Ist ein gesetzlicher Erbe nicht
vorhanden oder lässt sich ein solcher nicht feststellen, erbt das Land oder der
Bund, § 1936 S. 1 BGB. Da bei einem Wohnungseigentümer bei seinem Ableben in
2013 diese Voraussetzungen vorlagen, erbte das Bundesland, in dem der Erblasser
seinen letzten Wohnsitz hatte. Die Wohnungseigentümergemeinschaft (Klägerin)
nahm nun das Land auf Zahlung von Wohngeld für 2013 und 2014 in Anspruch.
Obwohl das beklagte Land die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses erhoben
hat, verurteilte das Amtsgericht zur Zahlung. Das Landgericht hatte die Klage
teilweise abgewiesen und dem beklagten Land die beschränkte Erbenhaftung
vorbehalten. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision wandte sich die Klägerin
gegen diesen Vorbehalt.
Das Landgericht stützte sich auf
§ 780 Abs. 2 ZPO. Während nach § 780 Abs. 1 ZPO der Vorbehalt vom Beklagten zu
erklären und im Urteil aufzunehmen ist, sieht § 780 Abs. 2 BGB für den Fall des
§ 1936 BGB vor, dass ein solcher Vorbehalt nicht erforderlich sei. Das
Landgericht vertrat die Auffassung, der Erbe hafte nur dann persönlich, wenn
ihm das Halten der Wohnung als ein handeln bei der Verwaltung des Nachlasses
zugerechnet werden könne. Dies sei hier nicht der Fall, wobei das Unterlassen
der Vermietung der Wohnung zu keinem anderen Ergebnis führe.
Die Revision wurde vom BGH als
unzulässig verworfen. Auch bei einer vom Berufungsgericht zugelassenen Berufung
müsse der Rechtsmittelführer beschwert sein, was hier nicht der Fall sei, da
sich die Klägerin ausdrücklich nur gegen den im Urteil aufgenommenen Vorbehalt
wehre.
Durch den Vorbehalt sei der
Klägerin nicht weniger zugesprochen worden, als sie begehrte. Dies deswegen, da
der Vorbehalt keine über den darin liegenden Hinweis auf die gesetzlichen
Rechte des Beklagten hinausgehende Wirkung entfalte. Der Fiskus könne sich
stets, unabhängig davon, ob der Vorbehalt im Urteil aufgenommen wurde oder
nicht, gem. § 780 Abs. 2 ZPO auf die beschränkte Erbenhaftung berufen. Damit bestünde
vorliegend kein Unterschied, ob im Urteil ein Vorbehalt aufgenommen wurde oder
nicht. Ob im Fall des § 780 Abs. 1 BGB etwas anderes gelten würde, wurde in der
Vergangenheit vom BGH teilweise bejaht, teilweise offengelassen und bedürfe
auch hier keiner Entscheidung.
Auch sei das Landgericht entgegen
der Annahme der Klägerin nicht veranlasst gewesen zu prüfen, ob die Voraussetzungen
für die vom beklagten Land erhobene Einrede der beschränkten Erbenhaftung
(Dürftigkeitseinrede) vorlagen. Zwar hätte auch bereits im vorliegenden
Verfahren geklärt werden können, ob gegenständlich die Voraussetzungen für eine
beschränkte Erbenhaftung vorliegen und eine solche überhaupt bei
Wohngeldforderungen gegen den Fiskuserben in Betracht kämen, doch habe sich das
Landgericht damit (zulässig) nicht befasst. Hätte es die Frage geprüft und wäre
zum Ergebnis gekommen, dass ein Vorbehalt nicht greifen würde, hätte es das beklagte
Land zur Zahlung aus dem Nachlass verurteilen müssen.
Es sei kein Rechtsfehler, wenn
das Prozessgericht die sachliche Aufklärung insoweit dem besonderen Verfahren
nach § 785 ZPO überließe. Ob anderes dann gelten würde, wenn Entscheidungsreife
dazu bestünde, könne hier auf sich beruhen, da entsprechendes auch von der
Klägerin nicht dargelegt worden sei.
Der im Urteil aufgenommene
Vorbehalt entfalte auch keine Bindungswirkung iSv. § 318 ZPO, da über die Frage
des Vorliegens der Voraussetzungen nach §§ 785, 767 ZPO in einem neuen
Rechtsstreit durch das Prozessgericht erster Instanz zu entscheiden sei.
Begnügt sich, wie hier, das Gericht in zulässiger Weise mit dem Ausspruch des
Vorbehalts, kommt es auf die materiell-rechtlichen Voraussetzungen in diesem
Erkenntnisverfahren nicht an. Ausführungen des Landgerichts dazu könnten von
daher nicht tragend und damit nichts rechtsverbindlich sein.
