Freitag, 28. Mai 2021

Berücksichtigung von Nutzungsvorteilen im Rahmen der Vorteilsausgleichung (Dieselskandal)

Die Entscheidung betraf einen der vielen Fälle um den sogen. Dieselskandal. Der Kläger verlangte von dem beklagten Hersteller Schadensersatz wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung an seinem VW Caddy Maxi CL 2.0 TDI. Das Landgericht hatte der Klage nur teilweise stattgeben; die Abweisung erfolgte wegen gezogener Nutzungsvorteile. Die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgte der Kläger seinen Anspruch erfolglos weiter.

Grundsätzlich habe, so der BGH, einen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 826 BGB iVm § 31 BGB analog auf Erstattung des Kaufpreises und der hier von ihm aufgebrachten Umbaukosten Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs an den Beklagten Hersteller. Allerdings habe er sich im Wege der Vorteilsanrechnung die gezogenen Nutzungen anrechnen zu lassen.  

Die Einwände des Klägers, die Vorteilsanrechnung würde die Präventionswirkung des Deliktrechts verfehlen, das Gebot der unionsrechtskonformen Rechtsanwendung verletzen und die Beklagte unangemessen entlasten sowie die gesetzlichen Wertungen missachten, würden nicht greifen. Der BGH verwies dazu auf seine Urteile vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 - und vom 30.07.2020 - VI ZR 354/19 -. Hier hatte der BGH festgehalten, dass zwar das Deliktsrecht Präventionswirkung habe (BGH, Urteil vom 28.06.2011 - KZR 75/10 -), aber es nicht geboten sei, in Bezug auf die sich als  nützliche Folge der Kompensation der Prävention die Vorteilsausgleichung grundsätzlich auszuschließen, zumal dann der Ersatzanspruch in die Nähe eines dem deutschen Recht fremden Strafschadensersatzes rücke.  Die unionsrechtlichen Bestimmungen (hier in Form der Richtlinie 2007/46/EG seien nicht einschlägig, da diese nur fordern würden, dass die EU-Typenbestimmungen eingehalten würden, nichts aber dazu aussagen würden, ob ein Vorteilsausgleich auszugleichen bzw. nicht auszugleichen sei.

Die Berechnung des Vorteils gemäß § 287 ZPO, bei der von einer geschätzten Laufleistung von 300.000km ausgegangen wurde, sei nicht zu beanstanden. Der Vorteil errechne sich aus dem Bruttokaufpreis multipliziert mit den zurückgelegten Kilometern, dividiert durch die erwartete Restlaufleistung zum Zeitpunkt des Erwerbs.

Soweit eingewandt wurde, ein Nutzungsvorteil sei deshalb erheblich herabzusetzen, da die Fahrzeugnutzung rechtlich unzulässig gewesen sei, sei unbeachtlich, da es bei dem Vorteilsausgleich auf die tatsächliche Nutzung und die daraus gezogenen Vorteile, nicht auf eine fiktive Nutzungsmöglichkeit ankäme.

BGH, Urteil vom 02.03.2021 - VI ZR 147/20 -


Aus den Gründen:

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 13. Dezember 2019 wird zurückgewiesen.

Von den bis zum 3. Dezember 2020 entstandenen Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger 29% und die Beklagte 71% aus einem Streitwert von 38.207,40 €.

Die danach entstandenen Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Kläger aus einem Streitwert von 11.015,83 € allein.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger nimmt - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - die Beklagte als Herstellerin des von ihm aufgrund einer Bestellung vom 14. März 2012 erworbenen VW Caddy Maxi CL 2.0 TDI auf Schadensersatz wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Anspruch. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet. Es wurde behindertengerecht ausgerüstet.

