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Mittwoch, 10. Juni 2020

Haftungsverteilung bei Verkehrsunfall: Wendemanöver gegenüber überhöhter Geschwindigkeit


Der Verkehrsunfall ereignete sich im Zusammenhang mit dem Ausparken der Klägerin und einem dabei von ihr eingeleiteten Wendevorgang. Der Beklagte zu 2. Fuhr mit überhöhter Geschwindigkeit (feststellbar jedoch nur mit 8 km/h Überhöhung). Da die Unfallschäden bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges entstanden seien, der Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen sei (§ 7 StVG), im Übrigen für keinen der Unfallbeteiligten sich der Unfall als unabwendbar darstelle (§ 17 Abs. 3 StVG), würde - so das OLG – im Verhältnis der Unfallbeteiligten (Versicherer) die Verpflichtung zum Umfang des Schadensersatzes von den Umständen, insbesondere davon abhängen, inwieweit der Schaden von dem einen oder anderen Teil verursacht worden sei.

Die für die Abwägung maßgeblichen Umstände müssten nachweislich Umstände für die Umstände des Schadens (Schadenshergangs) und zur Kausalität feststehen. Der Beweis obliege jenem, der sich darauf berufe.

Die Klägerin habe gegen § 9 Abs. 5 StVO wie auch gegen § 10 S. 1 StVO verstoßen. Sowohl beim Anfahren (§ 10 S. 1 StVO) also auch beim Wenden (§ 9 Abs. 5 StVO) würden dem Fahrzeugführer gesteigerte Sorgfaltspflichten treffen. Nach § 9 Abs. 5 StVO sei eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen, nach § 10 S. 2 StVO sei die „äußerste“ bzw. „größtmögliche“ Sorgfalt zu beachten. Der Anscheinsbeweis, den die Klägerin nicht widerlegt habe, spräche gegen eine Verletzung dieser Pflichten. Auch wenn der Beklagte zu 2. Mit jedenfalls 58 km/h gefahren sei, wäre der Anscheinsbeweis für die Ursächlichkeit nicht widerlegt, da die Klägerin als Wendende mit „verkehrsüblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen“ rechnen müsse. Der Anscheinsbeweis würde in diesen Fällen nur in Frage gestellt, wenn sich der Unfall auch bei der zumutbaren Sorgfalt ereignet hätte; dies könnte dann angenommen werden, wenn entweder das sich nähernde Fahrzeug noch nicht sichtbar war oder aber aufgrund der Entfernung nicht mit einer Behinderung zu rechnen gewesen wäre (z.B. bei einer Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit um 50%). Diese Umstände könnten hier nicht angenommen werden.

Nach der Beweissituation hätte die Klägerin nur eine Geschwindigkeitsüberschreitung des Beklagten zu 2. Um 8 km/h nachweisen können. Insoweit läge aber ein Verstoß des Beklagten zu 2. gegen § 3 StVO vor. Berücksichtigungsfähig sei dies aber nur dann, wenn dieser Umstand sich auf das Unfallgeschehen oder die Schwere der Unfallfolgen ausgewirkt hätte. Es stünde nach dem eingeholten Sachverständigengutachten fest, dass sich der Unfall auch bei Einhaltung der gebotenen zulässigen Geschwindigkeit von 50 km/h ereignet hätte, dass aber die geringere Geschwindigkeit hinsichtlich der Verletzungsfolgen deutlich geringere Auswirkungen gehabt hätte.

Bei der Haftung nach §§ 17, 7 StVO sei zu berücksichtigen, dass beide Fahrzeugführer gegen Regelungen der StVO verstoßen hätten. In Ansehung der Gefahrträchtigkeit eines Wendemanövers müsse bei einem Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO stets die Alleinhaftung des Wendenden in Betracht gezogen werden, zumal dann, wenn sich der Unfall wie hier im Zusammenhang mit einem Anfahren ereigne. In derartigen Fällen würde regelmäßig die Betriebsgefahr  eines mit dem wenden Fahrzeug zusammenstoßenden Fahrzeuges zurücktreten. Damit rechtfertige hier die Überschreitung der Geschwindigkeit durch den Beklagten zu 2. nur eine Haftungsquote für diesen von 25%.

OLG Dresden, Urteil vom 25.02.2020 - 4 U 1914/19 -