Der Kläger war langjährig
Lagerist bei der Beklagten gewesen. Seit Juli 2016 war er durchgehend
arbeitsunfähig krankgeschrieben. Die Beklagte mahnte den Kläger mit Schreiben
vom 11.01.2016 ab, da dieser vom 27.12. bis 30.12.2016 ohne Angabe von Gründen
nicht zur Arbeit erschienenen sei, ferner mit Schreiben vom 10. und 15.03.2017,
da er seine Anzeigepflicht im Krankheitsfall nicht entsprochen habe (die
Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 22.02. bzw. 08.03 w017 hätten nicht
rechtzeitig vorgelegen). Eine am 07.08.2017 (Montag) an der Pforte abgegebene
Bescheinigung, nach der sich die Arbeitsunfähigkeit über den 04.08.2017 hinaus erstrecke,
ging dem Vorgesetzten erst am 08.08.2017 zu. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis
mit Schreiben vom 31.08.2017 zum 31.12.2017.
Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage.
Diese war in den ersten zwei Instanzen erfolgreich. Im Rahmen der Revision hob
das BAG die Entscheidung auf und verwies den Rechtsstreit an das
Landesarbeitsgericht (LAG) zurück.
Eine Kündigung könne nach § 1
Abs. 2 S. 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitsnehmers sozial
gerechtfertigt sein. Dabei käme auch eine schuldhafte Verletzung einer sich aus
§ 5 Abs. 1 S. 1 EFZG ergebenden (Neben-) Pflicht zur unverzüglichen Anzeige der
Fortdauer einer Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich in Betracht. Diese
Mitteilungspflicht gelte nicht nur für den Fall der Ersterkrankung, sondern
auch der Fortdauer der darauf begründeten Arbeitsunfähigkeit über die zunächst
mitgeteilte Dauer hinaus. Unverzüglich bedeute nach der anzuwendenden
Legaldefinition in § 121 Abs. 1 S. 1 BGB „ohne schuldhaftes zögern“. Die
Mitteilung müsse gegenüber einem vom Arbeitgeber autorisierten Mitarbeiter
erfolgen (mangels besonderer Regelung an den Vorgesetzten oder eine
Personalabteilung); die Überlassung an andere Mitarbeiter würde sich als
Einschaltung von Boten darstellen, für die der Arbeitnehmer das Risiko trage.
Dem Tatsachengericht kommt, so
das BAG, bei der Prüfung und Interessensabwägung, ob eine Kündigung durch
Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers begründet seien, ein
Beurteilungsspielraum zu. Auch im Rahmen des eingeschränkten Prüfungsmaßstabs
im Revisionsverfahren sah dies das BAG als fehlerhaft an, insoweit das LAG lediglich
ein geringes Verschulden angenommen habe ohne Umstände festzustellen, die auf
ein lediglich geringes Verschulden schließen ließen. Auszugehen sei von § 276
BGB (Vorsatz und Fahrlässigkeit), für die der Schuldner (und damit der
Arbeitnehmer bei einer Pflichtverletzung) einzustehen habe. Das LAG habe
allerdings lediglich darauf abgestellt, es habe eine Pflichtverletzung geringen
Ausmaßes vorgelegen, womit es gerade nicht der Grad des Verschuldens, sondern lediglich
das Gewicht der Pflichtverletzung angesprochen worden sei.
Nach § 5 Abs. 1 S. 1 EFZG gehöre
das Fehlen von betrieblichen Ablaufstörungen ebenso wie ein Vorhandensein zu
einer notwendigen vollständigen Interessensabwägung bei einer auf Verletzung
der Anzeigepflicht gestützten Kündigung. Fehlerhaft sei aber die Annahme des
LAG, eine Pflichtverletzung bei unterlassener unverzüglicher Anzeige der
Fortdauer der Erkrankung beeinträchtige die Dispositionsfreiheit des
Arbeitgebers weniger gravierend als die nicht unverzügliche Erstanzeige. Der
Arbeitgeber könne grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Arbeitnehmer ohne
anderslautende Mitteilung seine Arbeit nach Ablauf der mitgeteilten
Erkrankungsdauer wieder aufnehme. Es bestünde auch nicht generell eine große
Wahrscheinlichkeit, dass eine einmal eingetretene Arbeitsunfähigkeit über den
mitgeteilten Zeitraum hinaus fortdauere. Es müssten Umstände belegt sein, die
für den Arbeitgeber die Fortdauer hätten ersichtlich machen müssen. Auch bei
längerem Ausfall des Arbeitnehmers müsse der Arbeitgeber nicht für einen
längerfristigen Ersatz Sorge tragen.
Im weiteren Verlauf wird sich das
LAG mit den Abmahnungen der beklagten beschäftigen müssen und klären müssen, ob
die Anzeigen nach den Abmahnungen pünktlich erfolgten und sich damit der Kläger
die Abmahnungen hat zur Warnung gereichen lassen.
BAG, Urteil vom 07.05.2020 - 2 AZR 619/19 -