Die Verwalterbestellung der Antragstellerin bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft mit mehr als 50 Eigentümern endete am 31.12.2020. Der Beiratsvorsitzende forderte die Verwalterin im August 2020 (nachdem noch keine Jahresversammlung in 2020 stattfand) zur Einberufung der Eigentümerversammlung zwecks Verwalterwahl auf. Diese weigerte sich unter Verweis auf die Corona-Pandemie und die Regelung in § 6 Abs. 1 COVMG. Hierauf lud der Beiratsvorsitzende zu der Eigentümerversammlung ein. Die Antragsteller begehrte durch einstweilige Verfügung, ihm dies zu untersagen. Das Amtsgericht wies dies zurück. Die von der Antragstellerin eingelegte Beschwerde war nicht erfolgreich.
Das Landgericht hielt zunächst
fest, dass der Beiratsvorsitzende gem. § 24 Abs. Abs. 3 WEG a.F. zur
Einberufung berechtigt gewesen sei. § 24 Abs. 3 WEG a.F. lautete:
Fehlt ein Verwalter oder weigert er sich
pflichtwidrig, die Versammlung der Wohnungseigentümer einzuberufen, so kann
die Versammlung auch, falls ein Verwaltungsbeirat bestellt ist, von dessen
Vorsitzenden oder seinem Vertreter einberufen werden.
§ 24 Abs. 3 WEG a.F. entspricht im Kern auch der heutigen Fassung des § 24 Abs. 3 WEG. Das Landgericht verwies darauf, dass die Corona-Pandemie nicht generell von der Einberufung einer Eigentümerversammlung entbinde. Es verbliebe dabei, dass vom Grundsatz her einmal im Jahr eine Versammlung durchzuführen sei. Da die Eigentümerversammlung der zentrale Ort für Entscheidungen der Wohnungseigentümers ei (auch nach neuem Recht), bestünde bei Durchführbarkeit ein Anspruch auf Durchführung. Die Pflicht des Verwalters zur Einberufung wie auch die Pflicht des Beirats nach Ablauf der Jahresfrist zur Einberufung richte sich nach der Möglichkeit von deren Durchführung.
Das Landgericht berücksichtigte, dass die Gemeinschaft aus 50 Eigentümern bestünde und erwog auch, dass nach Vortrag der Antragstellerin regelmäßig ca. 20 Eigentümer teilnehmen würden, wobei es davon ausging, dass im Hinblick auf die Wahl auch mit mehr Teilnehmern gerechnet werden könne; allerdings sei nach den coronabedingten Umständen auch davon auszugehen, dass in erheblichen Umfang von Eigentümern von der Möglichkeit der Vollmachtserteilung Gebrauch machen würden. Da zum Zeitpunkt der durch den Beirat vorgesehenen Versammlung nach der Allgemeinverfügung der Stadt W. Zusammenkünfte von bis zu 50 Personen zulässig waren, hätte also öffentlich-rechtliche Beschränkungen nicht dagegengestanden und die Pandemielage als solche hätte, da auch alle Geschäfte und Schulen zu dieser Zeit geöffnet waren, die Verweigerung der Einberufung nicht begründen können. Ob dies zu den Hochzeiten der Pandemie im Frühjahr 2020 und im Winter 2020/21 anders zu beurteilen gewesen wäre, ließ das Landgericht offen. Zwar müssten die Versammlungen den Rahmenbedingungen der Pandemie entsprechen (womit wohl die Hygienemaßnahmen pp. gemeint sein dürften) entsprechen, was zur Erschwerung der Versammlung, nicht aber zu deren Unmöglichkeit führe.
Wesentlich ist in diesem Zusammenhang der Verweis des Landgerichts darauf, dass die Versammlung nicht in Ansehung von Art. 2 § 6 Abs. 1 COVFAG entbehrlich gewesen sei, da es nur um die Wahl des Verwalters gegangen sei. Das Gegenteil sei zutreffend. Die vom Gesetzgeber in Art. 2 § 6 Abs. 1 COVFAG greife erheblich in das Verhältnis der WEG zum Verwalter ein und das Bestellungsverhältnis würde unabhängig vom Willen der WEG verlängert. Dieser Eingriff sei in Vorsorge für den Zeitraum geschaffen worden, indem eine Versammlung nicht durchführbar sei (BT-Drs. 19/18110, S. 31). Dieser Verweis des Landgerichts ist zutreffend: Es sollte nicht während der Pandemie ein wesentliches Element der selbstbestimmenden Eigentümergemeinschaft ausgeschaltet werden, sondern nur für einen unabdingbaren Notfall Vorsorge getroffen werden [wobei verwunderlich ist, weshalb nicht für diesen Notfall der Gesetzgeber eine schriftliche Abstimmung resp. eine rein digitale Versammlung ipso jure und (wie im neuen WEG geregelt) nur bei Zustimmung oder bei Beschluss bzw. Aufnahme in die Gemeinschaftsordnung) zugelassen hat]. Wenn wie vorliegend eine Versammlung stattfinden könne, käme die Regelung der automatischen Verlängerung nach § 6 Abs. 1 COVMG nicht in Betracht. Bedeutsam ist zudem der Zusatz des Landgerichts, dass es selbst bei Vorliegen der Voraussetzung des § 6 COVMG in Ansehung des erheblichen Unterschieds der Rechtsstellung des nach § 6 Abs. 1 COVMG tätigen Verwalters von dem „normalen Verwalter“ erforderlich sei, im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung (vgl. § 18 Abs. 2 WEG n.F.) sobald es möglich sei, einen Beschluss über die Verwalterbestellung zu fassen.
