Die Parteien stritten um die
Wirksamkeit einer Eigenbedarfskündigung der Beklagten als Vermieter; sie
verband ein seit 2009 bestehendes Mietverhältnis über eine im 5. OG belegen
Wohnung eines Mehrfamilienhauses, welches durch eine Vielzahl von
Rechtsstreitigkeiten und wechselseitigen Strafanzeigen geprägt war. Die
79-jährige Beklagte und ihr 80 Jahre alter Ehemann haben ihren Hauptwohnsitz in
Österreich. Im Zeitraum 2001 bis 2006 benutzten sie zunächst eine 3-Zimmerwohnung,
später eine 2-Zimmerwohnung. Mit Schreiben vom 14.04.2016 kündigte die Beklagte
wegen Eigenbedarf und führte dazu aus, die geringe Größe der selbst genutzten Wohnung
habe zu Problemen geführt, weshalb die beklagte du ihr Ehemann seltener da
seien. Dies solle sich aber ausfamiliären Gründen, wegen gewünschter Teilnahme
am örtlichen Kulturleben und zum Besuch von Heimspielen des örtlichen
Fußballvereins wieder ändern.
Das Amtsgericht wies die Klage
auf Feststellung des Fortbestandes des Mietverhältnisses ab; das Landgericht
hat ihr auf die Berufung hin stattgegeben. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde
der Beklagten hob der BGH das landgerichtliche Urteil auf und verwies den Rechtsstreit
an das Landgericht zurück.
Grundsätzlich, so der BGH, sei
das Berufungsgericht an die Tatsachenfeststellungen des ersten Rechtszugs
gebunden. Bei Zweifeln sei eine erneute Beweisaufnahme durch das
Berufungsgericht zwingend erforderlich. Insbesondere sei aus der Verpflichtung
zur Wahrung des rechtlichen Gehörs abzuleiten, dass bereits erstinstanzlich
gehörte Zeugen nochmals gem. § 398 Abs. 1 ZPO zu vernehmen wären, wenn das Berufungsgericht
deren Aussage anders als das erstinstanzliche Gericht würdigen wolle. Darauf
könne nur verzichtet werden, wenn sich das Berufungsgericht auf solche Umstände
stützten würde, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder
die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit
seiner Aussage beträfen. Das Amtsgericht sei vorliegend nach den Aussagen der Zeugen
angenommen, dass hier der Beklagten ungeachtet der Entfernung und ihres und
ihres Ehemanns Alter die Nutzung der gekündigten Wohnung auch für
Übernachtungsbesuche Dritter möglich sei. Das Landgericht ging davon aus, ohne
erneut die Zeugen anzuhören, dass dies für die Beklagte nicht realisierbar
wäre. Das Berufungsgericht habe gemeint, aus Erwägungen der allgemeinen
Lebenserfahrung heraus von dem Ergebnis des Amtsgerichts abweichen zu können.
Damit aber habe es die Wahrheitsliebe und/oder die Urteilsfähigkeit der Zeugen
und der Beklagten anders beurteilt als das Amtsgericht, ohne dass einer der
Ausnahmefälle, bei denen eine erneute Anhörung nicht notwendig sei, vorgelegen
habe.
Auch soweit das Landgericht den
Umzug der Beklagten von der größeren in die kleinere Wohnung bewertete, wäre
dies zwar zu berücksichtigen, aber auch die Gründe dafür in die Erwägung mit
einzubeziehen und könnte erst nach Anhörung der Vermieterin und ggfls. der Zeugen
geklärt werden. Für die Frage der Ernsthaftigkeit des Vorliegens des
Eigenbedarfs käme es auf die Umstände zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung an.
Aus dem Eigentum folge die Befugnis des Vermieters zur Entscheidung darüber,
von welchem Zeitpunkt an ein Wohnbedarf Anlass für eine Eigenbedarfskündigung
sein soll. Dies hänge damit zusammen, dass der Wunsch sich nicht ausschließlich
oder gar in erster Linie an objektiven Kriterien messen lasse, sondern mit dem
persönlichen Lebensweg eines Menschen, seinen Zukunftsplänen und seinen
persönlichen Vorstellungen und Bedürfnissen zusammenhänge.
Nach der Zurückverweisung sei das
Landgericht veranlasst, die Frage, ob der vom Vermieter zur Begründung der
Kündigung angegebene Erlangungswunsch „nachvollziehbar und vernünftig“ sei,
nicht mit der weiteren Frage zu vermengen, ob der vom Vermieter geltend
gemachte Eigenbedarf auch tatsächlich bestünde und realisierbar wäre. Dass die benannten Gründe (familiäre Kontakte
pp.) vernünftig und nachvollziehbar seien, läge auf der Hand. Vorrangig sei zu
prüfen, ob das tatsächliche Bestehen dieses Nutzungswunsches zur Überzeugung
des Berufungsgerichts nachgewiesen sei, also insbesondere auch ernsthaft
verfolgt würde und nicht bloß, um z.B. einen unliebsamen Mieter aus der Wohnung
zu verdrängen, vorgeschoben sei.
BGH, Beschluss vom 23.10.2018 - VIII ZR 61/18 -