Die Klägerin eine Krankenkasse,
klagte aus übergegangenen Recht (§ 115 SGB X) gegen den Arbeitgeber (AG) ihres
Mitglieds auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gem. §§ 3 und 8 EFZG für den
Zeitraum 10.03. – 18.04.2018. Das Mitglied war seit dem 08.02.2018 bei dem
Arbeitgeber tätig gewesen und ab dem 12.02.2018 arbeitsunfähig erkrankt.
Trotzdem versuchte sie noch am 14. und 15.02.2018 zu arbeiten, da der AG eine
Kündigung avisiert habe, wenn es in der Einarbeitungsphase krankheitsbedingt
nicht arbeite. Am 23.02.2018 kündigte der AG das Arbeitsverhältnis ordentlich
zum 09.03.2019 innerhalb der Probezeit.
Das Arbeitsgericht hatte die Klage
abgewiesen. Die Berufung der Klägerin war erfolgreich.
Grundsätzlich hat ein
Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei unverschuldeter
Arbeitsunfähigkeit im Krankheitsfall durch den AG für die Dauer von sechs
Wochen, § 3 EFZG. Die Voraussetzung, dass eine Wartezeit von vier Wochen nach
Arbeitsbeginn erfüllt sein müsse (§ 3 Abs. 3 EFZG) war zum Zeitpunkt des Kündigungstermins
gegeben. Der Entgeltfortzahlungsanspruch endet grundsätzlich mit Beendigung des
Arbeitsverhältnisses (§ 8 Abs. 2 EFZG); dies gilt ausnahmsweise dann nicht,
wenn der AG das Arbeitsverhältnis wegen der Erkrankung kündigt (§ 8 Abs. 1 S. 1
EFZG).
Eine Kündigung aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit
läge vor, so das LAG, wenn diese wesentliche Bedingung derselben sei, wobei es
auf die objektive Ursache, nicht auf das Motiv ankäme. Entscheidend sei, ob die
Arbeitsunfähigkeit wesentlicher Anstoß für die Kündigung ist. Darlegungs- und
beweisbelastet dafür sei der Arbeitnehmer, bei dem Fall des Forderungsübergangs
hier die Krankenkasse. Allerdings käme dem Gekündigten (und damit auch der
Krankenkasse) der Anscheinsbeweis zu Gute, wenn die Kündigung in zeitlich engem
Zusammenhang mit dem zeitlichen Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erfolge (LAG
Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.03.2006 - 5 AZR 2/01 -); ausreichend sei, wenn
zwar die Arbeitsunfähigkeit nicht alleiniger Grund, aber Anlass für den
Ausspruch der Kündigung ist. Dieser Anscheinsbeweis wäre vom AG zu erschüttern.
Diese Voraussetzungen sah das LAG als
gegeben an.
Der Anscheinsbeweis sei gegeben,
da ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Anzeige der Arbeitsunfähigkeit und
dem Ausspruch der Kündigung bestanden habe. Bekräftigt würde der Anscheinsbeweis
auch dadurch, dass die vierwöchige Wartefrist des § 3 Abs. 3 EFZG am 09.03.2018
geendet habe, mithin der AG ab dem 10.03.2018 zur Entgeltfortzahlung
verpflichtet gewesen wäre.
Der Anscheinsbeweis sei vom AG
nicht entkräftet worden. Er habe zwar darauf verwiesen, dass das Mitglied der
Klägerin nicht an einer „Initialschulung“ nicht habe teilnehmen können, die
Voraussetzung für die vorgesehene Tätigkeit sei und für ihn die Ursache der
Nichtteilnahme irrelevant gewesen sei. Da es aber auf das objektive Motiv der
Kündigung nicht ankäme verbliebe es dabei, dass die Arbeitsunfähigkeit und die Nichtteilnahme
Anlass für die Kündigung gewesen seien. Damit aber würde der über das
Vertragsende hinausgehende Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 8 Abs. 1 S. 1
EFZG greifen mit der Folge, dass der AG für den sechswöchigen Zeitraum ab
Ablauf der Wartefrist von vier Wochen gem. § 3 Abs. 3 EFZG (hier also für die
Zeit vom 10.03. bis 18.04.2018) das Entgelt trotz am 09.03.2018 beendeten
Arbeitsverhältnisses weiter zahlen müsse.
