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Samstag, 2. Dezember 2023

Rechtsbeschwerde wegen (fehlender) Zulassungsprüfung durch Berufungsgericht

Der im amtsgerichtlichen Verfahren unterlegene Beklagte hatte gegen das Urteil Berufung eingelegt. Der Gebührenstreitwert wurde vom Landgericht auf € 300,00 festgesetzt und die Berufung als unzulässig verworfen. Die dagegen vom Beklagten eingelegte Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.

Die Rechtsbeschwerde sei statthaft (§§ 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 S. 4 ZPO), aber unzulässig, das die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorlägen.

Der Beklagte hatte sich darauf berufen, dass der Beschluss, mit dem die Berufung zurückgewiesen worden sei, nicht ausreichend mit Gründen versehen worden sei. Dem folgte der BGH nicht. Zwar müssten Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden würde, sowie den Streitgegenstand und die Anträge in beiden Instanzen erkennen lassen, andernfalls sie nicht mit den nach dem Gesetz (§§ 576 Abs. 3, 547 Nr. 6 ZPO) erforderlichen Gründen versehen seien und ein die Aufhebung bedingender Verfahrensmangel vorläge; das Rechtsbeschwerdegericht habe von dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt auszugehen, §§ 577 Abs. 2 S. 1 und 4, 599 ZPO (Anmerkung: weshalb stets der vom Gericht festgestellte Sachverhalt zu prüfen und ggfls. ein Tatbestandberichtigungsantrag fristgerecht gem. § 320 ZPO gestellt werden sollte).  Fehle es daran, könne das Rechtsbeschwerdegericht keine Prüfung vornehmen, was auch dann gelte, wenn die Zurückweisung wegen Nichterreichens der Berufungssumme (€ 600,00) erfolge. Die Wertfestsetzung des Berufungsgerichts könne vom Beschwerdegericht nur darauf geprüft werden, ob das Berufungsgericht die Grenzen des ihm nach § 3 ZPO eingeräumten Ermessens beachtet habe (BGH, Beschluss vom 19.01.2021- VI ZB 41/20 -).

Eine entsprechende Sachdarstellung sei aber dann entbehrlich, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt und das Rechtsschutzziel noch mit hinreichender aus den Gründen des Beschlusses ergäben (BGH, Beschluss vom 05.10.1021 - VIII ZB 69/20 -). Dies sei hier der Fall. Aus den Gründen des Beschlusses in Verbindung mit dem in Bezug genommenen Hinweisbeschlusses des Berufungsgerichts (nach § 522 ZPO) ergäbe sich, dass der Beklagte zur Unterlassung einer Beschädigung des Pkw des Klägers verurteilt worden sei und sich mit seiner Berufung dagegen wandte. 

Weiterhin hatte der Beklagte, da das Berufungsgericht keine eigene Entscheidung über die Zulassung der Berufung getroffen habe, eine Verletzung seines Verfahrensgrundrechts auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 GG iVm. dem Rechtsstaatsprinzip) geltend gemacht. Auch hier folgte dem der BGH nicht. Das Berufungsgericht sei bei nicht ausreichender Beschwer verpflichtet, eine Zulassungsprüfung nachzuholen, wenn das erstinstanzliche Gericht davon ausgegangen sei, dass die Beschwer der unterlegenen Partei über € 600,00 liegt und deshalb keine Prüfung der Zulassung (§ 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) vornehme (BGH, Beschluss vom 19.01.2016 - VI ZB 69/14 -).

Allerdings ließ es der BGH hie auf sich beruhen, ob vorliegend hinreichend Anhaltspunkte bestanden haben, dass das Amtsgericht von einer € 600,00 übersteigenden Beschwer des Beklagten ausging (Zulässigkeitsvoraussetzung gem. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und deshalb das Berufungsgericht die Entscheidung über die Zulassung hätte nachholen müssen. Eine unzumutbare Erschwerung des Zugangs zu der an sich gegebenen Berufung und damit ein Grund für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung iSv. § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO läge nur dann vor, wenn ein Grund für die Zulassung der Berufung vorläge (BGH, Beschluss vom 29.01.2015 - V ZB 179/14 -). Dies aber sei von der Rechtsbeschwerde des Beklagten nicht geltend gemacht worden, die nur beanstandet habe, dass das Berufungsgericht keine Entscheidung über die Zulassung der Berufung getroffen habe. Es sei auch vom Beklagten nicht vorgetragen worden, dass der Zugang zu einer an sich gegebenen Berufung vom Berufungsgericht unzumutbar erschwert worden sei, da es bei der Bemessung der Beschwer die Grenzen seines Ermessen überschritten oder rechtsfehlerhaft davon Gebrauch gemacht habe; ein Verstoß des Berufungsgerichts gegen das Verfahrensgrundrecht des Beklagten auf wirkungsvollen Rechtschutz sei daher nicht schlüssig dargetan worden.

Anmerkung: Der BGH hat in dieser Entscheidung auf die inhaltlichen Anforderungen einer Beschwerdeschrift hingewiesen. Wird einer Berufung mangels ausreichender Beschwer nicht stattgegeben, ist zwar eine Rechtsbeschwerde statthaft. Sie ist allerdings substantiiert zu begründen, indem ausgeführt wird, weshalb die Entscheidung über die Höhe der Beschwer als solche fehlerhaft ist und/oder dargelegt wird, weshalb selbst bei Nichtvorliegen einer ausreichenden Beschwer die Berufung nach § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen wäre.

BGH, Beschluss vom 12.09.2023 - VI ZB 72/22 -