Der Verkehrsunfall ereignete sich
im Zusammenhang mit dem Ausparken der Klägerin und einem dabei von ihr
eingeleiteten Wendevorgang. Der Beklagte zu 2. Fuhr mit überhöhter
Geschwindigkeit (feststellbar jedoch nur mit 8 km/h Überhöhung). Da die
Unfallschäden bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges entstanden seien, der
Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen sei (§ 7 StVG), im Übrigen für
keinen der Unfallbeteiligten sich der Unfall als unabwendbar darstelle (§ 17
Abs. 3 StVG), würde - so das OLG – im Verhältnis der Unfallbeteiligten (Versicherer)
die Verpflichtung zum Umfang des Schadensersatzes von den Umständen, insbesondere
davon abhängen, inwieweit der Schaden von dem einen oder anderen Teil
verursacht worden sei.
Die für die Abwägung maßgeblichen
Umstände müssten nachweislich Umstände für die Umstände des Schadens (Schadenshergangs)
und zur Kausalität feststehen. Der Beweis obliege jenem, der sich darauf
berufe.
Die Klägerin habe gegen § 9 Abs.
5 StVO wie auch gegen § 10 S. 1 StVO verstoßen. Sowohl beim Anfahren (§ 10 S. 1
StVO) also auch beim Wenden (§ 9 Abs. 5 StVO) würden dem Fahrzeugführer
gesteigerte Sorgfaltspflichten treffen. Nach § 9 Abs. 5 StVO sei eine
Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen, nach § 10 S. 2 StVO sei
die „äußerste“ bzw. „größtmögliche“ Sorgfalt zu beachten. Der Anscheinsbeweis,
den die Klägerin nicht widerlegt habe, spräche gegen eine Verletzung dieser
Pflichten. Auch wenn der Beklagte zu 2. Mit jedenfalls 58 km/h gefahren sei,
wäre der Anscheinsbeweis für die Ursächlichkeit nicht widerlegt, da die
Klägerin als Wendende mit „verkehrsüblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen“
rechnen müsse. Der Anscheinsbeweis würde in diesen Fällen nur in Frage
gestellt, wenn sich der Unfall auch bei der zumutbaren Sorgfalt ereignet hätte;
dies könnte dann angenommen werden, wenn entweder das sich nähernde Fahrzeug
noch nicht sichtbar war oder aber aufgrund der Entfernung nicht mit einer Behinderung
zu rechnen gewesen wäre (z.B. bei einer Überschreitung der zulässigen
Geschwindigkeit um 50%). Diese Umstände könnten hier nicht angenommen werden.
Nach der Beweissituation hätte
die Klägerin nur eine Geschwindigkeitsüberschreitung des Beklagten zu 2. Um 8
km/h nachweisen können. Insoweit läge aber ein Verstoß des Beklagten zu 2. gegen
§ 3 StVO vor. Berücksichtigungsfähig sei dies aber nur dann, wenn dieser
Umstand sich auf das Unfallgeschehen oder die Schwere der Unfallfolgen
ausgewirkt hätte. Es stünde nach dem eingeholten Sachverständigengutachten
fest, dass sich der Unfall auch bei Einhaltung der gebotenen zulässigen Geschwindigkeit
von 50 km/h ereignet hätte, dass aber die geringere Geschwindigkeit hinsichtlich
der Verletzungsfolgen deutlich geringere Auswirkungen gehabt hätte.
Bei der Haftung nach §§ 17, 7
StVO sei zu berücksichtigen, dass beide Fahrzeugführer gegen Regelungen der
StVO verstoßen hätten. In Ansehung der Gefahrträchtigkeit eines Wendemanövers
müsse bei einem Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO stets die Alleinhaftung des
Wendenden in Betracht gezogen werden, zumal dann, wenn sich der Unfall wie hier
im Zusammenhang mit einem Anfahren ereigne. In derartigen Fällen würde
regelmäßig die Betriebsgefahr eines mit
dem wenden Fahrzeug zusammenstoßenden Fahrzeuges zurücktreten. Damit
rechtfertige hier die Überschreitung der Geschwindigkeit durch den Beklagten zu
2. nur eine Haftungsquote für diesen von 25%.
OLG Dresden, Urteil vom 25.02.2020 - 4 U 1914/19 -