Immer wieder bereitet die
Bauhandwerkersicherungshypothek nach § 648 BGB Schwierigkeiten. Dabei geht es
häufig um die Frage der rechtlichen Identität zwischen Auftraggeber und
Eigentümer (BGH, Urteil vom 22.10.1987 – VII ZR 12/87 -). Da der Werkunternehmer im Regelfall die
tatsächlichen rechtlichen Verhältnisse an dem Grundstück nicht kennt, muss er sich
also vor Beantragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek kundig machen, um
nicht eventuell kostenpflichtig mit seinem Antrag auf Wahrung der Sicherung wegen
fehlender Identität abgewiesen zu werden. In einem entsprechenden Fall hat allerdings
der Rechtspfleger des AG Miesbach den Antrag des Bauhandwerkers, der einen
vollständigen, auch die Belastungen am Grundstück ausweisenden beglaubigten
Grundbuchauszug beantragte, abgewiesen. Er erteilte lediglich einen Auszug, der
das Bestandsverzeichnis und Abt. I umfasste und aus dem ersichtlich war, dass
mit Auflassung vom 22.10.2013 (gewahrt am 21.01.2014) Eigentümerin nun eine R
KG ist, während zuvor Frau R Eigentümerin war. Die Kopie der Auflassung als
auch eine Gesellschaftsvertrages überließ der Rechtspfleger nicht.
Das OLG München hat auf die
sofortige Beschwerde des Bauhandwerkers den Beschluss des Amtsgerichts (Rechtspflegers)
aufgehoben. Das OLG hebt hervor, dass das Einsichtsrecht in das Grundbuch ein
rechtliches Interesse voraussetze, welches darzulegen sei, wobei das
Einsichtsrecht sowohl die Urkunden als auch die Grundakte umfasse. Dieses Recht
wäre bei einem Gläubiger, der eine Sicherungshypothek nach § 648 BGB begehren
könne, zu bejahen.
Allerdings wäre Voraussetzung für
die Sicherungshypothek die rechtliche, nicht alleine die eventuelle
wirtschaftliche Identität. Nach dem Bauvertrag wären Auftraggeber die Eheleute
R gewesen; Eigentümer wäre aber seit dem 21.01.2014 die R KG. Allerdings gäbe
es auch Ausnahmen von der Notwendigkeit der rechtlichen Identität. Eine solche
Ausnahme habe der BGH (aaO.) im Hinblick auf den Missbrauch der Berufung auf
die fehlende rechtliche Identität dann angenommen, wenn sich der Eigentümer
selbst wie der Besteller (Auftraggeber) behandeln lassen müsse, § 242 BGB. Die
Entscheidung, ob ein solcher Fall hier vorliegt, wäre allerdings nicht im
Rahmen des vorliegenden Gesuchs (und der Beschwerde) zu prüfen, sondern obläge
dem Bauhandwerker und seinem Anwalt, eventuell einem später in der Sache selbst
erkennenden Gericht. Vorliegend wäre lediglich entscheidend ein dargelegtes
berechtigtes Interesse, welches nicht glaubhaft zu machen ist. Da die
Bauleistungen des beantragenden Bauhandwerkers sowohl vor als auch nach der
Eigentumsübertragung lägen, würde ersichtlich der Bauhandwerker von einer
wirtschaftlichen Identität ausgehen, die hier eine Haftung des Eigentümers
(ausnahmsweise) begründet, weshalb auch seinem Ersuchen statt zugeben sei.
OLG München, Beschluss vom 09.02.2015 - 34 Wx 43/15 -
- I.
