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Montag, 13. Februar 2017

Werkvertrag: Bedenkenhinweis und fehlende Mängelhaftung

Die Konstellation des Rechtsstreits, der dem OLG zur Entscheidung im Berufungsverfahren zur Grunde lag, ist nicht alltäglich; in der rechtlichen Bewertung allerdings zutreffend  und beachtlich.

Das klagende Werkunternehmen nimmt den beklagten Architekten auf Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 BGB in Anspruch. Zugrunde liegt dem ein der Klägerin von der Auftraggeberin erteilter Auftrag zur Erbringung von Bodenbelagsarbeiten im Zusammenhang mit der Sanierung eines Schulgebäudes. Sie habe gegenüber der Auftraggeberin Bedenken wegen der vorhanden alten Spachtelmasse angemeldet; da die Auftraggeberin nicht reagierte, habe sie die Bearbeitung ohne Beseitigung der alten Spachtelmasse vorgenommen: Es hätten sich Blasen und Beulen gezeigt. Im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens habe sich die Mangelhaftigkeit der Arbeiten im Hinblick auf die unterlassene Beseitigung der Spachtelmasse gezeigt.

Mit ihrer Klage begehrt das klagende Werkunternehmen vom beklagten Architekten Ausgleichung ihrer Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Beweisverfahren und den Kosten der Mangelbeseitigung. Das Landgericht wies die Klage ab; die Berufung wurde vom OLG mit Beschluss nach § 522 BGB zurückgewiesen.

Zunächst prüfte das OLG die Frage, ob hier ein Mangel vorliegt, der dem klagenden Werkunternehmen angelastet werden könnte. Dies verneint es. Zwar würde ein Unternehmer auch für Mängel haften, die im Verantwortungsbereich eines Vorunternehmers oder des Auftraggebers liegen würden. Das würde aber gem. § 4 Abs. 3 VOB/B nicht gelten, wenn Bedenken gegen die Art der Ausführung schriftlich geltend gemacht wurden. Kommt der Unternehmer dieser Verpflichtung nach, ist er von einer Sach- und Rechtsmängelhaftung befreit. Da das klagende Werkunternehmen mit Schreiben vom 29.07.2011 Bedenken angemeldet hatte und auch anmerkte, keine Gewährleistung für die Ordnungsgemäßheit ihrer Arbeiten in Ansehung des vorgefundenen Zustandes zu übernehmen, scheide vorliegend eine Mängelhaftung des klagenden Werkunternehmers gegenüber dem Auftraggeber aus.

Damit aber könne das Werkunternehmen auch keinen Gesamtschuldnerausgleich gegenüber dem Architekten geltend machen. Denn dies würde voraussetzen, dass sowohl das klagende Werkunternehmen als auch der Architekt wegen des Mangels dem Auftraggeber gegenüber haften würde, was mangels Haftung des Werkunternehmens nicht der Fall sei.  

Ob und inwieweit das klagende Werkunternehmen hier nun bei dem Auftraggeber Ausgleich finden kann, ließ das OLG ausdrücklich offen.  

Fazit: Bevor ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet wird und/oder Mängelbeseitigungsarbeiten ergriffen werden, sollte genau die eigene Verantwortlichkeit geprüft werden und geprüft werden, wer gegebenenfalls aus dem Rechtsgedanken der gesamtschuldnerischen  Haftung oder aus einem anderen Rechtsgrund, sollte ein Gesamtschuldverhältnis  nicht bestehen, in Anspruch genommen werden kann. Hat sich, wie hier, der Werkunternehmer korrekt verhalten, läuft er gegebenenfalls Gefahr, auf den Kosten der (von ihm nicht geschuldeten) Mängelbeseitigung und auf den Kosten des (unnötigen) Beweisverfahrens „sitzen zu bleiben“.


OLG Stuttgart, Beschluss vom 21.11.2016 – 10 U 71/16 -