Der im amtsgerichtlichen
Verfahren unterlegene Beklagte hatte gegen das Urteil Berufung eingelegt. Der
Gebührenstreitwert wurde vom Landgericht auf € 300,00 festgesetzt und die
Berufung als unzulässig verworfen. Die dagegen vom Beklagten eingelegte
Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.
Die Rechtsbeschwerde sei statthaft (§§ 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 S. 4 ZPO), aber unzulässig, das die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorlägen.
Der Beklagte hatte sich darauf berufen, dass der Beschluss, mit dem die Berufung zurückgewiesen worden sei, nicht ausreichend mit Gründen versehen worden sei. Dem folgte der BGH nicht. Zwar müssten Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden würde, sowie den Streitgegenstand und die Anträge in beiden Instanzen erkennen lassen, andernfalls sie nicht mit den nach dem Gesetz (§§ 576 Abs. 3, 547 Nr. 6 ZPO) erforderlichen Gründen versehen seien und ein die Aufhebung bedingender Verfahrensmangel vorläge; das Rechtsbeschwerdegericht habe von dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt auszugehen, §§ 577 Abs. 2 S. 1 und 4, 599 ZPO (Anmerkung: weshalb stets der vom Gericht festgestellte Sachverhalt zu prüfen und ggfls. ein Tatbestandberichtigungsantrag fristgerecht gem. § 320 ZPO gestellt werden sollte). Fehle es daran, könne das Rechtsbeschwerdegericht keine Prüfung vornehmen, was auch dann gelte, wenn die Zurückweisung wegen Nichterreichens der Berufungssumme (€ 600,00) erfolge. Die Wertfestsetzung des Berufungsgerichts könne vom Beschwerdegericht nur darauf geprüft werden, ob das Berufungsgericht die Grenzen des ihm nach § 3 ZPO eingeräumten Ermessens beachtet habe (BGH, Beschluss vom 19.01.2021- VI ZB 41/20 -).
Eine entsprechende Sachdarstellung sei aber dann entbehrlich, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt und das Rechtsschutzziel noch mit hinreichender aus den Gründen des Beschlusses ergäben (BGH, Beschluss vom 05.10.1021 - VIII ZB 69/20 -). Dies sei hier der Fall. Aus den Gründen des Beschlusses in Verbindung mit dem in Bezug genommenen Hinweisbeschlusses des Berufungsgerichts (nach § 522 ZPO) ergäbe sich, dass der Beklagte zur Unterlassung einer Beschädigung des Pkw des Klägers verurteilt worden sei und sich mit seiner Berufung dagegen wandte.
Weiterhin hatte der Beklagte, da das Berufungsgericht keine eigene Entscheidung über die Zulassung der Berufung getroffen habe, eine Verletzung seines Verfahrensgrundrechts auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 GG iVm. dem Rechtsstaatsprinzip) geltend gemacht. Auch hier folgte dem der BGH nicht. Das Berufungsgericht sei bei nicht ausreichender Beschwer verpflichtet, eine Zulassungsprüfung nachzuholen, wenn das erstinstanzliche Gericht davon ausgegangen sei, dass die Beschwer der unterlegenen Partei über € 600,00 liegt und deshalb keine Prüfung der Zulassung (§ 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) vornehme (BGH, Beschluss vom 19.01.2016 - VI ZB 69/14 -).
Allerdings ließ es der BGH hie auf sich beruhen, ob vorliegend hinreichend Anhaltspunkte bestanden haben, dass das Amtsgericht von einer € 600,00 übersteigenden Beschwer des Beklagten ausging (Zulässigkeitsvoraussetzung gem. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und deshalb das Berufungsgericht die Entscheidung über die Zulassung hätte nachholen müssen. Eine unzumutbare Erschwerung des Zugangs zu der an sich gegebenen Berufung und damit ein Grund für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung iSv. § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO läge nur dann vor, wenn ein Grund für die Zulassung der Berufung vorläge (BGH, Beschluss vom 29.01.2015 - V ZB 179/14 -). Dies aber sei von der Rechtsbeschwerde des Beklagten nicht geltend gemacht worden, die nur beanstandet habe, dass das Berufungsgericht keine Entscheidung über die Zulassung der Berufung getroffen habe. Es sei auch vom Beklagten nicht vorgetragen worden, dass der Zugang zu einer an sich gegebenen Berufung vom Berufungsgericht unzumutbar erschwert worden sei, da es bei der Bemessung der Beschwer die Grenzen seines Ermessen überschritten oder rechtsfehlerhaft davon Gebrauch gemacht habe; ein Verstoß des Berufungsgerichts gegen das Verfahrensgrundrecht des Beklagten auf wirkungsvollen Rechtschutz sei daher nicht schlüssig dargetan worden.
Anmerkung: Der BGH hat in dieser Entscheidung auf die inhaltlichen Anforderungen einer Beschwerdeschrift hingewiesen. Wird einer Berufung mangels ausreichender Beschwer nicht stattgegeben, ist zwar eine Rechtsbeschwerde statthaft. Sie ist allerdings substantiiert zu begründen, indem ausgeführt wird, weshalb die Entscheidung über die Höhe der Beschwer als solche fehlerhaft ist und/oder dargelegt wird, weshalb selbst bei Nichtvorliegen einer ausreichenden Beschwer die Berufung nach § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen wäre.
BGH, Beschluss vom
12.09.2023 - VI ZB 72/22 -
Aus den Gründen:
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen
den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 15. Juli 2022
wird als unzulässig verworfen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf bis zu 500 € festgesetzt.
Gründe
I.