- Zur Vorbereitung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Eintragung einer Vormerkung zur Bewilligung einer Bauhandwerkersicherungshypothek hat die Beteiligte beim Grundbuchamt um einen vollständigen - also auch die Belastungen erkennen lassenden - beglaubigten Grundbuchauszug für ein näher bezeichnetes Grundstück nachgesucht. Zur Begründung hat sie auf eine ihr zustehende Forderung für Bauleistungen auf diesem Grundstück mindestens in Höhe von (rund) 40.000 € gegen die Eheleute R. verwiesen und dazu die Ablichtung eines entsprechenden Bauvertrags über den Neubau eines Einfamilienhauses mit Garage vorgelegt. Das Grundbuchamt hat nur einen Grundbuchauszug erteilt, der das Bestandsverzeichnis und Abteilung I umfasst und woraus ersichtlich ist, dass mit Auflassung vom 22.10.2013 und Eintragung vom 21.1.2014 Eigentümerin nun eine R. Familien KG ist, während zuvor als Eigentümerin Frau R. ausgewiesen war. Auch die zusätzlich verlangte Kopie des die Auflassung enthaltenden Vertrags sowie eines dazu gehörigen Gesellschaftsvertrags hat das Grundbuchamt - Rechtspflegerin - verweigert. Dem Rechtsmittel gegen die am 13.1.2015 versagte - weitergehende - Grundbucheinsicht hat das Amtsgericht nicht abgeholfen.
- II.
- Das Rechtsmittel ist statthaft (§ 11 Abs. 1 RPflG mit § 71 Abs. 1 GBO; § 12c Abs. 4 Satz 2 GBO). Es richtet sich gegen die von der Rechtspflegerin versagte - weitergehende - Grundbucheinsicht. Funktionell zuständig für die Gestattung der Einsicht in das Grundbuch ist zwar der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (§ 12c Abs. 1 Nr. 1 GBO), während der Rechtspfleger erst zu entscheiden hat, wenn die Abänderung der Entscheidung des Urkundsbeamten verlangt wird (§ 12c Abs. 4 GBO). Entscheidet der Rechtspfleger sogleich anstelle des zuständigen Urkundsbeamten, stellt dies zwar einen Verstoß gegen die funktionelle Zuständigkeitsordnung dar, berührt die Gültigkeit des Geschäfts jedoch nicht (§ 8 Abs. 5 RPflG). Daraus ist abzuleiten, dass der Verstoß allein auch nicht geeignet ist, das Rechtsmittel als begründet zu erachten (vgl. LG Bonn Rpfleger 1993, 333).
- In der Sache ist dem Rechtsmittel der Erfolg nicht zu versagen.
- 1. Die Einsicht in das Grundbuch ist jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt (§ 12 Abs. 1 Satz 1 GBO). In diesem Rahmen umfasst das Einsichtsrecht auch die in Bezug genommenen Urkunden (§ 12 Abs. 1 Satz 2 GBO), ferner den übrigen Inhalt der Grundakten (§ 46 GBV), auch wenn dieser keinen unmittelbaren Bezug zur Grundbucheintragung hat (Demharter GBO 29. Aufl. § 12 Rn. 17). Berechtigtes Interesse ist auch ein solches wirtschaftlicher Art. Anerkannt ist, dass der Gläubiger, der die Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz seines Schuldners beabsichtigt, zur Einsichtnahme berechtigt ist (OLG Zweibrücken NJW 1989, 531). Erst recht gilt dies für Bauhandwerker, die nach § 648 BGB für ihre Forderungen vom Besteller eine Sicherungshypothek verlangen können (Hügel/Wilsch GBO 2. Aufl. § 12 Rn. 35; Maaß in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 12 Rn. 31).
- 2. Die Sicherungshypothek nach § 648 BGB setzt jedoch grundsätzlich die rechtliche - nicht bloß eine wirtschaftliche - Identität zwischen Besteller und Grundstückseigentümer voraus (Palandt/ Sprau BGB 74. Aufl. § 648 Rn. 3a m. w. N.). Eine solche liegt nach dem Vorbringen wie nach dem zur Darlegung des Interesses an der Grundbucheinsicht vorgelegten Bauvertrag vom Februar/März 2013, der jedenfalls im “Kopf“ die Eheleute R. als Auftraggeber ausweist, ersichtlich nicht vor. Denn Eigentümerin des Grundstücks ist - wie der Beteiligten bereits bekannt - seit 21.1.2014 nicht mehr Frau R., sondern eine Gesellschaft (“ R. Familien KG“), die selbst Rechtsträgerin ist (§ 161 Abs. 2 mit § 124 HGB).