LAG Nürnberg, Urteil vom
04.07.2019 - 5 Sa 115/19 -
Aus den Gründen:
Tenor
- I. Das Urteil des Arbeitsgerichtes Nürnberg vom 13.02.2019 mit dem Aktenzeichen 2 Ca 3819/18 wird aufgehoben.
- II. Die Beklagte und Berufungsbeklagte wird verurteilt, an die Klägerin und Berufungsklägerin 1.570,00 € (in Worten: Eintausendfünfhundertsiebzig Euro) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.07.2018 zu zahlen.
- III. Die Beklagte und Berufungsbeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
- IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- Die Parteien streiten über einen übergegangenen Entgeltfortzahlungsanspruch.
- Die bei der Klägerin gegen Krankheit versicherte Arbeitnehmerin B… war bei der Beklagten seit dem 08.02.2018 beschäftigt. Ab dem 12.02.2018 war diese Arbeitnehmerin krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Diese Arbeitsunfähigkeit teilte Frau B… der Beklagten telefonisch am 12.02.2018 mit. Die Versicherte B… hat der Klägerin gegenüber erklärt, dass ihr durch den Vorgesetzten G… bei Meldung der Arbeitsunfähigkeit bereits eine erkrankungsbedingte Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses avisiert worden sei. Herr G… habe insoweit geäußert, es tue ihm leid, wenn Frau B… jetzt erkrankt sei, sie sei aber nun einmal in der Einarbeitung. Wenn sie jetzt zu Hause bleibe müsse man das Beschäftigungsverhältnis gegebenenfalls beenden. Obwohl Frau B… zunächst bis einschließlich 14.02.2018 arbeitsunfähig krankgeschrieben war, nahm sie ihre Tätigkeit trotz der Erkrankung am 13.02.2018 und 14.02.2018 wieder auf und besuchte in dieser Zeit eine Schulungsmaßnahme der Beklagten. Wegen der Erkrankung war Frau B… jedoch ab dem 15.02.2018 nicht mehr in der Lage, weiter an dieser Schulungsmaßnahme teilzunehmen. Am 23.02.2018 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Arbeitnehmerin zum 09.03.2018. Zuvor hatte die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 15.02.2018 zu der beabsichtigten Kündigungsmaßnahme angehört. Die Klagepartei gewährte der versicherten Arbeitnehmerin ab 10.03.2018 bis 18.04.2018 Krankengeld in Höhe von insgesamt 1.570,00 €. Mit Schreiben vom 25.04.2018 forderte die Klägerin die Beklagte unter Bezugnahme auf § 115 SGB X auf, an sie übergegangene Fortzahlungsansprüche in Höhe von 1.570,00 € zu zahlen. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 27.04.2018 die verlangte Zahlung ab. Mit Schreiben der Klägerin vom 24.05.2018 wurde nochmals unter Fristsetzung die Beklagte zur Zahlung aufgefordert. Nach abgelaufener Frist hat die Klägerin mit Antrag vom 02.07.2018 den Erlass eines Mahnbescheides gegen die Beklagte beantragt. Dieser Mahnbescheid wurde am 11.07.2018 erlassen und der Beklagten am 13.07.2018 zugestellt. Mit Schreiben vom 16.07.2018 legte die Beklagte gegen den Mahnbescheid Widerspruch ein. Gegenüber dem Arbeitsgericht Nürnberg erfolgte mit Schriftsatz vom 22.08.2018 die Anspruchsbegründung durch die Klagepartei.
- Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Beklagte habe aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmerin gekündigt. Die Beklagte habe sowohl mit Schreiben vom 27.04.2018 als auch mit Schreiben vom 29.05.2018 gegenüber der Forderungsanmeldung der Klägerin jeweils vorgetragen, die Kündigung sei erfolgt, da die Versicherte B… nicht in der Lage gewesen sei an einer Schulungsmaßnahme teilzunehmen und den verpassten Inhalt der Schulung aufgrund der Abwesenheit nicht mehr aufholen hätte können. Aus diesem Vortrag der Beklagten ergäbe sich zwanglos das Vorliegen einer Anlasskündigung. Ausreichend sei insoweit, dass der zur Kündigung führende Geschehnisablauf zwar durch die Arbeitsunfähigkeit in Gang gesetzt werde, aber erst durch das Hinzutreten sonstiger Umstände der Kündigungsentschluss des Arbeitgebers herbeigeführt werde. Ohne Eintritt der Arbeitsunfähigkeit wären die Schulungsinhalte nicht verpasst worden und somit wäre auch keinesfalls ohne den Eintritt der Arbeitsunfähigkeit zum in Rede stehenden Zeitpunkt die Kündigung erklärt worden.
