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Mittwoch, 14. Juli 2021

Zur Auslegung und Inhaltskontrolle einer Gemeinschaftsordnung der Wohnungseigentümergemeinschaft

Im Rahmen einer Anfechtungsklage von Beschlüssen einer Wohnungseigentümer-versammlung gab das Amtsgericht der Klage mit der Begründung statt, die Einladung habe Wohnungseigentümer nicht rechtzeitig) erreicht. Im Kern ging es damit darum, ob die aus 1990 stammende Regelung der Gemeinschaftsordnung „Für die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung genügt die Absendung an die Anschrift, die dem Verwalter von dem Wohnungseigentümer zuletzt mitgeteilt wurde.“  Auszulegen und ggf. wie auszulegen ist und ob die Klausel wirksam ist, nachdem das Landgericht im Berufungsverfahren dem Amtsgericht folgte und der BGH im Rahmen der Revision entscheiden musste.

Amts- und Landgericht haben die Regelung dahingehend ausgelegt, dass sie zwar die Ordnungsgemäßheit der Absendung regele, es aber darauf ankäme, dass die Ladung auch tatsächlich bei dem Adressaten ankommt (im Anschluss an OLG Hamburg 21.06.2006 - 2 Wx 33/05 -). Dem folgt der BGH nicht. Die Klausel beziehe sich nicht lediglich auf Eigentümer, die einen Wohnsitzwechsel nicht ordnungsgemäß angezeigt hätten (und von daher bei fehlender Ladung daraus kein Anfechtungsanspruch hergeleitet werden könne). Allerdings sei im Übrigen gem. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB, der entsprechend anwendbar sei, nicht die fristwahrende Absendung sondern der Zugang bei den Wohnungseigentümern maßgeblich. Davon abweichende Regelungen in Gemeinschaftsordnungen seien aber weit verbreitet, wobei die hier verwandte Formulierung in der Literatur als „Zugangsfiktion“ bezeichnet werde, obwohl sie dem Wortlaut nach nicht den Zugang regele. Teilweise würde angenommen, dass die Klausel allgemein als Nachweis der rechtzeitigen Absendung ausrechend und wirksam sei, teilwiese nur einschränkend dahingehend ausgelegt, sie gelte nur in Bezug auf diejenigen Eigentümer, die ihre neue Anschrift nicht mitgeteilt hätten. Zutreffend sei die erstgenannte Ansicht, da sich für die einschränkende Klausel aus dem maßgeblichen Wortlaut nichts ergäbe. Aus ihr sei zu entnehmen, dass allgemein die rechtzeitige Absendung ausreichend sei und nicht auf den Zugang abgestellt werde.

Damit musste sich der BGH der Frage zuwenden, ob die so verstandene Regelung in der Gemeinschaftsordnung wirksam ist. Die Eigentümer könnten gem. § 10 Abs. 2 S. 2 WEG von den Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes abweichende Regelungen treffen, soweit dort nichts anderes bestimmt sei. Im Weiteren unterlägen die Regelungen einer Inhaltskontrolle. Bisher sei höchstrichterlich nicht entschieden, ob die §§ 307ff BGB auch auf die Gemeinschaftsordnung einer Wohnungseigentümergemeinschaft Anwendung finde oder ob unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls die Inhaltskontrolle am Maßstab des § 242 BGB (Treu und Glauben) auszurichten sei.

Bei Anwendung der §§ 307ff BGB könnte die Klausel § 308 Nr. 6 BGB unterfallen, wonach Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unzulässig seien, die vorsähen, dass Erklärungen des Verwenders von besonderer Bedeutung dem anderen Vertragsteil als zugegangen gelten würden. Eine direkte Anwendung der §§ 307ff BGB scheide aus, da es sich bei der einseitig vorgegebenen Gemeinschaftsordnung nicht um Vertragsbedingungen handele wie bei dem Abschluss eines Vertrages iSv. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB. Sie stünde einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer gleich. Eine analoge Anwendung scheide hier aber auch aus, da es an einer Vergleichbarkeit der Gemeinschaftsordnung mit einem schuldrechtlichen Vertrag als auch an einer planwidrigen Regelungslücke ermangele. An der planwidrigen Regelungslücke würde es bereits deshalb ermangeln, da die Wohnungseigentümer die ursprünglich einseitig vorgegebene Gemeinschaftsordnung jederzeit einstimmig (bei Öffnungsklauseln auch mit Mehrheitsbeschluss) ändern könnten, zudem unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 S. 3 WEG jeder Eigentümer eine Änderung unbilliger Klauseln verlangen (und einklagen) könne.

