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Freitag, 21. Dezember 2018

Eigenbedarfskündigung und zerstrittenes Mietverhältnis


Die Parteien stritten um die Wirksamkeit einer Eigenbedarfskündigung der Beklagten als Vermieter; sie verband ein seit 2009 bestehendes Mietverhältnis über eine im 5. OG belegen Wohnung eines Mehrfamilienhauses, welches durch eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten und wechselseitigen Strafanzeigen geprägt war. Die 79-jährige Beklagte und ihr 80 Jahre alter Ehemann haben ihren Hauptwohnsitz in Österreich. Im Zeitraum 2001 bis 2006 benutzten sie zunächst eine 3-Zimmerwohnung, später eine 2-Zimmerwohnung. Mit Schreiben vom 14.04.2016 kündigte die Beklagte wegen Eigenbedarf und führte dazu aus, die geringe Größe der selbst genutzten Wohnung habe zu Problemen geführt, weshalb die beklagte du ihr Ehemann seltener da seien. Dies solle sich aber ausfamiliären Gründen, wegen gewünschter Teilnahme am örtlichen Kulturleben und zum Besuch von Heimspielen des örtlichen Fußballvereins wieder ändern.

Das Amtsgericht wies die Klage auf Feststellung des Fortbestandes des Mietverhältnisses ab; das Landgericht hat ihr auf die Berufung hin stattgegeben. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hob der BGH das landgerichtliche Urteil auf und verwies den Rechtsstreit an das Landgericht zurück.

Grundsätzlich, so der BGH, sei das Berufungsgericht an die Tatsachenfeststellungen des ersten Rechtszugs gebunden. Bei Zweifeln sei eine erneute Beweisaufnahme durch das Berufungsgericht zwingend erforderlich. Insbesondere sei aus der Verpflichtung zur Wahrung des rechtlichen Gehörs abzuleiten, dass bereits erstinstanzlich gehörte Zeugen nochmals gem. § 398 Abs. 1 ZPO zu vernehmen wären, wenn das Berufungsgericht deren Aussage anders als das erstinstanzliche Gericht würdigen wolle. Darauf könne nur verzichtet werden, wenn sich das Berufungsgericht auf solche Umstände stützten würde, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit seiner Aussage beträfen. Das Amtsgericht sei vorliegend nach den Aussagen der Zeugen angenommen, dass hier der Beklagten ungeachtet der Entfernung und ihres und ihres Ehemanns Alter die Nutzung der gekündigten Wohnung auch für Übernachtungsbesuche Dritter möglich sei. Das Landgericht ging davon aus, ohne erneut die Zeugen anzuhören, dass dies für die Beklagte nicht realisierbar wäre. Das Berufungsgericht habe gemeint, aus Erwägungen der allgemeinen Lebenserfahrung heraus von dem Ergebnis des Amtsgerichts abweichen zu können. Damit aber habe es die Wahrheitsliebe und/oder die Urteilsfähigkeit der Zeugen und der Beklagten anders beurteilt als das Amtsgericht, ohne dass einer der Ausnahmefälle, bei denen eine erneute Anhörung nicht notwendig sei, vorgelegen habe.

Auch soweit das Landgericht den Umzug der Beklagten von der größeren in die kleinere Wohnung bewertete, wäre dies zwar zu berücksichtigen, aber auch die Gründe dafür in die Erwägung mit einzubeziehen und könnte erst nach Anhörung der Vermieterin und ggfls. der Zeugen geklärt werden. Für die Frage der Ernsthaftigkeit des Vorliegens des Eigenbedarfs käme es auf die Umstände zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung an. Aus dem Eigentum folge die Befugnis des Vermieters zur Entscheidung darüber, von welchem Zeitpunkt an ein Wohnbedarf Anlass für eine Eigenbedarfskündigung sein soll. Dies hänge damit zusammen, dass der Wunsch sich nicht ausschließlich oder gar in erster Linie an objektiven Kriterien messen lasse, sondern mit dem persönlichen Lebensweg eines Menschen, seinen Zukunftsplänen und seinen persönlichen Vorstellungen und Bedürfnissen zusammenhänge.

Nach der Zurückverweisung sei das Landgericht veranlasst, die Frage, ob der vom Vermieter zur Begründung der Kündigung angegebene Erlangungswunsch „nachvollziehbar und vernünftig“ sei, nicht mit der weiteren Frage zu vermengen, ob der vom Vermieter geltend gemachte Eigenbedarf auch tatsächlich bestünde und realisierbar wäre.  Dass die benannten Gründe (familiäre Kontakte pp.) vernünftig und nachvollziehbar seien, läge auf der Hand. Vorrangig sei zu prüfen, ob das tatsächliche Bestehen dieses Nutzungswunsches zur Überzeugung des Berufungsgerichts nachgewiesen sei, also insbesondere auch ernsthaft verfolgt würde und nicht bloß, um z.B. einen unliebsamen Mieter aus der Wohnung zu verdrängen, vorgeschoben sei.

BGH, Beschluss vom 23.10.2018 - VIII ZR 61/18 -