- Die Klagepartei beantragte erstinstanzlich:
- 1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.570,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.07.2018 zu zahlen.
- 2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
- Die Beklagte beantragte,
- die Klage abzuweisen.
- Die Beklagte hat vorgetragen, es sei nicht aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmerin gekündigt worden. Vielmehr habe die Beklagte den Eindruck gewonnen, dass die Arbeitnehmerin den Anforderungen der Position eines „Mitarbeiters Kundenservice“ in dem Projekt H… Krankenversicherung nicht genügen würde. Die Arbeitnehmerin habe im Rahmen der Schulung desinteressiert gewirkt und nicht die fachlichen Grundlagen für die zukünftige Zusammenarbeit für einen Einsatz im Projekt der Beklagten gehabt. Diese Erwägung der Beklagten zur Kündigung seien auch in der Betriebsratsanhörung aufgeführt worden. Darüber hinaus machte die beklagte Partei geltend, dass der streitgegenständliche Anspruch im Hinblick auf die arbeitsvertraglich vereinbarten Ausschlussfristen erloschen sei. Aufgrund der arbeitsvertraglichen Vereinbarung hätte die Klageerhebung am 27.07.2018 erfolgen müssen.
- Das Arbeitsgericht hat die Klage aufgrund mündlicher Verhandlung vom 13.02.2019 abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass aufgrund der Ausführungen der Beklagten nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Kündigung aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmerin ausgesprochen worden sei. Nach dem unstreitigen Parteivorbringen der Beklagten hätte sich die Arbeitnehmerin zum Zeitpunkt der in Rede stehenden Arbeitgeberkündigung noch in der Probezeit befunden. Eines Kündigungsgrundes hätte es daher nicht bedurft. Die Beklagte habe ihre Kündigungserwägung substantiiert unter Beweisantritt vorgetragen und ein konkretes Bestreiten der Klagepartei läge insoweit nicht vor. Die von der Klagepartei zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung der versicherten Arbeitnehmerin sei rechtlich unerheblich.
- Das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 13.02.2019 ist der Klägerin am 01.03.2019 zugestellt worden. Die Berufungsschrift vom 28.03.2019 ist beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am 28.03.2019 eingegangen. Die Berufungsbegründungsschrift vom 26.04.2019 ging beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am 09.05.2019 ein. Die Berufungsbegründungsfrist war bis zum 31.05.2019 verlängert worden.
- Zur Begründung ihrer Berufung führt die Klägerin aus, dass die vom Erstgericht als substantiiert bezeichneten Kündigungserwägungen der Beklagten sich auf drei Sätze beschränken würde und das Arbeitsgericht fehlerhaft davon ausgegangen sei, dass die Beklagte diesen Sachvortrag nicht bestritten habe. Zwischen den Parteien sei erstinstanzlich unbestritten gewesen, dass die Beklagte mit außergerichtlichem Schreiben vom 27.04.2018 sowie mit weiterem Schreiben vom 29.05.2018 gegenüber der Klägerin erklärt habe, dass die Kündigung erfolgt sei, weil die Versicherte B… nicht in der Lage gewesen sei, an der dortigen Schulungsmaßnahme teilzunehmen und daher den verpassten Inhalt der Schulung aufgrund der Abwesenheit nicht mehr hätte aufholen können. Weiter war unstrittig, dass die Versicherte am 13.02.2018 und 14.02.2018, obwohl sie zunächst bis 14.02.2018 arbeitsunfähig krankgeschrieben sei, trotzdem noch an der Schulungsmaßnahme teilgenommen habe. Erstinstanzlich sei weiter auch unbestritten gewesen, dass der unmittelbare Vorgesetzte von Frau B…, der bereits am 12.02.2018 über die Arbeitsunfähigkeit informiert gewesen sei, anlässlich des Telefonats mitgeteilt habe, dass Frau B… krankheitsbedingt in der Einarbeitungszeit fehle und nicht mehr an der Schulungsmaßnahme teilnehmen könne und das Beschäftigungsverhältnis seitens der Beklagten gekündigt werden müsse. Warum das Erstgericht bei diesem Sach- und Streitstand in der