Im Bereich einer Hofeinfahrt in
T. war es zu einer Kollision zwischen einem Motorroller des Klägers und dem
Traktorgespann des Beklagten zu 2 gekommen. Kläger und Beklagter befuhren die
Straße in Fahrtrichtung H., der Beklagte vorne. Als der Kläger das Traktorgespann
überholte und der Beklagte nach links in die Hofeinfahrt abbog, kam es zur schadensursächlichen
Kollision auf der Gegenfahrbahn, indem der Kläger mit einem Motorroller gegen
das linke Vorderrad des Traktors stieß.
Das Landgericht nahm vom Grundsatz eine Haftungsquote von 50% aus §§ 7 Abs. 1m 17 Abs 1 und 218 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 StVG, im Hinblick auf die Beklagte zu 1, den Pflichtversicherer, iVm. § 115 Abs. 1 Nr. 1 StVG, an. In seinem Hinweisbeschluss wiess das OLG den Beklagten Kläger, der gegen das Urteil Berufung eingelegt hatte, darauf hin, dass es die Zurückweisung der Berufung wegen offensichtlicher Unbegründetheit erwäge (§ 522 ZPO).
Zutreffend habe das Landgericht zunächst den gegen den Beklagten zu 2 als Linksabbieger sprechenden Anscheinsbeweis für einen Verstoß gegen die doppelte Rückschaupflicht aus § 9 Abs. 1 S. 4 StVO angewandt und sodann die zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft (Anhörung des Klägers, des Beklagten zu 2 sowie dessen Vernehmung als Partei nach § 448 ZPO und die Vernehmung eines Zeugen). Soweit sich die Angriffe des Klägers gegen die Annahme des Landgerichts richteten, bei dem Traktorgespann sei der linke Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt gewesen, bezog sich dieser auf Lichtbilder, die den Fahrtrichtungsanzeiger nicht im aufleuchtenden Zustand zeigen. Das aber ließ das OLG nicht gelten, da nicht auszuschließen sei, dass just im Moment der Aufnahme die Lichter nicht aufleuchteten, da diese nur zeitweilig (also im Wiederholungstakt) aufleuchten würden, zudem die Aufnahmen kurz nach dem Unfall gefertigt worden seien und hinsichtlich ihrer Aussagekraft von daher nur eine eingeschränkte Aussagekraft hätten. Insgesamt, so das OLG, sei die Würdigung des Landgerichts der Aussage des Beklagten zu 2 als glaubhaft du glaubwürdig nicht zu beanstanden, wobei der Zeuge angegeben habe, den Unfall nicht gesehen zu haben. Ein unfallanalytisches Sachverständigengutachten sei nicht einzuholen, da dieser keine Feststellungen dazu treffen könne, ob der Fahrtrichtungsanzeiger eingeschaltet gewesen sei Anmerkung: Wird bei dem Unfall die Lichtzeichenanlage mit der Birne beschädigt, sollte dies begutachtet werden, da sich feststellen lässt, ob sie im Zeitpunkt der Schädigung eingeschaltet war).
Ausgehend von der Einschaltung des linken Fahrtrichtungsanzeigers habe das Landgericht zutreffend für den Kläger eine unklare Verkehrslage nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO angenommen. Blinke ein Traktor nach links, müsse stets damit gerechnet werden, dass dieser kurzfristig abbiegt, auch ohne sich ggf. nach links auf der Fahrtrichtungsbahn einzuordnen (was häufig auch infolge der Breite des Fahrzeugs nicht möglich sei). Damit hätte der Kläger auch damit rechnen müssen, dass der Traktorgespann nach links in eine schwer erkennbare Hof- oder Feldeinfahrt einbiegen will; der Kläger hatte behauptet, eine Hofeinfahrt nicht gesehen zu haben (Anmerkung: Zu beachten ist, dass ein Traktor auch direkt von der Straße auf ein Feld einbiegen kann und darf). Diese Verkehrslage habe dazu geführt, dass ein Überholen des Klägers unzulässig gewesen sei.
