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Freitag, 12. April 2024

Deliktische Vorteilsausgleichung und Nutzungsvorteil bei Leasing (hier: Diesel-Pkw)

Der Kläger hatte mit der M.-Leasing GmbH einen Leasingvertrag über ein von der Beklagten hergestelltes Fahrzeug abgeschlossen (Laufzeit bis 14.05.2021) und machte im Zusammenhang mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte geltend. Mit seiner Klage verlangte u.a.  Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs die Lieferung eines mangelfreien typengleichen Ersatzfahrzeugs, hilfsweise Zahlung von € 11.737,72 nebst Zinsen und Freistellung von der Verpflichtung zur Zahlung weiterer Leasingraten. Die Klage wie auch die gegen das klageabweisende Urteil eingelegte Berufung (Berufungsurteil vom 21.10.2019) wurden zurückgewiesen. Seine Revision gegen das Berufungsurteil wurde vom BGH zurückgewiesen. 

Der Hauptantrag auf Lieferung eines mangelfreien typengleichen Ersatzfahrzeugs gegen Rückgabe und Rückübereignung des schadhaften Fahrzeugs sei zutreffend zurückgewiesen worden, da diese nicht auf Ersatz des allein in Betracht kommenden negativen Interesses, sondern auf das positive Erfüllungsinteresse gerichtet sei (u.a. BGH, Urteile vom 06.07.2021 - VI ZR 40/20 - und vom 01.12.2022 - VII ZR 492/21 -). Anmerkung: Das positive Interesse (Erfüllungsinteresse) setzt das Bestehen einer Verbindlichkeit und eine Nicht- oder Schlechterfüllung voraus. Zwischen dem verklagten Hersteller des Fahrzeugs und dem Kläger besteht aber kein Schuldverhältnis (z.B. infolge Kaufvertrag), vielmehr beruht der Anspruch auf Delikt (§§ 823, 826 BGB). Der Anspruch richtet sich damit auf das negative Interesse (Erhaltungsinteresse; BGH, Urteile vom 18.01.2011 - VI ZR 325/09 - und vom 14.05.2012 - II ZR 130/10 -).

Der hilfsweise geltend gemachte Schadensersatzanspruch würde nicht bestehen, da der Wert der während der Leasingzeit erlangten Nutzungsvorteile der Höhe nach dem vereinbarten Gesamtleasingpreis entspräche und dies sowohl etwaige Ansprüche aus § 826 BGB (Schadensersatz wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung) als auch etwaige Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB iVm. den einschlägigen Abgasnormen ausschließe (BGH, Urteile vom 16.09.2021 - VII ZR 192/20 - und 24.10.2023 - VI ZR 131/20 -). Anmerkung: Bereits in seinem Urteil vom 16.09.2021 hatte der BGH eine Bewertung der Nutzungsvorteile auch im Fall des Leasings im Rahmen des Vorteilsausgleichs nach der für den Fahrzeugkauf anerkannten Berechnungsformel (Fahrzeugpreis mal Fahrstrecke geteilt durch Laufleistungserwartung) abgelehnt und für den Fall der deliktischen  Vorteilsausgleichung bei einem Leasingfahrzeug nach dem vereinbarten Gesamtleasingpreis den Verzug gegeben (a.A. war u.a. das OLG Koblenz im Urteil vom 02.11.2020 - 12 U 174/20 -). Den Unterschied zwischen einem geleasten Fahrzeug und einem gekauften Fahrzeug bei der Bewertung begründete der BGH in seinem Urteil vom 16.09.2021 damit, dass der Leasingnehmer eine andere Investitionsentscheidung als der Käufer treffe; es sei nicht unbillig, dass ihn über die Vorteilsanrechnung der überproportionale Wertverlust des Fahrzeugs treffe, während der Käufer von der linearen Berechnung des Nutzungsvorteils profitiere, da der Leasingnehmer grundsätzlich nicht die Möglichkeit erwerbe,  die gesamte Laufleistungswertung (kostengünstig) auszunutzen (die Realisierung des anfänglichen Wertverlustes sei seiner Investitionsentscheidung immanent). 

Der Kläger habe nicht geltend gemacht, dass der objektive Leasingwert, auf den es für die Vorteilsausgleichung ankäme, im Streitfall geringer gewesen wäre, wofür auch nichts ersichtlich sei. 