Auch wenn der teilende Eigentümer die Gemeinschaftsordnung vorgeben könne (und er sich so einseitig begünstigen könne) würde die nicht die Heranziehung des AGB-Rechts rechtfertigen können. Diese Regelungen ließen sich mit der auf einen Missbrauch der einseitigen Gestaltungsmacht durch den teilenden Eigentümer bezogenen Inhaltskontrolle des § 242 BGB bewältigen

Vereinbarungen der Wohnungseigentümer (und damit die Regelungen in der Gemeinschaftsordnung) dürften nicht treuwidrig sein. Abgesehen von den Fällen einseitiger Aufteilung sei wegen des weiten Gestaltungsspielraums der Wohnungseigentümer und des möglichen Anpassungsanspruch nach § 10 Abs. 2 S. 3 WEG allenfalls in Ausnahmefällen denkbar, Regelungen der Gemeinschaftsordnung, die sich in den Grenzen der §§ 134, 138 BGB hielten, wegen Verstoßes gegen § 242 BGB als unwirksam anzusehen. Das zugrunde legend sei die Regelung wirksam. Es würde kein spezifischer Zusammenhang mit einer einseitigen Aufteilung erkennbar, wie sich auch daraus ergäbe, dass es sich um eine gebräuchliche Regelung handele und keinen inhaltlichen Bezug zu dem teilenden Eigentümer aufweise. Weiterhin sei das aus § 130 Abs. 1 S. 1 BGB abgeleitete Zugangserfordernis abdingbar, weshalb es darauf ankomme, ob mit der Klausel in schwerwiegender Weise in das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht als unverzichtbares Mitgliedschaftsrecht eingegriffen würde und damit iSv. § 134 BGB gegen ein gesetzliches Verbot verstoße. Erforderlich sei hier eine Abwägung zwischen den Folgen für die Teilnahmerechte einerseits und die Interessen der Gesamtheit der Wohnungseigentümer. Ein gravierender Eingriff in das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht eines Eigentümers läge nicht schon vor, wenn dieses infolge eines Fehlers der Post nicht ausgeübt werden könne, zumal die Beschlussmängelklage auch noch möglich sei. Andererseits müsse en Verwalter darauf vertrauen dürfen, dass ein rechtzeitiger Postversand ausreichend ist, wobei ein Nachweis nicht möglich sei, es sei denn, die Ladungen würden per Einschreiben oder Boten zugestellt, was aber mit erheblichen Verwaltungs- und Kostenaufwand verbunden wäre, was dem Gesamtinteresse der Wohnungseigentümer widerspräche (unabhängig davon, dass bei dieser Vorgehensweise auch der Inhalt des jeweiligen Schreibens nicht nachgewiesen würde). Die Fassung rechtssicherer Beschlüsse sei aber ein elementares Interesse der Wohnungseigentümergemeinschaft, weshalb die als Zugangsfiktion anzusehende Klausel nicht treuwidrig sei.

BGH, Urteil vom 20.11.2020 - V ZR 196/19 -

Freitag, 7. Mai 2021

Pflichtwidrige Versagung einer Einberufung einer Eigentümerversammlung wegen Corona-Pandemie

Die Verwalterbestellung der Antragstellerin bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft mit mehr als 50 Eigentümern endete am 31.12.2020. Der Beiratsvorsitzende forderte die Verwalterin im August 2020 (nachdem noch keine Jahresversammlung in 2020 stattfand) zur Einberufung der Eigentümerversammlung zwecks Verwalterwahl auf. Diese weigerte sich unter Verweis auf die Corona-Pandemie und die Regelung in § 6 Abs. 1 COVMG. Hierauf lud der Beiratsvorsitzende zu der Eigentümerversammlung ein. Die Antragsteller begehrte durch einstweilige Verfügung, ihm dies zu untersagen. Das Amtsgericht wies dies zurück. Die von der Antragstellerin eingelegte Beschwerde war nicht erfolgreich.

Das Landgericht hielt zunächst fest, dass der Beiratsvorsitzende gem. § 24 Abs. Abs. 3 WEG a.F. zur Einberufung berechtigt gewesen sei. § 24 Abs. 3 WEG a.F. lautete:

Fehlt ein Verwalter oder weigert er sich pflichtwidrig, die Versammlung der Wohnungseigentümer einzuberufen, so kann die Versammlung auch, falls ein Verwaltungsbeirat bestellt ist, von dessen Vorsitzenden oder seinem Vertreter einberufen werden.

§ 24 Abs. 3 WEG a.F. entspricht im Kern auch der heutigen Fassung des § 24 Abs. 3 WEG. Das Landgericht verwies darauf, dass die Corona-Pandemie nicht generell von der Einberufung einer Eigentümerversammlung entbinde. Es verbliebe dabei, dass vom Grundsatz her einmal im Jahr eine Versammlung durchzuführen sei. Da die Eigentümerversammlung der zentrale Ort für Entscheidungen der Wohnungseigentümers ei (auch nach neuem Recht), bestünde bei Durchführbarkeit ein Anspruch auf Durchführung. Die Pflicht des Verwalters zur Einberufung wie auch die Pflicht des Beirats nach Ablauf der Jahresfrist zur Einberufung richte sich nach der Möglichkeit von deren Durchführung.

Das Landgericht berücksichtigte, dass die Gemeinschaft aus 50 Eigentümern bestünde und erwog auch, dass nach Vortrag der Antragstellerin regelmäßig ca. 20 Eigentümer teilnehmen würden, wobei es davon ausging, dass im Hinblick auf die Wahl auch mit mehr Teilnehmern gerechnet werden könne; allerdings sei nach den coronabedingten Umständen auch davon auszugehen, dass in erheblichen Umfang von Eigentümern von der Möglichkeit der Vollmachtserteilung Gebrauch machen würden. Da zum Zeitpunkt der durch den Beirat vorgesehenen Versammlung nach der Allgemeinverfügung der Stadt W. Zusammenkünfte von bis zu 50 Personen zulässig waren, hätte also öffentlich-rechtliche Beschränkungen nicht dagegengestanden und die Pandemielage als solche hätte, da auch alle Geschäfte und Schulen zu dieser Zeit geöffnet waren, die Verweigerung der Einberufung nicht begründen können. Ob dies zu den Hochzeiten der Pandemie im Frühjahr 2020 und im Winter 2020/21 anders zu beurteilen gewesen wäre, ließ das Landgericht offen. Zwar müssten die Versammlungen den Rahmenbedingungen der Pandemie entsprechen (womit wohl die Hygienemaßnahmen pp. gemeint sein dürften) entsprechen, was zur Erschwerung der Versammlung, nicht aber zu deren Unmöglichkeit führe.

Wesentlich ist in diesem Zusammenhang der Verweis des Landgerichts darauf, dass die Versammlung nicht in Ansehung von Art. 2 § 6 Abs. 1 COVFAG entbehrlich gewesen sei, da es nur um die Wahl des Verwalters gegangen sei. Das Gegenteil sei zutreffend. Die vom Gesetzgeber in Art. 2 § 6 Abs. 1 COVFAG greife erheblich in das Verhältnis der WEG zum Verwalter ein und das Bestellungsverhältnis würde unabhängig vom Willen der WEG verlängert. Dieser Eingriff sei in Vorsorge für den Zeitraum geschaffen worden, indem eine Versammlung nicht durchführbar sei (BT-Drs. 19/18110, S. 31). Dieser Verweis des Landgerichts ist zutreffend: Es sollte nicht während der Pandemie ein wesentliches Element der selbstbestimmenden Eigentümergemeinschaft ausgeschaltet werden, sondern nur für einen unabdingbaren Notfall Vorsorge getroffen werden [wobei verwunderlich ist, weshalb nicht für diesen Notfall der Gesetzgeber eine schriftliche Abstimmung resp. eine rein digitale Versammlung ipso jure und (wie im neuen WEG geregelt) nur bei Zustimmung oder bei Beschluss bzw. Aufnahme in die Gemeinschaftsordnung) zugelassen hat]. Wenn wie vorliegend eine Versammlung stattfinden könne, käme die Regelung der automatischen Verlängerung nach  § 6 Abs. 1 COVMG nicht in Betracht. Bedeutsam ist zudem der Zusatz des Landgerichts, dass es selbst bei Vorliegen der Voraussetzung des § 6 COVMG in Ansehung des erheblichen Unterschieds der Rechtsstellung des nach § 6 Abs. 1 COVMG tätigen Verwalters von dem „normalen Verwalter“ erforderlich sei, im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung (vgl. § 18 Abs. 2 WEG n.F.) sobald es möglich sei, einen Beschluss über die Verwalterbestellung zu fassen.

Das Landgericht Frankfurt am Main hat damit (als Berufungsinstanz in WEG-Verfahren in Hessen) deutlich Kriterien für die Einberufung von Eigentümerversammlungen, insbesondere in Bezug auf die Bestellung von Verwaltern, benannt, die auch in Zeiten der Corona-Pandemie zu beachten sind und nicht durch Hilfsmaßnahmen des Gesetzgebers, wie in § 6 Abs. 1 COVMG, nach Gutdünken des Verwalters  außer Kraft gesetzt werden könne.

LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 16.02.2021 - 2-13 T 97/20 -