Donnerstag, 29. September 2016

Haftung des Vermieters bei Abgang einer Dachlawine auf Wagen des Mieters ?

Nach der Behauptung der Klägerin hatte sie ihr Fahrzeug auf einem vor dem Haus befindlichen, zum Grundstück des Beklagten zugehörigen Streifen zwischen Haus und Straße abgestellt. Dies sei ihr im Zusammenhang mit einem von ihr mit dem Beklagten über ein Ladengeschäft in dem Haus  abgeschlossenen Mietvertrag erlaubt worden. Am 20.02.2015 soll tagsüber vom Dach des Hauses eine Dachlawine auf das dort abgestellte Fahrzeug der Klägerin abgegangen sein und einen Schaden am Fahrzeug verursacht haben. Sie meint, sie habe gegen den beklagten einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der diesem obliegenden Verkehrssicherungspflicht. Der Beklagte verteidigte sich u.a. damit, er habe die Klägerin aufgefordert, während der Schneezeit wegen der Gefahr von Dachlawinen dort nicht abzustellen und habe auch verschiedentlich Absperrseile gespannt, die immer wieder entfernt worden wären. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liege (daher) nicht vor.

Das Amtsgericht negierte zunächst eine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht des Beklagten aus Mietvertrag, da unstreitig der fragliche Bereich nicht an die Klägerin vermietet wurde.

Aber auch eine Anspruch nach § 823 BGB aus Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht für das Dach des Gebäudes sowie dem unterhalb desselben befindlichen Parkplatz bestünde nicht.  Nach dem vom BGH aufgestellten Grundsatz müsse sich jedermann selbst vor Dachlawinen schützen (BGH VersR 1955, 300). Sicherungspflichten kämen nur in Betracht, wenn sie nach den örtlichen Gepflogenheiten (zu ergänzen wäre hier: nach Baurecht), der allgemeinen Schneelage des Ortes, der Beschaffenheit und Lage des Gebäudes und der Art und des Umfangs des gefährdeten Verkehrs erforderlich wären (LG Ulm BZV 2006, 589).  Es käme auf die Umstände des Einzelfalls an, wobei für schneereiche Gebiete gelte, dass die Verkehrsbeteiligten , die ohnehin mit dem Abgang von Schneemassen von Dächern vertraut wären, keiner besonderen Warnung bedürften (LG Ulm aaO. mwN.). Nach der Beweisaufnahme stünde im übrigen fest, dass der Beklagte die Klägerin nicht nur gewarnt habe, sondern auch versucht habe, den Bereich durch Absperrbänder zu sperren.

Damit aber habe der Beklagte seiner Verkehrssicherungspflicht genüge getan. Schneefanggitter seien im fraglichen Ortsbereich nicht vorgeschrieben. Es komme im Winter im örtlichen Raum häufiger zu Dachlawinen, weshalb die Klägerin mit diesem Phänomen vertraut sein müsse. Auch wenn am fraglichen Tag ein Absperrband nicht vorhanden gewesen sein sollte, hatte die Klägerin die Warnungen missachtet und damit in eigener Verantwortung ihr Fahrzeug im fraglichen Bereich abgestellt.


AG Landsberg am Lech, Urteil vom 07.07.2016 – 2 C 37/16 –


Aus den Gründen:

...erlässt das Amtsgericht Landsberg am Lech durch die Richterin am Amtsgericht Lindner auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16.06.2016 folgendes


Endurteil

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.




Beschluss

Der Streitwert wird auf 376,50  € festgesetzt.



Entscheidungsgründe


1.

Die ordnungsgemäß erhobene Klage ist zulässig . Das Amtsgericht Landsberg am Lech ist sachlich gern. §§ 23, 71 GVG und örtlich gern. § 32 ZPO zuständig.

II.

Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

1.
Gegenstand des Rechtsstreits sind Ansprüche der Klägerin auf Schadensersatz aufgrund einer behaupteten Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch den Beklagten. Das Fahrzeug der Klägerin mit dem amtlichen Kennzeichen LL - XXXXXX wurde am 20.02 .2015 durch eine Dachla-­ wine , die vom Anwesen des Beklagten, Landsberger Straße 19 in 86932 Pürgen abging, -so be­ -hauptet die Klägerin- beschädigt.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe seiner Verkehrssicherungspflicht genügt, da kein Schneefanggitter angebracht sei, obwohl das Dach des Hauses sehr steil sei. Außerdem sei die darunter liegende Verkehrsfläche nicht mittels eines Absperrbandes abgesperrt gewesen. Die Klägerin behauptet, sie sei vom Beklagten auf die Gefahr von Dachlawinen gerade nicht hinge­ wiesen worden .

Der Beklagte wendet ein, eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liege nicht vor. Die Klä­gerin sei in der Zeit davor vor Dachlawinen ausdrücklich gewarnt worden. Zudem sei ab Anfang Februar 2015 ein Absperrband vor dem streitgegenständlichen Anwesen angebracht worden , das der Klägerin klargemacht haben müsse, dass  in  diesem  Bereich  mit  Dachlawinen zu  rechnen sei. Außerdem bestreitet der Beklagte eine Beschädigung des klägerischen Fahrzeugs durch die Dachlawine sowie die Erforderlichkeit von Zulassungskosten für ein neues Fahrzeug mangels To­ -talschadens .

2.
Ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten aufgrund einer Verkehrssicherungspflichtverlet­ zung als vertragliche Nebenpflicht im Rahmen des Mietverhältnisses , besteht  schon  deshalb nicht, weil -dies ist zwischen den Parteien unstreitig- die  Fläche, auf der die Klägerin ihr Fahrzeug abgestellt hatte, nicht an die Klägerin vermietet war .

3.
Auch ein Anspruch aus § 823 Abs . 2 BGB auf Schadensersatz wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht für das Dach des Gebäudes sowie den unterhalb des Daches befindlichen Parkplatz steht der Klägerin nicht zu.



a)
Maßgeblich für die Entscheidung der Frage, ob dem Hauseigentümer besondere Sicherungs­ pflichten zum Schutz vor Dachlawinen treffen , sind stets die Umstände des Einzelfalls (vgl. LG Ulm, NZV 2006 , Seit 589). Nach der Rechtssprechung des BGH (Versicherungsrecht 1955, Seite 300) muss sich grundsätzlich jedermann selbst vor Dachlawinen schützen . Sicherungspflichten des Eigentümers kommen nur in Betracht, wenn sie nach den örtlichen Gepflogenheiten , der all­gemeinen Schneelage des Ortes, der Beschaffenheit und Lage des Gebäudes und der Art und des Umfangs des gefährdeten Verkehrs erforderlich waren (LG Ulm a.a.O. ). Als Schutzmaßnah­men vor abgehenden Dachlawinen werden in der Rechtssprechung die Anbringung von Schnee­fanggittern sowie Warnhinweise abhängig vom Umstand des Einzelfalls diskutiert . Hier argumen­tiert die Rechtsprechung für schneereiche Gebiete damit, dass die Verkehrsbeteiligten , die ohne­ hin mit der Gefahr des Abgleitens niedergehender Schneemassen von Dachschrägen vertraut seien, keiner besonderen Warnung bedürfen (LG Ulm a.a.O. unter Verweis auf BGH).

b)
Vorliegend hat die Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts ergeben , dass eine Verlet­ zung der Verkehrssicherungspflicht auf Seiten des Beklagten nicht vorlag , vielmehr dass dieser seinen Schutzpflichten im ausreichenden Maße nachgekommen ist.

