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Mittwoch, 29. Juni 2022

Selbständiges Beweisverfahren im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall, § 485 Abs. 2 ZPO

Das Landgericht hatte die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 485 Abs. 2 ZPO für ein selbständiges Beweisverfahren negiert, welches der Antragsteller zur Vorbereitung eines Prozesses nach einem Verkehrsunfall beantragt hatte. Die sofortige Beschwerde gegen den zurückweisenden Beschluss wies das OLG zurück, welches sich dem Landgericht anschloss.

Das OLG führte aus, ein selbständiges Beweisverfahren könne auch Verkehrsunfälle zum Gegenstand haben. Das sei aber dann nicht der Fall, wenn von vornherein zu erwarten sei, dass das Unfallgeschehen und damit die Verantwortlichkeit für die Schäden nur durch Vernehmung von Zeugen und Anhörung von Parteien als Grundlage für ein Sachverständigengutachten hinreichend geklärt werden könne.  In diesem Fall würde es am erforderlichen rechtlichen Interesse an der Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens ermangeln, welches nur durch Einholung eines (schriftlichen) Sachverständigengutachtens geführt werden kann.

Vorliegend würde es an objektiven Anhaltspunkten (wie Spuren auf der Fahrbahn) fehlen, um den exakten Unfallort feststellen zu können. Da vorliegend darüber gestritten würde, wer seine Fahrspur verlassen habe, käme es darauf aber an. Zeugen und Parteien könnten in einem selbständigen Beweisverfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO nicht angehört bzw. vernommen werden. Da die Einlassung des Antragsgegners, der Streit um das Verlassen der Fahrspur, deutlich erkennen lasse, dass zumindest eine ergänzende Begutachtung gem. § 412 ZPO im streitigen Verfahren (Hauptsacheverfahren) erforderlich werden würde, wobei zuvor die Zeugen und Parteien zu vernehmen bzw. anzuhören wären (zweckmäßig in Gegenwart des Sachverständigen), würde ein jetzt eingeholtes Sachverständigengutachten weder zur Beschleunigung noch zur Kostenreduzierung führen. Ein anderweitiges rechtliches Interesse des Antragstellers sei aber nicht ersichtlich und vom Antragsteller auch nicht dargetan, weshalb der Antrag als unzulässig zurückzuweisen sei.

OLG Hamm, Beschluss vom 21.01.2022 - 9 W 5/22 -

Donnerstag, 24. März 2022

Das selbstständiges Beweisverfahren (§ 485 Abs. 2 ZPO) und die beschränkte Zulässigkeit nach Verkehrsunfall

Ist ein streitiges Verfahre noch nicht anhängig, kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 485 Abs. 2 ZPO die Durchführung eine selbständigen Beweisverfahren beantragt werden. Dieses dient (auch) dazu, einen beweis für ein mögliches späteres Hauptsacheverfahren zu sichern. Es wird häufig in Bausachen genutzt, da sich die Streitverfahren lange hinziehen und die die Sicherung eines Beweises im Hinblick z.B. auf einen Mangel der Bausache erforderlich ist vor dem Hintergrund, dass er beseitigt werden soll und das Bauwerk nutzen zu können. Mit der Beseitigung des Mangels könnte gegebenenfalls der Bauherr nicht mehr den Nachwies führen, dass ein vom Bauunternehmer zu vertretender Mangel vorliegt. Häufig besteht in solchen Fällen auch Übereinstimmung zwischen den Parteien auf Durchführung des Verfahrens, da - wird der behauptete Mangel nicht beseitigt - durch die Prozessdauer ein weitergehender Schaden des Bauherrn entstehen könnte, für den möglicherweise der Bauunternehmer aufzukommen hat.

Das selbständige Beweisverfahren bewirkt lediglich einen Beweisbeschluss zu dem vorgegebenen Beweisthema, die Einholung des Gutachtens und evtl. Ergänzung desselben oder auch Anhörung des bestellten Sachverständigen. Eine Entscheidung in der Sache ergeht in diesem Verfahren nicht.

Vorliegend musste sich das OLG mit einem Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens nach einem Verkehrsunfall auseinandersetzen, der vom Landgericht als unzulässig zurückgewiesen worden war.

Soweit anstelle eines privaten Sachverständigengutachtens über den Schadensumfang ein selbständiges Beweisverfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO angestrengt wird, wird dies in der Regel für zulässig angesehen. Nur vereinzelt wird die Auffassung vertreten, anstelle des selbständigen Beweisverfahrens könne der Antragsteller auch ein Privatgutachten einholen.

Vorliegend wollte der Antragsteller mittels der beantragten Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens die Verantwortlichkeit der Beteiligten an den Schäden geklärt wissen. Das Landgericht, und ihm folgen das OLG, haben aber die Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 485 Abs. 2 ZPO negiert.

§ 485 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO sieht vor, dass ein selbständiger Beweisantrag zur Feststellung der Ursache eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels zulässig ist. Damit, so das OLG, könnten grundsätzlich auch Verkehrsunfälle Gegenstand eines solchen Verfahrens sein. Allerdings würde dies nicht gelten, wenn von vornherein zu erwarten sei, dass das Unfallgeschehen selbst und damit auch die Verantwortlichkeit für die dabei entstandenen Schäden nur durch die Vernehmung von Zeugen und Anhörung der Parteien hinreichend geklärt werden könne. Wenn, wie hier, objektive Anknüpfungstatsachen (so Spuren auf der Fahrbahn) fehlen würden, die auf den Kollisionsort schließen ließen, und der Streit darum gehen würde, welcher Beteiligte seine Fahrspur verlassen habe, würde dies dem selbständigen Beweisverfahren entgegenstehen. Es würden Anknüpfungstatsachen für das Sachverständigengutachten fehlen, die erst durch die Vernehmung von Zeugen und Anhörung der Parteien geschaffen werden könnten. In einem selbständigen Beweisverfahren könnten aber Zeugen und Parteien nach § 485 Abs. 2 ZPO nicht angehört werden; § 485 Abs. 2 S. 1 ZPO sieht lediglich die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen vor. Damit käme es (nach Angabe des OLG schon angesichts der Einlassung der Antragsgegner in dem Verfahren) mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu einer (jedenfalls ergänzenden) Begutachtung in dem Hauptsacheverfahren (also dem Verfahren nach Klageerhebung) gem. § 412 ZPO mit Partei- und Zeugenbefragung, weshalb das selbständige Beweisverfahren weder zu einer Verfahrensbeschleunigung noch zu einer Kostenreduzierung führen würde. Da auch vom Antragsteller keine sonstigen Gründe für die isolierte Einholung eines unfallanalytischen Gutachtens benannt worden seien und solche auch nicht ersichtlich seien, sei der Antrag unzulässig und zurückzuweisen.

Instruktiv ist in diesem Zusammenhang ein Urteil des OLG Düsseldorf vom 07.04.2008 - I-1 U 212/07-), in dem der Kläger mit der Reparatur bis zum Abschluss eines selbständigen Beweisverfahrens zuwartete und von daher streitiger Nutzungsausfall bzw. Mietwagenkosten anfielen. Das OLG sah das Zuwarten in der besonderen Konstellation als zulässig an (also kein Verstoß gegen die Schadensgeringhaltungsverpflichtung), da der Kläger habe davon ausgehen dürfen, dass für die Unfallrekonstruktion eine Gegenüberstellung der Fahrzeuge beschädigten Fahrzeuge erforderlich sei, er dies aber mittels Privatgutachten - da er keinen Zugriff auf das gegnerische Fahrzeug nehmen kann - nicht habe ohne das Beweisverfahren bewerkstelligen können.

OLG Hamm, Beschluss vom 21.01.2022 - 9 W 5/22 -