Das Amtsgericht
hat den Beklagten verurteilt, es zu unterlassen, den Pkw des Klägers zu
verkratzen. Der Beklagte hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Das
Landgericht hat den Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren auf bis zu
300 € festgesetzt. Die Berufung des Beklagten hat es mit dem von der
Rechtsbeschwerde angegriffenen Beschluss als unzulässig verworfen, weil der
Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € nicht übersteige (§ 511 Abs. 2
Nr. 1 ZPO) und das Amtsgericht die Berufung auch nicht zugelassen habe
(§ 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
II.
Die
Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1,
§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO), aber unzulässig, weil die
Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Entgegen der
Ansicht der Rechtsbeschwerde ergibt sich ihre Zulässigkeit nicht aus § 574
Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO, weil die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern würde.
1.
Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist der angefochtene Beschluss nicht
schon deshalb aufzuheben, weil er nicht ausreichend mit Gründen versehen ist.
a)
Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen nach der ständigen
Senatsrechtsprechung den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird,
wiedergeben sowie den Streitgegenstand und die Anträge in beiden Instanzen
erkennen lassen. Anderenfalls sind sie nicht mit den nach dem Gesetz
(§ 576 Abs. 3, § 547 Nr. 6 ZPO) erforderlichen Gründen
versehen und bereits deshalb wegen eines von Amts wegen zu berücksichtigenden
Verfahrensmangels aufzuheben. Das Rechtsbeschwerdegericht hat grundsätzlich von
dem Sachverhalt auszugehen, den das Berufungsgericht festgestellt hat
(§ 577 Abs. 2 Satz 1 und 4, § 559 ZPO). Enthält der
angefochtene Beschluss keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen, ist
das Rechtsbeschwerdegericht zu einer rechtlichen Überprüfung nicht in der Lage.
Dies gilt auch, wenn das Berufungsgericht die Berufung verwirft, weil die
Berufungssumme nicht erreicht sei. Denn die Wertfestsetzung kann vom
Rechtsbeschwerdegericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht
die Grenzen des ihm von § 3 ZPO eingeräumten Ermessens überschritten oder
rechtsfehlerhaft von ihm Gebrauch gemacht hat (vgl. nur Senatsbeschluss vom 19.
Januar 2021 - VI ZB 41/20, VersR 2021, 1128 Rn. 4 mwN).
Eine
Sachdarstellung ist lediglich dann ausnahmsweise entbehrlich, wenn sich der
maßgebliche Sachverhalt und das Rechtsschutzziel noch mit hinreichender
Deutlichkeit aus den Beschlussgründen ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 5.
Oktober 2021 - VIII ZB 68/20, NJOZ 2022, 156 Rn. 20 mwN).
b)
Letzteres ist vorliegend der Fall. Obgleich der Verwerfungsbeschluss des
Berufungsgerichts eine Sachdarstellung nicht enthält, ergibt sich aus dessen
Gründen in Verbindung mit dem in Bezug genommenen Hinweisbeschluss, dass der
Beklagte zur Unterlassung einer Beschädigung des Pkw des Klägers verurteilt
wurde und sich hiergegen in vollem Umfang mit seiner Berufung wendet.
2.
Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde verletzt die Entscheidung des
Berufungsgerichts den Beklagten auch nicht in seinem Verfahrensgrundrecht auf
Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes nach Art. 2 Abs. 1 GG in
Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, weil das Berufungsgericht keine eigene
Entscheidung über die Zulassung der Berufung getroffen hat.
a)
Allerdings muss das Berufungsgericht vor Verwerfung des Rechtsmittels mangels
ausreichender Beschwer eine Zulassungsprüfung nachholen, wenn das
erstinstanzliche Gericht davon ausgegangen ist, dass die Beschwer der
unterlegenen Partei 600 € übersteigt, und deswegen keine Prüfung der Zulassung
der Berufung vorgenommen hat (st. Rspr., vgl. Senatsbeschlüsse vom 19. Januar
2016 - VI ZB 69/14, juris Rn. 12; vom 29. Oktober 2013 - VI ZB 2/13, VersR
2014, 350 Rn. 12; jeweils mwN).
b) Es
kann dahinstehen, ob im Streitfall hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen,
dass das Amtsgericht von einer 600 € übersteigenden Beschwer des Beklagten
ausgegangen ist, so dass das Berufungsgericht die Entscheidung über die
Zulassung der Berufung nach den genannten Grundsätzen hätte nachholen müssen.
Denn eine unzumutbare Erschwerung des Zugangs zu der an sich gegebenen Berufung
und damit ein Grund für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde zur Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung im Sinne von § 574 Abs. 2
Nr. 2 Alt. 2 ZPO wegen einer Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf
Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes liegt in der Unterlassung einer
gebotenen Nachholung der Entscheidung über die Zulassung der Berufung nur, wenn
ein Grund für die Zulassung der Berufung vorliegt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29.
Januar 2015 - V ZB 179/14, WuM 2015, 320 Rn. 6; vom 10. Mai 2012 - V ZB 242/11,
WuM 2012, 402 Rn. 11). Dass dies der Fall wäre, macht die Rechtsbeschwerde
jedoch nicht geltend. Sie beanstandet lediglich, dass das Berufungsgericht
keine Entscheidung über die Zulassung der Berufung getroffen hat. Der Beklagte
bringt auch nicht vor, das Berufungsgericht habe ihm den Zugang zu der an sich
gegebenen Berufung dadurch unzumutbar erschwert, dass es bei der Bemessung der
Höhe seiner Beschwer durch das amtsgerichtliche Urteil die Grenzen seines
insoweit bestehenden Ermessens überschritten oder rechtsfehlerhaft von ihm
Gebrauch gemacht hätte. Ein Verstoß des Berufungsgerichts gegen das
Verfahrensgrundrecht des Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes
ist daher nicht schlüssig dargelegt.
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