Die Beklagte hatte auf ihrem Grundstück mit einer Entfernung von ca. 12m zum Wohnhaus der klagenden Nachbarin. Die von der Beklagten gegründete UG betrieb auf dem Grundstück eine Reitschule. Ein Antrag der Beklagten auf Baugenehmigung wurde im Verwaltungsverfahren als auch im nachfolgenden Klageverfahren abgewiesen. Das Verwaltungsgericht sah in dem Offenstall eine fehlende Rücksichtnahme auf die Interessen der beigeladenen Klägerin, und zwar wegen der Entfernung von ca. 12m zu den Ruheräumen der Klägerin und da die Boxen mit Auslauf zum Wohnhaus der Klägern ausgerichtet seien. Dies wirke auf das benachbarte Wohngrundstück belastend. Das Landgericht verurteilte auf die Klage der Klägerin die Beklagte auf Unterlassung der Pferdehaltung in dem Offenstall. Das OLG sah die Problematik in der Lärmverursachung und beschränkte die Verurteilung auf die Einhaltung der jeweiligen TA Lärm. Dieser Entscheidung folgte der BGH auf die vom OLG zugelassene Revision hin nicht.
Die Beschränkung übergehe den Umstand, dass der Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 iVm. § 906 BGB darauf gerichtet sei, die konkrete Lärmbeeinträchtigung zu unterlassen, bzw. auf ein Ma0 zurückzuführen, welches nicht mehr als wesentliche Beeinträchtigung anzusehen sei. Allerdings würde sich daraus auch noch kein Anspruch auf Unterlassen der Pferdehaltung in dem Offenstall ergeben. Vorliegend sei dieser Anspruch, dass die Beklagte die Haltung ihrer Pferde auf ihrem Grundstück unterlässt, aber aus § 1004 Abs. 1 S. 1 analog iVm. § 823 Abs. 2 BGB und dem öffentlich-rechtlichen Gebot der Rücksichtnahme begründet.
Die Verletzung nachbarschützender Vorschriften des öffentlichen Baurechts würden einen verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch des Nachbarn begründen. Zu diesen Normen würde das Gebot der Rücksichtnahme zählen, wie es z.B. seine Ausprägung in den Normen des § 34 Abs. 1 BauGB (des „Einfügens“) oder des § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB (der „schädlichen Umwelteinwirkungen“) gefunden habe. Im Falle eines solchen Verstoßes bedürfe es für den Unterlassungsanspruch keiner weitergehenden Beeinträchtigung des Nachbarn. Schutzgesetze iSd. § 823 Abs. 2 BGB würden den Schutz des Nachbarn vorverlagern und nicht an einen Verletzungserfolg anknüpfen.
Die bestandskräftige Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Versagung der Baugenehmigung habe auch Bindungswirkung für den Rechtsstreit der Klägerin gegen die beklagte zur Frage, ob gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßen wurde. Damit sei dies im Zivilverfahren nicht gesondert zu prüfen. Das Urteil binde nach § 121 Nr. 1 VwGO die beteiligten, zu denen nach § 63 Nr. 3 VwGO auch Beigeladene (hier die Klägerin) zähle. Die materielle Rechtskraft binde auch andere Gerichte, mithin auch die Zivilgerichte. Nach den mit der Entscheidung in Rechtskraft erwachsenen tragenden Gründen derselben stünde die materielle Baurechtswidrigkeit des Offenstalls fest.
BGH, Urteil vom 27.11.2020 -
V ZR 121/19 -