Das Landgericht Frankfurt am Main hat damit (als Berufungsinstanz in WEG-Verfahren in Hessen) deutlich Kriterien für die Einberufung von Eigentümerversammlungen, insbesondere in Bezug auf die Bestellung von Verwaltern, benannt, die auch in Zeiten der Corona-Pandemie zu beachten sind und nicht durch Hilfsmaßnahmen des Gesetzgebers, wie in § 6 Abs. 1 COVMG, nach Gutdünken des Verwalters außer Kraft gesetzt werden könne.
LG Frankfurt am Main,
Beschluss vom 16.02.2021 - 2-13 T 97/20 -
Aus den Gründen:
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Die Antragstellerin war Verwalterin einer WEG. Ihre Verwalterstellung endete am 31.12.2020. Nachdem im Jahr 2020 keine Eigentümerversammlung durchgeführt worden ist, forderte der Beiratsvorsitzende die Verwalterin zur Einberufung Ende August 2020 auf, um über die Verwalterwahl zu beschließen. Die Antragstellerin weigerte sich unter Hinweis auf die Corona-Pandemie und die Regelung zur Weiterbestellung des Verwalters in § 6 Abs. 1 COVMG, weshalb für eine Verwalterwahl kein Bedürfnis bestünde. Hierauf lud der Beiratsvorsitzende zu einer Versammlung ein. Die Antragstellerin begehrte daraufhin, ihm dies durch eine einstweilige Verfügung zu untersagen.
Das Amtsgericht hat zunächst ausweislich des Tenors des Beschlusses vom 11.11.2020 die einstweilige Verfügung erlassen, sodann den Tenor dahingehend berichtigt, dass der Antrag zurückgewiesen wird. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie angesichts des Zeitablaufes den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
II.
Die sofortige Beschwerde ist statthaft und zulässig.
Ob sie sich nur gegen den Berichtigungsbeschluss richtet, ist allerdings zweifelhaft. Zwar ist richtig, dass durch eine Berichtigung die berichtigte Fassung an die Stelle des ursprünglichen Beschlusses tritt, so dass dieser ersetzt wird und auch die Rechtsmittelfristen nicht erneut laufen. Hiervon gibt es aber Ausnahmen, wenn die Entscheidung in der zugestellten, nicht berichtigten Fassung insgesamt nicht klar genug war, um den Parteien die Grundlage für ihr weiteres prozessuales Handeln zu bieten, insbesondere für ihre Entscheidung über die Frage der Notwendigkeit und der Möglichkeit eines Rechtsmittels (Musielak/Voit/Musielak, 17. Aufl. 2020, ZPO § 319 Rn. 17). Dies war hier der Fall, denn der ursprüngliche Tenor gab dem Antrag statt, weshalb auch der Antragsgegner sich seinerseits veranlasst sah, sofortige Beschwerde und Widerspruch einzulegen und die Versammlung nicht durchgeführt wurde. Bei dieser Sachlage führt die Änderung des Tenors dazu, dass mit Zustellung der berichtigten Entscheidung die Frist für die Einlegung eines Rechtsmittels gegen die berichtigte Entscheidung neu beginnen (Musielak/Voit/Musielak, 17. Aufl. 2020, ZPO § 319 Rn. 17). Dass die ursprüngliche Entscheidung in der Beschwerde nicht benannt wird, ist unerheblich, denn bei sachgerechter Auslegung der Beschwerdeschrift ist klar, dass diese sich gegen die Entscheidung als solche richtet.
Letztlich kann dies dahinstehen, denn die Beschwerde ist unbegründet, so dass auch der Antrag auf Feststellung der Erledigung nicht erfolgreich ist.
Das Amtsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung entschieden, dass der Beiratsvorsitzende gem. § 24 Abs. 3 WEG aF berechtigt war, zur Versammlung einzuladen, insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die angefochtene Entscheidung verwiesen werden. Nur ergänzend ist auszuführen, dass die Corona-Pandemie den Verwalter nicht generell davon entbindet, Versammlungen durchzuführen. Im Grundsatz bleibt es dabei, dass Versammlungen einmal im Jahr durchzuführen sind. Da die Eigentümerversammlung der zentrale Ort für Entscheidungen der Eigentümer ist, besteht soweit diese durchführbar ist, ein Anspruch auf Durchführung von Versammlungen. Ob der Verwalter zu einer Versammlung einladen muss und nach Ablauf der Jahresfrist einem Ersuchen von Eigentümern oder hier des Beirats nachkommen muss, richtet sich daher danach, ob eine Einladung möglich ist. Ist dies der Fall, ist die Versammlung durchzuführen (Schmidt/Zschieschack, COVID-19, 2. Aufl., § 4 Rn. 37; Greiner ZWE 2020, 482).
Vorliegend bestand die Gemeinschaft zwar aus mehr als 50 Eigentümern, die Antragstellerin hat aber selbst vorgetragen, dass üblicherweise ca. 20 Eigentümer auf der Versammlung erschienen sind. Selbst wenn bei einer Verwalterwahl mit einem höheren Teilnahmegrad zu rechnen wäre, dürfte in der derzeitigen Situation davon auszugehen sein, dass die Eigentümer in erheblichem Umfang davon Gebrauch machen, Vollmachten für die Versammlung zu erteilen. Da zum Zeitpunkt der Versammlung nach der Allgemeinverfügung der Stadt W. Zusammenkünfte von bis zu 50 Personen zulässig waren, standen öffentlich-rechtliche Beschränkungen einer Versammlung nicht entgegen. Alleine die Pandemielage als solche rechtfertigte jedenfalls im Oktober 2020, als Schulen und Geschäfte vollständig geöffnet waren, nicht ohne weitere Gründe eine Weigerung des Verwalters eine Versammlung einzuberufen, dies mag zu Hochzeiten der Pandemie im Frühjahr 2020 oder im Winter 2020/2021 anders zu beurteilen sein. Zutreffend ist, dass die Rahmenbedingungen der Versammlung den Bedingungen der Pandemie entsprechen müssen (zu den Einzelheiten Schmidt/Zschieschack aaO § 4 Rn. 17 ff.). Dies erschwert die Versammlung, macht sie aber nicht unmöglich. Ob die Tiefgarage der einzig denkbare Ort war, bedarf hier keiner Entscheidung, denn die Antragstellerin trägt selbst vor, dass für 50 Personen Räume für 1.000 € bis 1.500 € anzumieten waren, dies erscheint nicht unzumutbar, zumal sich die Größe des Raumes an der zu erwartenden Teilnehmerzahl zu orientieren hat und nicht an der Zahl der Eigentümer (Kammer NZM 2021, 45).
Dass der einzige Tagesordnungspunkt der angestrebten Versammlung die Wahl eines (anderen) Verwalters war, obwohl die Antragstellerin aufgrund Art 2 § 6 Abs. 1 COVFAG weiter im Amt geblieben wäre, macht die Versammlung, entgegen der Auffassung der Beschwerde, nicht entbehrlich. Das Gegenteil ist zutreffend. Durch die vom Gesetzgeber angeordnete Verlängerung der Verwalterbestellung wird vom Gesetzgeber erheblich in das Verhältnis der WEG zum Verwalter eingegriffen und das Bestellungsrechtsverhältnis unabhängig vom Willen der Eigentümer verlängert, weil der Gesetzgeber Vorsorge für den Zeitraum schaffen wollte, indem eine Versammlung nicht durchführbar ist (BT-Drucks. 19/18110, S. 31). Wenn allerdings eine Versammlung – wie hier – durchführbar ist, kann die automatische Verlängerung der Amtsstellung nicht angeführt werden, um eine Willensbildung der Eigentümer über den Verwalter zu verhindern. Da zudem die Rechtsstellung, die § 6 Abs. 1 COVMG gewährt sich erheblich von der eines „normalen“ Verwalters unterscheidet (dazu Schmidt/Zschieschack aaO § 4 Rn. 92 ff.), entspräche es auch in Fällen, in denen es zu einer Verlängerung des Amtes durch § 6 Abs. 1 COVMG kommt, vielmehr ordnungsmäßiger Verwaltung sobald eine Versammlung möglich ist, einen Beschluss über die Verwalterbestellung zu fassen.
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