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Freitag, 8. November 2019

Bauwerkvertrag: Zur Abrechnung von Teilleistungen eines Einheitspreisvertrages, auf die der Auftraggeber verzichtet


Der Streit der Parteien basierte auf einem Bauwerkvertrag, aus dem die Beklagte zwei Leistungen nicht abgerufen habe, die aber von der Klägerin abgerechnet wurden. Das Landgericht gab der Klage statt. Im Rahmen der Berufung der Beklagten wies das OLG darauf hin, dass es beabsichtige die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 ZPO zurückzuweisen, worauf die Beklagte die Berufung zurücknahm (vgl. auch Kostenbeschluss des OLG München vom 06.05.2019 – 28 I 413/19 Bau -).

Das OLG verwies darauf, dass in Literatur und Rechtsprechung streitig sei, wie sich der vollständige Verzicht auf Einzelpositionen bei einem Einheitspreisvertrag auswirke.

Nach dem BGH (Urteil vom 26.01.2012 - VII ZR 19/11 -) sei der Weg über § 2 VOB/B  nur gegeben, wenn es sich um einen Fall der vom dortigen Regelungsumfang erfassten Äquivalenzstörung handele. Danach sei ein interessengerechter Ausgleich für Mengenänderungen vorzunehmen, erweise sich die anfängliche Schätzung als unzutreffend. Dies deshalb, da der zu erwartende Aufwand bei Einheitspreisverträgen geschätzt würde und diese Schätzung Grundlage der Kalkulation sei. Weiche die Schätzung von den tatsächlichen Umständen ab, sei die Geschäftsgrundlage betroffen und der Preis sei anzupassen.

Vorstehendes würde aber nicht den Fall umfassen, dass der Auftraggeber auf eine bestimmte Position aus dem Leistungsverzeichnis verzichte, da der Verzicht nicht mit der Ungenauigkeit einer Prognose zum Umfang/zur Menge vergleichbar sei. Da die Beklagte verzichtet habe, läge keine Störung der Geschäftsgrundlage im Sinne der Wertung nach § 2 VOB/B vor.

Im Hinblick auf von der Beklagten eingewandte Ergänzungsaufträge wies der Senat darauf hin, dass die Klägerin dadurch nichts erspart habe. § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B gehe (ähnlich der Wertung des § 8 Abs. 2 VOB/B) von einer Erfassung von Baustelleneinrichtung, Baustellengemeinkosten und allgemeinen Geschäftskosten im Einheitspreis aus, die auch bei Wegfall von Teilleistungen verblieben und nicht nun auf den Unternehmer überwälzt werden könnten. Eine Umlage dieser Kosten über die Einheitspreise für entfallene Leistungen sei aber nicht notwendig, wenn sie durch andere Positionen oder Zusatzaufträge gedeckt werden sollten. Anders verhalte es sich mit dem Gewinn, der über § 2 VOB/B mit eingepreist sei; eine Kompensation sei durch Zusatzaufträge nicht möglich.

Offen bleiben könne, ob im Hinblick auf die nicht abgerufenen Leistungen von einer Teilkündigung auszugehen sei. Für die Abrechnung dieser „Nullpositionen“ käme nur § 8 VOB/B (bzw. § 648 BGB) direkt oder indirekt  in Betracht. Eine Formunwirksamkeit der (Teil-) Kündigung (wie im Verfahren gerügt wurde) läge nicht vor, da es hier um die nicht im Streit stehende grundsätzliche Vergütungspflicht ginge, wenn die Beklagte entgegen der Vereinbarung einseitig auf Vertragsleistungen verzichte. Damit würde dem Umstand Rechnung getragen, dass die Kalkulationsgrundlage der Klägerin der Gesamtauftrag war, wobei der Unternehmer idR. zur Steigerung der Attraktivität des Angebots bestimmte Positionen günstig anbieten würde und seinen Gewinn über andere Positionen (bei denen er z.B. günstige Produktions- oder Beschaffungskosten habe) sichern. Bei einer Teilkündigung oder teilweise fehlenden Abruf von Leistungen wäre das Berechnungssystem nicht mehr gesichert.

Damit stünde dem Unternehmer die vereinbare Vergütung zu, allerdings unter Herausrechnung ersparter Kosten. Deshalb müsse er (wie hier geschehen) für seine entsprechende Abrechnung seine Urkalkulation offen legen und die ersparten Lohn- und Materialkosten herausrechnen. Im Rahmen des § 8 VOB/B seien Zusatzaufträge, die nach Ansicht der Beklagten eine Kompensation darstellen würden, unbeachtlich.


Anmerkung: Problematisch kann sich für den Unternehmer die Erhöhung nach § 2 VOB/B bei Mengenänderungen darstellen, wenn er das Angebot / den Leistungsumfang selbst ermittelt hat. Der Auftraggeber kann sich sowohl in diesem Fall als auch im Falle des Nichtabrufs von Leistungen von einer weitergehenden Zahlungspflicht dann befreien, wenn er mit dem Unternehmer für den Fall der Mengenänderungen vereinbart, dass dies in die Risikosphäre des Unternehmers fällt und eine Nachberechnung nicht möglich ist, und für den Fall des Nichtabrufs von Leistungen oder jedenfalls zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses für die vom Auftraggeber noch nicht als gesichert abzurufenden Leistungen vereinbart, dass diese ersatzlos entfallen können.  



OLG München, Hinweisbeschluss vom 02.04.2019 - 28 U 413/19 Bau -