Die Bewertung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge nach § 17 Abs. 1 StVG durch das Landgericht mit der Quote von 50 : 50 sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Zu berücksichtigen sei nach § 17 Abs. 1 StVG, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden sei, mithin eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eine genaue Klärung des Unfallhergangs erforderlich sei (BGH, Urteil vom 28.02.2012 - VI ZR 10/11 -). Unter Berücksichtigung der von den Fahrzeugenausgehenden Betriebsgefahr dürften nur unstreitige oder zugestandene und bewiesene Umstände berücksichtigt werden; nur vermutete Tatbeiträge sowie die bloße Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslage hätten außer Betracht zu bleiben (BGH, Urteil vom 21.11.2006 - VI ZR 115/05 -). Alle berücksichtigten Tatbeiträge müssten sich zudem auf den Unfall ausgewirkt haben. Der Beweis obliege demjenigen, der sich auf einen n die Abwägung einzustellenden Gesichtspunkt berufe (BGH, Urteil vom 13.02.1996 - VI ZR 126/95 -).
Dem habe die Abwägung durch das Landgericht entsprochen. Zu berücksichtigen seien hier der Verstoß des Beklagten zu2 gegen § 9 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 StVO (Pflichten beim Abbiegen, insbes. die Pflicht, andere Verkehrsteilnehmer nicht zu gefährden) auf der einen Seite, und auf der anderen Seite das Verschulden des Klägers durch Verstoß gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO (Überholen bei unklarer Verkehrslage) sowie die unterschiedlichen Betriebsgefahren der Fahrzeuge. Da führe zu einer im Ergebnis gleich hohen Gewichtung.
Schleswig-Holsteinisches
OLG, Hinweisbeschluss vom 26.07.2023 - 7 U
42/23 -
Aus den Gründen:
Tenor
I. Der Kläger wird gemäß
§ 522 Abs. 2 ZPO darauf hingewiesen, dass die Berufung gegen das
angefochtene Urteil offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet, die
Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder
die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Berufungsgerichts durch Urteil nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung
nicht geboten ist. Der Senat beabsichtigt deshalb, die Berufung aus den
nachfolgenden Gründen ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss
zurückzuweisen.
II. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen, sofern die Berufung nicht aus Kostengründen innerhalb der genannten Frist zurückgenommen werden sollte.
III. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für den zweiten Rechtszug auf 2.892,00 € festzusetzen.
Gründe
I.
Die Parteien
streiten um Ansprüche aus einem Verkehrsunfall.
Am 10.06.2021
kam es im Bereich einer Hofeinfahrt an der K.xx in T. zur Kollision zwischen
dem Kläger mit seinem Motorroller Piaggio Vespa und dem bei der Beklagten zu 1)
haftpflichtversicherten und vom Beklagten zu 2) geführten Traktorgespann Fendt
818 Vario mit Gülleanhänger. Der Kläger befuhr die K.xx in Richtung H.. Vor ihm
fuhr der Beklagte zu 2) mit dem Traktorgespann in gleiche Richtung. Zur
Kollision kam es, als der Kläger das Traktorgespann überholte und das
Traktorgespann nach links in eine Hofeinfahrt abbog. Der Kläger stieß auf der
Gegenfahrbahn gegen das linke Vorderrad des Traktors.
Streitig ist
insbesondere, ob der Beklagte zu 2) vor dem Abbiegen am Traktor den linken
Fahrtrichtungsanzeiger betätigt hat.
Der Kläger
wurde erheblich verletzt. Er erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma 1. Grades, eine
mehrfragmentäre, dislozierte Nasenbeinfraktur, Frakturen der dritten Rippe
rechts und der zweiten Rippe links sowie eine Prellung des linken Daumens. Der
Kläger wurde sechs Tage stationär im Krankenhaus behandelt. Am 15.06.2021 wurde
seine Nasenbeinfraktur operativ versorgt. Der Kläger war bis zum 16.07.2021
arbeitsunfähig.
Der Kläger
verlangt ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von 3.500,00 € sowie Ersatz
seines Haushaltsführungsschadens. Ferner macht er die Feststellung der
Ersatzpflicht der Beklagten für weitere materielle und immaterielle Ansprüche
sowie den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten geltend. Der Kläger hat
seine Vollkaskoversicherung in Anspruch genommen. Wegen der Einzelheiten wird
auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Der Kläger hat
behauptet, er sei ca. 60 km/h gefahren. Am Traktorgespann sei kein Blinker
gesetzt gewesen. Die Hofeinfahrt habe er nicht erkannt.
