Der Kläger verunfallte mit seinem
Fahrrad auf der Fahrt zu seiner Arbeit. Als er verkehrsbedingt auf dem Radweg
anhielt, bog unversehens ein seitlich links von ihm stehender PKW nach rechts
in eine Straße ein und streifte dabei das Vorderrad des Fahrrads. Der Kläger
kam nicht zu Fall und wurde nicht verletzt. Der PKW hielt verkehrsbedingt an
einer ca. 100m entfernten Kreuzung, weshalb sich der Kläger entschloss ihm nachzufahren
um zur Sicherung etwaiger Schadensersatzansprüche ein Foto von dem Kennzeichen
zu machen. Er lief die etwa 100m zurück. Der Fahrer und die Beifahrerin stiegen
aus dem PPKW aus und der Fahrer schlug den Kläger, nach einer verbalen
Auseinandersetzung, mit der Faust in das Gesicht. Der Kläger war daraufhin mehrere
Wochen arbeitsunfähig. Die beklagte Sozialversicherung negierte einen
Arbeitsunfall.
Das Sozialgericht gab der gegen
den ablehnenden Bescheid erhobenen Klage statt. Auf die Berufung der Beklagten
wurde die Klag abgewiesen.
Das Landessozialgericht (LSG)
bejahte zwar 8wie auch die Beklagte), dass der Kläger zum Zeitpunkt, als der
PKW das Fahrrad touchierte, als Beschäftigter nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII
unfallversichert war, da er sich auf dem direkten Weg zu seiner Arbeitsstätte
befand. Zu diesem Zeitpunkt habe er aber keinen Gesundheitsschaden erlitten. Der
Versicherungsschutz nach § 8 SGB VII (Arbeitsunfall) in Form des Wegeunfalls nach
§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII würde sich lediglich auf den unmittelbaren Weg
zwischen dem Ort der versicherten Tätigkeit (Arbeitsstelle) und die Wohnung
beziehen. Hier aber habe der Kläger diesen verlassen, indem er die Straße ca.
100m zurückgelaufen sei (und damit entgegen der Fahrtrichtung zur Arbeitsstelle
lief).
Das LSG stellte auf die
Handlungstendenz ab. Diese sei maßgeblich für die Beurteilung, ob eine konkrete
Verrichtung der grundsätzlich versicherten Fortbewegung (zur Arbeitsstelle bzw.
zur Wohnung) diene, wobei das Handeln subjektiv (zumindest auch) auf Erfüllung
dieses Tatbestandes ausgerichtet sein müsse. Die subjektive Handlungstendenz
müsse sich in objektiven Umständen widerspiegeln. Diese Voraussetzungen seien
bei dem Zurücklaufen nicht gegeben.
Soweit der Kläger vorgetragen
habe, er sei nur ca. 25m zurückgelaufen und habe sich damit noch in einem räumlich
zusammenhängenden Unfallbereich befunden, folgte dem das LSG nicht, da der PKW
an einer Kreuzung ca. 100m entfernt angehalten habe und die Auseinandersetzung
im unmittelbaren Bereich des PKW stattgefunden habe. Es läge damit kein
Unfallversicherungsschutz eine Versicherten vor, der bei üblichen
Regulierungsgesprächen nach einem Verkehrsunfall einen (eventuell weiteren)
Schaden erleide, da sich für ihn eine Gefahr realisierte, der er im Wesentliche
infolge des Zurücklegens des versicherten Weges ausgesetzt gewesen sei.
Zudem sei die Handlungstendenz
des Klägers ersichtlich von dem Willen geprägt gewesen, das Nummernschild des
PKW zu fotografieren. Ob auch die Absicht bestand, den Fahrer des PKW zur Rede
zu stellen, könne auf sich beruhen, da auch dies lediglich von dem persönlichen
Motiv der Anspruchssicherung geprägt gewesen wäre, es also dem Kläger jedenfalls
nicht darum gegangen sei, seinen Arbeitsweg zügig fortzusetzen, da dies einem
Nachstellen bis zum PKW nicht bedurft hätte.
Ein Versicherungsschutz sei nicht
bereits deshalb gegeben, wenn ein Versicherter bei üblichen
Regulierungsgesprächen einen (weiteren) Unfall erleide, da er einer Gefahr
erlegen sei, der er wesentlich infolge des Zurücklegens des versicherten Weges
ausgesetzt sei. Der Schutzzweck der Norm schütze vor Risiken eines Unfalls bei
der Ausübung einer dem Beschäftigungsunternehmen dienenden Verrichtung, wozu
Auseinandersetzungen aus Anlass einer Verkehrsgefährdung nicht gehören würden.
Würde der Arbeitsweg aus Gründen
wie hier unterbrochen, entfalle der innere Zusammenhang mit der versicherten
Tätigkeit. Nur bei einer geringfügigen Unterbrechung des Arbeitsweges würde der
Versicherungsschutz fortbestehen, die dann vorliege, wenn der zeitliche und
räumliche Zusammenhang mit dem Arbeitsweg noch bestünde. Das setze voraus, dass
keine erhebliche Zäsur in der Richtung auf das Ziel vorläge, da sie ohne
nennenswerte zeitliche Verzögerung „im Vorbeigehen“ oder „ganz nebenher“
erledigt werden könne. Das läge bei dem Absteigen vom Fahrrad und entfernen in
entgegengesetzter Richtung von 100m nicht vor.
Auch eine
Verkehrssicherungspflicht nach § 34 StVO käme hier nicht zugunsten des Klägers
zum Tragen. § 34 StVO belehre die Verkehrsteilnehmer über ihre Pflichten nach
einem Verkehrsunfall und schütze das private Interesse der Unfallbeteiligten und
Geschädigten an einer möglichst umfassenden Aufklärung des Unfallgeschehens
sowie die Anspruchssicherung. Dies ei dem privaten Bereich zuzurechnen, womit
nicht mehr die Fortsetzung des Zurücklegens des Arbeitsweges verbunden sei.
Auch ein Anspruch gegen die
beigeladene nach § 1 Abs. 1 Nr. 13c SGB VII käme nicht in Betracht. Hier würden
Personen dem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz unterfallen, die sich bei
der Verfolgung oder Festnahme einer einer Straftat verdächtigen Person
persönlich einsetzen. Der Einsatz müsste von der Handlungstendenz getragen sein,
für das Gemeinwohl und die Rechtsordnung tätig zu werden. Das war nicht der Fall,
da der Kläger nur seine persönlichen Ansprüche auf Schadensersatz habe sichern
wollen.
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg, Urteil vom 08.10.2020 - L 3 U 134/19 -