Die Klage wurde vom Landgericht abgewiesen, die Berufung
dagegen vom OLG zurückgewiesen. Im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde rügte
die Klägerin die Verletzung rechtlichen
Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Der BGH hob das Urteil des OLG aus diesem Grund
auf und verwies den Rechtsstreit an das OLG zurück.
Das OLG hatte darauf abgestellt,
dass seitens der Klägerin im Rahmen der innerhalb einer Notfrist von zwei
Monaten nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils zu begründenden Berufung
nicht geltend gemacht worden sei, dass das Landgericht die in einem
erstinstanzlichen Schriftsatz benannten Zeugen Z. und G. nicht vernommen habe,
sondern erst später in einem Schriftsatz vom 26.03.2019 deren Vernehmung
(erstmals im berufungsverfahren) beantragt worden sei. In dem Verfahrensstadium
der Beantragung im Berufungsrechtszug sei für eine Nachholung der in erster Instanz
nicht erhobenen Beweise gem. § 520 Abs., 3 ZPO (notwendiger Inhalt der Berufungsbegründung)
kein Raum mehr.
Dem folgt der BGH nicht.
Die unterlassene Berücksichtigung
eines erheblichen Beweisangebotes stelle verstoße gegen Art. 103 Abs. 1 GG,
wenn dies im Prozessrecht keine Stütze fände. An einer Grundlage für die Versagung
der Beweiserhebung fehle es vorliegend, da die Annahme des Berufungsgerichts,
nach § 520 Abs. 3 ZPO fehle es an einem Raum für die Beweisaufnahme, fehlerhaft
sei. Sei - wie hier - die Berufung als
solche zulässig, gelange der gesamte aus der Gerichtsakte ersichtliche
Prozessstoff erster Instand automatisch in die Berufungsinstanz. In erster
Instanz erfolgtes Vorbringen (wenn es nicht zulässig dort zurückgewiesen wurde)
sei von daher, ohne dass es eines erneuten Vorbringens im Berufungsrechtszug
bedürfe, auch Prozessstoff des Berufungsverfahrens.
Das Berufungsgericht müsse alle
konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit
der Tatsachenfeststellungen begründen, berücksichtigen. Dafür sei ausreichend,
dass sich diese Anhaltspunkte aus dem erstinstanzlichen Vortrag der Parteien
ergäben. Dieses erstinstanzliche Übergehen müssen nicht Gegenstand der Rügen im
Rahmen der Berufungsbegründung gewesen sein. Auch ohne Rüge seitens des Berufungsführers
sei das Berufungsgericht bei konkreten Anhaltspunkten für Zweifel an der
Richtigkeit entscheidungserheblicher Feststellungen durch das Erstgericht gem.
§ 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 ZPO gehalten, die Tatsachen (hier durch die
Unterlassene Beweisaufnahme durch Einvernahme der Zeugen) erneut festzustellen,
die der Entscheidung zugrunde zu legen sind.
Das habe nichts mit der Frage zu
tun, welche inhaltlichen Anforderungen (nach § 520 Abs. 3 ZPO) an die Berufungsbegründung
zu stellen seien. Entspräche auch nur eine Rüge diesen Anforderungen, sei in
Bezug auf ein und denselben Streitgegenstand die Berufung zulässig. Sei danach
die Berufung zulässig, sei die Prüfungspflicht des Berufungsgerichts weitergehend
und könne sich nicht auf diese Rüge beschränken, sondern würde die Prüfung im
Hinblick auf sonstige Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und
Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen aufkommen ließen, insgesamt betreffen.
Die Gehörsrüge scheitere hier
auch nicht am Grundsatz der materiellen Subsidiarität, da der Kläger noch in
der Berufungsinstanz sein erstinstanzliches Beweisangebot ausdrücklich wiederholt
habe.
BGH, Beschluss vom 28.04.2020 - VI ZR 347/19 -