Urteilsbegründung davon ausgegangen sei, dass die Beklagte substantiiert die Kündigungserwägungen vorgetragen habe und dies von der Klagepartei nicht bestritten worden sei, sei für die Klägerin nicht nachzuvollziehen. Ein Auseinandersetzen des Erstgerichts mit dem Sach- und Streitstand sei der Urteilsbegründung nicht zu entnehmen. Eine Prüfung des Erstgerichts auf Plausibilität und Schlüssigkeit der bestehenden Vorträge sei ebenfalls nicht zu erkennen. Fehlende fachliche Kenntnisse hätte die Beklagte gar nicht beurteilen können, da die Versicherte B… erst zwei Tage an einer Schulungsmaßnahme teilgenommen habe, bevor die Berufungsbeklagte Kenntnis von der Arbeitsunfähigkeit erlangt hätte. Eine tatsächliche Arbeitsleistung hätte Frau B… gar nicht erbringen können. Zähle man noch die beiden weiteren Schulungstage mit, bei dem die Versicherte bereits erkrankt gewesen sei, beschränke sich die Teilnahme an der Schulungsmaßnahme auf gerade vier Tage. Wie die Berufungsbeklagte nach nur vier Tagen die fachliche Kompetenz der Mitarbeiterin aussagekräftig hätte bewerten wollen, bleibt ihr Geheimnis. Außerdem sei hierbei zu berücksichtigen, dass gerade die Schulungsmaßnahme den Zweck verfolgt hätte neuen Mitarbeiter die fachliche Kompetenz zu vermitteln. Zusammenfassend könne man daher lediglich feststellen, dass der Mitarbeiterin B… nur deswegen gekündigt worden sei, weil sie krankheitsbedingt an der Schulungsmaßnahme nicht teilnehmen konnte, in der ihr die fachlichen Kenntnisse hätten vermittelt werden sollen. In einem solchen Fall läge jedoch eindeutig eine sogenannte Anlasskündigung vor.
- Die Berufungsklägerin stellt folgende Anträge:
- I. Das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 13.02.2019 mit dem Aktenzeichen 2 Ca 3819/19 wird aufgehoben.
- II. Die Beklagte Berufungsbeklagte wird verurteilt, an die Klägerin und Berufungsklägerin 1.570,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.07.2018 zu zahlen.
- III. Die Beklagte und Berufungsbeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
- Die Berufungsbeklagte beantragt,
- die Berufung zurückzuweisen.
- Die Berufungsbeklagte ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe den Rechtsstreit zutreffend entschieden und schließt sich den Ausführungen des Arbeitsgerichts vollumfänglich an. Die Klägerin verkenne bereits, dass auch die vorgerichtlichen Aussagen zu den Gründen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht dergestalt ausgelegt werden könnten, dass sich daraus eine Kündigung aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit ergäbe. Benötige die Beklagte in einem bestimmten Bereich Arbeitskräfte, würden diese kollektiv als Gruppe geschult, um ihre Tätigkeit erbringen zu können. Es nehmen zwischen 10 und 12 Teilnehmer an der Schulung teil. Diese Schulungen dauern in der Regel mehrere Tage. Es handelt sich um sogenannte Initialschulungen („Erstausbildung“), bestehend aus einem Basiskommunikationstraining und der Fachschulung. Die Schulungen würden aufwendig geplant und die Termine festgelegt. Nähme ein Arbeitnehmer an der Schulung nicht teil, könne er die Tätigkeit nicht ausführen, für die er eingestellt worden sei. Das habe die Beklagte dem Betriebsrat im Rahmen des Verfahrens gemäß § 102 BetrVG mitgeteilt, eine Nachschulung erfolge nicht und sei auch nicht möglich, da die Schulungen sehr aufwendig seien. Das läge auch daran, dass spezialisierte Fachtrainer eingesetzt werden würden und die Schulungsthemen vom Kunden der Beklagten vorgegeben würden. Kündigungsanlass (und Kündigungsgrund) sei daher, dass die Beklagte absehen konnte, dass Frau B… ihre Tätigkeit ohne die Schulungsteilnahme nicht wird erbringen können. Aus welchem Grund Frau B… der Schulung ferngeblieben sei, sei hierbei für die Beklagte irrelevant. Aus der Betriebsratsanhörung werde zudem deutlich, dass Frau B… darüber hinaus auch während der Teilnahme an der Schulung desinteressiert gewirkt habe.
- Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
- I.
- Die Berufung der Klägerin ist zulässig und dem Beschwerdewert nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 2 lit. b, 66 Abs.1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
- II.
- In der Sache selbst hat die Berufung Erfolg. Im Einzelnen war Folgendes zu berücksichtigen:
- 1. Die klägerische Krankenkasse hat gegenüber der Beklagten aus übergegangenem Recht gemäß § 115 Abs. 1 SGB X i.V.m. §§ 8 Abs. 1, Satz 1, Abs. 3, Satz 1 und Abs. 3 EFZG Anspruch auf Erstattung des an die Arbeitnehmerin für den Zeitraum vom 10.03.2018 bis 18.04.2018 gezahlten Krankengeldes.
- a) Ein Arbeitnehmer, der ohne eigenes Verschulden durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, hat während des Bestands des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen (§ 3 Abs. 1, Satz 1 EFZG). Voraussetzung ist, dass bei Beginn der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ein Arbeitsverhältnis besteht und gemäß § 3 Abs. 3 EFZG die vierwöchige Wartezeit erfüllt ist. Regelmäßig endet der Entgeltfortzahlungsanspruch mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses (§ 8 Abs. 2 EFZG). Dieser Grundsatz wird jedoch durch § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG durchbrochen. Ungeachtet des vorzeitigen, d.h., vor Ablauf des sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraums liegenden Endes des Arbeitsverhältnisses, behält der Arbeitnehmer über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus den sechswöchigen Entgeltfortzahlungsanspruch, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit gekündigt hat.
- Der Arbeitgeber kündigt dann aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit, wenn die Arbeitsunfähigkeit wesentliche Bedingung der Kündigung ist. Es kommt auf die objektive Ursache, nicht auf das Motiv der Kündigung an. Maßgebend sind die objektiven Umstände bei Ausspruch der Kündigung. Der Begriff „aus Anlass“ ist weit auszulegen. Es genügt, wenn die Kündigung ihre objektive Ursache und wesentliche Bedingung in der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers hat und den entscheidenden Anstoß für den Kündigungsentschluss gegeben hat (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BAG, Urteil vom 17.04.2008 - 5 AZR 2/01, zitiert nach juris). Darlegungs- und beweispflichtig für eine solche Anlasskündigung ist die Arbeitnehmerin bzw. im Falle des Forderungsübergangs die Krankenkasse. Indessen kommt ihr regelmäßig der Anscheinsbeweis zu Gute, wenn die Kündigung in zeitlich engem Zusammenhang zur angezeigten Arbeitsunfähigkeit ausgesprochen worden ist. Eine Anlasskündigung ist mithin zu vermuten, wenn sie in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem zeitlichen Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erfolgt (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.03.2006 - 6 Sa 801/05, zitiert nach juris). Es ist dann zunächst Sache der Arbeitgeberin diesen Anschein durch Beweis dadurch zu erschüttern, dass nicht die angezeigte Arbeitsunfähigkeit, sondern andere Gründe zum Ausspruch der Kündigung führten. Dabei muss die Arbeitsunfähigkeit nicht alleiniger Grund für die Kündigung sein, sie muss nur Anlass zum Ausspruch der Kündigung gewesen sein. Sie muss mithin den Kündigungsentschluss als solchen wesentlich beeinflusst haben (BAG, Urteil vom 17.04.2002 - 5 AZR 2/01, zitiert nach juris).
- b) Diese Voraussetzungen des Fortbestandes des Entgeltfortzahlungsanspruchs über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus bis zur Dauer von insgesamt sechs Wochen liegen hier vor.
- Die Klägerin hat den Anscheinsbeweis erbracht, dass die Kündigung der Arbeitnehmerin aus Anlass ihrer Erkrankung erfolgte. Die Kündigung und die Anzeige der Arbeitsunfähigkeit stehen bereits in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang. Darüber hinaus wird der Anscheinsbeweis auch noch durch den Umstand gestützt, dass bei Ausspruch der Kündigung der Ablauf der vierwöchigen Wartefrist gemäß § 3 Abs. 3 EFZG drohte und einen Tag nach Ablauf der Kündigungsfrist endete, so dass die Beklagte ab dem 10.03.2018 Entgeltfortzahlung hätte leisten müssen.