Der Kläger hat
weiter behauptet, an seinen freien Tagen - er ist als Verkehrspilot tätig -
leiste er durchschnittlich 24,7 Stunden wöchentlich an Haushaltstätigkeit. In
den ersten drei Wochen nach dem Unfall habe er diese Tätigkeit überhaupt nicht
und in der vierten Woche nur zur Hälfte erledigen können.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu
verurteilen, ihm ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen
des Gerichts gestellt wird, nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
2. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu
verurteilen, an ihn € 1.024,- nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem
Basiszinssatz seit dem 29.08.2021 zu zahlen;
3. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihm alle materiellen und immateriellen Ansprüche aus dem Verkehrsunfall vom 10.06.2021 auf der K.xx in Höhe der S.-straße xy in T. zu ersetzen haben, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen sind;
4. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 994,37 nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten
haben behauptet, der Beklagte zu 2) habe vor dem Abbiegen rechtzeitig den
linken Fahrtrichtungsanzeiger betätigt und seine Geschwindigkeit reduziert. Er
habe den Kläger auf dem Motorroller trotz ordnungsgemäßer Rückschau nicht
gesehen; dieser sei zu dicht aufgefahren und habe sich deshalb im toten Winkel
befunden.
Das Landgericht
hat der Klage auf Grundlage einer Mithaftungsquote von 50 % teilweise
stattgegeben. Der Kläger habe einen Anspruch auf ein Schmerzensgeld in Höhe von
2.500,00 €, auf Ersatz seines materiellen Schadens (einschließlich
Haushaltsführungsschaden) in Höhe von 203,00 € sowie seiner vorgerichtlichen
Rechtsanwaltskosten in Höhe von 367,23 €. Auch der Feststellungsantrag sei
(beschränkt auf die Haftungsquote) erfolgreich.
Dem Beklagten
zu 2) sei ein Verstoß gegen § 9 Abs. 1, Abs. 5 StVO vorzuwerfen,
weil er seiner doppelten Rückschaupflicht nicht hinreichend nachgekommen sei.
Den hierfür streitenden Anscheinsbeweis hätten die Beklagten nicht erschüttert.
Allerdings stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte zu 2)
rechtzeitig vor dem Abbiegen nach links geblinkt habe. Dies folge aus den
überzeugenden Angaben des Beklagten zu 2) - den das Landgericht gemäß
§ 448 ZPO als Partei vernommen hat - sowie den Ausführungen des Zeugen I..
Den Kläger treffe der Vorwurf aus § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO, in
einer unklaren Verkehrslage überholt zu haben. Ausgehend davon, dass das
Traktorgespann nach links blinkte, hätte der - zumal ortskundige - Kläger nicht
überholen dürfen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens sei
ungeeignet. Bei der nach § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG gebotenen
Abwägung ergäbe sich unter Berücksichtigung der wechselseitigen
Mitverursachungsbeiträge und der unterschiedlichen Gewichtung der von den
unfallbeteiligten Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr eine hälftige
Schadensteilung. Angesichts der erlittenen Verletzungen und unter
Berücksichtigung der Mithaftungsquote sei ein Schmerzensgeld in Höhe von
2.500,00 € angemessen. Der Haushaltsführungsschaden werde auf (anteilig) 154,00
€ geschätzt. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten seien für die Tätigkeit
gegenüber der Beklagten auf Grundlage eines Streitwerts bis 3.000,00 € und
einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr ersatzfähig, nicht jedoch für die Tätigkeit gegenüber
der Kaskoversicherung des Klägers.