Die Zeugin xxxxx gab an, dass Anfang Februar 2015 ein Absperrband aufgestellt worden sei, mit Hilfe von Eisenstangen und eines rot-weißen Plastikbandes. Das Band sei später einmal von Un-­ bekannten entfernt gewesen und wieder aufgestellt worden. Zudem habe man die Klägerin per-­ sönlich darauf hingewiesen, dass im Winter Dachlawinen abgehen . Man hat auf die Parkmöglich-­ keiten im Innenhof verwiesen .

Auch nach Aussage der Zeugin xxxxxxxxx hat es ein Gespräch zwischen der Klägerin und dem Beklagten gegeben , bei dem die Klägerin darauf hingewiesen wurde, dass Dachlawinen abgehen könnten. Das sei Anfang des Winters 2015 gewesen . Es habe geheißen, man solle das Auto nicht so parken, dass es unter der Lawine stehen könnte.

Der Zeuge xxxxxxxx gab an, er habe am 07.02.2015 gemeinsam mit dem Beklagten das Absperrband aufgestellt. Es sei L-förmig aufgestellt worden zur Absicherung wegen Dachla­winen, weil Tauwetter angesagt gewesen sei. Das Absperrband sei bis zum Eingang des Laden­geschäftes der Klägerin gegangen .

Die drei Zeugen haben nach Überzeugung des Gerichts sachlich, neutral, unaufgeregt und ohne Belastungseifer ausgesagt. Auch bei besonders kritischer Würdigung der Glaubwürdigkeit der Zeugen, die, wie die Zeugin xxxxx, Ehefrau des Beklagten ist, oder wie die Zeugin xxxxx, die sich im Streit geschäftlich von der Klägerin getrennt hat, ergaben sich keine Anhaltspunkte dafür , dass die Zeugen die Unwahrheit sagten. Insbesondere kann das Gericht nicht erkennen , weshalb der unbeteiligte Zeuge xxxxxxxx motiviert gewesen sein soll, falsch auszusagen.

Die zentralen Aussagen der Zeugen , dass die Klägerin wegen Dachlawinen gewarnt worden sei und auch im Februar 2015 schon zwei Mal ein Absperrband wegen der Dachlawinen aufgestellt gewesen sei, konnten die übrigen Zeugen nicht entkräften.

Damit steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte die Klägerin vor Dachlawinen warnte und ein Absperrband am 07.02.2015 und später nochmals anbrachte.


c)
Damit hat der Beklagte seiner Verkehrssicherungspflicht genügt. Schneefanggitter sind im Orts­ -bereich von Pürgen nicht vorgeschrieben . Zudem kommt es im Winter im örtlichen Raum des Amtsgericht und auch am Tatort häufig zu Schneefällen und in der Folge bei Tauwetter zu Dach­ -lawinen. Die Klägerin musste als Verkehrsteilnehmer diesen Phänomen vertraut sein.
Nachdem der Beklagte die Klägerin aber sogar ausdrücklich vor den Dachlawinen warnte und ein Flatterband aufstellte, hat er damit in jedem Fall seiner Verkehrssicherungspflicht genügt. Die Klä-­ gerin, die diesen Rat und das warnende Absperrband  missachtet  hat, auch wenn dies am Tag der Beschädigung nicht mehr aufgestellt gewesen sein mag, hat damit in eigener Verantwortung gehandelt , als sie ihr Fahrzeug im Dachbereich parkte. Nach Auffassung des Gerichts ist es irre-­ levant, dass am Tag der Beschädigung selbst, das Absperrband nicht mehr aufgestellt war. Für den verständigen Verkehrsteilnehmer muss der Warnhinweis , der vom Absperrband  ausging, auch noch für die Wochen danach erinnerlich gewesen sein, da Dachlawinen nicht nur an einem einzelnen Tag auftreten, sondern sich jederzeit bei entsprechender Schneelage wiederholen kön­nen.

Die Klage war daher abzuweisen .

III.

Die Kostenentscheidung und die übrigen Nebenentscheidungen haben ihre Grundlage in §§ 91, 713 ZPO.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen