspreisvertrag die Anknüpfung der Vertragsstrafe an die vor Auftragsdurchführung vereinbarte (Netto-) Auftragssumme im Falle einer (z.B. wegen Verringerung der tatsächlich ausgeführten Mengen nicht nur theoretisch denkbaren) nachträglichen Absenkung des Auftragsvolumens dazu führen, dass die Strafzahlung die 5%-Grenze überschreite. Es fehle hier an einer dies ausgleichenden Regelung.

BGH, Urteil vom 15.02.2024 - VII ZR 42/22-

Freitag, 8. November 2019

Bauwerkvertrag: Zur Abrechnung von Teilleistungen eines Einheitspreisvertrages, auf die der Auftraggeber verzichtet


Der Streit der Parteien basierte auf einem Bauwerkvertrag, aus dem die Beklagte zwei Leistungen nicht abgerufen habe, die aber von der Klägerin abgerechnet wurden. Das Landgericht gab der Klage statt. Im Rahmen der Berufung der Beklagten wies das OLG darauf hin, dass es beabsichtige die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 ZPO zurückzuweisen, worauf die Beklagte die Berufung zurücknahm (vgl. auch Kostenbeschluss des OLG München vom 06.05.2019 – 28 I 413/19 Bau -).

Das OLG verwies darauf, dass in Literatur und Rechtsprechung streitig sei, wie sich der vollständige Verzicht auf Einzelpositionen bei einem Einheitspreisvertrag auswirke.

Nach dem BGH (Urteil vom 26.01.2012 - VII ZR 19/11 -) sei der Weg über § 2 VOB/B  nur gegeben, wenn es sich um einen Fall der vom dortigen Regelungsumfang erfassten Äquivalenzstörung handele. Danach sei ein interessengerechter Ausgleich für Mengenänderungen vorzunehmen, erweise sich die anfängliche Schätzung als unzutreffend. Dies deshalb, da der zu erwartende Aufwand bei Einheitspreisverträgen geschätzt würde und diese Schätzung Grundlage der Kalkulation sei. Weiche die Schätzung von den tatsächlichen Umständen ab, sei die Geschäftsgrundlage betroffen und der Preis sei anzupassen.

Vorstehendes würde aber nicht den Fall umfassen, dass der Auftraggeber auf eine bestimmte Position aus dem Leistungsverzeichnis verzichte, da der Verzicht nicht mit der Ungenauigkeit einer Prognose zum Umfang/zur Menge vergleichbar sei. Da die Beklagte verzichtet habe, läge keine Störung der Geschäftsgrundlage im Sinne der Wertung nach § 2 VOB/B vor.

Im Hinblick auf von der Beklagten eingewandte Ergänzungsaufträge wies der Senat darauf hin, dass die Klägerin dadurch nichts erspart habe. § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B gehe (ähnlich der Wertung des § 8 Abs. 2 VOB/B) von einer Erfassung von Baustelleneinrichtung, Baustellengemeinkosten und allgemeinen Geschäftskosten im Einheitspreis aus, die auch bei Wegfall von Teilleistungen verblieben und nicht nun auf den Unternehmer überwälzt werden könnten. Eine Umlage dieser Kosten über die Einheitspreise für entfallene Leistungen sei aber nicht notwendig, wenn sie durch andere Positionen oder Zusatzaufträge gedeckt werden sollten. Anders verhalte es sich mit dem Gewinn, der über § 2 VOB/B mit eingepreist sei; eine Kompensation sei durch Zusatzaufträge nicht möglich.

Offen bleiben könne, ob im Hinblick auf die nicht abgerufenen Leistungen von einer Teilkündigung auszugehen sei. Für die Abrechnung dieser „Nullpositionen“ käme nur § 8 VOB/B (bzw. § 648 BGB) direkt oder indirekt  in Betracht. Eine Formunwirksamkeit der (Teil-) Kündigung (wie im Verfahren gerügt wurde) läge nicht vor, da es hier um die nicht im Streit stehende grundsätzliche Vergütungspflicht ginge, wenn die Beklagte entgegen der Vereinbarung einseitig auf Vertragsleistungen verzichte. Damit würde dem Umstand Rechnung getragen, dass die Kalkulationsgrundlage der Klägerin der Gesamtauftrag war, wobei der Unternehmer idR. zur Steigerung der Attraktivität des Angebots bestimmte Positionen günstig anbieten würde und seinen Gewinn über andere Positionen (bei denen er z.B. günstige Produktions- oder Beschaffungskosten habe) sichern. Bei einer Teilkündigung oder teilweise fehlenden Abruf von Leistungen wäre das Berechnungssystem nicht mehr gesichert.

Damit stünde dem Unternehmer die vereinbare Vergütung zu, allerdings unter Herausrechnung ersparter Kosten. Deshalb müsse er (wie hier geschehen) für seine entsprechende Abrechnung seine Urkalkulation offen legen und die ersparten Lohn- und Materialkosten herausrechnen. Im Rahmen des § 8 VOB/B seien Zusatzaufträge, die nach Ansicht der Beklagten eine Kompensation darstellen würden, unbeachtlich.


Anmerkung: Problematisch kann sich für den Unternehmer die Erhöhung nach § 2 VOB/B bei Mengenänderungen darstellen, wenn er das Angebot / den Leistungsumfang selbst ermittelt hat. Der Auftraggeber kann sich sowohl in diesem Fall als auch im Falle des Nichtabrufs von Leistungen von einer weitergehenden Zahlungspflicht dann befreien, wenn er mit dem Unternehmer für den Fall der Mengenänderungen vereinbart, dass dies in die Risikosphäre des Unternehmers fällt und eine Nachberechnung nicht möglich ist, und für den Fall des Nichtabrufs von Leistungen oder jedenfalls zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses für die vom Auftraggeber noch nicht als gesichert abzurufenden Leistungen vereinbart, dass diese ersatzlos entfallen können.  



OLG München, Hinweisbeschluss vom 02.04.2019 - 28 U 413/19 Bau -