- Um Missbräuche zu unterbinden kennt die Rechtsprechung aber Ausnahmen (grundlegend BGHZ 102, 95 = NJW 1988, 255). So ist es nicht ausgeschlossen, dass sich der Grundstückseigentümer je nach Lage des Einzelfalles gemäß § 242 BGB wie ein Besteller behandeln lassen muss, soweit der Unternehmer wegen des ihm zustehenden Werklohns Befriedigung aus dem Grundstück sucht (BGH a. a. O.; Palandt/Sprau § 648 Rn. 3a). Ob im konkreten Fall die materiellen Voraussetzungen hierfür vorliegen, bedarf keiner Entscheidung. Für ein berechtigtes Interesse hat vielmehr bereits ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse (BayObLG Rpfleger 1984, 351; OLG Stuttgart BWNotZ 1998, 145), das zwar dargelegt, aber nicht glaubhaft gemacht werden muss (Hügel/Wilsch § 12 Rn. 7), zu genügen. Insoweit erscheint es nach dem Vorgebrachten - auch in Abwägung zu den Belangen der aktuell eingetragenen Eigentümerin, die nicht im selben Maß schutzbedürftig erscheint wie ein außenstehender Erwerber - ausreichend, hier davon ausgehen zu können, dass die Beteiligte Bauleistungen für die Eheleute R. an dem Neubau eines Einfamilienhauses erbracht hat, die sich auf einen Zeitraum vor wie nach der Grundstücksübertragung erstreckten. Ersichtlich zieht die Beteiligte aus dem äußeren Bild gleichbleibender wirtschaftlicher Identität den Schluss, die neue Eigentümerin - zumal als „Familien KG“ bezeichnet - müsse für die Verpflichtungen der Alteigentümerin - der zur „Familie“ gehörenden Frau R. - als Auftraggeberin ebenso wie diese haften.
- Dieses äußere Bild kann in den Unterlagen, deren Einsicht die Beteiligte begehrt, durchaus eine Stütze finden. Das berechtigte Interesse an der Einsichtnahme umfasst hier neben dem Vertrag, der die Grundstücksauflassung enthält, auch den in den Grundakten befindlichen als Anlage zur Einbringung/Überlassung ausgewiesenen Gesellschaftsvertrag sowie die Abteilungen II und III des Grundbuchs. Es ist plausibel, dass ein verständiger und wirtschaftlich denkender Gläubiger, bevor er gerichtliche Schritte einleitet, sich einen Überblick über die Aussichten seiner beabsichtigen Vollstreckungsmaßnahmen in das Grundstück verschaffen will. Die Einträge in Abteilung II sind zudem erkennbar von Bedeutung schon für die Frage, inwieweit überhaupt ein Zugriff auf das nicht mehr dem Besteller gehörende Grundstück möglich erscheint (s. o.).
- Ob es die Umstände im Einzelnen rechtfertigen, nach Treu und Glauben eine wirtschaftliche Identität zwischen Auftraggeber und Besteller bejahen zu können (siehe dazu BGHZ 102, 95/103 ff.), die erst die Voraussetzungen für die Eintragung der Sicherungshypothek auf dem bezeichneten Grundstück schafft, bedarf an dieser Stelle wegen des eingeschränkten Prüfungsmaßstabs keiner Entscheidung. Dies muss der Beurteilung des Einsichtnehmenden und seines anwaltlichen Beraters und im Fall einer entsprechender Antragstellung dem erkennenden Gericht überlassen bleiben.
- 3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
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