Mit seiner
Berufung verfolgt der Kläger in der Sache sein ursprüngliches Klagebegehren
weiter. Das Landgericht habe aufgrund einer fehlerhaften Beweiswürdigung die
Verursachungsquote unrichtig bestimmt. Tatsächlich sei am Traktorgespann vor
dem Abbiegen kein Fahrtrichtungsanzeiger eingeschaltet gewesen. Der Zeuge I.
habe das Unfallgeschehen selbst nicht beobachtet und sei hinsichtlich des
(späteren) Blinkens unsicher gewesen. Aus den Lichtbildern ergebe sich
ebenfalls kein Blinken nach links. Ausgehend von unrichtigen Tatsachen (Blinken
nach links) sei das Landgericht fehlerhaft zu dem Schluss gekommen, der Kläger
habe in einer unklaren Verkehrssituation überholt. Das Landgericht habe es auch
rechtsfehlerhaft unterlassen, das angebotene Sachverständigengutachten
einzuholen. Selbst unter Zugrundelegung der Feststellungen des Landgerichts
seien die Verursachungsanteile fehlerhaft bemessen worden, weil die
Betriebsgefahr des Traktorgespanns gegenüber dem Motorroller deutlich
überwiege. Das Schmerzensgeld sei in Höhe von 3.500,00 € angemessen und der
Haushaltsführungsschaden sei höher als vom Landgericht zugrunde gelegt.
Hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten erhöht der Kläger seine
Klage und verlangt nunmehr Ersatz auf Grundlage einer 1,5-fachen Geschäftsgebühr.
Auch die Anwaltstätigkeit gegenüber der Kaskoversicherung des Klägers sei
ersatzfähig.
Wegen des
weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die im Berufungsrechtszug
eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die Berufung
des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Der Kläger hat gegen
die Beklagten einen Anspruch in dem vom Landgericht zugesprochenen Umfang aus
§§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 2, 18 Abs. 1 S. 1, Abs. 3
StVG, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG auf Grundlage einer
Mithaftungsquote von 50 %.
1.
Gemäß
§ 513 ZPO kann eine Berufung nur auf eine Rechtsverletzung oder darauf
gestützt werden, dass die gemäß § 529 ZPO zu berücksichtigenden
Feststellungen ein anderes als das landgerichtliche Ergebnis rechtfertigen.
Beides liegt für die Berufung der Beklagten nicht vor. Das Landgericht hat
zutreffend in der gebotenen Abwägung gemäß §§ 17 Abs. 1, 2, 18
Abs. 3 StVG eine Haftungsquote des Klägers und der Beklagten von jeweils
50 % angenommen. Aufgrund der Beweisaufnahme ist es nachvollziehbar zu der
Überzeugung gelangt, dass am Traktorgespann vor dem Abbiegen nach links in die
Hofeinfahrt der linke Fahrtrichtungsanzeiger eingeschaltet war.
Der Grundsatz
der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) berechtigt das Gericht, die im
Prozess gewonnenen Erkenntnisse grundsätzlich nach seiner individuellen
Einschätzung zu bewerten, wobei der Richter lediglich an die Denk-, Natur- und
Erfahrungsgesetze gebunden ist (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 34. Auflage 2022,
§ 286, Rn. 13). Ein Verstoß gegen diese Grundsätze ist nicht erkennbar. Im
Übrigen steht die Wiederholung der Beweisaufnahme außerdem gemäß §§ 529,
531 ZPO nicht im reinen Ermessen des Berufungsgerichts. Sie ist im Sinne eines
gebundenen Ermessens vielmehr nur dann zulässig, wenn konkrete Anhaltspunkte
Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen
Feststellungen begründen und eine gewisse - nicht notwendig überwiegende -
Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall einer Beweiserhebung die
erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand mehr haben werden, sich also
ihre Unrichtigkeit herausstellt (Zöller/Heßler, a.a.O., § 529, Rn. 3).
Solche konkreten Anhaltspunkte sind vorliegend nicht ersichtlich.
Das Landgericht
hat zunächst den gegen den Beklagten zu 2) als Linksabbieger sprechenden
Anscheinsbeweis für einen Verstoß gegen die doppelte Rückschaupflicht aus
§ 9 Abs. 1 S. 4 StVO korrekt angewendet und sodann die zur
Verfügung stehenden, geeigneten Erkenntnisquellen ausgeschöpft. Es hat den
Kläger persönlich angehört, den Beklagten zu 2) persönlich angehört und als
Partei nach § 448 ZPO vernommen sowie den Zeugen I. vernommen. Es hat die
Angaben umfassend und frei von Rechtsfehlern gewürdigt. Die Überzeugungsbildung
ist nachvollziehbar und verstößt nicht gegen Denk-, Natur- und
Erfahrungsgesetze. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der
erstinstanzlichen Feststellungen bestehen danach nicht. Der Kläger will mit
seiner Berufungsbegründung letztlich nur seine eigene Beweiswürdigung an die
Stelle des Landgerichts setzen. Ein Widerspruch zum Inhalt der Ermittlungsakte
besteht nicht. Dass auf den dortigen Lichtbildern der Fahrtrichtungsanzeiger
nicht im aufleuchtenden Zustand zu sehen ist, mag daran liegen, dass die
Lichter eben nur zeitweilig aufleuchten und die Fotos nicht genau in diesem
Moment aufgenommen wurden. Zudem haben die Fotos, die erst geraume Zeit nach
dem Unfall gefertigt wurden, ohnehin nur eine sehr eingeschränkte Aussagekraft
hinsichtlich der Frage, ob der linke Fahrtrichtungsanzeigers im Zeitpunkt des
Unfalls eingeschaltet war oder nicht. Hinsichtlich der Aussage des Zeugen I.l
hat das Landgericht berücksichtigt, dass dieser den Unfall selbst nicht
beobachtet hat. Die Würdigung der Zeugenaussage durch das Landgericht als
(weiteres) Indiz für die Richtigkeit der Angaben des Beklagten zu 2) ist nicht
zu beanstanden. Ein unfallanalytisches Sachverständigengutachten war nicht
einzuholen. Zutreffend hat das Landgericht dies als unerheblich und ungeeignet
abgelehnt. Durch ein Sachverständigengutachten ließen sich zwar möglicherweise
die Ausgangsgeschwindigkeiten und die Kollisionsstellung ermitteln. Beide
Faktoren sind indes nicht entscheidungserheblich. Nicht durch ein
Sachverständigengutachten ermitteln ließe sich hingegen, wer zuerst gebremst
hat und mit welchem Abstand zum Traktorgespann der Kläger bis zum Überholen
gefahren ist. Nach seinen eigenen Angaben sollen es nur ca. 5 m gewesen sein.
Ein Sachverständiger könnte ex post auch nicht klären, ob am Traktorgespann zum
Unfallzeitpunkt der linke Fahrtrichtungsanzeiger tatsächlich eingeschaltet war
oder nicht.
2.
Unter der
Maßgabe, dass am Traktorgespann der linke Fahrtrichtungsanzeiger eingeschaltet
war, hat das Landgericht zu Recht ein Überholen des Klägers bei unklarer
Verkehrslage nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO angenommen. Blinkt ein
Traktor nach links, ist stets damit zu rechnen, dass dieser kurzfristig
abbiegt, und zwar ggf. auch ohne vorheriges Einordnen nach links (was wegen der
Fahrzeugbreite häufig schon nicht möglich ist). Der Kläger hätte auch damit
rechnen müssen, dass das Traktorgespann nach links in eine schwer erkennbare
Hof- oder Feldeinfahrt einbiegen will. Bei dieser Verkehrslage war das
Überholen unzulässig.
Die Bewertung
der Verursachungsbeiträge durch das Landgericht ist ebenfalls nicht zu
beanstanden.
Im Rahmen der
bei einem Verkehrsunfall zweier Kraftfahrzeuge erforderlichen Abwägung gemäß
§ 17 Abs. 1 StVG ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen,
insbesondere darauf, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder
anderen Teil verursacht worden ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs ist dabei eine Abwägung und Gewichtung der jeweiligen
Verursachungsbeiträge vorzunehmen, wobei eine umfassende Würdigung aller
Umstände des Einzelfalls, insbesondere eine genaue Klärung des Unfallhergangs
geboten ist (BGH, Urteil vom 28.02.2012, VI ZR 10/11, Juris Rn. 6; OLG
Frankfurt, Urteil vom 31.03.2020, 13 U 226/15, Juris Rn. 43). Im Rahmen der
Abwägung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile der Fahrer
der beteiligten Fahrzeuge sind unter Berücksichtigung der von beiden Fahrzeuge
ausgehenden Betriebsgefahr nur unstreitige oder aber zugestandene und bewiesene
Umstände zu berücksichtigen. Jeder Halter hat dabei die Umstände zu beweisen,
die dem anderen zum Verschulden gereichen und aus denen er für die nach
§ 17 Abs. 1 und 2 StVG vorzunehmende Abwägung für sich günstige
Rechtsfolgen herleiten will. Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße
Möglichkeit einer Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslage
haben deswegen außer Betracht zu bleiben (ständige Rechtsprechung des BGH,
Urteil vom 21.11.2006, VI ZR 115/05, NJW 2007, 506; Urteil vom 27.06.2000, VI
ZR 126/99, NJW 2000, 3069; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26.07.2018, 1 U 117/17,
Juris Rn. 5). Die jeweils ausschließlich unstreitigen oder nachgewiesenen
Tatbeiträge müssen sich zudem auf den Unfall ausgewirkt haben. Der Beweis
obliegt demjenigen, welcher sich auf einen in die Abwägung einzustellenden
Gesichtspunkt beruft (BGH, Urteil vom 13.02.1996, VI ZR 126/95, NZV 1996, 231,
232; OLG Dresden, Urteil vom 25.02.2020, 4 U 1914/19, Juris Rn. 4 m.w.N.).
Unter Beachtung
dieser Grundsätze hat das Landgericht das Verschulden des Beklagten zu 2) wegen
eines Verstoßes gemäß § 9 Abs. 1 S. 4, Abs. 5 StVO gegen
das Verschulden des Klägers wegen eines Verstoßes gemäß § 5 Abs. 3
Nr. 1 StVO unter Berücksichtigung der jeweiligen unterschiedlichen
Betriebsgefahren der unfallbeteiligten Fahrzeuge gegeneinander abgewogen und
die jeweiligen Verursachungsbeiträge im Ergebnis gleich hoch gewichtet. Dies
findet die Billigung des Senats.
3.
Die Höhe des
Schmerzensgeldes hat das Landgericht unter Berücksichtigung der zuvor
ermittelten Haftungsquoten und der unstreitigen Verletzungen des Klägers und
ihren Folgen mit 2.500,00 € fehlerfrei bemessen.
Der Kläger hat
im Wesentlichen zwei Rippenbrüche sowie eine offene, dislozierte
Nasenbeinfraktur erlitten, die operiert werden musste und die das Tragen eines
Nasenschutzschildes erforderte. Weiter hat er ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma
(Grad 1) und eine Daumen-Prellung erlitten. Die Verletzungen haben für die
Dauer von etwa fünf Wochen typische Beschwerden verursacht. Sie rechtfertigen
unter Beachtung des hälftigen Mitverschuldens ein Schmerzensgeld in Höhe von
2.500,00 €.
4.
Den
Haushaltsführungsschaden hat das Landgericht auf Grundlage der Angaben des
Klägers und seiner hierzu als Zeugin vernommenen Ehefrau M. K. ebenfalls
fehlerfrei gemäß § 287 ZPO auf 308,00 € geschätzt. Das Landgericht hat
insbesondere zutreffend darauf abgestellt, dass es zumutbar gewesen sei, die
Hausarbeit ggf. abweichend zwischen den Eheleuten aufzuteilen und den vom
Kläger zu erledigenden Anteil auf seine Verletzungen und Beschwerden
auszurichten. Weiter hat das Landgericht richtigerweise nur die sonst (d.h.
ohne Arbeitsunfähigkeit) üblichen Anwesenheitstage des Klägers zwischen seinen
beruflichen Einsätzen berücksichtigt, und ferner eine unstreitige deutliche
Besserung der Beschwerden nach etwa drei Wochen. Dabei hat es zutreffend einen
ersatzfähigen (ausgefallenen) Aufwand von 28 Stunden ermittelt.
Ob - entgegen
der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 24.04.2008 - Az. 7 U 81/06 -, Juris
Rn. 65; Beschluss vom 22.02.2021 - Az. 7 U 180/20 -, SchlHA 2021, 239 f.;
hierzu weitergehend: Röttger, „Haushaltsführungsschaden - aktuelle Schätzungs-
und Bemessungsgrundlagen des OLG Schleswig“, SchlHA 2021, 366-368) - ein
Stundensatz von mehr als 10,00 € pro Stunde ersatzfähig ist, bedarf vorliegend
keiner Entscheidung, weil das landgerichtliche Urteil insofern nicht (durch die
Beklagten) angegriffen wird.