BGH, Urteil vom 17.02.2017 - V ZR 147/16 -
Aus den Gründen:
Tenor
Die Revision gegen das Urteil der 2.
Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 18. Mai 2016 wird auf Kosten der
Klägerin als unzulässig verworfen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist eine
Wohnungseigentümergemeinschaft. Das beklagte Land wurde im Jahre 2013 nach Erbe eines verstorbenen Wohnungseigentümers.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Wohngeld für die Jahre 2013
und 2014 in Anspruch. Der Beklagte hat die Einrede der Dürftigkeit des
Nachlasses erhoben.
Das Amtsgericht hat der Klage
uneingeschränkt stattgegeben. Das Landgericht hat die Klage teilweise
abgewiesen und dem Beklagten die beschränkte Erbenhaftung vorbehalten. Mit der
von dem Landgericht zugelassenen Revision wendet sich die Klägerin gegen diesen
Vorbehalt.
Entscheidungsgründe
I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts war
die beschränkte Erbenhaftung dem Beklagten trotz vorzubehalten. Nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs hafte der Erbe nur dann persönlich, wenn ihm das Halten der
Wohnung als ein Handeln bei der Verwaltung des Nachlasses zugerechnet werden
könne. Der Beklagte habe keine Handlungen vorgenommen, die diese Zurechnung
rechtfertigten. Dass er es unterlasse, Erträge aus der Vermietung der Wohnung
zu erzielen, führe zu keinem anderen Ergebnis.
II.
Die Revision ist unzulässig und deswegen
nach zu verwerfen.
1. a) Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs setzt ein zulässiges Rechtsmittel voraus, dass der Rechtsmittelführer
damit die Beseitigung einer in dem angefochtenen Urteil liegenden Beschwer
erstrebt (siehe etwa , mwN; , ). Dies
gilt auch für die durch das Berufungsgericht zugelassene Revision (, ;
MüKoZPO/Krüger, 5. Aufl., § 542 Rn. 18; PG/Ackermann, ZPO, 8. Aufl., § 542 Rn.
4; Zöller/Heßler, ZPO, 31. Aufl., § 543 Rn. 6).
b) Die klagende Partei ist durch eine
gerichtliche Entscheidung nur dann beschwert, wenn diese von dem in der unteren
Instanz gestellten Antrag zu ihrem Nachteil abweicht, ihrem Begehren also nicht
voll entsprochen worden ist (sog. formelle Beschwer; vgl. nur , mwN). So verhält es sich in der Regel, wenn
der Urteilstenor hinter dem gestellten Antrag zurückbleibt, wie es hier
aufgrund des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung der Fall ist. Zwingend
ist das aber nicht. Entscheidend ist vielmehr, ob der rechtskraftfähige Inhalt
der angefochtenen Entscheidung hinter dem Rechtsschutzbegehren der klagenden
Partei zurückbleibt (vgl. , ).
2. Daran fehlt es.
a) Die Klägerin wendet sich mit der
Revision ausdrücklich allein dagegen, dass dem beklagten Land in dem
angefochtenen Urteil der Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung zugebilligt
wurde. Diese Beschränkung der Revision ist zulässig (vgl. , ).
b) Die Aufnahme des Vorbehalts in den
Urteilstenor führt nicht dazu, dass der Klägerin weniger zugesprochen worden
ist als beantragt. Denn der Vorbehalt hatte keine über den Hinweis auf die
gesetzlichen Rechte des Beklagten hinausgehende Wirkung. Der Fiskus kann sich
stets, also unabhängig davon, ob ein Vorbehalt in das Urteil aufgenommen wurde,
auf die Einrede der beschränkten Erbenhaftung berufen (). Wird er - wie hier -
zu einer Zahlung verurteilt, besteht insoweit kein Unterschied zwischen dem
rechtskraftfähigen Inhalt einer Entscheidung mit und ohne Vorbehalt der
beschränkten Erbenhaftung. Ob die klagende Partei auch dann nicht formell
beschwert ist, wenn die Aufnahme des Vorbehalts Voraussetzung für die
beschränkte Erbenhaftung ist (; so BGH, Urteil vom 13. Juli 1989 - IX ZR 22/87,
; offengelassen dagegen in , ), bedarf
hier keiner Entscheidung. Greift der Kläger allein den Ausspruch des Vorbehalts
der beschränkten Erbenhaftung an, ist die Revision mangels Beschwer jedenfalls
dann unzulässig, wenn der Vorbehalt nach
entbehrlich war.
c) Die Klägerin ist auch nicht dadurch
beschwert, dass das Berufungsgericht die von dem beklagten Land erhobene
Einrede nicht sachlich geprüft und beschieden hat.
aa) Zwar hätten die Voraussetzungen für
eine gegenständlich beschränkte Erbenhaftung einschließlich der Frage,
inwieweit eine solche bei Wohngeldforderungen gegen den Fiskuserben überhaupt
in Betracht kommt, bereits im vorliegenden Verfahren geklärt werden können.
Dies ist jedoch nicht geschehen. Das Berufungsgericht hat sich mit der Frage,
ob die von dem beklagten Land erhobene Dürftigkeitseinrede nach berechtigt ist, nicht befasst. Hätte es die
Frage entscheiden wollen und die Einrede zu Lasten der Klägerin als begründet
angesehen, hätte es den Beklagten zur Zahlung aus dem Nachlass verurteilen
müssen (vgl. BayObLG, NJW-RR 2000, 306, 308; MüKoZPO/Schmidt/Brinkmann, 5.
Aufl., § 780 Rn. 13; PG/Scheuch, ZPO, 8. Aufl., § 780 Rn. 13; Zöller/Stöber,
ZPO, 31. Aufl., § 780 Rn. 15).
bb) Das Berufungsgericht war zu einer
Entscheidung über die Einrede aber nicht verpflichtet. Grundsätzlich steht es
im Ermessen des Prozessgerichts, ob es die Frage des Haftungsumfangs im
Erkenntnisverfahren sachlich aufklärt und darüber entscheidet oder ob es sich
mit dem Ausspruch des Vorbehalts der Haftungsbeschränkung begnügt und die
sachliche Klärung insoweit dem besonderen Verfahren gemäß überlässt (vgl. , ; Urteil vom 13. Juli 1989 - , ; Urteil vom
9. März 1983 - , ; BayObLG, NJW-RR 2000, 306, 308; PG/Scheuch, ZPO, 8. Aufl., §
780 Rn. 13; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 780 Rn. 15). Ob das Prozessgericht
ausnahmsweise verpflichtet ist, über die Haftungsbeschränkung sachlich zu
entscheiden, wenn der Rechtsstreit insoweit ebenfalls zur Entscheidung reif ist
(so Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Aufl., § 780 Rn. 5; Joachim,
Die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten, 3. Aufl., Rn. 629; K.
Schmidt, ; wohl auch KG, ), kann hier dahinstehen. Dass die Frage der
Dürftigkeit i.S.v. in der
Berufungsinstanz bereits zur Entscheidung reif war, hat die Klägerin nicht
dargelegt und ist auch nicht anzunehmen, da das angefochtene Urteil den hierzu
gehaltenen Vortrag des beklagten Landes als streitig darstellt.
d) Schließlich ergibt sich eine Beschwer
entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht daraus, dass in den
Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ausgeführt wird, es handele sich
bei den streitgegenständlichen Wohngeldansprüchen um Nachlassverbindlichkeiten
und nicht um Nachlasserbenschulden oder Eigenverbindlichkeiten. Zwar hat die
bislang höchstrichterlich nicht geklärte Frage, unter welchen Voraussetzungen
nach dem Erbfall fällig werdende oder durch Beschluss der
Wohnungseigentümergemeinschaft begründete Wohngeldschulden (jedenfalls auch)
als Eigenverbindlichkeiten des Fiskus als Erben anzusehen sind, wann ihm also
das Halten der Wohnung als ein Handeln bei der Verwaltung des Nachlasses
zugerechnet werden kann, grundsätzliche Bedeutung (vgl. für andere Erben als
den Fiskus: Senat, Urteil vom 5. Juli 2013 - ,
ff.). Durch die Ausführungen des Berufungsgerichts zu dieser Frage
könnte die Klägerin aber nur beschwert sein, wenn die Entscheidungsgründe
insoweit Bindungswirkung für die sachliche Klärung des Haftungsumfangs des
Beklagten im Verfahren nach den , entfalten
würden (vgl. , für den Vorbehalt der
Entscheidung über die Aufrechnung nach ). Dies ist jedoch nicht der Fall.
aa) Aus
kann sich eine solche Bindungswirkung schon deswegen nicht ergeben, weil
über die vorbehaltene beschränkte Erbenhaftung nicht durch das
Berufungsgericht, sondern nach den , in
einem neuen Rechtsstreit durch das Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu
entscheiden wäre.
bb) Die Bindungswirkung folgt auch nicht
aus , denn die materielle Rechtskraft des angefochtenen Urteils erfasst nicht
die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Einordnung der Wohngeldforderungen
als Nachlassverbindlichkeiten. Begnügt sich das Gericht in zulässiger Weise mit
dem Ausspruch des Vorbehalts, kommt es im Erkenntnisverfahren nicht darauf an,
ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Haftungsbeschränkung erfüllt
sind (, ). Folglich sind die
diesbezüglichen Ausführungen in dem angefochtenen Urteil nicht tragend. Dass
sie von dessen materieller Rechtskraft nicht erfasst werden, folgt hier
überdies daraus, dass der Vorbehalt nach
entbehrlich war und lediglich klarstellend ausgesprochen wurde.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf .
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