Der BGH ließ (auch hier) dahinstehen, ob dann eine andere Betrachtung geboten sei, wenn von vornherein feststehen würde (so aufgrund vertraglicher Vereinbarung), dass der Leasingnehmer das Fahrzeug nach Ablauf der Leasingzeit übernehmen würde, da dies weder den Vertragsunterlagen noch dem Parteivortrag zu entnehmen sei. Anmerkung: Der BGH hat, soweit ersichtlich, in den sogen. Dieselfällen noch keine Entscheidung dazu getroffen, wie die Bewertung im Falle einer vertraglich vereinbarten Übernahme des Fahrzeugs am Ende der Leasingzeit oder im Falle einer gewährten Kaufoption vorzunehmen ist (vgl. Urteile vom 16.09.2021 – VII ZR 192/20 -; 21.04.2022 – VII ZR 783/21 -; 21.04.2022 - VII ZR 285/21 -). 

Der weiterhin als Hilfsantrag gestellte Freistellungsanspruch wurde als „ins Leeere gehend“ abgewiesen, da das Leasingverhältnis während des seit 2019 anhängigen Revisionsverfahrens am 14.05.2021 endete. 

BGH, Urteil vom 05.03.2024 - VI ZR 466/19 -

Freitag, 28. Mai 2021

Berücksichtigung von Nutzungsvorteilen im Rahmen der Vorteilsausgleichung (Dieselskandal)

Die Entscheidung betraf einen der vielen Fälle um den sogen. Dieselskandal. Der Kläger verlangte von dem beklagten Hersteller Schadensersatz wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung an seinem VW Caddy Maxi CL 2.0 TDI. Das Landgericht hatte der Klage nur teilweise stattgeben; die Abweisung erfolgte wegen gezogener Nutzungsvorteile. Die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgte der Kläger seinen Anspruch erfolglos weiter.

Grundsätzlich habe, so der BGH, einen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 826 BGB iVm § 31 BGB analog auf Erstattung des Kaufpreises und der hier von ihm aufgebrachten Umbaukosten Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs an den Beklagten Hersteller. Allerdings habe er sich im Wege der Vorteilsanrechnung die gezogenen Nutzungen anrechnen zu lassen.  

Die Einwände des Klägers, die Vorteilsanrechnung würde die Präventionswirkung des Deliktrechts verfehlen, das Gebot der unionsrechtskonformen Rechtsanwendung verletzen und die Beklagte unangemessen entlasten sowie die gesetzlichen Wertungen missachten, würden nicht greifen. Der BGH verwies dazu auf seine Urteile vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 - und vom 30.07.2020 - VI ZR 354/19 -. Hier hatte der BGH festgehalten, dass zwar das Deliktsrecht Präventionswirkung habe (BGH, Urteil vom 28.06.2011 - KZR 75/10 -), aber es nicht geboten sei, in Bezug auf die sich als  nützliche Folge der Kompensation der Prävention die Vorteilsausgleichung grundsätzlich auszuschließen, zumal dann der Ersatzanspruch in die Nähe eines dem deutschen Recht fremden Strafschadensersatzes rücke.  Die unionsrechtlichen Bestimmungen (hier in Form der Richtlinie 2007/46/EG seien nicht einschlägig, da diese nur fordern würden, dass die EU-Typenbestimmungen eingehalten würden, nichts aber dazu aussagen würden, ob ein Vorteilsausgleich auszugleichen bzw. nicht auszugleichen sei.

Die Berechnung des Vorteils gemäß § 287 ZPO, bei der von einer geschätzten Laufleistung von 300.000km ausgegangen wurde, sei nicht zu beanstanden. Der Vorteil errechne sich aus dem Bruttokaufpreis multipliziert mit den zurückgelegten Kilometern, dividiert durch die erwartete Restlaufleistung zum Zeitpunkt des Erwerbs.

Soweit eingewandt wurde, ein Nutzungsvorteil sei deshalb erheblich herabzusetzen, da die Fahrzeugnutzung rechtlich unzulässig gewesen sei, sei unbeachtlich, da es bei dem Vorteilsausgleich auf die tatsächliche Nutzung und die daraus gezogenen Vorteile, nicht auf eine fiktive Nutzungsmöglichkeit ankäme.

BGH, Urteil vom 02.03.2021 - VI ZR 147/20 -