Für den Fahrzeugtyp wurde die Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt. Die in dem Fahrzeug des Klägers installierte Motorsteuerungssoftware erkennt, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet und den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchläuft. In diesem Fall läuft die Software in einem Modus 1, in dem die Grenzwerte für die Stickoxid-Emission nach der Euro-5-Norm eingehalten werden. Im realen Fahrbetrieb arbeitet die Motorsteuerung im Modus 0 und es erfolgt eine Zurückleitung der ausgestoßenen Stickoxide in den Ansaugtrakt des Motors in geringerem Umfang ohne Einhaltung der Grenzwerte. Nach Auffassung des Kraftfahrt-Bundesamtes handelt es sich hierbei um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007; das Kraftfahrt-Bundesamt verpflichtete die Beklagte dazu, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Vorschriftsmäßigkeit der betroffenen Fahrzeuge mit Dieselmotoren vom Typ EA189 sicherzustellen. Ein von der Beklagten daraufhin angebotenes Software-Update wurde von dem Kläger nach Vertragsschluss installiert.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger von der Beklagten zuletzt Schadensersatz in Höhe des gezahlten Kaufpreises von 35.539,40 € und der für den behindertengerechten Umbau des Fahrzeugs aufgewandten Kosten von 2.668,00 €, mithin Zahlung von 38.207,40 € nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs.

Das Landgericht hat die Beklagte - wegen Berücksichtigung gezogener Nutzungen unter Abweisung der Klage im Übrigen - verurteilt, an den Kläger 27.191,57 € nebst Prozesszinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs zu zahlen. Mit der Berufung hat sich der Kläger gegen die Anrechnung der Nutzungsvorteile gewandt. Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die Berufungen des Klägers und der Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Dagegen haben beide Parteien die vom Berufungsgericht unbeschränkt zugelassene Revision eingelegt. Der Kläger verfolgt seine Berufungsanträge weiter. Die Beklagte hat ihre Revision zurückgenommen.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht, dessen Urteil unter BeckRS 2019, 41968 veröffentlicht ist, hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - ausgeführt, dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB zu. Der Kläger müsse sich jedoch im Wege des Vorteilsausgleichs Nutzungen anrechnen lassen. Die erwartete Gesamtlaufleistung hat es - dem Landgericht folgend - auf 300.000 km geschätzt. Der Gebrauchsvorteil errechne sich aus dem Bruttokaufpreis, multipliziert mit den von dem Kläger zurückgelegten Kilometern, geteilt durch die erwartete Restlaufleistung zum Erwerbszeitpunkt. Dabei hat das Berufungsgericht - jeweils dem Landgericht folgend - zum Bruttokaufpreis die Kosten des behindertengerechten Umbaus des Fahrzeugs hinzugerechnet und die bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zurückgelegten Kilometer in Ansatz gebracht. Somit ergebe sich die bereits vom Landgericht errechnete Nutzungsentschädigung in einer Höhe von 11.015,83 €, die von den Anschaffungskosten (38.207,40 €) abzuziehen sei.

II.

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet.

1. Das Berufungsgericht hat frei von Rechtsfehlern angenommen, dass dem Kläger ein Schadensersatzanspruch gem. § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB analog auf Erstattung des Kaufpreises und der Umbaukosten Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs (vgl. hierzu Senatsurteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 13 ff.) zusteht, im Wege der Vorteilsanrechnung aber der Kaufpreis um die von dem Kläger gezogenen Nutzungen zu reduzieren ist. Die insoweit von der Revision u.a. erhobenen Einwände, mit der Vorteilsanrechnung würden die Präventionswirkung des Deliktsrechts verfehlt, das Gebot unionsrechtskonformer Rechtsanwendung verletzt, die Beklagte unangemessen entlastet und gesetzliche Wertungen missachtet, greifen nicht durch (vgl. Senatsurteile vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 64 ff. mwN und vom 30. Juli 2020 - VI ZR 354/19, NJW 2020, 2796 Rn. 11).

2. Die vom Berufungsgericht bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Bemessung der anzurechnenden Vorteile zugrunde gelegte Berechnungsmethode greift die Revision nicht an. Sie ist auch revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Gesamtlaufleistungserwartung von 300.000 km wird von der Revision ebenfalls nicht angegriffen und ist schon deshalb revisionsrechtlich hinzunehmen.

Der Einwand der Revision, der errechnete Nutzungsvorteil sei zumindest erheblich herabzusetzen, weil die Fahrzeugnutzung rechtlich unzulässig (gewesen) sei, verfängt nicht, da es im Rahmen der Vorteilsausgleichung auf die tatsächlich gezogenen Vorteile ankommt (vgl. Senatsurteile vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 78 ff.; vom 19. Januar 2021 - VI ZR 8/20, juris Rn. 14 mwN).


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