Der
Haushaltsführungsschaden ist entsprechend der v.g. Haftungsquote zur Hälfte
(154,00 €) zu ersetzen.
5.
Das
angefochtene Urteil ist schließlich auch insofern frei von Rechtsfehlern, als
das Landgericht dem Kläger einen Anspruch gegen die Beklagten auf Ersatz von
vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten für die Inanspruchnahme seiner eigenen
Kaskoversicherung verwehrt hat.
Ergänzend zu
der vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidung des BGH vom 18.01.2005 (Az. VI
ZR 73/04, Juris), wonach es darauf ankommt, ob die Beauftragung eines
Rechtsanwalts aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte
erforderlich und zweckmäßig ist, hat der BGH in einer späteren Entscheidung vom
11.07.2017 (Az. VI ZR 90/17, Juris Rn. 13) in Fortführung seiner ständigen
Rechtsprechung ausgeführt, dass allein der Umstand, dass bei der späteren
Regulierung durch den Kaskoversicherer auch ein Quotenvorrecht des Geschädigten
zu berücksichtigen sein kann, nicht ausreicht, um aus der maßgeblichen Sicht
des Geschädigten die Erforderlichkeit der anwaltlichen Vertretung schon bei der
ersten Kontaktaufnahme mit seinem Kaskoversicherer zu begründen.
Der Kläger hat
sich offenbar bereits zur ersten Kontaktaufnahme mit seinem Kaskoversicherer
anwaltlicher Hilfe bedient. Dies lässt sich aus dem Umstand schließen, dass der
Versicherer bereits mit Schreiben vom 08.7.2021 direkt an den Rechtsvertreter
des Klägers gewandt hat. Eine Erforderlichkeit hierzu aus Sicht des Klägers ist
nicht ersichtlich und hat der Kläger auch nicht dargelegt.
Soweit der
Kläger ausführen lässt, der Kostenerstattungsanspruch sei stets zu bejahen,
wenn die gegnerische Haftpflichtversicherung mit der Regulierung in Verzug
gerate, ist hierzu anzumerken, dass sich die Beklagte zu 1) zum Zeitpunkt der
Inanspruchnahme der klägerischen Kaskoversicherung noch nicht im Verzug befand.
Nach den Darlegungen des Klägers (vgl. Klageschrift vom 07.12.2021, dort
S. 4) befindet sich die Beklagte zu 1) erst seit dem 28.08.2021 im Verzug,
während die Regulierung seitens des Kaskoversicherers bereits mit Schreiben vom
08.07.2021 erfolgt ist. Offenbar hat der Kläger - durch seinen Rechtsvertreter
- die eigene Kasko- und die gegnerische Haftpflichtversicherung parallel in
Anspruch genommen.
6.
Die
Klageerhöhung hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Klägers
für die Inanspruchnahme der Beklagten zu 1) ist unbegründet. Der Kläger macht
nunmehr eine 1,5-fache Geschäftsgebühr geltend an Stelle der zunächst
verlangten 1,3-fachen Geschäftsgebühr.
Es kann
dahinstehen, ob die Bestimmung der Rahmengebühr auf das 1,5-fache gemäß
§ 14 Abs. 1 RVG vorliegend billigem Ermessen entspräche oder nicht.
Denn der Rechtsvertreter des Klägers hat sein Ermessen bereits verbindlich
ausgeübt, indem er vorgerichtlich bzw. zumindest mit der Klage vom 07.12.2021
die ihm zustehende Rahmengebühr auf eine 1,3-fache Geschäftsgebühr bestimmt hat
(vgl. Klageschrift, dort S. 10). An diese Bestimmung ist er selbst
gebunden. Bei der Bestimmung der angemessenen Gebühr gemäß § 14 Abs. 1
S. 1 RVG handelt es sich um eine Leistungsbestimmung im Sinne von
§ 315 BGB. Diese ist als einseitige Willenserklärung grundsätzlich
unwiderruflich und für den bestimmungsberechtigten Rechtsanwalt bindend (v.
Seltmann in BeckOK RVG, 60. Edition, Stand 01.09.2021, § 14 Rn. 11,
m.w.N.).
Nach allem hat
die Berufung des Klägers keine Aussicht auf Erfolg.
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