- Die Beklagte vermochte diesen Anscheinsbeweis nicht zu erschüttern. Sie hat zwar vorgetragen, dass die Kündigung deswegen erfolgt sei, da die Klägerin bei der sogenannten Initialschulung („Erstausbildung“), bestehend aus einem Basiskommunikationstraining und der Fachschulung hätte nicht teilnehmen können. Nehme ein Arbeitnehmer an der Schulung nicht teil, so könne er die Tätigkeit nicht ausführen, für die er eingestellt worden ist. Aus welchem Grund die Arbeitnehmerin der Schulung ferngeblieben sei, wäre für die Beklagte irrelevant gewesen. Hierbei verkennt die Beklagte, dass ursächlich für die Nichtteilnahme der Arbeitnehmerin deren Arbeitsunfähigkeit gewesen ist. Wie oben dargestellt, kommt es auf die objektive Ursache nicht auf das Motiv der Kündigung an. Die Arbeitsunfähigkeit und die damit verbundene Nichtteilnahme der Arbeitnehmerin an der Schulung war damit Anlass für den Ausspruch der Kündigung.
- Soweit die Beklagte im Rahmen der Berufung nochmals darauf hingewiesen habe, dass die Arbeitnehmerin darüber hinaus auch während der Teilnahme an der Schulung desinteressiert gewirkt habe und dies auch in der Betriebsratsanhörung deutlich werde, folgt die erkennende Kammer dieser Argumentation nicht. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass in der Betriebsratsanhörung vom 15.02.2018 (Anlage B1) ein solcher Hinweis für den Leser der Betriebsratsanhörung gerade nicht ersichtlich wird. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Arbeitnehmerin aufgrund der Aussage ihres Ansprechpartners Herrn G… trotz Arbeitsunfähigkeit noch zwei Tage an der Schulung teilgenommen hat. Wenn die arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmerin daraufhin in der Schulung nicht leistungsfähig gewesen ist, liegt eine mögliche Erklärung hierfür in der der Beklagten bekannten Arbeitsunfähigkeit. Es erscheint damit treuwidrig, wenn sich die Beklagte auf ein solches Verhalten der Arbeitnehmerin während ihr Arbeitsunfähigkeit beruft. Weiter wäre zu berücksichtigen, dass die Beklagte ihren Kündigungsentschluss wegen eines mutmaßlichen Desinteresses der Arbeitnehmerin an der Schulung schon vor der Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit gefasst haben müsste. Hierzu liegt kein nachvollziehbarer Sachvortrag durch die Beklagte vor. Insbesondere hat sich die Beklagte auch nicht mit dem Sachvortrag der Klägerin auseinandergesetzt, dass Herr G… anlässlich des Telefonats bezüglich der Mitteilung einer Arbeitsunfähigkeit gegenüber der Arbeitnehmerin geäußert habe, dass es ihm leid tue, dass die Arbeitnehmerin jetzt erkrankt sei, sie aber nun einmal in der Einarbeitung sei und dass daher das Beschäftigungsverhältnis beendet werden müsse. Auch dass Herr G… im weiteren Verlauf geäußert habe, dass Frau B… sich gerne nach erfolgter Genesung wieder melden könne, spricht gegen ein festgestelltes angebliches Desinteresse der Arbeitnehmerin.
- Der klägerische Anspruch ist auch nicht aufgrund der arbeitsvertraglichen Ausschlussklausel erloschen. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 12.04.2018 den Anspruch gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Diese hat den Anspruch mit Schreiben vom 27.04.2018 abgelehnt, so dass die Frist für die Klageerhebung am 28.04.2018 angelaufen ist und mit Ablauf des 27.07.2018 geendet hat. Diese Frist hat die Klägerin durch die Beantragung des Mahnbescheides am 02.07.2018 gewahrt. Der Mahnbescheid wurde unter dem 11.07.2018 erlassen und der Beklagten am 13.07.2018 zugestellt.
- Auf die Berufung der Klägerin war daher das Ersturteil entsprechend abzuändern und der Klage stattzugeben.
- III.
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Für die Zulassung der Revision bestand kein gesetzlich begründeter Anlass (§ 72 Abs. 2 ArbGG).
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen