Die Konstellation des
Rechtsstreits, der dem OLG zur Entscheidung im Berufungsverfahren zur Grunde
lag, ist nicht alltäglich; in der rechtlichen Bewertung allerdings zutreffend und beachtlich.
Das klagende Werkunternehmen
nimmt den beklagten Architekten auf Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 BGB in
Anspruch. Zugrunde liegt dem ein der Klägerin von der Auftraggeberin erteilter
Auftrag zur Erbringung von Bodenbelagsarbeiten im Zusammenhang mit der
Sanierung eines Schulgebäudes. Sie habe gegenüber der Auftraggeberin Bedenken
wegen der vorhanden alten Spachtelmasse angemeldet; da die Auftraggeberin nicht
reagierte, habe sie die Bearbeitung ohne Beseitigung der alten Spachtelmasse
vorgenommen: Es hätten sich Blasen und Beulen gezeigt. Im Rahmen eines selbständigen
Beweisverfahrens habe sich die Mangelhaftigkeit der Arbeiten im Hinblick auf
die unterlassene Beseitigung der Spachtelmasse gezeigt.
Mit ihrer Klage begehrt das
klagende Werkunternehmen vom beklagten Architekten Ausgleichung ihrer
Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Beweisverfahren und den Kosten der
Mangelbeseitigung. Das Landgericht wies die Klage ab; die Berufung wurde vom
OLG mit Beschluss nach § 522 BGB zurückgewiesen.
Zunächst prüfte das OLG die
Frage, ob hier ein Mangel vorliegt, der dem klagenden Werkunternehmen
angelastet werden könnte. Dies verneint es. Zwar würde ein Unternehmer auch für
Mängel haften, die im Verantwortungsbereich eines Vorunternehmers oder des
Auftraggebers liegen würden. Das würde aber gem. § 4 Abs. 3 VOB/B nicht gelten,
wenn Bedenken gegen die Art der Ausführung schriftlich geltend gemacht wurden.
Kommt der Unternehmer dieser Verpflichtung nach, ist er von einer Sach- und
Rechtsmängelhaftung befreit. Da das klagende Werkunternehmen mit Schreiben vom
29.07.2011 Bedenken angemeldet hatte und auch anmerkte, keine Gewährleistung
für die Ordnungsgemäßheit ihrer Arbeiten in Ansehung des vorgefundenen
Zustandes zu übernehmen, scheide vorliegend eine Mängelhaftung des klagenden
Werkunternehmers gegenüber dem Auftraggeber aus.
Damit aber könne das
Werkunternehmen auch keinen Gesamtschuldnerausgleich gegenüber dem Architekten
geltend machen. Denn dies würde voraussetzen, dass sowohl das klagende Werkunternehmen
als auch der Architekt wegen des Mangels dem Auftraggeber gegenüber haften
würde, was mangels Haftung des Werkunternehmens nicht der Fall sei.
Ob und inwieweit das klagende
Werkunternehmen hier nun bei dem Auftraggeber Ausgleich finden kann, ließ das
OLG ausdrücklich offen.
Fazit: Bevor ein selbständiges
Beweisverfahren eingeleitet wird und/oder Mängelbeseitigungsarbeiten ergriffen
werden, sollte genau die eigene Verantwortlichkeit geprüft werden und geprüft
werden, wer gegebenenfalls aus dem Rechtsgedanken der
gesamtschuldnerischen Haftung oder aus
einem anderen Rechtsgrund, sollte ein Gesamtschuldverhältnis nicht bestehen, in Anspruch genommen werden
kann. Hat sich, wie hier, der Werkunternehmer korrekt verhalten, läuft er
gegebenenfalls Gefahr, auf den Kosten der (von ihm nicht geschuldeten)
Mängelbeseitigung und auf den Kosten des (unnötigen) Beweisverfahrens „sitzen
zu bleiben“.
OLG Stuttgart, Beschluss vom 21.11.2016 – 10 U 71/16 -